L 6 U 3951/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1121/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3951/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. August 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Feststellung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit aufgrund der Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls vom 20. Oktober 2008.

Der 1965 geborene Kläger war bis 2010 als Eisenbahnzugführer gesetzlich unfallversichert beschäftigt. Am 20. Oktober 2008 rutschte er im Rahmen dieser Tätigkeit beim Aussteigen aus dem R.-Shuttle aus, hielt sich an der Haltestange fest und verdrehte sich dabei das rechte Handgelenk. Infolgedessen kam es zu einer Distorsion des rechten Handgelenks mit Riss des Diskus triangularis (Knorpelplatte im Bereich des kleinen fingerseitigen Handgelenks). Die am 23. Oktober 2008 angefertigte Magnetresonanztomographie (MRT) ergab neben einem deutlichen Erguss des distalen Radioulnargelenks und einer kompletten Ruptur des Diskus triangularis ein inhomogenes Knochensignal des Os lunatum (Mondbeins), am ehesten ein atypisches Erscheinungsbild einer Lunatummalazie (schrittweises Absterben - Nekrose - des Mondbeins).

Der Riss des Diskus triangularis wurde am 5. November 2008 durch arthroskopische Teilentfernung im O.-Klinikum behandelt. Bereits bei der Nachuntersuchung vom 11. Dezember 2008 fanden sich Hinweise auf das Vorliegen eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms (neurologischer Befundbericht Dr. A. vom 16. Dezember 2008). Die Vorstellung des Klägers in der Schmerzambulanz vom 7. Januar 2009 führte zu der Feststellung, dass das Schmerzsyndrom durch Ergo-, Physiotherapie und Lymphdrainagen erheblich gebessert sei, die laufende medikamentöse Therapie bestehe mit Novalgin. Beweglichkeit und grobe Kraft der rechten Hand seien fast nicht eingeschränkt, Daumen-/Fingergriffe seien uneingeschränkt durchführbar gewesen, der Kläger habe indessen über eine Berührungsempfindlichkeit und Missempfindung im Bereich des distalen radialen Unterarms rechts berichtet (Bericht Dr. V., Facharzt für Anästhesie). Am 5. März 2009 stellte sich der Kläger in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (im Folgenden: BG-Klinik) wegen stärkster Schmerzen mit Ausstrahlen in den rechten Oberarm und das Schultergelenk vor. Die kernspintomographische Untersuchung ergab indessen, dass ein Bandscheibenvorfall HWK 5/6 vorlag, der für die Schmerzen verantwortlich gemacht wurde (Bericht Prof. Dr. R. vom 9. März 2009 über eine Vorstellung bei ihm am 6. März 2009).

Vom 26. Februar bis 5. März 2009 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der BG-Klinik. Dabei wurde festgestellt, dass für die geschilderten Schulterschmerzen die Enge im Bereich der Neuroforamina C 5 und C 6 verantwortlich sei, der Kläger wurde deswegen mit Krankengymnastik, Wärmeanwendungen und antiphlogistische Medikation therapiert. Die Maßnahmen gingen nicht zulasten der BG.

Die Kontrolluntersuchung vom 30. April 2009 in der BG-Klinik ergab, dass aus handchirurgischer Sicht keine weitere Behandlung als indiziert gelte und die Vollbelastung des Handgelenks empfohlen werde. Derzeit werde auch keine Schmerzmedikation mehr eingenommen, zuletzt habe der Kläger nur noch über fortbestehende Schwellungszustände im Bereich der Hand und des Unterarms berichtet. Der Betriebsarzt Dr. Z. erachtete dennoch im Hinblick auf den verzögerten Heilungsverlauf durch den Bandscheibenvorfall eine stufenweise Wiedereingliederung zum 18. Juni 2009 nicht für gegeben (Bericht vom 15. Mai 2009).

Ab dem 10. August 2009 begann der Kläger schließlich mit einer Arbeits- und Belastungserprobung und war dann ab 7. September 2009 arbeitsfähig (Bericht der Berufshilfe/Heilverfahren, Bl. 186, 191 V-Akte).

Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin unfallchirurgisch begutachten. Prof. Dr. Ve. kam aufgrund der Untersuchung vom 17. Dezember 2009 zu dem Ergebnis, dass sich als Unfallfolge zu dem traumatischen Riss des Diskus ulnaris rechts ein posttraumatisches CRPS entwickelt habe, welches auch zum Untersuchungszeitpunkt nicht folgenlos ausgeheilt und auf den Unfall zurückzuführen sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 20 vom Hundert (v. H.). Gestützt hierauf bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19. April 2010 eine Rente als vorläufige Entschädigung aufgrund des Versicherungsfalls vom 20. Oktober 2008 beginnend ab 7. September 2009 nach einer MdE von 20 v. H. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16. September 2010).

Am 2. Oktober 2010 wurde der Kläger von Prof. Dr. R. begutachtet, der bei freier Handfunktion, aber eingeschränkter Handgelenksbeweglichkeit, einer Kraftminderung der rechten Hand um 48 Prozent und einem Schmerzsyndrom des rechten Handgelenks eine MdE von 30 v. H. für gerechtfertigt erachtete.

In dem anschließenden Gerichtsverfahren beim Sozialgericht Freiburg (SG) einigten die Beteiligten dahingehend, dass im Hinblick auf die anstehende Entscheidung über eine Rente auf unbestimmte Zeit dem Kläger vorläufig eine Rente nach einer MdE um 25 v. H. ab 07.09.2009 bis auf Weiteres gewährt werde (S 9 U 5363/10).

Danach ließ die Beklagte den Kläger neurologisch und erneut unfallchirurgisch begutachten. Chirurgischerseits kam Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 5. Juli 2011 zu dem Ergebnis, dass die Hautverhältnisse an den oberen Extremitäten zwar unauffällig seien, insbesondere keine trophischen Störungen bestünden, auch sei die Beschwielung seitengleich. Sämtliche Bewegungen würden aber schmerzhaft durchgeführt. Der Faustschluss gelinge vollständig, auch die Streckung der Finger komplett, die Umfangsmaße zeigten nur geringe Seitendifferenzen. Die grobe Kraft beim gekreuzten Händedruck sei rechts deutlich schwächer als links. Die Sensibilität werde im Bereich des Handrückens als pelzig angegeben. Die Handgelenksbeweglichkeit für Extension/Flexion rechts betrage 40-0-10 Grad, links 50-0-50 Grad, Seitwärtsbewegungen speichenwärts/ellenwärts rechts 10-0-10 Grad, links 20-0-30 Grad. Eine MdE um 25 v. H. sei weiterhin und auf Dauer im Hinblick auf die schmerzhafte Bewegungseinschränkungen des rechten Handgelenks, die Schwellneigung der rechten Hand und die deutliche Kraftminderung gerechtfertigt. Nach zweimaliger Terminabsage wurde der Kläger am 18. August 2011 neurologisch durch Dr. B. begutachtet, der keine messbare MdE und auch keine neurologische Schmerzursache feststellen konnte. Der Kläger habe zwar über eine anhaltende Schmerzsymptomatik berichtet und die Untersuchung sei auch wegen einer heftigen Schmerzreaktion erschwert gewesen. Indessen sei die spontane Greiffunktion - z. B. Tür öffnen und schließen - bei Beobachtung der spontanen Motorik nicht beeinträchtigt gewesen. Pathologische Reflexe hätten ebenso wenig vorgelegen wie eine isolierte Atrophie der Oberarme, Unterarme oder Hände. Beim Faustschluss habe kein Beugedefizit in den Langfingern und keine Seitendifferenz in den Belastungszeichen der Handvola imponiert. Der Kläger sei mittlerweile als Sekretär in der Hauptverwaltung der Gewerkschaft Verdi beschäftigt und habe seine ursprüngliche Arbeit aufgegeben.

Dr. F. führte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme aus, aus den Gutachten ergäben sich keine Anhaltspunkte für einen Mindergebrauch der rechten Hand, ein CRPS liege sicherlich nicht vor, so dass aus funktionellen Erwägungen die MdE insgesamt nur 10 v. H. betrage. Gestützt hierauf entzog die Beklagte nach vorangegangener Anhörung (Schreiben vom 22. September 2011) mit Bescheid vom 5. Oktober 2011 die bisher gewährte Rente als vorläufige Entschädigung mit Ablauf des Monats Oktober 2011 und lehnte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit ab. Ferner stellte sie fest, dass sowohl der Zustand nach Bandscheibenvorfall C 5/6 wie die radiologischen Veränderungen im Mondbein rechts und beklagten Sensibilitätsstörungen im Bereich des handgelenknahen Unterarms rechts keine Unfallfolgen seien.

Zur Begründung seines Widerspruchs legte der Kläger einen Bericht des Klinikums Ch. vom 8. Dezember 2011 vor, wonach er über anhaltende Schmerzen beim Heben und Tragen schwerer Lasten berichtet habe, indessen liege eine nahezu seitengleich ausgebildete Muskulatur vor, lediglich im Bereich der Unterarme zeige sich eine minimale Rechtsbetonung. Ferner bestehe eine diskrete Rechtsbetonung der Handflächen-Beschwielung. Hinsichtlich der Kraftmessung zeige sich nach der klinischen und radiologischen Untersuchung vom 29. November 2011 nur ein minimaler Unterschied. Es würden auch keine sensiblen oder motorischen Ausfälle an beiden Armen angegeben, ebenfalls nicht mehr über Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule berichtet. Dr. F. kam in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass eine rentenberechtigende MdE nach wie vor nicht vorliege, insbesondere zeige die Kraft und Beschwielung, dass die Hand vollständig eingesetzt werde und kein Hinweis für ein wesentliches Kraftdefizit oder ein CRPS bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2012 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 5. März 2012 erneut Klage beim SG erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat, es bestehe eine unveränderte unfallbedingte MdE, was auch der Gutachter Dr. Sch. festgestellt habe.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG den Kläger bei dem Handchirurgen Dr. L. begutachten lassen. Dieser ist aufgrund der Untersuchung vom 13. August 2012 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Befunde keine MdE in Höhe von 20 v. H. oder darüber hinaus rechtfertigten. Denn bei der seitenvergleichenden Umfangsmessung ergebe sich keine Atrophie der Ober- oder Unterarm- sowie der Handmuskulatur, die für eine Schonung bzw. einen verminderten Krafteinsatz der rechten Hand bzw. des rechten Armes spreche. Dies werde durch die seitenvergleichende Röntgenuntersuchung beider Hände bestätigt, die keinerlei Unterschiede im Kalksalzgehalt der Hände und Handgelenke erkennbar mache, was ebenfalls eindeutig einen guten Krafteinsatz der rechten Hand belege, denn ansonsten müsse eine Minderung des Kalksalzgehaltes zu verzeichnen sein. Auch die Überprüfung der Beweglichkeit beider Hände habe eine im Seitenvergleich normale Beweglichkeit ergeben, so dass aufgrund der guten Funktion der rechten Hand die entwickelte sympathische Reflexdystrophie nahezu folgenlos ausgeheilt sei. Motorische oder sensible Ausfälle hätten nicht imponiert. Die Beweglichkeit des rechten Handgelenkes sei gegenüber der gesunden linken Seite in allen Ebenen eingeschränkt, nach streckseitig um 25 Grad, nach beugeseitig um 40 Grad, nach ellenseitig um 25 Grad und nach speichenseitig um 10 Grad. Auch die Kraftminderung der rechten Hand betrage zwei Drittel. Allein das Torsionstrauma des rechten Handgelenks mit Verletzung des Discus triangularis sei unmittelbare Unfallfolge.

Nachdem der Kläger bemängelt hat, dass eine erforderliche CT-Untersuchung unterblieben sei, hat Dr. L. ausgeführt, die Verletzung des rechten Handgelenks sei mittels MRT- und arthroskopischer Untersuchung gesichert worden. Zur Diagnostik einer Diskusläsion sei die geforderte CT-Untersuchung nicht hilfreich, denn zur Abklärung einer Weichteilverletzung werde in aller Regel eine kernspintomographische Untersuchung herangezogen. Nachdem die letzte Untersuchung dieser Art am 14. Oktober 2010 erfolgt sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass es danach zu einer wesentlichen richtungsweisenden Befundänderung gekommen sei. Zur Verlaufsbeobachtung einer sympathischen Reflexdystrophie (Morbus Sudeck) reichten das klinische Untersuchungsergebnis und eine seitenvergleichende Röntgenaufnahme beider Hände auf einer Platte aus, die geforderte Untersuchung sei somit nicht notwendig.

