L 9 AS 1495/16 B ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 17 AS 2225/16 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 1495/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Für einen vorbeugenden Eilantrag, dem Jobcenter generell zu untersagen, ersatzweise anstelle des Leistungsberechtigten Altersrente zu beantragen (§ 5 Abs. 3 SGB II) fehlt es grundsätzlich am Anordnungsgrund. Es ist in der Regel zumutbar, nachträglichen Eilrechtschutz zu erlangen.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 29. November 2016 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu ersetzen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Aufforderung des Antragsgegners vorzeitige Altersrente zu beantragen. Die am geborene Antragstellerin bezieht vom Antragsgegner laufend Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 09. November 2016 wurden ihr für den Zeitraum Dezember 2016 bis Mai 2017 Leistungen in Höhe von 742,04 EUR monatlich bewilligt. Mit Bescheid vom 01. Juli 2016 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin unter Berufung auf § 12a SGB II auf, bis zum 18. Juli 2016 einen Antrag auf Altersrente zu stellen. In der weiteren Folge forderte der Antragsgegner die Antragstellerin mit Bescheiden vom 29. August und 30. August 2016 erneut auf bis zum 15. September bzw. 16. September einen Antrag auf un- bzw. geminderte Altersrente zu stellen. Im Bescheid vom 30. August 2016 wurde ausgeführt, dass er bei seiner Ermessensentscheidung die Voraussetzungen der Unbilligkeitsverordnung (UnbilligkeitsV) geprüft habe. Da die dort normierten Ausnahmen nicht vorliegen würden, sei die Antragstellerin verpflichtet, Altersrente zu beantragen. Gegen die Aufforderung vom 30. August 2016 erhob die Antragstellerin Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2016 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Hiergegen wurde Klage zum Sozialgericht Meiningen zum Aktenzeichen S 17 AS 2048/16 erhoben.

Schließlich forderte der Antragsgegner die Antragstellerin mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 nochmals auf, bis zum 10. November 2016 eine geminderte Altersrente zu beantragen. Hiergegen legte die Antragstellerin unter dem 16. November 2016 Widerspruch ein. Mit Ab-hilfebescheid vom 09. Dezember 2016 nahm der Antragsgegner diese Aufforderung zurück. Bereits am 15. November 2016 hatte der Antragsgegner beim zuständigen Rentenversicherungsträger anstelle der Antragstellerin Altersrente beantragt.

Am 21. November 2016 beantragte die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Aufforderungen vom 30. August 2016 und vom 24. Oktober 2016 und dem Antragsgegner aufzuerlegen, vorläufig keinen Rentenantrag in ihrem Namen stellen zu dürfen.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 29. November 2016 abgelehnt.

Am 12. Dezember 2016 hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.

Sie beantragt zuletzt,

dem Antragsgegner aufzuerlegen, vorläufig keinen Antrag auf Altersrente in ihrem Namen stellen zu dürfen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er beruft sich auf die den angefochtenen Beschluss tragenden Gründe.

Im Nachgang des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage, zu dem die ordnungsgemäß geladene Antragstellerin nicht erschienen war, teilte der Antragsgegner mit, dass der Bescheid zur Beantragung der vorzeitigen Altersrente vom 30. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2016 und der veranlasste Antrag auf Gewährung einer vorzeitigen Altersrente bei der Rentenversicherung zurückgenommen werden. Daraufhin hat die Antragstellerin ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 30. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2016 für erledigt erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist mangels Anordnungsgrund unbegründet. Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung und/oder im Wege der Amtsermittlung einen Anordnungsanspruch bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Hierbei ist, wenn sich das Gericht an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren will, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05). Darüber hinaus ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, das heißt die Notwendigkeit einer sofortigen Entscheidung des Gerichts erforderlich.

Ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht. Maßgebend für die Prüfung, ob dieser vorliegt, ist in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Zeitpunkt, zu dem das Gericht entscheidet, bei einer Beschwerde mithin der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Dies erklärt sich daraus, dass in dem Erfordernis des Anordnungsgrundes ein besonderes Dringlichkeitselement enthalten ist, welches grundsätzlich nur Wirkung für die Zukunft entfalten soll. Dagegen scheidet eine rückwirkende Feststellung - betreffend einen abgelaufenen Zeitraum - grundsätzlich aus. Dies folgt aus der prozessualen Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 29. Oktober 2009 - L 9 AS 831/09 ER -).

Soweit die Antragstellerin mit dem Antrag künftige Aufforderungen zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente bzw. einen entsprechenden Antrag des Antragsgegners selbst verhindern will, macht sie vorbeugenden Rechtsschutz geltend. Für vorbeugenden Rechtsschutz ist ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse erforderlich, das insbesondere beinhaltet, dass der Betroffene nicht auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Es ist regelmäßig nachträglicher Rechtsschutz gegen die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen sowie im Hinblick auf die eventuelle ersatzweise Rentenantragstellung, möglich und ausreichend. Einstweiliger Rechtsschutz hat grundsätzlich nicht die Aufgabe, Rechtsfragen zu beantworten, die mit einer gegenwärtigen Notlage nichts zu tun haben (vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - L 7 AS 862/12 B ER -). Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved