Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 158 AS 4886/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 905/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2017 insoweit geändert, als der Antragsgegner verpflichtet worden ist, den Antragstellern jeweils Kosten der Unterkunft monatlich zu gewähren, so dass ihnen nicht mehr als 534,24 Euro für den im Beschluss genannten Zeitraum zu gewähren und auszuzahlen ist. Der Antragsgegner hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu 65 Prozent zu erstatten. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt. Rechtsanwalt S wird beigeordnet.
Gründe:
I.
Im Streit sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Wege einstweiligen Rechtsschutzes.
Die im Jahr 1992 geborene Antragstellerin zu 1 und ihre Kinder, die Antragsteller zu 2 und 3 (geboren im April 2009 und März 2015) sind bulgarische Staatsangehörige. Die Antragstellerin zu 1 erzielt Einkommen in Höhe von monatlich 170 Euro in Ausübung ihrer Tätigkeit als Aushilfe.
Mit Bescheid vom 7. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.März 2017 hat der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 1. September 2016 für die Zeit ab 1. April 2017 für sie und die Antragsteller zu 2 und 3 abgelehnt, wogegen die Antragsteller Klage erhoben haben.
Mit dem am 12. April 2017 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben die Antragsteller geltend gemacht, ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei nicht gegeben, da die Antragstellerin zu 1 einer Tätigkeit nachgehe und die Antragsteller zu 2 und 3 ein Aufenthaltsrecht im Zusammenhang mit Ausbildung und Integration hätten. Der Antragsteller zu 2 besuche eine gebundene Ganztagsgrundschule. Neben dem Erwerbseinkommen der Antragstellerin werde Kindergeld für die Antragsteller zu 2 und 3 bezogen.
Die Antragsteller haben erstinstanzlich beantragt,
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für die Zeit ab Antragstellung (bei Gericht) bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens für die Dauer von sechs Monaten, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu gewähren.
2. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
3. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R S bewilligt.
Mit Beschluss vom 24. April 2017 hat das Sozialgericht Berlin beschlossen:
Tenor:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorläufig für die Zeit vom 13.04.2017-30.04.2017 in Höhe von 487,04 EUR sowie ab dem 01.05.2017 bis zum 30.09.2017, längstens jedoch bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, in Höhe von monatlich 811,74 EUR, sowie zu gewähren und auszuzahlen.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
Den Antragstellern wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt R S, B Straße, B beigeordnet.
Gegen den Beschluss richtet sich die am 28. April 2017 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Beschwerde des Antragsgegners. Er meint, bei der Tätigkeit der Antragstellerin zu 1 handele es sich um eine völlig untergeordnete Tätigkeit, welche eine Arbeitnehmereigenschaft nicht begründen könne. Eine Beschäftigung sei (erst dann) nicht mehr geringfügig, wenn aus ihr ein Entgelt in Höhe von mindestens 450,01 Euro erzielt werde.
Der Antragsgegner beantragt,
1. den Beschluss vom 24. April 2017 aufzuheben und den Antrag abzulehnen, 2. die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung aus dem Beschluss vom 24. April 2017 auszusetzen sowie 3. gemäß § 193 SGG zu entscheiden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Die Antragsteller beantragen,
1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 28.04.2017 gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 24.04.2017 zum Aktenzeichen S 158 AS 4886/17 ER wird vollumfänglich zurückgewiesen. 2. Den Beschwerdegegnern wird auch für die zweite Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Schäfer beigeordnet. 3. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens.
Sie verweisen auf Rechtsprechung des EuGH und anderer Gerichte, wonach die Antragstellerin zu 1 als Arbeitnehmerin zu beurteilen sei. Ferner teilen sie mit, dass die Antragsteller unter dem 10. April 2017 in eine neue Wohnung eingezogen seien. Überreicht wurde ein Wohnungsmietvertrag, der eine Gesamtmiete in Höhe von 750 Euro ausweist. Es bestünden zwischenzeitlich erhebliche Mietrückstände, die den Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigten. Die Monatsmiete für Juni 2017 habe nicht gezahlt werden können. Die geschuldete Mietkaution in Höhe von 100 Euro habe bisher in Gänze (für die Monate April bis Juni 2017) nicht gezahlt werden können. Die Antragsteller haben die Mahnung ihres Vermieters vom 13. Juni 2017 mit der Aufforderung, binnen 2 Wochen den fehlenden Gesamtbetrag von 1050 Euro zu überweisen, vorgelegt.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2017 wurde die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Berlin teilweise ausgesetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten des Antragsgegners.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen- hinsichtlich des Bedarfs für Unterkunft und Heizung- ist sie unbegründet.
Die Beschwerde ist insoweit unbegründet, als das Sozialgericht zu Recht erkannt hat, dass die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beanspruchen können. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht hinsichtlich des Regelbedarfs, Mehrbedarfs und des Sozialgeldes.
Das Sozialgericht hat im Einzelnen mit zutreffender Begründung dargelegt, dass den Antragstellern ein Anordnungsanspruch insoweit zusteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss. Die dort wiedergegebene Rechtsprechung ist zutreffende Grundlage für die Beurteilung, dass die Beschäftigung, der die Antragstellerin zu 1 nachgeht, nicht untergeordnet oder unwesentlich ist.