Nach vorangegangener Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13. August 2015 mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe zutreffend mit Ablauf von drei Jahren seit dem verfahrensgegenständlichen Arbeitsunfall entschieden, dass die Folgen keine MdE um 20 v. H. oder mehr bedingten. Dies habe zuletzt das Sachverständigengutachten des Dr. L. bestätigt, nämlich dass keine MdE-relevante Einschränkung der Beweglichkeit der rechten Hand mehr bestehe. Zudem deuteten sämtliche Untersuchungen darauf hin, dass die rechte Hand tatsächlich eingesetzt werde. Demgegenüber sehe eine 25-prozentige MdE eine komplette Versteifung des Handgelenks in Neutralstellung vor. Der Kläger möge zwar durchaus durch die beschriebenen belastungsabhängigen Schmerzen und Missempfindungen noch beeinträchtigt sein. Dennoch sei er gegenüber den Unfallfolgezuständen, die eine höhere MdE begründeten, nach wie vor besser gestellt. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen. Die Sensibilitätsstörungen hätten nicht objektiviert werden können, insbesondere habe der Gutachter Dr. B. keine neurologische Ursache hierfür festgestellt. Das bei der Kernspintomographie vom 23. Oktober 2008 erkannte inhomogene Knochensignal des Mondbeins sei in allen fachärztlichen Gutachten als unfallunabhängiger Nebenbefund gewertet worden, so dass nicht hinreichend wahrscheinlich sei, dass diese Veränderung ursächlich auf den verfahrensgegenständlichen Arbeitsunfall zurückgeführt werden könne.

Gegen den am 17. August 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17. September 2015 Berufung mit der Begründung eingelegt, er leide weiterhin unter Schmerzen im Handgelenk, diese seien bewegungsabhängig. Insbesondere könne er nicht greifen oder tragen. Er könne auch nicht mehr als Triebfahrzeugführer arbeiten, da durch die Einnahme der Schmerzmittel die Fahrtüchtigkeit stark eingeschränkt sei. Das Bedienen des Triebfahrzeugs erfolge ausschließlich mit der rechten Hand bzw. mit dem rechten Arm. Es gebe auch keine Möglichkeiten, diese Bedienungseinrichtungen leidensgerecht dahingehend umzubauen, dass sie auch mit links erfolgen könnten. Er habe deswegen seinen Beruf aufgeben müssen. Seine Ausbildung zum Triebfahrzeugführer stelle einen Spezialberuf dar, da er die Ausbildung und Zulassung für das deutsche wie auch das französische Bahnnetz gehabt habe, was eine jährlich erneuerte Fahreignungsprüfung voraussetze.

Der Kläger beantragt,

des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Freiburg vom 13. August 2015 aufzuheben und den Bescheid vom 5. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2012 teilweise aufzuheben sowie festzustellen, dass auch die radiologische Veränderung im Mondbein sowie die Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten handgelenksnahen Unterarms Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Oktober 2008 sind, und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen dieses Ereignisses Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 vom Hundert ab November 2011 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie erachtet das Berufungsbegehren für nicht begründet.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers ist der Kläger nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Dr. S. am 22. April 2016 begutachtet worden. Der Sachverständige hat dargelegt, der Kläger habe berichtet, dass er die rechte Hand nur kurzzeitig belasten könne, so z. B. nicht mehr länger bohren, Fliesen legen oder andere Arbeiten verrichten, spätestens nach zwei Stunden gehe gar nichts mehr. Er sei auch bei Arbeiten in verschiedensten Tätigkeiten in seinem von den Eltern geerbten Haus und dem Grundstück stark gehandicapt. Bei längeren Autofahrten komme es zu zunehmenden Schmerzen, so z. B. wenn er von Ch. bis Baden-Württemberg durchfahre. Als Mitarbeiter bei der Gewerkschaft Verdi sei er jedoch auf längere Autofahrten angewiesen. Private Freizeitaktivitäten und Hobbys wie Motorradfahren, Gitarre und Schlagzeug spielen habe er aufgeben müssen bzw. diese seien nur noch kurzzeitig und stark eingeschränkt möglich. Dies gelte auch für sportliche Aktivitäten wie Ski- und Radfahren oder Bowling spielen. Seine Handschmerzen habe er auf einer Skala bis 10 bei 6 eingestuft. Gelegentlich nehme er Schmerzmedikamente ein, dies komme etwa ein- bis zweimal wöchentlich vor. Im Bereich beider Hände und Arme seien keine Muskelatrophien erkennbar, die Papillarlinien der Fingerkuppen seien ebenfalls seitengleich und gut ausgeprägt. Ein vollständiger Faustschluss beiderseits sei möglich, rechts jedoch mit Kraftminderung. Die Röntgenaufnahme habe erneut einen regelrechten Kalksalzgehalt der Knochen beidseits ohne signifikanten Unterschied oder Arthrose-Zeichen ergeben. Die verbliebene Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk sowie bei Unterarmdrehbewegungen mit Kraftminderung und Einschränkung der feinmotorischen Beweglichkeit wie die belastungsabhängigen Schmerzen nach durchlittenem CRPS begründeten in Übereinstimmung mit Dr. L. eine MdE von 25 v. H. Pathologische Veränderungen am Mondbein hätten nicht festgestellt werden können, insbesondere sei es nicht zu einer Mondbeinnekrose gekommen. Die beklagten Sensibilitätsstörungen im körperfernen Anteil des rechten Unterarmes und der Hand ließen sich nur schwer ursächlich einordnen, da eindeutige Paresen oder Muskelatrophien fehlten und die vermeintliche Berührungsempfindlichkeit der Haut eher unspezifisch sei, die Hand auch keine Zeichen eines Endstadiums nach durchlittenem klassischen CRPS biete. Insgesamt käme er aber zu dem Ergebnis, dass der Verursachungsanteil des Unfalls die wesentliche Teil-/Mitursache für die Schmerzen darstelle, wenngleich die radiologischen Veränderungen im Mondbein rechts zu vernachlässigen seien.

