Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 182/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 121/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 263/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. Januar 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses vom 20. Januar 2010 als Arbeitsunfall.
Der 1960 geborene Kläger befand sich am Abend des 20. Januar 2010 auf der Rückfahrt von seiner Arbeitsstelle am C-Stadter Flughafen, der D. GmbH, nach Hause. In einem E Bus, den er vom C-Stadter Flughafen bis zum B-Stadter Hauptbahnhof benutzte, fand gegen 20:18 Uhr eine Fahrkartenkontrolle statt. Weil der Kläger und ein weiterer Fahrgast, der Zeuge G., keinen Fahrschein vorweisen konnten und auch nicht bereit waren, ihre Personalien anzugeben, meldeten die J-Prüfer den Vorfall dem Polizeipräsidium I., Polizeidirektion H-Stadt, x. Polizeirevier, das sodann einen Streifenwagen zum B-Stadter Hauptbahnhof entsandte. Bei Ankunft des E. stieg der Kläger mit einem der Kontrolleure aus dem Bus aus. Die weiteren Einzelheiten der sich anschließenden Polizeikontrolle, an der Polizeioberkommissar (POK) K. und Polizeikommissarin (PK’in) L. beteiligt waren, sind zwischen den Beteiligten im Einzelnen streitig. Fest steht, dass der Kläger von POK K. zum Streifenwagen sistiert und zum Zwecke der Durchsuchung an den Streifenwagen gestellt wurde. Weil der Kläger sich offenbar geweigert hatte, die Hände an das Autodach zu legen und die Füße zurückzunehmen, wurde er von POK K. zu Boden gebracht, später gefesselt, sodann wieder aufgerichtet, an den Streifenwagen gestellt und zum Zwecke der Identitätsfeststellung durchsucht. Dabei wurden ihm u. a. Handschellen angelegt und auch sein Rucksack durchsucht. Wegen der Folgen des Ereignisses stellte der Kläger sich am 28. Januar 2010 dem Durchgangsarzt Dr. M. in B-Stadt vor. In dessen Bericht vom 29. Januar 2010 findet sich als Diagnose nach Röntgen der Lendenwirbelsäule und auch des Schädels in zwei Ebenen ein rezidivierendes Erbrechen nach Schädelprellung, der Ausschluss einer intracerebralen Blutung, Verdacht auf Bandscheibenprolaps Lendenwirbelkörper, eine akute Belastungsreaktion und Verdacht auf eine Halswirbelsäulendistorsion. Zuvor war der Kläger bei seinem Hausarzt Dr. N. in A-Stadt am 22. Januar 2010 in Behandlung gewesen, der als Erstdiagnose den Nachweis von Prellmarken im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie Hämatome am Jochbein und Orbiter rechts bemerkte. Später wurde der Kläger wegen der behaupteten Folgen des Ereignisses vom 20. Januar 2010 zudem neurologisch, hno-ärztlich, augenärztlich und auch psychiatrisch/psychotherapeutisch behandelt.
Ein Strafverfahren gegen den Kläger wegen Beförderungserschleichung (§ 265a Strafgesetzbuch - StGB -) wurde nicht durchgeführt. Nachdem der Kläger nachträglich einen gültigen Fahrausweis vorgelegt und auch eine Bearbeitungsgebühr entrichtet hatte, verzichtete die J. GmbH & Co. KG auf einen entsprechenden Strafantrag.
Gegen POK K. erstattete der Kläger seinerseits Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt gemäß § 340 StGB unter Bezeichnung der Tathandlungen Niederschlagen seines Kopfes und Treten gegen seinen Oberkörper. Das Verfahren wurde bei der Staatsanwaltschaft unter dem Aktenzeichen 501 Js 11974/10 PZ geführt. Nach umfangreichen Ermittlungen (Beschuldigtenvernehmung, zeugenschaftliche Vernehmung des weiteren Fahrgastes G., der Passanten O. und P. sowie PK‘in L.) stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren mit Bescheid vom 4. Juni 2010 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) ein. In der Einstellungsverfügung heißt es, dass die Umstände es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sehr nahe legten, dass der Kläger aus Verärgerung über seine Fahrt ohne gültige Fahrkarte und der folgenden Preisgabe seiner persönlichen Daten sich aggressiv und provokant gegenüber dem Beschuldigten POK K. verhalten und so dessen Verhalten wiederum provoziert habe. Nachdem POK K. sich jedoch korrekt verhalten und den Kläger auch entsprechend behandelt habe, bleibe nur der Schluss, dass die Angaben des Klägers bewusst falsch gewesen seien, um Ermittlungen gegen POK K. als Rache in die Wege zu leiten. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass sich POK K. einer Körperverletzung im Amt nicht strafbar gemacht habe, zumindest ihm eine solche nicht nachzuweisen sei. Eine Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung legte der Kläger nicht ein.
Mit Bescheid vom 7. August 2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab. Nach den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft Darmstadt sei der Kläger am 20. Januar 2010 auf dem Heimweg von seiner beruflichen Tätigkeit gewesen, als im E-Bus vom Flughafen C-Stadt eine Fahrkartenkontrolle durchgeführt worden sei. Es sei zu Streitigkeiten hinsichtlich der Gültigkeit seines Fahrausweises gekommen, so dass der Kläger zur Angabe seiner Personalien aufgefordert worden sei. Diese sei von ihm verweigert worden, die Kontrolleurin habe daraufhin die Polizei alarmiert. Am Hauptbahnhof B-Stadt habe bereits die Polizei auf ihn gewartet, die mit der Feststellung seiner Personalien beauftragt worden gewesen sei. Bei der Erhebung der Personalien sei es mit der Polizei zu einer Auseinandersetzung gekommen, wobei der Kläger sich, gemäß dem Durchgangsarztbericht von Dr. M., eine Schädelprellung und eine akute Belastungsreaktion zugezogen habe. Den grundsätzlich versicherten unmittelbaren Heimweg von seiner beruflichen Tätigkeit habe der Kläger ab dem Beginn der Streitigkeiten mit der Kontrolleurin durch das Einschieben persönlicher, für die Wegezurücklegung nicht erforderlicher Handlungen unterbrochen. Der erforderliche innere Zusammenhang zwischen der Zurücklegung des Weges und der versicherten Tätigkeit sei dadurch unterbrochen worden mit der Folge des Entfallens des Versicherungsschutzes. Die Handlungstendenz des Klägers sei für die Zeit der Auseinandersetzungen, die sich mit der Polizei fortgesetzt und die zu den genannten Gesundheitsschäden geführt hätte, allein auf eigenwirtschaftliche Gründe gerichtet gewesen, die mit der eigentlichen Wegezurücklegung nicht im Zusammenhang stünden. Insoweit läge zum Ereigniszeitpunkt eine zeitliche Unterbrechung der versicherten Tätigkeit vor, mit dem Ergebnis, dass der innere Zusammenhang zwischen der Zurücklegung des Weges und der eigentlich versicherten Tätigkeit (hier: Heimweg von der beruflichen Tätigkeit) zum Ereigniszeitpunkt (hier: Auseinandersetzung mit der Polizei) nicht mehr bestehe.
Der Widerspruch des Klägers hiergegen war erfolglos und wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2013 zurückgewiesen. Unter Aufrechterhaltung der Gründe aus dem Ausgangsbescheid führte die Beklagte an, dass, selbst wenn der Kläger die Beamten nicht provoziert gehabt habe - was er behaupte - und sich am Boden liegend nur verbal gewehrt haben sollte, der sachliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit spätestens zu dem Zeitpunkt unterbrochen gewesen sei, als er sich gegen die Kontrollmaßnahmen der Polizei zu wehren begonnen und sich geweigert habe, seinen Personalausweis vorzuzeigen oder den Beamten zu sagen, wo er diesen aufbewahre. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sei nicht mehr davon auszugehen, dass das Verhalten des Klägers im Interesse eines störungsfreien Zurücklegens des versicherten Weges gelegen habe. Vielmehr sei eine andere, nicht mehr betriebsdienliche Motivation dann in den Vordergrund getreten, die dem privaten Bereich zuzurechnen sei. Der grundsätzlich versicherte Weg sei unterbrochen worden. Die aus der folgenden Auseinandersetzung resultierenden Gesundheitsschädigungen des Klägers hätten sich daher nicht bei einer Verrichtung ereignet, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei.
Seinen Anspruch hat der Kläger mit Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt vom 18. September 2013 weiterverfolgt. Im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen hat das Sozialgericht die Akte der Staatsanwaltschaft, Az.: 501 Js 11974/10 PZ, beigezogen und den zweiten Fahrgast, der am 20. Januar 2010 im E-Bus ohne Fahrkarte angetroffen worden war, G., im Kammertermin vom 29. Januar 2016 als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten der Zeugenaussage wird insoweit auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die Klage hat das Sozialgericht sodann mit Urteil vom 29. Januar 2016 mit der Begründung abgewiesen, dass ein Arbeitsunfall nicht vorläge. Der Kläger habe den grundsätzlich zur versicherten Tätigkeit gehörenden Heimweg zum Zwecke einer privaten Verrichtung unterbrochen, als er sich im Rahmen einer polizeilichen Personenkontrolle geweigert habe, seine Personalien bekannt zu geben und sich durch seinen Bundespersonalausweis auszuweisen. Seiner rechtlichen Bewertung hat das Sozialgericht unter Würdigung der Zeugenaussage des G., der im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Zeugenaussagen aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte und den Angaben des Klägers selbst folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt:
"Als der Kläger und der Zeuge G. am 20.01.2010 im E-bus während einer Fahrkartenkontrolle von der Kontrolleurin darauf hingewiesen wurden, dass sie ihrer Ansicht nach nicht über einen gültigen Fahrausweis verfügten, weigerte der Kläger sich, seinen Personalausweis vorzuzeigen und die Feststellung seiner Personalien zu ermöglichen. Die Kontrolleurin verständigte daraufhin die Polizei, welche die Personalien nach dem Aussteigen des Klägers am B-Stadter Hauptbahnhof feststellen sollte. Am Bahnhof angekommen wurde der Kläger von einem Polizeibeamten, POK K., angesprochen und aufgefordert sich auszuweisen. Der Kläger verweigerte dies jedoch und machte Ausführungen, welche nicht der Identitätsfeststellung dienten, weil er davon überzeugt war, im Besitz eines gültigen Fahrausweises gewesen zu sein. Daraufhin wurde er von POK K. zum Streifenwagen verbracht. (Auf die Frage, inwieweit seitens POK K. hierbei unmittelbarer Zwang angewendet wurde und ob dieser gerechtfertigt war, kommt es dabei für die Frage des Vorliegens eines Arbeitsunfalles nicht an und war von der Kammer daher auch nicht zu bewerten.)"
