S 2 SO 315/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 315/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 SO 435/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 93/16 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 12.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2013 wird abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zur angemessenen Schulbildung durch Übernahme auch der Kosten des Integrationshelfers für die Stunden, da der Kläger an der Offenen Ganztagsschule teilnimmt, zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers auch für den Zeitraum der Offenen Ganztagsschule (OGS) über den Pflichtunterricht am Vormittag hinaus, sowie für den Schulweg.

Der am 00.00.2006 geborene Kläger ist aufgrund eines Downsyndroms schwerbehindert mit einem GdB von 80 und den Merkzeichen G und H. Er erfüllt die Voraussetzungen der Pflegestufe II der Pflegeversicherung. Er besucht seit September 2013 die F-Schule in C im regulären Schulunterricht am Vormittag und in der Offenen Ganztagsbetreuung am Nachmittag. Bei ihm wurde durch das Schulamt der Stadt C am 02.05.2013 ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt. Auf den Inhalt des Bescheids wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragte am 11.04.2013 die Übernahme der Kosten für die Person eines Integrationshelfers für die gesamte Zeit der Anwesenheit in der Schule und für die Bewältigung des Schulwegs. Der Umfang des Unterrichts im 1. Schuljahr beträgt 24,5 Stunden. Hinzu kommen täglich 3 Stunden für die Betreuung in der OGS. Mit Bescheid vom 12.07.2013 bewilligte die Beklagte gemäß §§ 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHVO eine Kostenübernahme von maximal 17 Stunden wöchentlich. Die Übernahme weiterer Stunden für den Vormittagsunterricht wurde abgelehnt. Mit einem weiteren Bescheid vom gleichen Tag lehnte sie die Gewährung von Eingliederungshilfe gemäß § 54 SGB XII für die OGS ab. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2013 bewilligte die Beklagte Leistungen durch einen Integrationshelfer für 23 Stunden pro Woche. Die Stundenzahl errechnet sich aus dem Pflichtunterricht zuzüglich Pausenzeiten. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Die Übernahme der Kosten der Betreuung in der OGS falle nicht unter die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung. Es handle sich vielmehr um Eingliederungshilfe in Form von Hilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft. Diese Leistung sei allerdings einkommens- und vermögensabhängig. Angaben zum Einkommen und Vermögen seitens der Eltern des Kindes seien trotz Aufforderung nicht gemacht worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Beim Besuch der Offenen Ganztagsschule handle es sich nicht um eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung. Die Einrichtung und der Besuch der Offenen Ganztagsschule sei eine freiwillige Entscheidung der Schule und der Eltern. Der gemeinsame Unterricht an der F-Schule für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf müsse anders als bei einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung nicht als Ganztagsschule geführt werden.

Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter und wiederholt seine bisherigen Ausführungen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 12.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2013 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm Leistungen der Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten für eine Begleitpersonen (Integrationshelfer) während des Schulbesuches am Vormittag und im Offenen Ganztag am Nachmittag, sowie auf dem Weg zur Schule und von der Schule zum Wohnort im Schuljahr 2013/2014 für die Wochentage von Montag bis Freitag als Hilfe zur angemessenen Schulbildung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihre bisherigen Ausführungen.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte des Verwaltungsverfahrens sowie die Akte des Eilverfahrens S 2 SO 309/13 ER Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der zulässige Antrag ist teilweise, nämlich hinsichtlich des Anspruchs auf Eingliederungshilfe hinsichtlich des Integrationshelfers während der OGS, begründet. Der Kläger ist insoweit im Sinne von § 54 Absatz 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2013 ist insoweit rechtswidrig und der Kläger insoweit in seinen Rechten verletzt. Im Übrigen, hinsichtlich des Integrationshelfers für den Schulweg, ist die Klage unbegründet. Insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und der Kläger durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe unter dem Aspekt der angemessenen Schulbildung auch für die Stunden der OGS an der Grundschule. Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Von einer Behinderung bedroht sind gemäß § 53 Abs. 2 SGB XII Personen, bei denen der Eintritt der Behinderung nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies gilt für Personen, für die vorbeugende Gesundheitshilfe und Hilfe bei Krankheit nach den §§ 47 und 48 erforderlich ist, nur, wenn auch bei Durchführung dieser Leistungen eine Behinderung einzutreten droht. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es gemäß § 53 Abs. 3 SGB XII, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Für die Leistungen zur Teilhabe gelten gemäß § 53 Abs. 4 SGB XII die Vorschriften des Neunten Buches, soweit sich aus diesem Buch und den auf Grund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach diesem Buch.