Auf den Hinweis des Senats, dass der gerichtliche Vorgutachter von einer MdE unter 20 v. H. ausgegangen sei und der Sachverständige sich damit in Übereinstimmung sehe, hat der Gutachter am 13. Juni 2016 ergänzend ausgeführt, er stimme zwar im Wesentlichen mit dem Gutachten von Dr. L. überein, schätze die MdE aber exakt auf 20 v. H., wobei auch die besondere berufliche Betroffenheit berücksichtigt werden müsse, da der Kläger zuletzt einen Spezialberuf ausgeübt habe.

Die Beklagte ist dem Gutachten entgegengetreten und hat ergänzend darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen einer besonderen beruflichen Betroffenheit bei dem Kläger nicht vorlägen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogene Verwaltungsakte und die Akte S 9 U 5363/10 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens ist der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 13. August 2015, mit dem die als jeweils kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) sowie Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 5. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2012 die Feststellungen der radiologischen Veränderung im Mondbein sowie der Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten handgelenksnahen Unterarms als Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Oktober 2008 und die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente auf Dauer wegen dieses Versicherungsfalls begehrte, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf die vorliegenden Klagearten der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34 und § 55 Rz. 21.

Die Berufung ist jedenfalls mangels Begründetheit der Klagebegehren unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der radiologischen Veränderung im Mondbein, welche mangels möglicher Einordnung in einer der gängigen Diagnosesysteme ohnehin nicht als Folge eines Versicherungsfalls anerkannt werden kann (vgl. Urteil des Senats vom 28. Juli 2016 - L 6 U 1013/15 -, juris, Rz. 74), sowie der Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten handgelenksnahen Unterarms als Folge des mit Bescheid vom 5. Oktober 2011 anerkannten Arbeitsunfalls vom 20. Oktober 2008.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Feststellungsanspruch des Klägers ist § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII; BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 (277)). Der Anspruch besteht, wenn ein Gesundheitsschaden durch das Unfallereignis oder einen Gesundheitserstschaden dieses Versicherungsfalls (unmittelbare Unfallfolge) oder infolge der Erfüllung eines Tatbestandes des § 11 SGB VII als mittelbare Unfallfolge rechtlich wesentlich verursacht worden ist. Der Gesundheitsschaden muss sicher, also im Vollbeweis, feststehen und durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18, Urteile des Senats vom 26. November 2015 - L 6 U 50/15 -, juris, Rz. 48 m. w. N. und 17. März 2016 - L 6 U 4796/13 -, juris, Rz. 37).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale "Unfallereignis" und "Gesundheitsschaden" der haftungsausfüllenden Kausalität bei unmittelbaren Unfallfolgen oder die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 11 SGB VII erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43, Rz. 17).