Indem der Kläger gegenüber dem anwesenden Polizeibeamten am Hauptbahnhof B Stadt die Herausgabe seiner Personalausweises unterlassen habe, sei seine Handlungstendenz nicht auf eine betriebsdienliche Tätigkeit gerichtet gewesen, sondern habe wesentlich der Verfolgung eigener Angelegenheiten, nämlich sich der Identitätsfeststellung durch den Polizeibeamten zu entziehen, gegolten. Der Kläger habe mit seinem Unterlassen nach der Aufforderung des POK K., sich auszuweisen, nach den objektiven Gesamtumständen wie auch nach der subjektiven Handlungstendenz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wesentliche betriebliche Interessen nicht mehr sein Verhalten bestimmten. Es sei weder objektiv noch subjektiv betriebsdienlich, sich der polizeilich angeordneten Identitätsfeststellung zu entziehen. Objektiv handele es sich um eine verdachtsabhängige Personenkontrolle zur Identitätsfeststellung im Sinne des § 163b StPO, nachdem aufgrund der Meldung der Kontrolleure des E-Busses ein Anfangsverdacht bezüglich des Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a StGB bestanden gehabt habe. Unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers zu den Umständen und der Fahrscheinkontrolle, der Aussage des Zeugen G. und den polizeilichen Feststellungen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kontrolle offenbar tatsächlich über einen gültigen Fahrausweis verfügte, sei die Kammer davon überzeugt, dass sich der Kläger der Identitätsfeststellung entziehen wollte, weil er überzeugt war, im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein und die Notwendigkeit der Identitätsfeststellung nicht eingesehen habe. Es handele sich bei der Unterbrechung des Weges auch nicht um eine unerhebliche Unterbrechung, die quasi "im Vorbeigehen" hätte erledigt werden können. Zwar umfasse die Unterbrechung des Heimweges vom Moment der Weigerung, sich auszuweisen bis zum Ende der polizeilichen Maßnahme nur wenige Minuten. Es handele sich aber der Intensität und Zielrichtung nach erkennbar nicht um eine unwesentliche Unterbrechung, die sich, wie der Kauf einer Zeitung oder eines Brötchens, nur im Vorbeigehen ereigne und die wesentliche Prägung des Weges als versicherten Weg bzw. betriebsdienlichen Weg unberührt gelassen habe. Die für diese Beurteilung maßgeblichen subjektiven Vorstellungen des Klägers ließen sich zudem aufgrund objektiver Anhaltspunkte bestätigen. Die Vorstellung des Klägers, sich der Identitätsfeststellung zu widersetzen, lasse objektiv keine betriebsdienlichen Elemente erkennen.
Gegen die ihm am 27. April 2016 zugestellte Entscheidung hat der Kläger per Fax am 27. Mai 2016 Berufung bei dem Sozialgericht Darmstadt angebracht. Zur Begründung macht der Kläger geltend, es handele sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Darmstadt um einen Wegeunfall. Der Kläger habe sich zu keinem Zeitpunkt von dem vorgesehenen Weg abgewendet. Die im Streit stehenden Maßnahmen der Polizei hätten allesamt exakt auf dem Weg stattgefunden, den auch er zum Erreichen seines Wohnortes zurückzulegen gehabt habe. Die Polizisten hätten den Kläger zu keinem anderen Ort gebracht, sondern bereits an seinem Aussteigepunkt auf ihn gewartet. Eine Wegeunterbrechung läge nicht vor.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. Januar 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2013 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 20. Januar 2010 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Ein von dem Kläger am 8. August 2011 wegen des Vorfalls vom 20. Januar 2010 ebenfalls eingeleitetes Verfahren auf Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wurde von dem Hessischen Amt für Versorgung und Soziales - Versorgungsamt - Darmstadt negativ beschieden. Nach dem Inhalt des insoweit bestandskräftigen Bescheides vom 11. April 2012 konnte der Nachweis, dass der Kläger Opfer eines von einer anderen Person verübten vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriffs geworden ist, nicht erbracht werden. Zweifel ergaben sich für das Versorgungsamt zu Lasten des Klägers dabei am Vorliegen eines tätlichen Angriffs und dessen Vorsätzlichkeit wie auch Rechtswidrigkeit sowie an der Kausalität zwischen der Gewalttat und der Gesundheitsstörung.
Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogene staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte (Az.: 501 Js 11974/10 PZ) und die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -)
Die nach den §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Bescheid vom 7. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 20. Januar 2010 gemäß § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) als Arbeitsunfall. Versicherungsschutz bestand für die Dauer der polizeilichen Maßnahme nicht. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Das Sozialgericht hat den Sachverhalt in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht umfassend und zutreffend gewürdigt. Dem vermag der Senat nichts Weiteres hinzuzufügen.
Auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren führt zu keinem für ihn günstigeren Ergebnis. Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger sich zu keinem Zeitpunkt von seinem eigentlichen Nachhauseweg, dem versicherten Arbeitsweg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, - örtlich - entfernt gehabt hat, sich das streitgegenständliche Ereignis mithin auf seinem üblichen Heimweg, vor dem E-Bus am B-Stadter Hauptbahnhof ereignet hat.
Ob eine Tätigkeit oder Verrichtung auf dem Arbeitsweg versichert ist, bestimmt sich alleinig nach der Handlungstendenz des Versicherten. Entscheidend ist insoweit, ob diese rechtlich wesentlich auf das Zurücklegen des Weges zum Ziel – hier zum Wohnort des Klägers – gerichtet ist bzw. war oder nicht.
Fehlt es an einer solchen Handlungstendenz, dann scheidet nach der ständigen und auch gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 SGB VII selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg zu und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 SGB VII, Rn. 194; Ricke in KassKomm, SGB VII, § 8 Rn. 217 ff.). In seiner Entscheidung vom 9. Dezember 2003 (Az.: B 2 U 23/03 R) hat das BSG unter Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung herausgestellt, dass es nicht darauf ankommt, dass der Versicherte zur Erledigung einer privatnützigen (eigenwirtschaftlichen) Verrichtung den öffentlichen Verkehrsraum verlässt und für den inneren (sachlichen) Zusammenhang der Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses mit dem versicherten Weg als allein maßgebliches Abgrenzungskriterium die finale Handlungstendenz des Versicherten betont. In Bezug auf die Abgrenzung versicherter von unversicherter Zurücklegung von Wegen im Rahmen von § 8 Abs. 2 SGB VII hat das BSG darüber hinaus klargestellt, dass im Grundsatz bereits jedes Anzeichen einer Änderung der Handlungstendenz ausreicht, um die Unterbrechung des Weges festzustellen, und in dem konkret entschiedenen Fall bereits die objektiv erkennbare Verlangsamung der Fahrt und das Setzen des Blinkers als ein solches Zeichen des Ingangsetzens einer privaten Handlung angesehen (BSG vom 4. Juli 2013 - B 2 U 3/13 R; siehe zum Ganzen auch G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 SGB VII, Rn. 207).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der versicherte Weg des Klägers von seiner Arbeitsstätte am C-Stadter Flughafen zu seiner Wohnung in A-Stadt durch die an ihn gerichtete Aufforderung von POK K., sich auszuweisen, rechtlich wesentlich durch eine dem privaten Bereich des Klägers zuzuordnende, nicht mehr betriebsdienliche Tätigkeit unterbrochen worden ist. Begonnen hat der Kläger mit der Unterbrechung des versicherten Wegs objektiv erkennbar in dem Moment, in dem er nach außen hin sichtbar seine subjektive Handlungstendenz in ein für Dritte beobachtbares "objektives" Handeln, der Verweigerung seiner Identitätsfeststellung, umgesetzt hat. Dies hat auch das Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung rechtsfehlerfrei festgestellt, ebenso, dass diese Unterbrechung nicht geringfügig war.
Eine geringfügige Unterbrechung liegt nur vor, wenn die Unterbrechung durch die private Tätigkeit zeitlich und räumlich ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die "im Vorbeigehen und ganz nebenher" erledigt werden kann (BSG vom 4. Juli 2013 - B 2 U 3/13 R). Sie setzt darüber hinaus eine praktisch andauernde Ausübung einer versicherten Tätigkeit voraus (st. Rspr., z. B. BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 11/04 R). Ist die in die versicherte Tätigkeit eingeschobene private Verrichtung nicht nur betriebsfremd, sondern betriebswidrig, ist der Betroffene auch während einer an sich geringfügigen Unterbrechung nicht versichert (BSG vom 20. Mai 1976 - 8 RU 134/75, SozR 2200 § 539 Nr. 21). Zwar hat sich die Unterbrechung mit einer Dauer von nur wenigen Minuten (G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 SGB VII, Rn. 57) im zeitlichen Rahmen gehalten. Allerdings handelt es sich bei einer Identitätsfeststellung als polizeiliche Maßnahme um eine von der Zurücklegung einer versicherten Wegstrecke klar abgrenzbare Tätigkeit ohne jeglichen betrieblichen Bezug. Von ihrer Zielrichtung und Intensität her war sie darüber hinaus nicht unwesentlich und hat der Heimfahrt des Klägers ein verändertes Gepräge gegeben. Durch diese kurzfristige betriebswidrige Maßnahme ist der Versicherungsschutz unterbrochen worden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses vom 20. Januar 2010 als Arbeitsunfall.
Der 1960 geborene Kläger befand sich am Abend des 20. Januar 2010 auf der Rückfahrt von seiner Arbeitsstelle am C-Stadter Flughafen, der D. GmbH, nach Hause. In einem E Bus, den er vom C-Stadter Flughafen bis zum B-Stadter Hauptbahnhof benutzte, fand gegen 20:18 Uhr eine Fahrkartenkontrolle statt. Weil der Kläger und ein weiterer Fahrgast, der Zeuge G., keinen Fahrschein vorweisen konnten und auch nicht bereit waren, ihre Personalien anzugeben, meldeten die J-Prüfer den Vorfall dem Polizeipräsidium I., Polizeidirektion H-Stadt, x. Polizeirevier, das sodann einen Streifenwagen zum B-Stadter Hauptbahnhof entsandte. Bei Ankunft des E. stieg der Kläger mit einem der Kontrolleure aus dem Bus aus. Die weiteren Einzelheiten der sich anschließenden Polizeikontrolle, an der Polizeioberkommissar (POK) K. und Polizeikommissarin (PK’in) L. beteiligt waren, sind zwischen den Beteiligten im Einzelnen streitig. Fest steht, dass der Kläger von POK K. zum Streifenwagen sistiert und zum Zwecke der Durchsuchung an den Streifenwagen gestellt wurde. Weil der Kläger sich offenbar geweigert hatte, die Hände an das Autodach zu legen und die Füße zurückzunehmen, wurde er von POK K. zu Boden gebracht, später gefesselt, sodann wieder aufgerichtet, an den Streifenwagen gestellt und zum Zwecke der Identitätsfeststellung durchsucht. Dabei wurden ihm u. a. Handschellen angelegt und auch sein Rucksack durchsucht. Wegen der Folgen des Ereignisses stellte der Kläger sich am 28. Januar 2010 dem Durchgangsarzt Dr. M. in B-Stadt vor. In dessen Bericht vom 29. Januar 2010 findet sich als Diagnose nach Röntgen der Lendenwirbelsäule und auch des Schädels in zwei Ebenen ein rezidivierendes Erbrechen nach Schädelprellung, der Ausschluss einer intracerebralen Blutung, Verdacht auf Bandscheibenprolaps Lendenwirbelkörper, eine akute Belastungsreaktion und Verdacht auf eine Halswirbelsäulendistorsion. Zuvor war der Kläger bei seinem Hausarzt Dr. N. in A-Stadt am 22. Januar 2010 in Behandlung gewesen, der als Erstdiagnose den Nachweis von Prellmarken im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie Hämatome am Jochbein und Orbiter rechts bemerkte. Später wurde der Kläger wegen der behaupteten Folgen des Ereignisses vom 20. Januar 2010 zudem neurologisch, hno-ärztlich, augenärztlich und auch psychiatrisch/psychotherapeutisch behandelt.
Ein Strafverfahren gegen den Kläger wegen Beförderungserschleichung (§ 265a Strafgesetzbuch - StGB -) wurde nicht durchgeführt. Nachdem der Kläger nachträglich einen gültigen Fahrausweis vorgelegt und auch eine Bearbeitungsgebühr entrichtet hatte, verzichtete die J. GmbH & Co. KG auf einen entsprechenden Strafantrag.
Gegen POK K. erstattete der Kläger seinerseits Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt gemäß § 340 StGB unter Bezeichnung der Tathandlungen Niederschlagen seines Kopfes und Treten gegen seinen Oberkörper. Das Verfahren wurde bei der Staatsanwaltschaft unter dem Aktenzeichen 501 Js 11974/10 PZ geführt. Nach umfangreichen Ermittlungen (Beschuldigtenvernehmung, zeugenschaftliche Vernehmung des weiteren Fahrgastes G., der Passanten O. und P. sowie PK‘in L.) stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren mit Bescheid vom 4. Juni 2010 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) ein. In der Einstellungsverfügung heißt es, dass die Umstände es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sehr nahe legten, dass der Kläger aus Verärgerung über seine Fahrt ohne gültige Fahrkarte und der folgenden Preisgabe seiner persönlichen Daten sich aggressiv und provokant gegenüber dem Beschuldigten POK K. verhalten und so dessen Verhalten wiederum provoziert habe. Nachdem POK K. sich jedoch korrekt verhalten und den Kläger auch entsprechend behandelt habe, bleibe nur der Schluss, dass die Angaben des Klägers bewusst falsch gewesen seien, um Ermittlungen gegen POK K. als Rache in die Wege zu leiten. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass sich POK K. einer Körperverletzung im Amt nicht strafbar gemacht habe, zumindest ihm eine solche nicht nachzuweisen sei. Eine Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung legte der Kläger nicht ein.