Leistungen der Eingliederungshilfe sind gemäß § 54 Abs.1 SGB XII neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 des Neunten Buches insbesondere

1. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt, 2. Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule, 3. Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit, 4. Hilfe in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten nach § 56, 5. nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und zur Sicherung der Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben entsprechen jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit.

Erfordert die Behinderung Leistungen für eine stationäre Einrichtung, für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen, sind die Leistungen hierfür gemäß § 92 Abs. 1 SGB XII auch dann in vollem Umfang zu erbringen, wenn den in § 19 Abs. 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist. In Höhe dieses Teils haben sie zu den Kosten der erbrachten Leistungen beizutragen; mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner. Den in § 19 Abs. 3 genannten Personen ist die Aufbringung der Mittel gemäß § 92 Abs. 2 SGB XII nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten 1. bei heilpädagogischen Maßnahmen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind, 2. bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu, 3. bei der Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll, 4. bei der Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf oder zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit, wenn die hierzu erforderlichen Leistungen in besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht werden, 5. bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 26 des Neunten Buches), 6. bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 des Neunten Buches), 7. bei Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 des Neunten Buches und in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten (§ 56), 8. bei Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, soweit diese Hilfen in besonderen teilstationären Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht werden. Die in Satz 1 genannten Leistungen sind ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen. Die Kosten des in einer Einrichtung erbrachten Lebensunterhalts sind in den Fällen der Nummern 1 bis 6 nur in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen anzusetzen; dies gilt nicht für den Zeitraum, in dem gleichzeitig mit den Leistungen nach Satz 1 in der Einrichtung durchgeführte andere Leistungen überwiegen. Die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 Nr. 7 und 8 ist aus dem Einkommen nicht zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen insgesamt einen Betrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 nicht übersteigt.

Hiervon ausgehend handelt es sich bei den Kosten für einen Integrationshelfer für die Nachmittagsstunden der Offenen Ganztagsschule in der Grundschule (im Folgenden: OGS) um eine Hilfe für eine angemessene Schulbildung im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Dies ergibt sich bei der Auslegung dieser Norm zur Überzeugung der hiesigen Kammer insbesondere im Lichte der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22.03.2012 zum Verfahren B 8 SO 30/10 R.

Grundsätzlich kommen danach alle Maßnahmen in Betracht, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSG, Urteil vom 22.03.2012, Az.: B 8 SO 30/10 R). Ausgeschlossen sind hiernach lediglich solche Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind, da § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII ausdrücklich die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt lässt, mithin die schulrechtlichen Verpflichtungen neben den sozialhilferechtlichen stehen (BSG, a.a.O.). Die Vorschrift normiert lediglich unterstützende Leistungen, überlässt die Schulbildung aber den Schulträgern (BSG, a.a.O.). Der Begriff der Schulbildung ist bei behinderten Kindern weit zu verstehen. Erforderlich ist aber, dass im Rahmen der in Rede stehenden Förderung Maßnahmen erfolgen, die den Schulbesuch erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.10.2008, Az.: L 9 SO 8/08). Ausgangspunkt ist dabei, dass die Betreuung speziell auf die schulischen Maßnahmen abgestimmt ist und zu einer noch zu erreichenden gewissen Schulbildung führt. Es muss ein überwiegender Bezug zur schulischen Ausbildung bestehen. Nicht ausreichend ist dagegen, dass im Rahmen einer Maßnahme positive Nebeneffekte auch für die schulische Entwicklung eintreten können. Hiervon ausgehend stellt die OGS die typische Alltagssituation des Schulbesuchs dar und ist somit ein angemessener Schulbesuch im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr.1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV. Zwar besteht keine schulrechtliche Pflicht zur Teilnahme an der OGS, worauf die Beklagte abstellt, das könnte dagegen sprechen, dass es sich kurz gesagt um "Schule" handelt. Allerdings handelt es sich um eine freiwillige Schulveranstaltung, die letztlich den wesentlichen Schulalltag abbildet, wie heutzutage "Schule" angeboten werden soll. Bei summarischer Prüfung und unter Beachtung des besonderen Sinn und Zwecks der Eingliederungshilfe, gerade dem jungen, behinderten Menschen zu ermöglichen, seinen optimalen Platz im Leben in der Gemeinschaft zu finden, ist die OGS eine regelmäßige schulische Veranstaltung und somit "Schule" im alltäglichen Sinne, wie bereits auch der Alltagsbegriff "Offene Ganztagsschule" deutlich zeigt. Und so besuchen auch in der Klasse des Klägers 19 von 25 Kindern die OGS. Die Offene Ganztagsschule ist ein Element des modernen Schulunterrichts, das den Schulalltag prägt und im oben genannten Sinne im überwiegenden Bezug zur schulischen Ausbildung steht. Dass der Kläger auf Unterstützung im Sinne der Notwendigkeit eines Integrationshelfers angewiesen ist, ergibt sich für den Unterricht bereits aus der Tatsache, dass der Integrationshelfer auch für den Pflichtunterricht schon für notwendig erachtet und die entsprechende Leistung bewilligt wurde. Dass der Kläger, wenn er an der OGS teilnehmen möchte, einen Integrationshelfer benötigt, wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Die Beklagte ist vielmehr der Auffassung, es handle sich bei der Gestellung des Integrationshelfers für die OGS um eine Hilfe zum Leben in der Gemeinschaft. Der wesentliche Unterschied besteht hinsichtlich der Rechtsfolgen dann in der Bestimmung des oben genannten § 92 Abs. 2 SGB XII, der die Hilfen zu den dort genannten schulischen und beruflichen Maßnahmen bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung privilegiert, während die Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dort nicht privilegiert werden. Konkret bedeutet dies, dass die Hilfen zum Leben in der Gemeinschaft zuzahlungspflichtig sind, während die Hilfen zur angemessenen Schulbildung einkommens- und vermögensunabhängig gewährt werden. Da das Ausmaß der Zuzahlung beträchtlich ist, kann daher nicht dahin stehen, ob es sich bei den Hilfen für die Teilnahme an der OGS um Maßnahmen für eine angemessene Schulbildung oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft handelt. Denn Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

Die Bestimmung des § 19 Abs. 3 SGB XII besagt letztlich, dass die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Grundsatz nach den gleichen Regeln wie die Gewährung von Sozialhilfe im engeren, landläufige Sinne der staatlichen Unterstützungsleisung der Grundsicherung erfolgt. Lediglich die §§ 92, 92a SGB XII modifizieren diese Regelung im Sinne einer Abmilderung. Auch wenn es also mit dem SGB IX scheinbar ein eigenes Buch über die Rechte behinderter Menschen gibt, so ist dieses SGB IX nicht als Leistungsrecht ausgestaltet, wenn es um die Tragung der Kosten einer Behinderung geht. Hier werden der behinderte Mensch und seine Angehörigen im Grundsatz auf die Sozialhilfe mit dem dortigen Subsidiaritätsprinzip verwiesen, so dass der behinderte Menschen die Kosten der Behinderung jenseits der Akutbehandlung erst einmal selbst zu tragen hat. Hiervon nimmt § 92 SGB XII die schulische und berufliche Bildung strukturell aus.

Bei der Eingliederungshilfe für die Teilnahme an der OGS handelt es sich zur Überzeugung der Kammer um eine Eingliederungshilfe zur angemessenen Schulbildung, so dass dem Kläger und seinen Eltern auch das Recht der einkommens- und vermögensunabhängigen Leistungsgewährung aus § 92 Abs. 2 SGB XII zusteht.

Da der Kläger in die F-Grundschule aufgenommen wurde, hat er im Grundsatz bis zur Grenze des Tatsächlichen das Recht wie jeder andere Schüler mitzumachen. Er darf von einzelnen Veranstaltungen nicht ausgeschlossen werden. Er darf weder unmittelbar noch mittelbar diskriminiert werden. Er darf uneingeschränkt in der Grundschule, lediglich beschränkt durch seine eigenen, nicht durch Hilfe kompensierbaren Möglichkeiten und ggfs. gleichrangige Rechte anderer Schüler auf Bildung "mitmachen". Es bedarf also einer inklusiven Betrachtung der Grundschule. Deshalb darf zur Überzeugung der Kammer die Veranstaltung "Grundschule" nicht in einzelne Elemente zerpflückt werden, an denen der Kläger nur teils teilnehmen und teilweise nicht teilnehmen dürfte. Vielmehr kommt bei der Vermeidung von Diskriminierung dem subjektiven Empfinden eines objektiven Empfängerhorizontes besondere Bedeutung zu. Im Sinne dieser generalisierenden Betrachtung nimmt ein Schüler die Veranstaltung "Grundschule" als eine Einheit wahr. Und offensichtlich geht auch die Beklagte selbst beispielsweise nicht davon aus, dass die Unterrichtspausen anstatt als schulische Maßnahme als Maßnahme der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu sehen seien. Da die Kosten eines Integrationshelfers gemessen an den Möglichkeiten eines durchschnittlichen Privathaushaltes beträchtlich sind, kommt die Zuordnung der Hilfen zur OGS zu den Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in ihren faktischen Auswirkungen einem Verbot der Teilnahme an der OGS für einen Schüler mit Behinderung, der aus durchschnittlichen finanziellen Verhältnissen stammt, sehr nahe. Wenn ein Schüler, der an der OGS selbst teilnehmen möchte, auch wenn sie nur freiwillig ist, an dieser aus wirtschaftlichen Gründen faktisch nicht teilnehmen kann, weil dann die gesamte Familie wegen seiner Behinderung wirtschaftlich betrachtet "von Sozialhilfe leben muss", so wird er jedenfalls mittelbar benachteiligt. Das läuft dem Gedanken der Eingliederungshilfe zuwider. Eine enge, besonders strenge Auslegung ist hier auch gar nicht geboten. Denn § 54 Abs. 1 Nr.1 SGB XII formuliert von Hilfen zur angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen. Die Formulierung "insbesondere" schafft eine Öffnungsklausel. Es kommt also gar nicht darauf an, ob für die OGS eine Schulpflicht besteht. Und das Kriterium des BSG für die Abgrenzung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, dass Ausgangspunkt dabei sein muss, dass die Betreuung speziell auf die schulischen Maßnahmen abgestimmt ist und zu einer noch zu erreichenden gewissen Schulbildung führt und ein überwiegender Bezug zur schulischen Ausbildung bestehen, während nicht ausreichend sei, dass im Rahmen einer Maßnahme positive Nebeneffekte auch für die schulische Entwicklung eintreten können, ist bei der OGS offensichtlich gegeben. Und dass der Kläger individuell geeignet ist, an der OGS teilzunehmen, ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass er für die Grundschule für geeignet befunden wurde. Darüber hinaus muss er seinen Wunsch, an der OGS teilnehmen zu wollen, nicht weiter rechtfertigen. Insoweit bedurfte es zur Überzeugung der Kammer keiner weiteren Ermittlungen, etwa vergleichbar mit der Frage, ob ein Schüler auf die Bereitstellung von Nachhilfeunterricht angewiesen wäre. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Eingliederungshilfe in Form des Integrationshelfers für die OGS ergibt sich daraus, dass der Kläger damit insgesamt seine Rechte, die Grundschule mit all ihren Angeboten zu besuchen, ausüben kann. Diese Maßnahme ist auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne der allgemeinen rechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung, ob eine Maßnahme völlig außer Verhältnis zu ihrem Nutzen stünde.

Hinsichtlich des Integrationshelfers für den Schulweg kann der allgemeine Schulfahrdienst für behinderte Menschen genutzt werden, der in den Zuständigkeitsbereich des Schulamtes fällt. Insoweit war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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