Die Zurechnung als unmittelbare Unfallfolge setzt voraus, dass die versicherte Einwirkung aufgrund eines sicher feststehenden Unfallereignisses den Gesundheitsschaden objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (vgl. dazu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 38 mit 31 ff.).

Voraussetzung für die Zurechnung ist daher zunächst, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-) Ursachen, objektiv (mit-)verursacht hat. Für Einbußen der Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-) Ursache sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ("conditio sine qua non"). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der "Conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, darüber hinaus in seiner besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-)Ursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.

Ob die versicherte Verrichtung eine (Wirk-)Ursache für die festgestellte Einwirkung und die Einwirkung eine (Wirk-)Ursache für den Gesundheitserstschaden (oder den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht ("ex post") nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 61 ff.).

Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln von Verletzten, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht, zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Als objektives Handeln der Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder den Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder im Sinne von § 11 SGB VII, der für die zweite Prüfungsstufe andere Zurechnungsgründe als die Wesentlichkeit regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie etwa auch zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 31).

Erst wenn die Verrichtung, die möglicherweise dadurch verursachte Einwirkung und der möglicherweise dadurch verursachte Gesundheitsschaden festgestellt sind, kann und darf auf der ersten Prüfungsstufe der Zurechnung, also der objektiven Verursachung, über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung zwischen der Verrichtung und der Einwirkung mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper von Versicherten war (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 32).

Zweitens muss der letztlich durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 33).

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage, ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, also wesentlich, war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 34). Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 16/11 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 21, Rz. 21 ff.). Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 37).

Diese Voraussetzungen müssen für jede einzelne Gesundheitsstörung erfüllt sein. Eine solche ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht worden ist, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden, die infolge ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 39).

Ein Anspruch auf Feststellungen der radiologische Veränderung im Mondbein sowie die Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten handgelenksnahen Unterarms als Unfallfolge besteht nach diesen Maßstäben nicht.

Das am 23. Oktober 2008 im MRT sichtbare inhomogene Knochensignal des Os lunatum wurde damals als atypisches Erscheinungsbild einer Lunatummalazie, d. h. eines schrittweisen Absterbens des Mondbeins gewertet, welches naturgemäß nicht durch ein drei Tage zuvor stattgehabtes Unfallereignis verursacht sein kann. Dessen ungeachtet hat bereits die letzte MRT-Untersuchung des Handgelenks rechts vom 14. Oktober 2010 (Bl. 250 f. V-Akte) keine Hinweiszeichen im Sinne einer Reflexdystrophie bzw. einer Mondbeinnekrose mehr ergeben. Es liegt also insofern keine Funktionseinschränkung mehr vor, die als Unfallfolge festgestellt werden könnte. Dies korreliert mit den aktuellen röntgenologischen Untersuchungen von Dr. L. wie zuletzt von Dr. S., die jeweils keinen Anhalt für eine Mondbeinnekrose ergeben haben, so dass die Schlussfolgerung beider gerichtlicher Sachverständiger, dass insoweit keine Unfallfolge vorliegt, auch zur Überzeugung des Senats zutreffend ist.

Soweit allein Dr. S. die beklagten Sensibilitätsstörungen im Bereich des handgelenksnahen Unterarmes rechts auf den Arbeitsunfall zurückführt, so ist eine solche Unfallfolge nicht im Vollbeweis nachgewiesen, was nach den obigen Ausführungen aber erforderlich ist. Der Sachverständige Dr. S. hat selbst dargelegt, dass die Sensibilitätsstörungen, die bei seiner Untersuchung vom Kläger beklagt wurden, sich nur schwer einordnen lassen, da eindeutige Paresen oder Muskelatrophien fehlen und auch die vermeintliche Berührungsempfindlichkeit der Haut eher unspezifisch ist, zumal Sensibilitätsstörungen der einzelnen Fingerspitzen nicht objektiviert wurden. Weiter fehlen Zeichen eines Endstadiums nach durchlittenem klassischem Morbus Sudeck (CRPS), deswegen ist er zuletzt zu der Diagnostik eines chronischen Schmerzes gelangt. Dabei hat er aber nicht beachtet, dass erhebliche Zweifel an dieser Diagnose schon deswegen begründet sind, weil der Kläger in Anbetracht der nicht erkennbaren Muskelatrophien im Bereich beider Hände und Arme diese tatsächlich einsetzt, also nicht durch Schmerz limitiert sein kann. Darauf hat bereits der Sachverständige Dr. L. verwiesen, der in Anbetracht der seitenvergleichenden Umfangsmessungen als objektive Messwerte auch für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt ist, dass keine Anhaltspunkte für eine Schonung oder einen verminderten Krafteinsatz der rechten Hand bzw. des rechten Armes vorliegen. Dies wurde auch durch seine seitenvergleichende Röntgenuntersuchung belegt, die keinerlei Unterschiede im Kalksalzgehalt der Hände und Handgelenke zeigte, was ebenfalls den guten Krafteinsatz der rechten Hand belegt und schließlich auch durch die Beweglichkeit beider Hände, die im Seitenvergleich normal waren, bestätigt wird. Somit ist die Einschätzung von Dr. L., dass seitens der Schmerzerkrankung kein Dauerzustand eingetreten ist, nachvollziehbar. Dies wird im Weiteren dadurch belegt, dass der Kläger weder eine Schmerztherapie durchgeführt hat noch ständig auf die Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen ist, sondern nur gelegentlich bedarfsweise einnimmt.

Ein Anspruch auf die begehrte Bewilligung von Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 20. Oktober 2008 besteht ebenfalls nicht.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung ist § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII - (in diesem Sinne BSG, Urteile vom 16. März 2010 - B 2 U 2/09 R -, SozR 4-200 § 62 Nr. 1, Rz. 12 und vom 19. Dezember 2013 - B 2 U 1/13 R-, SozR 4-2700 § 62 Nr. 2, Rz. 10). Danach kann bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht wesentlich geändert haben. Diese Ermächtigung befugt den Unfallversicherungsträger dazu, über das Recht des Versicherten auf Dauerrente ohne Bindung an den Regelungsgehalt der vorläufigen Anspruchsstellung erstmals, gegebenenfalls unter deren Aufhebung, zu entscheiden (BSG, Urteil vom 16. März 2010, a.a.O., Rz. 15).

Die Ablehnung einer Dauerrente bzw. einer Rente auf unbestimmte Zeit ab November 2011 ist rechtmäßig. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente nach § 56 SGB VII ab diesem Zeitpunkt.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Rentengewährung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier eines Arbeitsunfalls - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren (§ 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII). Wenn, wie vorliegend, ein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, werden gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem dieser Anspruch endet.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, BSGE 93, 63).

Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der Arbeitsunfall beim Kläger eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat, entweder durch einen unfallbedingten Gesundheitserst- oder einen damit im Ursachenzusammenhang stehenden Gesundheitsfolgeschaden. Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen konkret zu bezeichnende Krankheiten (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196) die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben haben die Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Oktober 2008 nicht über die 26. Woche hinaus zu einer MdE von mindestens 20 v. H. geführt, wie es vorliegend mangels eines vom Kläger angeführten noch sonst ersichtlichen Stützrententatbestandes im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII Voraussetzung für einen Anspruch auf Gewährung einer Rente ist.

Der Senat stützt sich insoweit insbesondere auf das Gutachten von Dr. L. wie das im Wege des Urkundsbeweises verwertbare Gutachten von Dr. B. und den Entlassungsbericht des Klinikums Ch. vom 8. Dezember 2011, wohingegen die abweichende Einschätzung von Dr. Sch. wie von Dr. S. ohne Anhalt für einen Mindergebrauch und damit tatsächliche Funktionseinbußen nicht überzeugend war: Letztere allein schon deswegen, weil sich der Sachverständige in Übereinstimmung mit Dr. L. gesehen hat, obwohl er von dessen Bewertung abgewichen ist und letztendlich zu dem gewünschten Ergebnis nur durch Einbeziehung einer besonderer beruflicher Betroffenheit gelangt ist, was aber keine medizinische Fragestellung ist und zuvor – zutreffender Weise - nie thematisiert wurde.