Mit Bescheid vom 7. August 2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab. Nach den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft Darmstadt sei der Kläger am 20. Januar 2010 auf dem Heimweg von seiner beruflichen Tätigkeit gewesen, als im E-Bus vom Flughafen C-Stadt eine Fahrkartenkontrolle durchgeführt worden sei. Es sei zu Streitigkeiten hinsichtlich der Gültigkeit seines Fahrausweises gekommen, so dass der Kläger zur Angabe seiner Personalien aufgefordert worden sei. Diese sei von ihm verweigert worden, die Kontrolleurin habe daraufhin die Polizei alarmiert. Am Hauptbahnhof B-Stadt habe bereits die Polizei auf ihn gewartet, die mit der Feststellung seiner Personalien beauftragt worden gewesen sei. Bei der Erhebung der Personalien sei es mit der Polizei zu einer Auseinandersetzung gekommen, wobei der Kläger sich, gemäß dem Durchgangsarztbericht von Dr. M., eine Schädelprellung und eine akute Belastungsreaktion zugezogen habe. Den grundsätzlich versicherten unmittelbaren Heimweg von seiner beruflichen Tätigkeit habe der Kläger ab dem Beginn der Streitigkeiten mit der Kontrolleurin durch das Einschieben persönlicher, für die Wegezurücklegung nicht erforderlicher Handlungen unterbrochen. Der erforderliche innere Zusammenhang zwischen der Zurücklegung des Weges und der versicherten Tätigkeit sei dadurch unterbrochen worden mit der Folge des Entfallens des Versicherungsschutzes. Die Handlungstendenz des Klägers sei für die Zeit der Auseinandersetzungen, die sich mit der Polizei fortgesetzt und die zu den genannten Gesundheitsschäden geführt hätte, allein auf eigenwirtschaftliche Gründe gerichtet gewesen, die mit der eigentlichen Wegezurücklegung nicht im Zusammenhang stünden. Insoweit läge zum Ereigniszeitpunkt eine zeitliche Unterbrechung der versicherten Tätigkeit vor, mit dem Ergebnis, dass der innere Zusammenhang zwischen der Zurücklegung des Weges und der eigentlich versicherten Tätigkeit (hier: Heimweg von der beruflichen Tätigkeit) zum Ereigniszeitpunkt (hier: Auseinandersetzung mit der Polizei) nicht mehr bestehe.
Der Widerspruch des Klägers hiergegen war erfolglos und wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2013 zurückgewiesen. Unter Aufrechterhaltung der Gründe aus dem Ausgangsbescheid führte die Beklagte an, dass, selbst wenn der Kläger die Beamten nicht provoziert gehabt habe - was er behaupte - und sich am Boden liegend nur verbal gewehrt haben sollte, der sachliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit spätestens zu dem Zeitpunkt unterbrochen gewesen sei, als er sich gegen die Kontrollmaßnahmen der Polizei zu wehren begonnen und sich geweigert habe, seinen Personalausweis vorzuzeigen oder den Beamten zu sagen, wo er diesen aufbewahre. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sei nicht mehr davon auszugehen, dass das Verhalten des Klägers im Interesse eines störungsfreien Zurücklegens des versicherten Weges gelegen habe. Vielmehr sei eine andere, nicht mehr betriebsdienliche Motivation dann in den Vordergrund getreten, die dem privaten Bereich zuzurechnen sei. Der grundsätzlich versicherte Weg sei unterbrochen worden. Die aus der folgenden Auseinandersetzung resultierenden Gesundheitsschädigungen des Klägers hätten sich daher nicht bei einer Verrichtung ereignet, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei.
Seinen Anspruch hat der Kläger mit Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt vom 18. September 2013 weiterverfolgt. Im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen hat das Sozialgericht die Akte der Staatsanwaltschaft, Az.: 501 Js 11974/10 PZ, beigezogen und den zweiten Fahrgast, der am 20. Januar 2010 im E-Bus ohne Fahrkarte angetroffen worden war, G., im Kammertermin vom 29. Januar 2016 als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten der Zeugenaussage wird insoweit auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die Klage hat das Sozialgericht sodann mit Urteil vom 29. Januar 2016 mit der Begründung abgewiesen, dass ein Arbeitsunfall nicht vorläge. Der Kläger habe den grundsätzlich zur versicherten Tätigkeit gehörenden Heimweg zum Zwecke einer privaten Verrichtung unterbrochen, als er sich im Rahmen einer polizeilichen Personenkontrolle geweigert habe, seine Personalien bekannt zu geben und sich durch seinen Bundespersonalausweis auszuweisen. Seiner rechtlichen Bewertung hat das Sozialgericht unter Würdigung der Zeugenaussage des G., der im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Zeugenaussagen aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte und den Angaben des Klägers selbst folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt:
"Als der Kläger und der Zeuge G. am 20.01.2010 im E-bus während einer Fahrkartenkontrolle von der Kontrolleurin darauf hingewiesen wurden, dass sie ihrer Ansicht nach nicht über einen gültigen Fahrausweis verfügten, weigerte der Kläger sich, seinen Personalausweis vorzuzeigen und die Feststellung seiner Personalien zu ermöglichen. Die Kontrolleurin verständigte daraufhin die Polizei, welche die Personalien nach dem Aussteigen des Klägers am B-Stadter Hauptbahnhof feststellen sollte. Am Bahnhof angekommen wurde der Kläger von einem Polizeibeamten, POK K., angesprochen und aufgefordert sich auszuweisen. Der Kläger verweigerte dies jedoch und machte Ausführungen, welche nicht der Identitätsfeststellung dienten, weil er davon überzeugt war, im Besitz eines gültigen Fahrausweises gewesen zu sein. Daraufhin wurde er von POK K. zum Streifenwagen verbracht. (Auf die Frage, inwieweit seitens POK K. hierbei unmittelbarer Zwang angewendet wurde und ob dieser gerechtfertigt war, kommt es dabei für die Frage des Vorliegens eines Arbeitsunfalles nicht an und war von der Kammer daher auch nicht zu bewerten.)"
