Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 405/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 816/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Zustimmung einer Krankenkasse nach § 13 Abs. 2 Satz 6 SGB V zu einer tagesklinischen Behandlung einer Versicherten kann vom Gericht im Rahmen einer einstweiligen Anordnung ersetzt werden. Die Ersetzung kann unter Auflagen oder Bedingungen ausgesprochen werden.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 16.02.2017 aufgehoben und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, die Kosten für eine teilstationäre psychiatrische Therapie der Antragstellerin im Familientherapeutischen Zentrum N. zu übernehmen höchstens in Höhe der Vergütung, die bei Erbringung als Sachleistung angefallen wäre und unter der Bedingung, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin durch Vorlage einer Erklärung des Jugendhilfeträgers nachweist, dass die Kosten für die Unterbringung der Antragstellerin und ihres Sohnes M. in einer geeigneten Einrichtung für die Dauer der Behandlung in N. durch diesen übernommen werden. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für eine teilstationäre psychiatrische Therapie im Familientherapeutischen Zentrum N ...
Die am 24.05.1996 geborene Antragstellerin ist serbische Staatsangehörige und Mutter des am 02.05.2014 geborenen M. A. M ... Sie ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Die Antragstellerin war zunächst Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge ihres Sohnes. Nachdem M. am 31.03.2016 durch das Jugendamt H. in Obhut genommen worden war, regte dieses eine familiengerichtliche Regelung im Wege der einstweiligen Anordnung an, da die Antragstellerin der Inobhutnahme und dem Aufenthalt des Kindes in einer Pflegestelle nicht mehr zustimmte. Mit Beschluss vom 24.06.2016 (36 F 96/16) beschloss das Amtsgericht (AG) H. – Familiengericht die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, des Rechts zur Beantragung von Hilfe zur Erziehung und des Rechts der Gesundheitsfürsorge der Antragstellerin für M. und ordnete insoweit eine Ergänzungspflegschaft an unter Übertragung der entzogenen Rechte auf das Jugendamt der Stadt H ...
Vom 15. bis 29.06.2016 wurde die Antragstellerin stationär behandelt wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer mittelgradigen depressiven Episode und einer emotional instabilen Persönlichkeit. Vom Zentrum für Psychosoziale Medizin der Universitätsklinik H. wurde eine gemeinsame Behandlung der Antragstellerin mit ihrem Sohn für dringend indiziert gehalten, zB im Familientherapeutischen Zentrum N ... Dieses bestätigte nach einem Vorgespräch mit Schreiben vom 14.07.2016, dass die Antragstellerin dort eine teilstationäre Therapie mit ihrem Sohn als Begleitperson zeitnah nach Erfolgen der Kostenzusage beginnen könne.
Am 10.10.2016 beantragte die Antragstellerin anwaltlich vertreten unter Hinweis auf § 13 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) die Kostenübernahme der geplanten Therapie im Familientherapeutischen Zentrum N., alternativ die Benennung einer kassenzugelassenen Klinik. Bisherige Bemühungen seien insoweit erfolglos geblieben. Das Psychiatrische Zentrum N. habe Wartezeiten von neun Monaten, die V.-Klinik H. behandele nur hessische Patienten und die Universitätsklinik H. nur Kinder bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres. Es bestehe Eilbedürftigkeit wegen des anstehenden Gerichtsverfahrens zum endgültigen Verbleib des Sohnes in einer Pflegefamilie.
Mit Bescheid vom 07.11.2016 lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme ab, da es sich beim Familientherapeutischen Zentrum N. nicht um ein zugelassenes Krankenhaus handele. Als zugelassene Kliniken würden benannt die H.-Klinik in W. und das Universitätsklinikum H ...
Mit ihrem Widerspruch vom 30.11.2016 verwies die Antragstellerin darauf, dass die benannten Alternativen aus bekannten Gründen nicht in Betracht kämen. Die H.-Klinik nehme nur Familien auf, die in einem gemeinsamen Haushalt wohnten, was bei der Antragstellerin nicht der Fall sei. Ergänzend legte die Antragstellerin die im Auftrag des AG H. erstellte psychologische Stellungnahme von Dipl-Psych H. vom 10.01.2017 vor, in welcher ausgeführt wurde, vor Rückführung des Kindes in den Haushalt der Mutter sollten die näher genannten Einschränkungen in der Erziehungseignung der Mutter therapeutisch bearbeitet werden. Die tagesklinische Behandlung im Familientherapeutischen Zentrum N. wurde befürwortet.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Antragsgegnerin ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. In dem Gutachten vom 27.01.2017 wird ausgeführt, dass aus sozialmedizinischer Sicht die Notwendigkeit einer Mutter-Kind-Behandlung im teilstationären ggf vollstationären Krankenhaussetting nachvollziehbar sei.
Am 10.02.2017 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Mannheim (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt mit dem Hinweis, dass das AG H. am 16.02.2017 endgültig über das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Antragstellerin über ihren Sohn entscheiden werde. Die Antragstellerin beziehe Leistungen des Jobcenters und sei nicht in der Lage, hinsichtlich der Kosten in Vorleistung zu treten.
Mit Beschluss vom 16.02.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch iSv § 86b Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liege nicht vor. Nach § 13 Abs 2 Satz 5 SGB V dürften bei der Kostenerstattung nicht zugelassene Leistungserbringer nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung könne nach Satz 6 erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigten und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet sei. Bezweifelt werde schon, ob die Antragstellerin tatsächlich die Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V gewählt habe, insbesondere im Hinblick auf ihre finanzielle Situation. Es bestünden auch Zweifel an einem Primärleistungsanspruch der Antragstellerin. Eine Rehabilitations- oder Krankenhausbehandlung komme zwar grundsätzlich in Betracht, allerdings sei das Familientherapeutische Zentrum N. kein zugelassener Leistungserbringer. Die Antragsgegnerin habe die Zustimmung nach § 13 Abs 2 Satz 6 SGB V verweigert. Damit ein Anordnungsanspruch vorläge, müsste ein Fall der Ermessensreduktion auf Null vorliegen hinsichtlich der Erteilung der Zustimmung nach § 13 Abs 2 Satz 6 SGB V. Zur Überzeugung des SG sei eine ausreichende Versorgung mit dem Psychiatrischen Zentrum N. möglich. Medizinische Gründe, die eine sofortige Aufnahme erforderlich machten, lägen nicht vor. Die Antragstellerin stütze sich allein auf soziale Gründe im Hinblick auf die anstehende Entscheidung des Familiengerichts über die endgültige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihren Sohn. Insoweit handele es sich aber um eine Entscheidung des Familiengerichts, die nicht durch das einstweilige Rechtsschutzverfahren des SG präjudiziert werden dürfe. Nach Ansicht des SG sprächen auch unter Berücksichtigung von Art 6 Grundgesetz (GG) keine überwiegenden Gründe für eine sofortige Zusammenführung der Antragstellerin mit ihrem Sohn durch Aufnahme in das Familientherapeutische Zentrum N ... Der Sohn befinde sich wegen Kindeswohlgefährdung bereits seit Monaten in einer Pflegefamilie, wo es ihm gut gehe; er könne zweimal wöchentlich seine Mutter sehen. Bei rechtzeitiger Antragstellung im Juni 2016 wäre mit einer Aufnahme in das Psychiatrische Zentrum N. bereits im März 2017 zu rechnen. Diese Zeit dürfte durch die weitere Unterbringung des Sohnes in einer Bereitschaftspflegefamilie zu überbrücken sein. Erst recht sehe das SG keinen Fall der Ermessensreduktion auf Null, dh keine andere Entscheidung dürfte ermessensgerecht sein, als die Antragstellerin sofort in das Familientherapeutische Zentrum N. aufzunehmen. Im Rahmen einer Ermessensentscheidung wäre auch zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Kostenerstattung das Familientherapeutische Zentrum nach GOÄ abrechne und die Antragsgegnerin nur die Kosten erstatte, die eine zugelassene Einrichtung geltend machen könnte. Auf der Differenz bliebe die Antragstellerin sitzen. Es bestünden darüber hinaus auch Zweifel am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Das Familiengericht habe im Rahmen seiner Entscheidung auch zu berücksichtigen, sollte die Aufnahme in eine (teil-)stationäre Einrichtung zugunsten der Antragstellerin und ihres Sohnes erst in einigen Monaten erfolgen können. Eine zusprechende Entscheidung des SG scheide auch aus, weil damit die Hauptsache vorweggenommen würde.
Gegen den ihr am 20.02.2017 zugestellten Beschluss richtet sich die am 02.03.2017 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin. Die Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V sei von der Antragstellerin gewählt worden; eine Bindung bestehe nach § 13 Abs 2 Satz 12 SGB V mindestens für ein Kalendervierteljahr, so dass keine Rede davon sein könne, dass für alle Zukunft eine Vorleistungspflicht der Versicherten begründet werde. Die von der Antragsgegnerin verweigerte Zustimmung zur Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Leistungserbringers nach § 13 Abs 2 Satz 6 SGB V sei nicht fristgerecht erfolgt. Die Frist von drei Wochen nach § 13 Abs 3a SGB V sei nicht eingehalten worden, so dass der Antrag als genehmigt gelte. Hierauf sei das SG nicht eingegangen. Aber auch davon abgesehen bestehe ein Anordnungsanspruch. Die Antragsgegnerin habe in ihrer Entscheidung gar kein Ermessen ausgeübt. Der Anordnungsanspruch könne daher nicht mit der Begründung verneint werden, dass keine Ermessensreduktion auf Null vorliege. Eine solche sei hier jedoch auch gegeben. Bereits die vorläufige Entziehung der elterlichen Sorge sei eine sehr einschneidende Maßnahme. Dies würde erst recht gelten, wenn die Antragstellerin ihren Sohn dauerhaft an eine Pflegefamilie verlieren würde. Aus der im Rahmen des Sorgerechtsverfahrens eingeholten psychologischen Stellungnahme vom 10.01.2017 gehe eindeutig hervor, dass der Einzug in die Eltern-Kind-Wohngruppe einer therapeutischen Tagesklinik die realistische Chance biete, dass eine gute und tragfähige Mutter-Kind-Beziehung aufgebaut und die Erziehungsfähigkeit der Mutter verbessert werde. Hierin liege die "letzte Chance der Antragstellerin, ihren Sohn zurückzubekommen". Es stehe fest, dass das Familientherapeutische Zentrum N. die einzige Einrichtung sei, welche die Antragstellerin und ihren Sohn umgehend aufnehmen könne. Bei jetziger Antragstellung könnte die Behandlung im Psychiatrischen Zentrum N. frühestens im Dezember 2017 erfolgen, solange werde das Familiengericht seine Entscheidung kaum zurückstellen. Im Übrigen habe sich das Familientherapeutische Zentrum N. im Fall der Antragstellerin einverstanden erklärt, nur die Kosten abzurechnen, die eine zugelassene Einrichtung geltend machen würde, eine Kostendifferenz bleibe daher nicht. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund. Eine Wiederzusammenführung von Mutter und Kind komme ausweislich des psychologischen Gutachtens nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass die Therapiemaßnahme rasch durchgeführt werde. Andernfalls bestehe für die Antragstellerin keine Perspektive mehr, das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihr Kind wieder zu erlangen. Ergänzend hat die Antragstellerin das Protokoll der Sitzung des AG H. vom 16.02.2017 vorgelegt.
Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegen getreten. Ein Anordnungsgrund komme nur in Betracht, wenn eine konkrete Existenzgefährdung oder –vernichtung drohe. Gravierende Umstände dieses Ausmaßes lägen nicht vor. Eine Klage in der Hauptsache hätte voraussichtlich keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zustimmung und erst recht einer Ermessensreduzierung auf Null seien nicht glaubhaft gemacht. Es spreche mehr dagegen als dafür, dass sowohl keine medizinischen als auch keine sozialen Gründe für die Inanspruchnahme der Leistung bei dem nicht zugelassenen familientherapeutischen Zentrum vorlägen. Ebenso sei die Gleichwertigkeit der dort zu erbringenden Leistungen doch eher unwahrscheinlich. Die Genehmigungsfiktion könne nicht greifen, da die gewünschte Leistung eindeutig außerhalb des Leistungskatalogs liege bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer. Ergänzend hat die Antragsgegnerin angeboten, dass die Antragstellerin beim Psychiatrischen Zentrum N. ein telefonisches Vorgespräch wahrnimmt bei Dr. G., Oberarzt der Station ... (Mütter mit Kindern älter als zwei Jahre). Sofern aus Sicht der dortigen Ärzte aktuell eine Mutter-Kind-Behandlung sinnvoll sei, könne voraussichtlich im April eine Aufnahme der Antragstellerin, zunächst jedoch allein, angeboten werden.
Die Antragstellerin hat dazu mitgeteilt, sie habe mehrfach versucht, mit dem Psychiatrischen Zentrum N. Kontakt aufzunehmen, um das Telefongespräch mit Dr. G. zu führen. Allerdings sei die zuständige Mitarbeiterin nicht erreichbar gewesen. Am 07.04.2017 sei ihr mitgeteilt worden, dass diese Mitarbeiterin sich nunmehr für drei Wochen in Urlaub befinde, sie solle sich im Mai wieder melden.
Telefonate der Berichterstatterin mit Mitarbeitern des Psychologischen Zentrums N. haben die Bestätigung erbracht, dass die von der Antragsgegnerin benannte Kontaktperson Frau W. bis 24.04.2017 Urlaub hat. Dr. G. hat telefonisch am 20.04.2017 mitgeteilt, dass im Fall der Antragstellerin eine Mutter-Kind-Therapie im Psychiatrischen Zentrum N. eher nicht möglich sei, die Klinik sei eher psychotherapeutisch ausgerichtet und es bestehe eine Zuständigkeit für andere Indikationen. Möglich sei, dass die Antragstellerin zunächst für etwa sechs Wochen allein behandelt werde und dann geprüft werde, ob im Einzelfall eine Aufnahme des Kindes möglich sei. Generell sei eine Zusammenführung von Mutter und Kind auf Station sehr schwierig (Aktenvermerk vom 20.04.2017).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 SGG). Die Beschwerde ist auch begründet, denn das SG hat zu Unrecht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86 Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige An-ordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen (Regelungsanordnung).
Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin begehrt die Übernahme der Kosten für die teilstationäre Behandlung in einer nicht zugelassenen Tagesklinik nach § 13 Abs 2 SGB V im Rahmen der gewählten Kostenerstattung. An der Ausübung der Wahlentscheidung jedenfalls für den stationären Bereich (§ 13 Abs 2 Satz 4 SGB V) hat der Senat keine Zweifel, die anwaltlich vertretene Antragstellerin hat dies hinreichend deutlich gemacht. Nicht zugelassene Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden (§ 13 Abs 2 Satz 5 SGB V). Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist (§ 13 Abs 2 Satz 6 SGB V). Die vorherige Zustimmung der Antragsgegnerin liegt nicht vor, sie kann im Fall der hier nach vorläufiger Prüfung in Betracht kommenden Ermessensreduzierung auf Null jedoch gerichtlich ersetzt werden (vgl LSG Niedersachsen-Bremen 14.07.2009, L 8 SO 209/08 ER, juris).
