L 27 R 540/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 6 R 412/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 540/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Juni 2015 aufgehoben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 21. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2014 verpflichtet, den Bescheid vom 9. Juni 2011 dahingehend zu ändern, zu Gunsten des Klägers Jahresendprämien für die Jahre 1976 bis 1989 in Höhe von insgesamt 14.512,74 Mark der DDR als zusätzliche Entgelte, die jeweils den Kalenderjahren zuzuordnen sind, im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten festzustellen. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zur 3/4 zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten nach einem Überprüfungsantrags des Klägers über die Verpflichtung der Beklagten, weitere Entgelte des Klägers in Form von Jahresendprämien für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in dem Zeitraum vom 1. Januar 1976 bis zum 31. Dezember 1989 festzustellen.

Der 1943 geborene Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum als Betriebsingenieur für Qualität bei dem VEB B W tätig.

Mit Bescheid vom 9. Juni 2011 stellte die Beklagte die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Januar 1976 bis zum 30. Juni 1990 als nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest, lehnte jedoch die Anerkennung von höheren Arbeitsverdiensten ab.

Der Kläger beantragte mit dem am 31. Dezember 2013 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben, den Bescheid vom 9. Juni 2011 zu überprüfen und seine Jahresendprämien als Arbeitsentgelt zusätzlich zu berücksichtigen. Hierzu legte er beglaubigte Kopien der Erklärung des ehemaligen Generaldirektors des VE B S H P und des ehemaligen Direktors Sozialökonomie des VE B S Dr. D W vom 11./26. April 2010 sowie des ergänzenden Schreibens des vorgenannten H P vom 13. Februar 2012 mit einem Anhang vom 25. November 2011 vor. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 21. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2014 mit der Begründung ab, dass der Kläger den Zufluss der Jahresendprämien weder bewiesen noch glaubhaft gemacht habe.

Mit der bei dem Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat der Kläger begehrt, über den bereits anerkannten Arbeitsverdienst hinaus die Jahresendprämien für den Zeitraum vom 1. Januar 1976 bis zum 30. Juni 1990 als höheren Arbeitsverdienst festzustellen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. Juni 2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Beklagte habe in dem zu überprüfenden Bescheid zu Recht die Feststellung höherer Arbeitsentgelte abgelehnt. Zwar seien Zahlungen von Jahresendprämien nicht ausgeschlossen, jedoch sei nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festzustellen, in welcher Höhe der Kläger in welchem Jahr Jahresendprämien erhalten habe. Die bloße Darstellung des allgemeinen Verfahrens zur Berechnung der Jahresendprämie und zur Auszahlung im Betrieb reiche für eine Glaubhaftmachung der Zahlung einzelner Beträge an den Kläger nicht aus.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er die Berufung hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1990 zurückgenommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 21. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2014 zu verpflichten, den Bescheid vom 9. Juni 2011 dahingehend zu ändern, zu seinen Gunsten Jahresendprämien für die Jahre 1976 bis 1989 in Höhe von insgesamt 14.512,74 Mark der DDR als zusätzliche Entgelte, die jeweils den Kalenderjahren zuzuordnen sind, im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die angefochtene Entscheidung zutreffend sei. Insbesondere sei der Beweiswert der Erklärung vom 11./26. April 2010 und der Ergänzung vom 13. Februar 2012 äußerst fragwürdig. H P habe erst seit Februar/März 1990 den Posten eines Generaldirektors inne gehabt. Auch habe er sich ausweislich des Anwaltsschreibens vom 27. Februar 2015 von seinen Erklärungen distanziert.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage hinsichtlich des noch streitgegenständlichen Zeitraums zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 21. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte die Änderung des vom 9. Juni 2011 und die Festsetzung zusätzlicher Entgelte in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang ablehnte. Denn dieser Bescheid ist nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch zu ändern, da der Kläger Anspruch gegen die Beklagte hat, dass sie zu seinen Gunsten Jahresendprämien für die Jahre 1976 bis 1989 in Höhe von insgesamt 14.512,74 Mark der DDR als zusätzliche Entgelte, die jeweils den Kalenderjahren zuzuordnen sind, im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten feststellt.