Indem der Kläger gegenüber dem anwesenden Polizeibeamten am Hauptbahnhof B Stadt die Herausgabe seiner Personalausweises unterlassen habe, sei seine Handlungstendenz nicht auf eine betriebsdienliche Tätigkeit gerichtet gewesen, sondern habe wesentlich der Verfolgung eigener Angelegenheiten, nämlich sich der Identitätsfeststellung durch den Polizeibeamten zu entziehen, gegolten. Der Kläger habe mit seinem Unterlassen nach der Aufforderung des POK K., sich auszuweisen, nach den objektiven Gesamtumständen wie auch nach der subjektiven Handlungstendenz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wesentliche betriebliche Interessen nicht mehr sein Verhalten bestimmten. Es sei weder objektiv noch subjektiv betriebsdienlich, sich der polizeilich angeordneten Identitätsfeststellung zu entziehen. Objektiv handele es sich um eine verdachtsabhängige Personenkontrolle zur Identitätsfeststellung im Sinne des § 163b StPO, nachdem aufgrund der Meldung der Kontrolleure des E-Busses ein Anfangsverdacht bezüglich des Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a StGB bestanden gehabt habe. Unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers zu den Umständen und der Fahrscheinkontrolle, der Aussage des Zeugen G. und den polizeilichen Feststellungen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kontrolle offenbar tatsächlich über einen gültigen Fahrausweis verfügte, sei die Kammer davon überzeugt, dass sich der Kläger der Identitätsfeststellung entziehen wollte, weil er überzeugt war, im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein und die Notwendigkeit der Identitätsfeststellung nicht eingesehen habe. Es handele sich bei der Unterbrechung des Weges auch nicht um eine unerhebliche Unterbrechung, die quasi "im Vorbeigehen" hätte erledigt werden können. Zwar umfasse die Unterbrechung des Heimweges vom Moment der Weigerung, sich auszuweisen bis zum Ende der polizeilichen Maßnahme nur wenige Minuten. Es handele sich aber der Intensität und Zielrichtung nach erkennbar nicht um eine unwesentliche Unterbrechung, die sich, wie der Kauf einer Zeitung oder eines Brötchens, nur im Vorbeigehen ereigne und die wesentliche Prägung des Weges als versicherten Weg bzw. betriebsdienlichen Weg unberührt gelassen habe. Die für diese Beurteilung maßgeblichen subjektiven Vorstellungen des Klägers ließen sich zudem aufgrund objektiver Anhaltspunkte bestätigen. Die Vorstellung des Klägers, sich der Identitätsfeststellung zu widersetzen, lasse objektiv keine betriebsdienlichen Elemente erkennen.
Gegen die ihm am 27. April 2016 zugestellte Entscheidung hat der Kläger per Fax am 27. Mai 2016 Berufung bei dem Sozialgericht Darmstadt angebracht. Zur Begründung macht der Kläger geltend, es handele sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Darmstadt um einen Wegeunfall. Der Kläger habe sich zu keinem Zeitpunkt von dem vorgesehenen Weg abgewendet. Die im Streit stehenden Maßnahmen der Polizei hätten allesamt exakt auf dem Weg stattgefunden, den auch er zum Erreichen seines Wohnortes zurückzulegen gehabt habe. Die Polizisten hätten den Kläger zu keinem anderen Ort gebracht, sondern bereits an seinem Aussteigepunkt auf ihn gewartet. Eine Wegeunterbrechung läge nicht vor.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. Januar 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2013 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 20. Januar 2010 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Ein von dem Kläger am 8. August 2011 wegen des Vorfalls vom 20. Januar 2010 ebenfalls eingeleitetes Verfahren auf Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wurde von dem Hessischen Amt für Versorgung und Soziales - Versorgungsamt - Darmstadt negativ beschieden. Nach dem Inhalt des insoweit bestandskräftigen Bescheides vom 11. April 2012 konnte der Nachweis, dass der Kläger Opfer eines von einer anderen Person verübten vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriffs geworden ist, nicht erbracht werden. Zweifel ergaben sich für das Versorgungsamt zu Lasten des Klägers dabei am Vorliegen eines tätlichen Angriffs und dessen Vorsätzlichkeit wie auch Rechtswidrigkeit sowie an der Kausalität zwischen der Gewalttat und der Gesundheitsstörung.
Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogene staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte (Az.: 501 Js 11974/10 PZ) und die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -)
Die nach den §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Bescheid vom 7. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 20. Januar 2010 gemäß § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) als Arbeitsunfall. Versicherungsschutz bestand für die Dauer der polizeilichen Maßnahme nicht. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Das Sozialgericht hat den Sachverhalt in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht umfassend und zutreffend gewürdigt. Dem vermag der Senat nichts Weiteres hinzuzufügen.
Auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren führt zu keinem für ihn günstigeren Ergebnis. Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger sich zu keinem Zeitpunkt von seinem eigentlichen Nachhauseweg, dem versicherten Arbeitsweg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, - örtlich - entfernt gehabt hat, sich das streitgegenständliche Ereignis mithin auf seinem üblichen Heimweg, vor dem E-Bus am B-Stadter Hauptbahnhof ereignet hat.
Ob eine Tätigkeit oder Verrichtung auf dem Arbeitsweg versichert ist, bestimmt sich alleinig nach der Handlungstendenz des Versicherten. Entscheidend ist insoweit, ob diese rechtlich wesentlich auf das Zurücklegen des Weges zum Ziel – hier zum Wohnort des Klägers – gerichtet ist bzw. war oder nicht.
Fehlt es an einer solchen Handlungstendenz, dann scheidet nach der ständigen und auch gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 SGB VII selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg zu und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 SGB VII, Rn. 194; Ricke in KassKomm, SGB VII, § 8 Rn. 217 ff.). In seiner Entscheidung vom 9. Dezember 2003 (Az.: B 2 U 23/03 R) hat das BSG unter Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung herausgestellt, dass es nicht darauf ankommt, dass der Versicherte zur Erledigung einer privatnützigen (eigenwirtschaftlichen) Verrichtung den öffentlichen Verkehrsraum verlässt und für den inneren (sachlichen) Zusammenhang der Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses mit dem versicherten Weg als allein maßgebliches Abgrenzungskriterium die finale Handlungstendenz des Versicherten betont. In Bezug auf die Abgrenzung versicherter von unversicherter Zurücklegung von Wegen im Rahmen von § 8 Abs. 2 SGB VII hat das BSG darüber hinaus klargestellt, dass im Grundsatz bereits jedes Anzeichen einer Änderung der Handlungstendenz ausreicht, um die Unterbrechung des Weges festzustellen, und in dem konkret entschiedenen Fall bereits die objektiv erkennbare Verlangsamung der Fahrt und das Setzen des Blinkers als ein solches Zeichen des Ingangsetzens einer privaten Handlung angesehen (BSG vom 4. Juli 2013 - B 2 U 3/13 R; siehe zum Ganzen auch G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 SGB VII, Rn. 207).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der versicherte Weg des Klägers von seiner Arbeitsstätte am C-Stadter Flughafen zu seiner Wohnung in A-Stadt durch die an ihn gerichtete Aufforderung von POK K., sich auszuweisen, rechtlich wesentlich durch eine dem privaten Bereich des Klägers zuzuordnende, nicht mehr betriebsdienliche Tätigkeit unterbrochen worden ist. Begonnen hat der Kläger mit der Unterbrechung des versicherten Wegs objektiv erkennbar in dem Moment, in dem er nach außen hin sichtbar seine subjektive Handlungstendenz in ein für Dritte beobachtbares "objektives" Handeln, der Verweigerung seiner Identitätsfeststellung, umgesetzt hat. Dies hat auch das Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung rechtsfehlerfrei festgestellt, ebenso, dass diese Unterbrechung nicht geringfügig war.
Eine geringfügige Unterbrechung liegt nur vor, wenn die Unterbrechung durch die private Tätigkeit zeitlich und räumlich ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die "im Vorbeigehen und ganz nebenher" erledigt werden kann (BSG vom 4. Juli 2013 - B 2 U 3/13 R). Sie setzt darüber hinaus eine praktisch andauernde Ausübung einer versicherten Tätigkeit voraus (st. Rspr., z. B. BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 11/04 R). Ist die in die versicherte Tätigkeit eingeschobene private Verrichtung nicht nur betriebsfremd, sondern betriebswidrig, ist der Betroffene auch während einer an sich geringfügigen Unterbrechung nicht versichert (BSG vom 20. Mai 1976 - 8 RU 134/75, SozR 2200 § 539 Nr. 21). Zwar hat sich die Unterbrechung mit einer Dauer von nur wenigen Minuten (G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 SGB VII, Rn. 57) im zeitlichen Rahmen gehalten. Allerdings handelt es sich bei einer Identitätsfeststellung als polizeiliche Maßnahme um eine von der Zurücklegung einer versicherten Wegstrecke klar abgrenzbare Tätigkeit ohne jeglichen betrieblichen Bezug. Von ihrer Zielrichtung und Intensität her war sie darüber hinaus nicht unwesentlich und hat der Heimfahrt des Klägers ein verändertes Gepräge gegeben. Durch diese kurzfristige betriebswidrige Maßnahme ist der Versicherungsschutz unterbrochen worden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
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