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gilt die Zustimmung nicht nach § 13 Abs 3a SGB V wegen Bescheidung des Antrags vom 10.10.2016 erst nach Ablauf von mehr als drei Wochen als erteilt. Die Vorschrift des § 13 Abs 3a SGB V findet von vornherein keine Anwendung auf Ansprüche gegen Krankenkassen, die unmittelbar auf Geldleistungen gerichtet sind wie hier der Anspruch wegen sachleistungsersetzender Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V (BSG 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 33). Der hier im Rahmen des Anspruchs auf Übernahme der Kosten nach § 13 Abs 2 SGB V inzident zu prüfende Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Leistungserbringers stellt ebenfalls keinen "Antrag auf Leistungen" iSv § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V dar.
Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Zustimmung nach § 13 Abs 2 Satz 6 SGB V liegen hier im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung jedoch vor. Medizinisch ist eine Mutter-Kind-Behandlung im Rahmen einer teilstationären oder sogar vollstationären Behandlung erforderlich, wie auch der MDK in seinem Gutachten vom 27.01.2017 bestätigt. Eine derartige Behandlung der Antragstellerin ist bei einem zugelassenen Leistungserbringer nach Überzeugung des Senats in absehbarer Zeit nicht möglich. Die zuletzt von der Antragsgegnerin vorgeschlagene Behandlung im Psychiatrischen Zentrum N. erscheint nach der letzten Auskunft des Oberarztes Dr. G. zumindest im Wege der Mutter-Kind Behandlung eher nicht durchführbar. Insoweit sprechen erhebliche soziale Gründe für die Zustimmung zur tagesklinischen Behandlung im Familientherapeutischen Zentrum N., die vom Universitätsklinikum H., Zentrum für Psychosoziale Medizin anlässlich der stationären Behandlung der Antragstellerin im Juni 2016 angeregt und befürwortet worden war. Auch die Sachverständige im Verfahren des Familiengerichts Dipl-Psych H. hat die Einrichtung als geeignet angesehen. Die besonderen sozialen Gründe für die begehrte Behandlung liegen darin, dass familiengerichtlich derzeit überprüft wird, ob die einstweilig angeordnete Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Antragstellerin für ihren Sohn als endgültige Maßnahme bestätigt wird. Bereits seit 31.03.2016 ist M. bei einer Bereitschaftspflegefamilie, es stellt sich insoweit die Frage des Wechsels in eine Dauerpflege. Der Zeitpunkt für eine Zurückführung des Kindes zur Mutter ist daher derzeit besonders günstig, denn ein Wechsel der Bezugspersonen und des Betreuungsumfelds steht ohnehin bevor. Nach Wechsel des Kindes in eine Dauerpflege wäre die Rückführungsperspektive massiv verschlechtert (vgl Saarländisches Oberlandesgericht 22.02.2016, 6 UF 8/16, juris). Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung des SG, dass die sozialgerichtliche Entscheidung über die Möglichkeit der Antragstellerin, die begehrte teilstationäre Behandlung zu erhalten, keine Auswirkungen auf den Ausgang des familiengerichtlichen Verfahrens haben wird.
Im Rahmen der Folgenabwägung im einstweiligen Rechtsschutz überwiegt daher auch vor dem Hintergrund des in Art 6 Abs 2 Satz 1 GG garantierten Rechts der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder das Interesse der Antragstellerin an dem Erlass der einstweiligen Anordnung das Interesse der Antragsgegnerin. Insoweit müssen auch von der Antragsgegnerin geltend gemachte Zweifel an der Geeignetheit der Einrichtung zurückstehen, zumal diese nicht näher substantiiert sind.
Allerdings ist die Höhe der zu erstattenden Kosten nach § 13 Abs 2 Satz 8 SGB V beschränkt auf die Kosten, die bei Vergütung der Leistung als Sachleistung der Krankenkasse entstehen würden. Nach Angaben der Bevollmächtigten der Antragstellerin wird das Familientherapeutische Zentrum N. ohnehin im konkreten Einzelfall keine höheren Kosten in Rechnung stellen.
Da von der Antragsgegnerin lediglich die begehrte Kostenübernahme für die tagesklinische Behandlung (Montag bis Freitag) geschuldet wird, nicht jedoch die Unterbringung der Antragstellerin und ihres Sohnes in einer betreuten Einrichtung, ist die entsprechende Behandlung nur dann sinnvoll, wenn gewährleistet ist, dass der Träger der Jugendhilfe eine entsprechende Unterbringung finanziert. Welches Mutter-Kind-Heim insoweit als geeignet angesehen wird – der Mitarbeiter V. des Jugendamtes der Stadt H. hatte im Termin vor dem AG H. am 16.02.2017 erklärt, die Mutter-Kind-Einrichtung beim Familientherapeutischen Zentrum N. werde weder für geeignet gehalten, noch finanziert – ist allein Sache des Jugendhilfeträgers. Der Senat macht es daher zur Bedingung für die Finanzierung der Tagesklinik durch die Antragsgegnerin, dass eine geeignete Unterbringung der Antragstellerin und ihres Sohnes in einer geeigneten Mutter-Kind-Einrichtung auch gewährleistet ist. Dies hat die Antragstellerin nachzuweisen durch eine Bestätigung des Jugendhilfeträgers. Dass insoweit ein erhöhter Aufwand auch mit täglichen Fahrzeiten auf die Antragstellerin zukommen kann, muss ihr klar sein; dies war auch bereits Thema vor dem AG H. laut Protokoll vom 16.02.2017.
Eine unzulässige (echte) Vorwegnahme der Hauptsache liegt nicht vor, denn bei der streitigen Geldleistung ist eine Rückforderung im Falle des Unterliegens in der Hauptsache nicht ausgeschlossen (vgl auch BSG 13.12.2016, B 1 KR 1/16 R, juris RdNr 8).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für eine teilstationäre psychiatrische Therapie im Familientherapeutischen Zentrum N ...
Die am 24.05.1996 geborene Antragstellerin ist serbische Staatsangehörige und Mutter des am 02.05.2014 geborenen M. A. M ... Sie ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Die Antragstellerin war zunächst Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge ihres Sohnes. Nachdem M. am 31.03.2016 durch das Jugendamt H. in Obhut genommen worden war, regte dieses eine familiengerichtliche Regelung im Wege der einstweiligen Anordnung an, da die Antragstellerin der Inobhutnahme und dem Aufenthalt des Kindes in einer Pflegestelle nicht mehr zustimmte. Mit Beschluss vom 24.06.2016 (36 F 96/16) beschloss das Amtsgericht (AG) H. – Familiengericht die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, des Rechts zur Beantragung von Hilfe zur Erziehung und des Rechts der Gesundheitsfürsorge der Antragstellerin für M. und ordnete insoweit eine Ergänzungspflegschaft an unter Übertragung der entzogenen Rechte auf das Jugendamt der Stadt H ...
Vom 15. bis 29.06.2016 wurde die Antragstellerin stationär behandelt wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer mittelgradigen depressiven Episode und einer emotional instabilen Persönlichkeit. Vom Zentrum für Psychosoziale Medizin der Universitätsklinik H. wurde eine gemeinsame Behandlung der Antragstellerin mit ihrem Sohn für dringend indiziert gehalten, zB im Familientherapeutischen Zentrum N ... Dieses bestätigte nach einem Vorgespräch mit Schreiben vom 14.07.2016, dass die Antragstellerin dort eine teilstationäre Therapie mit ihrem Sohn als Begleitperson zeitnah nach Erfolgen der Kostenzusage beginnen könne.
Am 10.10.2016 beantragte die Antragstellerin anwaltlich vertreten unter Hinweis auf § 13 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) die Kostenübernahme der geplanten Therapie im Familientherapeutischen Zentrum N., alternativ die Benennung einer kassenzugelassenen Klinik. Bisherige Bemühungen seien insoweit erfolglos geblieben. Das Psychiatrische Zentrum N. habe Wartezeiten von neun Monaten, die V.-Klinik H. behandele nur hessische Patienten und die Universitätsklinik H. nur Kinder bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres. Es bestehe Eilbedürftigkeit wegen des anstehenden Gerichtsverfahrens zum endgültigen Verbleib des Sohnes in einer Pflegefamilie.
Mit Bescheid vom 07.11.2016 lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme ab, da es sich beim Familientherapeutischen Zentrum N. nicht um ein zugelassenes Krankenhaus handele. Als zugelassene Kliniken würden benannt die H.-Klinik in W. und das Universitätsklinikum H ...
Mit ihrem Widerspruch vom 30.11.2016 verwies die Antragstellerin darauf, dass die benannten Alternativen aus bekannten Gründen nicht in Betracht kämen. Die H.-Klinik nehme nur Familien auf, die in einem gemeinsamen Haushalt wohnten, was bei der Antragstellerin nicht der Fall sei. Ergänzend legte die Antragstellerin die im Auftrag des AG H. erstellte psychologische Stellungnahme von Dipl-Psych H. vom 10.01.2017 vor, in welcher ausgeführt wurde, vor Rückführung des Kindes in den Haushalt der Mutter sollten die näher genannten Einschränkungen in der Erziehungseignung der Mutter therapeutisch bearbeitet werden. Die tagesklinische Behandlung im Familientherapeutischen Zentrum N. wurde befürwortet.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Antragsgegnerin ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. In dem Gutachten vom 27.01.2017 wird ausgeführt, dass aus sozialmedizinischer Sicht die Notwendigkeit einer Mutter-Kind-Behandlung im teilstationären ggf vollstationären Krankenhaussetting nachvollziehbar sei.
Am 10.02.2017 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Mannheim (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt mit dem Hinweis, dass das AG H. am 16.02.2017 endgültig über das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Antragstellerin über ihren Sohn entscheiden werde. Die Antragstellerin beziehe Leistungen des Jobcenters und sei nicht in der Lage, hinsichtlich der Kosten in Vorleistung zu treten.