Nach § 8 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) hat der Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt derjenigen Mitteilung bekannt zu geben, die dem an diese Mitteilung gebundenen, für die Erfüllung der Aufgaben der Rentenversicherung zuständigen Rentenversicherungsträger zu übermitteln ist, d.h. neben Zeiten der Zugehörigkeit des Berechtigten zu einem Zusatzversorgungssystem insbesondere das daraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt.

Jahresendprämien sind grundsätzlich als einmalige Einkünfte aus einer Beschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV und damit als Arbeitsentgelt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG berücksichtigungsfähig, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebes für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung gehandelt hat. Das Bundessozialgericht (BSG) führt im Urteil vom 23. August 2007 (- B 4 RS 4/06 R -, Rn. 19, 30 bei juris) hierzu aus:

Der Gesetzestext besagt nur, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) u.a. das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist.

In der DDR konnten die Werktätigen (= Arbeitnehmer im Sinne des bundesdeutschen Rechts) unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. –entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung". Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag (nachfolgend: BKV; vergleichbar mit dem Firmentarifvertrag des bundesdeutschen Rechts) vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen und damit auch für die Jahresendprämie.

Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war deshalb auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie (Arbeitsrecht - Lehrbuch, herausgegeben von einem Autorenkollektiv, Staatsverlag der DDR, Berlin 1983, S 194). Nach § 117 Abs. 1 Arbeitsgesetzbuch der DDR (nachfolgend: AGB-DDR) vom 16.6.1977 (GBl I 185; mit nachfolgenden Änderungen) bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im BKV vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war.

Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hängt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts davon ab, dass der Empfänger seinerzeit die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür trägt er die objektive Beweislast (vgl. BSG a.a.O. Rn. 42).

Der Kläger hat nicht bewiesen, dass er als Empfänger von Jahresendprämien die nach den Rechtsvorschriften der DDR notwendigen Voraussetzungen für die Zahlung einer Jahresendprämie in jedem einzelnen Jahr, für das er eine solche Prämie geltend macht, erfüllt hat.

Der Senat konnte nicht die Überzeugung gewinnen (§ 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), dass der Kläger mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit überhaupt die Jahresentgeltprämien erhalten hat. Quittungen o.ä. hat er nicht vorgelegt. Unterlagen des Arbeitgebers über Zahlungen dieser Prämien sind nicht (mehr) vorhanden. Die Rechtsnachfolgerin sah sich nicht in der Lage, hierzu genauere Angaben zu machen.

Allerdings sieht das Gesetz, wie sich aus § 6 Abs. 6 AAÜG ergibt, die Möglichkeit der Glaubhaftmachung weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien vor:

Wird ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht, wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

In Fällen, in denen – wie vorliegend – der Zufluss und die Höhe eines Teils des Verdienstes im Wege des Vollbeweises nachgewiesen sind, erlaubt diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut und systematischen Zusammenhang, die Möglichkeit der Glaubhaftmachung auch auf den Grund weiterer Entgeltzahlungen zu erstrecken.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, dies auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", d. h. es reicht aus, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 BSozR 3-3900 § 15 Nr. 4).

An diesen Maßstäben gemessen hat der Kläger vorliegend glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 AGB-DDR) für den Bezug einer Jahresendprämie in den geltend gemachten Jahren vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie erhalten hat:

Er war in den Jahren 1976 bis 1989 jeweils während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB B W (§ 117 Abs. 1 Spiegelstrich 3 AGB-DDR). Glaubhaft gemacht ist weiter, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Spiegelstrich 1 AGB-DDR). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR zwingend vorgeschrieben. Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 AGB-DDR die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Schließlich ergibt sich aus der Erklärung vom 11./26. April 2010 und der Ergänzung vom 13. Februar 2012 die "gute Möglichkeit" im o.g. Sinne, dass er und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Spiegelstrich 2 AGB-DDR) und deshalb in den streitgegenständlichen Jahren tatsächlich Jahresendprämien erhalten hat. Der ehemalige Generaldirektors des VE B S H P und der ehemalige Direktors Sozialökonomie des VE B S Dr. D Whaben unter dem 11./26. April 2010 an Eides statt versichert, dass j e d e m der im Stammbetrieb VE B Sund in den Kombinatsbetrieben – auch im VEB B W – Beschäftigten für die Jahre 1969 bis 1989 eine Jahresendprämie gezahlt wurde. Hierbei wurde, wie im Schreiben vom 13. Februar 2012 ausgeführt ist, insbesondere berücksichtigt, dass der Anteil eines jeden Einzelnen der technischen Intelligenz an der Planerfüllung des Kombinats nicht exakt mess- bzw. nachweisbar und somit nicht bewertbar war. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte geht der Senat von der Authentizität der beiden Schreiben aus, die auch von der Beklagten nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. In inhaltlicher Hinsicht tragen die Erklärungen nach einer Gesamtwürdigung die Einschätzung, sei es wahrscheinlicher, dass der Kläger in den streitgegenständlichen Jahren 1976 bis 1989 die Jahresendprämie erhalten hat, als dass er sie nicht erhalten hat. Der Hinweis der Beklagten, dass H P den Posten eines Generaldirektors erst seit Februar/März 1990 innehatte, ist nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit dessen Erklärung zu erschüttern. Wie er in seiner ergänzenden Erklärung vom 13. Februar 2012 darlegte, beruhen seine Angaben auf den Ermittlungen des – inzwischen verstorbenen – ehemaligen Hauptbuchhalters des VE B S R E, auf die er sich ausdrücklich bezog. Entgegen der Ansicht der Beklagten vermag der Senat aus dem Anwaltsschreiben vom 27. Februar 2015, in dem erklärt wird, dass der zu einem Beweistermin des Sozialgerichts Cottbus als Zeuge geladene H P zum Gegenstand der Vernehmung keinerlei Aussagen treffen könne, keine Distanzierung von seinen schriftlichen Erklärungen zu erkennen, zumal das Beweisthema, zu dem der Zeuge in dem dortigen sozialgerichtlichen Verfahren gehört werden sollte, unbekannt ist.

Der Kläger trägt die objektive Beweislast nicht allein für den Zufluss als solchen (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R –, Rn. 42 bei juris), sondern auch für die Höhe der ihm gewährten Jahresendprämien.

Der Kläger hat nicht bewiesen, in welcher Höhe ihm ein jeweils konkret bestimmter Betrag als Jahresendprämie in den streitbefangenen Jahren tatsächlich zugeflossen ist, da – wie dargelegt – der Senat schon nicht die Überzeugung gewinnen konnte, dass der Kläger mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit überhaupt die Jahresentgeltprämien erhalten hat.

Die Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 6 AAÜG ermöglicht jedoch unter den genannten Voraussetzungen die Glaubhaftmachung der Höhe eines Teils des Verdienstes. Darüber hinausgehende Erleichterungen in Gestalt einer Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit sind dagegen nicht vorgesehen. Die streitigen Zahlungen betreffen zudem ersichtlich keinen "Schaden" im Sinne von § 287 Abs. 1 ZPO. Auch kann die auf gesetzlicher Ermächtigung beruhende "entsprechende Anwendung" der Norm auf der Grundlage von § 287 Abs. 2 ZPO von vornherein nur in Betracht kommen, wenn für den in Frage stehenden Rechtsbereich keine abschließende vorrangige Regelung besteht. Zudem würde die entsprechende Anwendung von § 287 Abs 1 ZPO in Fällen der vorliegenden Art zunächst die rechtsgrundlose Erweiterung von dessen Anwendungsbereich auf Fallkonstellationen mit ungeklärter Haftungsgrundlage erfordern, obwohl die insofern einschlägigen tatsächlichen Umstände gerade zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen müssen (§ 286 ZPO). Schließlich stieße die praktische Umsetzung eines derart methodisch fragwürdigen Tuns auf das Problem, dass sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch hinsichtlich der Höhe Erwägungen zu unterschiedlichen Graden der Wahrscheinlichkeit anzustellen wären. Deren Überlagerung müsste jedoch letztlich zu bloßen Möglichkeiten und damit zu einer Verfehlung auch der Rechtsfolge von § 287 ZPO führen (so BSG, Urteile vom 15. Dezember 2016 – B 5 RS 2 bis 9/16 R – zitiert nach dem Terminbericht Nr. 53/16 vom 16. Dezember 2016; die Entscheidungsgründe lagen im Zeitpunkt der Sitzung des Senats noch nicht vor).