Danach ist die verbliebene Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk als Folge einer Luxation der oberen Extremität (ICD-10 T 92.3 GR) mit Kraftminderung und Einschränkung der feinmotorischen Beweglichkeit seit dem 20. Oktober mit einer MdE unter 20 v. H. zu bewerten. Eine höhere, insbesondere die vom Kläger begehrte von 25 v. H., ist nur bei einer Handgelenksversteifung in Neutralstellung oder eine Einschränkung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 80 Grad vorstellbar (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall- und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 581). Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger ganz unzweifelhaft nicht vor, weswegen der Senat der abweichenden Einschätzung des Dr. Sch. wie des Dr. S. nicht folgen konnte, zumal letzterer seine abweichende Einschätzung mit den - nicht nachgewiesenen - Schmerzen wie einer besonderen beruflichen Betroffenheit begründet hat. Der Senat hat hierbei die eigenen Einlassungen des Klägers berücksichtigt, nämlich dass er sich eben zu schweren handbelastenden Tätigkeiten wie Bohren, Fliesenlegen etc. in der Lage sieht, auch die Strecke von Ch. bis Baden-Württemberg, wenn auch mit Schwierigkeiten, mit dem Auto zurücklegen kann, was er dem Gutachten des Dr. S. entnimmt. Dem Moment, dass er diese Tätigkeiten nach eigenen Angaben nicht mehr lange ausüben kann, wird durch eine MdE unter 20 v. H. ausreichend Rechnung getragen.

Schließlich scheidet eine Erhöhung der MdE nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGG VII wegen besonderer beruflicher Betroffenheit zur Vermeidung unbilliger Härten, wie sie der Kläger im Berufungsverfahren begehrt hat, aus. Denn eine solche kann nur bei Versicherten vorliegen, die einen sehr spezifischen Beruf in einem relativ engen Bereich ausüben, der außerdem besondere Fähigkeiten voraussetzt, die durch den Unfall oder die Berufskrankheit beeinträchtigt worden sind (Urteil des Senats vom 26. März 2015 - L 6 U 3485/13 -, juris, Rz. 38). Diese Voraussetzungen sind zwar in erheblichem Maße bei Handverletzungen gegeben, aber nur in qualifizierten Berufen wie dem des Bergmanns, des Goldschmieds, des Ofensetzers, des Landwirts oder des Geigers (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 577). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 5. Dezember 2006 - B 2 U 25/04 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 2, juris, Rz. 18, 19) schränkt die Vorschrift den Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung nicht ein, denn das widerspricht der Systematik des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. zuletzt auch Thüringer LSG, Urteil vom 12. Juni 2014 - L 1 U 1582/11 -, juris, Rz. 25). Daher begründet ein hoher Erwerbsschaden allein nicht die Anwendung, etwa entsprechend den Grundsätzen des § 30 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Die Regelung ist vielmehr eine Härteklausel für Fälle, in denen Versicherte ihre verbliebenen Fähigkeiten nur unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs verwerten können. Die unfallbedingte Aufgabe des erlernten Berufs selbst vermag nach der Rechtsprechung des BSG ebenso wenig eine Erhöhung der MdE zu begründen wie der Umstand, dass erst unter Heranziehung der Erhöhungsvorschrift ein Anspruch auf Verletztenrente ermöglicht werden kann (BSG, Urteil vom 27. September 1968 - 2 RU 149/66 - BSGE 28, 227). Voraussetzung ist vielmehr ein sehr spezifischer Beruf mit einem relativ engen Bereich. Die Ausübung muss aufgrund der Dauer oder Intensität oder aufgrund besonderer Begabung nicht nur ein spezielles Fachwissen, sondern auch spezifische Fähigkeiten oder Fertigkeiten vermittelt haben, welche die Stellung im Erwerbsleben wesentlich begünstigt haben. Hierin muss den Versicherten infolge der Aufgabe oder erheblicher Einschränkung dieser Tätigkeit ein beträchtlicher Nachteil treffen, und zwar in finanziell-wirtschaftlicher Hinsicht, wobei erst künftig eintretende Schäden unbeachtlich sind (Kasseler Kommentar/Ricke, Stand Mai 2014, Rz. 28 ff. zu § 56 SGB VII m. w. N.). Ausgehend hiervon hat der Kläger keine stark spezialisierte Ausbildung absolviert und deswegen auch keine besondere herausgehobene berufliche Stellung mit einem entsprechenden Einkommen innegehabt, sondern war normaler Zugführer. Bei ihm liegen daher die besonderen Voraussetzungen einer besonderen beruflichen Betroffenheit nicht vor, worauf auch die Beklagte zutreffend verwiesen hat.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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