Mit Beschluss vom 16.02.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch iSv § 86b Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liege nicht vor. Nach § 13 Abs 2 Satz 5 SGB V dürften bei der Kostenerstattung nicht zugelassene Leistungserbringer nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung könne nach Satz 6 erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigten und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet sei. Bezweifelt werde schon, ob die Antragstellerin tatsächlich die Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V gewählt habe, insbesondere im Hinblick auf ihre finanzielle Situation. Es bestünden auch Zweifel an einem Primärleistungsanspruch der Antragstellerin. Eine Rehabilitations- oder Krankenhausbehandlung komme zwar grundsätzlich in Betracht, allerdings sei das Familientherapeutische Zentrum N. kein zugelassener Leistungserbringer. Die Antragsgegnerin habe die Zustimmung nach § 13 Abs 2 Satz 6 SGB V verweigert. Damit ein Anordnungsanspruch vorläge, müsste ein Fall der Ermessensreduktion auf Null vorliegen hinsichtlich der Erteilung der Zustimmung nach § 13 Abs 2 Satz 6 SGB V. Zur Überzeugung des SG sei eine ausreichende Versorgung mit dem Psychiatrischen Zentrum N. möglich. Medizinische Gründe, die eine sofortige Aufnahme erforderlich machten, lägen nicht vor. Die Antragstellerin stütze sich allein auf soziale Gründe im Hinblick auf die anstehende Entscheidung des Familiengerichts über die endgültige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihren Sohn. Insoweit handele es sich aber um eine Entscheidung des Familiengerichts, die nicht durch das einstweilige Rechtsschutzverfahren des SG präjudiziert werden dürfe. Nach Ansicht des SG sprächen auch unter Berücksichtigung von Art 6 Grundgesetz (GG) keine überwiegenden Gründe für eine sofortige Zusammenführung der Antragstellerin mit ihrem Sohn durch Aufnahme in das Familientherapeutische Zentrum N ... Der Sohn befinde sich wegen Kindeswohlgefährdung bereits seit Monaten in einer Pflegefamilie, wo es ihm gut gehe; er könne zweimal wöchentlich seine Mutter sehen. Bei rechtzeitiger Antragstellung im Juni 2016 wäre mit einer Aufnahme in das Psychiatrische Zentrum N. bereits im März 2017 zu rechnen. Diese Zeit dürfte durch die weitere Unterbringung des Sohnes in einer Bereitschaftspflegefamilie zu überbrücken sein. Erst recht sehe das SG keinen Fall der Ermessensreduktion auf Null, dh keine andere Entscheidung dürfte ermessensgerecht sein, als die Antragstellerin sofort in das Familientherapeutische Zentrum N. aufzunehmen. Im Rahmen einer Ermessensentscheidung wäre auch zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Kostenerstattung das Familientherapeutische Zentrum nach GOÄ abrechne und die Antragsgegnerin nur die Kosten erstatte, die eine zugelassene Einrichtung geltend machen könnte. Auf der Differenz bliebe die Antragstellerin sitzen. Es bestünden darüber hinaus auch Zweifel am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Das Familiengericht habe im Rahmen seiner Entscheidung auch zu berücksichtigen, sollte die Aufnahme in eine (teil-)stationäre Einrichtung zugunsten der Antragstellerin und ihres Sohnes erst in einigen Monaten erfolgen können. Eine zusprechende Entscheidung des SG scheide auch aus, weil damit die Hauptsache vorweggenommen würde.
Gegen den ihr am 20.02.2017 zugestellten Beschluss richtet sich die am 02.03.2017 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin. Die Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V sei von der Antragstellerin gewählt worden; eine Bindung bestehe nach § 13 Abs 2 Satz 12 SGB V mindestens für ein Kalendervierteljahr, so dass keine Rede davon sein könne, dass für alle Zukunft eine Vorleistungspflicht der Versicherten begründet werde. Die von der Antragsgegnerin verweigerte Zustimmung zur Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Leistungserbringers nach § 13 Abs 2 Satz 6 SGB V sei nicht fristgerecht erfolgt. Die Frist von drei Wochen nach § 13 Abs 3a SGB V sei nicht eingehalten worden, so dass der Antrag als genehmigt gelte. Hierauf sei das SG nicht eingegangen. Aber auch davon abgesehen bestehe ein Anordnungsanspruch. Die Antragsgegnerin habe in ihrer Entscheidung gar kein Ermessen ausgeübt. Der Anordnungsanspruch könne daher nicht mit der Begründung verneint werden, dass keine Ermessensreduktion auf Null vorliege. Eine solche sei hier jedoch auch gegeben. Bereits die vorläufige Entziehung der elterlichen Sorge sei eine sehr einschneidende Maßnahme. Dies würde erst recht gelten, wenn die Antragstellerin ihren Sohn dauerhaft an eine Pflegefamilie verlieren würde. Aus der im Rahmen des Sorgerechtsverfahrens eingeholten psychologischen Stellungnahme vom 10.01.2017 gehe eindeutig hervor, dass der Einzug in die Eltern-Kind-Wohngruppe einer therapeutischen Tagesklinik die realistische Chance biete, dass eine gute und tragfähige Mutter-Kind-Beziehung aufgebaut und die Erziehungsfähigkeit der Mutter verbessert werde. Hierin liege die "letzte Chance der Antragstellerin, ihren Sohn zurückzubekommen". Es stehe fest, dass das Familientherapeutische Zentrum N. die einzige Einrichtung sei, welche die Antragstellerin und ihren Sohn umgehend aufnehmen könne. Bei jetziger Antragstellung könnte die Behandlung im Psychiatrischen Zentrum N. frühestens im Dezember 2017 erfolgen, solange werde das Familiengericht seine Entscheidung kaum zurückstellen. Im Übrigen habe sich das Familientherapeutische Zentrum N. im Fall der Antragstellerin einverstanden erklärt, nur die Kosten abzurechnen, die eine zugelassene Einrichtung geltend machen würde, eine Kostendifferenz bleibe daher nicht. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund. Eine Wiederzusammenführung von Mutter und Kind komme ausweislich des psychologischen Gutachtens nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass die Therapiemaßnahme rasch durchgeführt werde. Andernfalls bestehe für die Antragstellerin keine Perspektive mehr, das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihr Kind wieder zu erlangen. Ergänzend hat die Antragstellerin das Protokoll der Sitzung des AG H. vom 16.02.2017 vorgelegt.
Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegen getreten. Ein Anordnungsgrund komme nur in Betracht, wenn eine konkrete Existenzgefährdung oder –vernichtung drohe. Gravierende Umstände dieses Ausmaßes lägen nicht vor. Eine Klage in der Hauptsache hätte voraussichtlich keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zustimmung und erst recht einer Ermessensreduzierung auf Null seien nicht glaubhaft gemacht. Es spreche mehr dagegen als dafür, dass sowohl keine medizinischen als auch keine sozialen Gründe für die Inanspruchnahme der Leistung bei dem nicht zugelassenen familientherapeutischen Zentrum vorlägen. Ebenso sei die Gleichwertigkeit der dort zu erbringenden Leistungen doch eher unwahrscheinlich. Die Genehmigungsfiktion könne nicht greifen, da die gewünschte Leistung eindeutig außerhalb des Leistungskatalogs liege bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer. Ergänzend hat die Antragsgegnerin angeboten, dass die Antragstellerin beim Psychiatrischen Zentrum N. ein telefonisches Vorgespräch wahrnimmt bei Dr. G., Oberarzt der Station ... (Mütter mit Kindern älter als zwei Jahre). Sofern aus Sicht der dortigen Ärzte aktuell eine Mutter-Kind-Behandlung sinnvoll sei, könne voraussichtlich im April eine Aufnahme der Antragstellerin, zunächst jedoch allein, angeboten werden.
Die Antragstellerin hat dazu mitgeteilt, sie habe mehrfach versucht, mit dem Psychiatrischen Zentrum N. Kontakt aufzunehmen, um das Telefongespräch mit Dr. G. zu führen. Allerdings sei die zuständige Mitarbeiterin nicht erreichbar gewesen. Am 07.04.2017 sei ihr mitgeteilt worden, dass diese Mitarbeiterin sich nunmehr für drei Wochen in Urlaub befinde, sie solle sich im Mai wieder melden.
Telefonate der Berichterstatterin mit Mitarbeitern des Psychologischen Zentrums N. haben die Bestätigung erbracht, dass die von der Antragsgegnerin benannte Kontaktperson Frau W. bis 24.04.2017 Urlaub hat. Dr. G. hat telefonisch am 20.04.2017 mitgeteilt, dass im Fall der Antragstellerin eine Mutter-Kind-Therapie im Psychiatrischen Zentrum N. eher nicht möglich sei, die Klinik sei eher psychotherapeutisch ausgerichtet und es bestehe eine Zuständigkeit für andere Indikationen. Möglich sei, dass die Antragstellerin zunächst für etwa sechs Wochen allein behandelt werde und dann geprüft werde, ob im Einzelfall eine Aufnahme des Kindes möglich sei. Generell sei eine Zusammenführung von Mutter und Kind auf Station sehr schwierig (Aktenvermerk vom 20.04.2017).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 SGG). Die Beschwerde ist auch begründet, denn das SG hat zu Unrecht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86 Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige An-ordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen (Regelungsanordnung).
Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin begehrt die Übernahme der Kosten für die teilstationäre Behandlung in einer nicht zugelassenen Tagesklinik nach § 13 Abs 2 SGB V im Rahmen der gewählten Kostenerstattung. An der Ausübung der Wahlentscheidung jedenfalls für den stationären Bereich (§ 13 Abs 2 Satz 4 SGB V) hat der Senat keine Zweifel, die anwaltlich vertretene Antragstellerin hat dies hinreichend deutlich gemacht. Nicht zugelassene Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden (§ 13 Abs 2 Satz 5 SGB V). Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist (§ 13 Abs 2 Satz 6 SGB V). Die vorherige Zustimmung der Antragsgegnerin liegt nicht vor, sie kann im Fall der hier nach vorläufiger Prüfung in Betracht kommenden Ermessensreduzierung auf Null jedoch gerichtlich ersetzt werden (vgl LSG Niedersachsen-Bremen 14.07.2009, L 8 SO 209/08 ER, juris).
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gilt die Zustimmung nicht nach § 13 Abs 3a SGB V wegen Bescheidung des Antrags vom 10.10.2016 erst nach Ablauf von mehr als drei Wochen als erteilt. Die Vorschrift des § 13 Abs 3a SGB V findet von vornherein keine Anwendung auf Ansprüche gegen Krankenkassen, die unmittelbar auf Geldleistungen gerichtet sind wie hier der Anspruch wegen sachleistungsersetzender Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V (BSG 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 33). Der hier im Rahmen des Anspruchs auf Übernahme der Kosten nach § 13 Abs 2 SGB V inzident zu prüfende Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Leistungserbringers stellt ebenfalls keinen "Antrag auf Leistungen" iSv § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V dar.
Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Zustimmung nach § 13 Abs 2 Satz 6 SGB V liegen hier im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung jedoch vor. Medizinisch ist eine Mutter-Kind-Behandlung im Rahmen einer teilstationären oder sogar vollstationären Behandlung erforderlich, wie auch der MDK in seinem Gutachten vom 27.01.2017 bestätigt. Eine derartige Behandlung der Antragstellerin ist bei einem zugelassenen Leistungserbringer nach Überzeugung des Senats in absehbarer Zeit nicht möglich. Die zuletzt von der Antragsgegnerin vorgeschlagene Behandlung im Psychiatrischen Zentrum N. erscheint nach der letzten Auskunft des Oberarztes Dr. G. zumindest im Wege der Mutter-Kind Behandlung eher nicht durchführbar. Insoweit sprechen erhebliche soziale Gründe für die Zustimmung zur tagesklinischen Behandlung im Familientherapeutischen Zentrum N., die vom Universitätsklinikum H., Zentrum für Psychosoziale Medizin anlässlich der stationären Behandlung der Antragstellerin im Juni 2016 angeregt und befürwortet worden war. Auch die Sachverständige im Verfahren des Familiengerichts Dipl-Psych H. hat die Einrichtung als geeignet angesehen. Die besonderen sozialen Gründe für die begehrte Behandlung liegen darin, dass familiengerichtlich derzeit überprüft wird, ob die einstweilig angeordnete Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Antragstellerin für ihren Sohn als endgültige Maßnahme bestätigt wird. Bereits seit 31.03.2016 ist M. bei einer Bereitschaftspflegefamilie, es stellt sich insoweit die Frage des Wechsels in eine Dauerpflege. Der Zeitpunkt für eine Zurückführung des Kindes zur Mutter ist daher derzeit besonders günstig, denn ein Wechsel der Bezugspersonen und des Betreuungsumfelds steht ohnehin bevor. Nach Wechsel des Kindes in eine Dauerpflege wäre die Rückführungsperspektive massiv verschlechtert (vgl Saarländisches Oberlandesgericht 22.02.2016, 6 UF 8/16, juris). Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung des SG, dass die sozialgerichtliche Entscheidung über die Möglichkeit der Antragstellerin, die begehrte teilstationäre Behandlung zu erhalten, keine Auswirkungen auf den Ausgang des familiengerichtlichen Verfahrens haben wird.
Im Rahmen der Folgenabwägung im einstweiligen Rechtsschutz überwiegt daher auch vor dem Hintergrund des in Art 6 Abs 2 Satz 1 GG garantierten Rechts der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder das Interesse der Antragstellerin an dem Erlass der einstweiligen Anordnung das Interesse der Antragsgegnerin. Insoweit müssen auch von der Antragsgegnerin geltend gemachte Zweifel an der Geeignetheit der Einrichtung zurückstehen, zumal diese nicht näher substantiiert sind.
Allerdings ist die Höhe der zu erstattenden Kosten nach § 13 Abs 2 Satz 8 SGB V beschränkt auf die Kosten, die bei Vergütung der Leistung als Sachleistung der Krankenkasse entstehen würden. Nach Angaben der Bevollmächtigten der Antragstellerin wird das Familientherapeutische Zentrum N. ohnehin im konkreten Einzelfall keine höheren Kosten in Rechnung stellen.
Da von der Antragsgegnerin lediglich die begehrte Kostenübernahme für die tagesklinische Behandlung (Montag bis Freitag) geschuldet wird, nicht jedoch die Unterbringung der Antragstellerin und ihres Sohnes in einer betreuten Einrichtung, ist die entsprechende Behandlung nur dann sinnvoll, wenn gewährleistet ist, dass der Träger der Jugendhilfe eine entsprechende Unterbringung finanziert. Welches Mutter-Kind-Heim insoweit als geeignet angesehen wird – der Mitarbeiter V. des Jugendamtes der Stadt H. hatte im Termin vor dem AG H. am 16.02.2017 erklärt, die Mutter-Kind-Einrichtung beim Familientherapeutischen Zentrum N. werde weder für geeignet gehalten, noch finanziert – ist allein Sache des Jugendhilfeträgers. Der Senat macht es daher zur Bedingung für die Finanzierung der Tagesklinik durch die Antragsgegnerin, dass eine geeignete Unterbringung der Antragstellerin und ihres Sohnes in einer geeigneten Mutter-Kind-Einrichtung auch gewährleistet ist. Dies hat die Antragstellerin nachzuweisen durch eine Bestätigung des Jugendhilfeträgers. Dass insoweit ein erhöhter Aufwand auch mit täglichen Fahrzeiten auf die Antragstellerin zukommen kann, muss ihr klar sein; dies war auch bereits Thema vor dem AG H. laut Protokoll vom 16.02.2017.
Eine unzulässige (echte) Vorwegnahme der Hauptsache liegt nicht vor, denn bei der streitigen Geldleistung ist eine Rückforderung im Falle des Unterliegens in der Hauptsache nicht ausgeschlossen (vgl auch BSG 13.12.2016, B 1 KR 1/16 R, juris RdNr 8).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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