Die konkrete Höhe der ihm für die Jahre 1976 bis 1989 jeweils gewährten Jahresendprämie hat der Kläger glaubhaft gemacht. Der Senat hält es für überwiegend wahrscheinlich, dass die in den Erklärungen vom 11./26. April 2010 und vom 13. Februar 2012 dargelegte Berechnungsmethode auch im Fall des Klägers zur Anwendung gelangte. Danach wurde, ausgehend von dem in dem jeweiligen Jahr erzielten Produktionsergebnissen des Kombinats ein bestimmter Prozentsatz ermittelt, der in den Jahren 1976 bis 1981 differierte, in den Jahren 1982 bis 1989 gleich blieb. Bezugsgröße dieses Prozentsatzes war dabei das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt des Beschäftigten des betreffenden Jahres, also 1/12 des Jahresbruttoverdienstes. Die Jahresendprämie in der sich danach errechneten Höhe wurde dem Beschäftigten meist in den Monaten Februar oder März des Folgejahres ausgezahlt. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die in dem sog. Anhang vom 25. November 2011 aufgeführten Prozentwerte nicht maßgeblich, da sie unterschiedslos alle Arbeitskräfte der dort aufgeführten Braunkohlekombinate und nicht die Angehörigen der technischen Intelligenz betreffen.

Hinsichtlich der Höhe des jeweils einzusetzenden Bruttomonatsgehalts geht der Senat grundsätzlich von den – insoweit von dem Kläger nicht in Frage gestellten – Feststellungen der Beklagten im Bescheid vom 9. Juni 2011 aus. Die betreffenden Beträge für die Jahre 1976 bis 1989 sind jeweils durch 12 (Monate) zu teilen.

Von den sich hieraus ergebenden Beträgen ist nach § 6 Abs. 6 AAÜG ein Abzug in Höhe eines Sechstels vorzunehmen, da der Kläger den Zufluss und die Höhe der Jahresendprämien nicht bewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht hat.

Im Ergebnis sind zu Gunsten des Klägers Zahlungen der Jahresendprämien für die Jahre 1976 bis 1989 wie folgt zu berücksichtigen:

Zeitraum Arbeitsentgelt monatliches Arbeitsentgelt Prozentsatz Errechnete JEP nach Abzug 1/6 01.01.-31.12.1976 13.444,00 1.120,33 89,15 % 998,77 832,31 01.01.-31.12.1977 14.630,62 1.219,22 93,65 % 1.141,80 951,50 01.01.-31.12.1978 15.491,30 1.290,94 94,30 % 1.217,36 1.014,47 01.01.-31.12.1979 15.444,33 1.287,03 94,07 % 1.210,71 1.008,93 01.01.-31.12.1980 16.082,61 1.340,22 87,03 % 1.166,39 971,99 01.01.-31.12.1981 17.293,60 1.441,13 91,94 % 1.324,97 1.104,14 01.01.-31.12.1982 17.804,13 1.483,68 88,64 % 1.315,13 1.095,94 01.01.-31.12.1983 16.765,00 1.397,08 88,64 % 1.238,37 1.031,98 01.01.-31.12.1984 17.120,60 1.426,72 88,64 % 1.264,64 1.053,87 01.01.-31.12.1985 18.017,84 1.501,49 88,64 % 1.330,92 1.109,10 01.01.-31.12.1986 18.118,51 1.509,88 88,64 % 1.338,36 1.115,30 01.01.-31.12.1987 16.682,60 1.390,22 88,64 % 1.232,29 1.026,91 01.01.-31.12.1988 16.998,50 1.416,54 88,64 % 1.255,62 1.046,35 01.01.-31.12.1989 18.681,43 1.556,79 88,64 % 1.379,94 1.149,95 insgesamt 14.512,74

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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