Die Auffassung des Antragsgegners, mindestens 450,01 Euro müssten erzielt sein, damit eine Beschäftigung nicht mehr geringfügig ist, erschließt sich in Anbetracht der Rechtsprechung des EuGH und des BSG nicht. Nach der Entscheidung des EuGH vom 4. Februar 2010 – C 14/09 ist als "Arbeitnehmer" jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Zwar könne der Umstand, dass im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden geleistet werden, ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübten Tätigkeiten nur untergeordnet und unwesentlich sind, jedoch lasse es sich unabhängig von der begrenzten Höhe des aus einer Berufstätigkeit bezogenen Entgelts und des begrenzten Umfangs der insoweit aufgewendeten Arbeitszeit nicht ausschließen, dass die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses von den nationalen Stellen als tatsächlich und echt angesehen werden kann und es somit ermögliche, dem Beschäftigten die Arbeitnehmereigenschaft zuzuerkennen. Bei der Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses seien nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub von 28 Tagen, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag. Diese letztgenannten Gesichtspunkte könnten darauf hindeuten, dass es sich bei dieser Erwerbstätigkeit um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt.
Nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist auch derjenige Arbeitnehmer, der nur über ein geringfügiges, das Existenzminimum nicht deckendes Einkommen verfügt, wie im Falle eines monatlichen Entgelts von 100 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 7,5 Stunden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R – juris Rdnrn. 3 und 18).
Das Sozialgericht hat sich an diesen Maßstäben orientiert und hat die Gesamtbewertung im vorliegenden Fall zutreffend vorgenommen. Die regelmäßige Arbeitszeit der Antragstellerin beträgt 4,5 Stunden. Der aktuelle Arbeitsvertrag besteht bereits seit 1. Juni 2016, sodass das Beschäftigungsverhältnis der Antragstellerin mit einer gewissen Dauerhaftigkeit ausgeübt wird (vgl. zur "Dauerhaftigkeit": Brinkmann in: Huber, AufenthG, § 2 FreizügG/EU, Rn. 11). Anhaltspunkte dafür, dass das Arbeitsverhältnis wesentlich zur Erlangung von Sozialleistungen begründet wurde, sind nicht erkennbar. Ihr steht ein Urlaubsanspruch in Höhe von 26 Kalender-/Arbeitstagen zu. Diese Gesichtspunkte deuten darauf hin, dass es sich bei dieser Erwerbstätigkeit um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt. Das Entgelt übersteigt 100 Euro.
Das Aufenthaltsrecht der Antragsteller zu 2 und 3 hat das Sozialgericht ebenfalls zutreffend begründet.
Nach allem können die Antragsteller wie vom Sozialgericht im Beschluss dargelegt den Regelbedarf (409 Euro für die Antragstellerin zu 1 zuzüglich den Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 147,24 Euro, Sozialgeld in Höhe von 291 und 237 Euro unter Berücksichtigung des Erwerbseinkommens der Antragstellerin zu 1 in Höhe von 170 Euro und des Kindergeldes in Höhe von 2 x 190 Euro), also 534,24 Euro monatlich insgesamt beanspruchen.
Allerdings kann die Entscheidung des Sozialgerichts keinen Bestand haben, soweit sie die Kosten der Unterkunft trifft. Insoweit besteht kein Anordnungsgrund.
Zumindest Anhaltspunkte für die Gefährdung der Unterkunft müssen glaubhaft gemacht sein, um einen Anordnungsgrund für die Kosten der Unterkunft zu begründen. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist – im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – geboten, wenn das Abwarten einer Entscheidung im grundsätzlich vorrangigen Hauptsacheverfahren aufgrund des Zeitablaufs zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Kammerbeschluss vom 22.11.2002 – 1 BvR 1586/02 – juris Rdnr. 7). Für den Streit um laufende Leistungen für Kosten der Unterkunft bedeutet dies, dass entscheidend ist, ob der Erhalt der Wohnung als Lebensmittelpunkt konkret gefährdet ist. Denn den Bedarfen für die Unterkunft nach § 22 SGB II liegt der Zweck des Schutzes der Wohnung zur Erfüllung des Grundbedürfnisses "Wohnen" und als eines räumlichen Lebensmittelpunkts zugrunde (st. Rspr., BSG, Urteil vom 19.08.2015 – B 14 AS 13/14 R – juris Rdnr. 19 m.w.N.).
Dies zugrunde legend fehlt es vorliegend an einem Anordnungsgrund. Vorliegend ist weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass der Erhalt der Wohnung als Lebensmittelpunkt konkret gefährdet ist. Dass Mietrückstände aufgelaufen wären, die zu einer Kündigung des Mietverhältnisses berechtigten, oder gar eine Kündigung drohen würde, ist nicht glaubhaft gemacht.
Es ist kein Zahlungsverzug glaubhaft gemacht, der eine außerordentliche fristlose Kündigung gemäß § 543 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rechtfertigen könnten.
Danach kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB).
Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Absatz 1 BGB liegt ferner vor, wenn der Mieter mit einer Sicherheitsleistung nach § 551 BGB in Höhe eines Betrages im Verzug ist, der der zweifachen Monatsmiete entspricht (§ 569 Abs. 2a Satz 1 BGB).
§ 551 Abs. 1 und 2 BGB bestimmt: Hat der Mieter dem Vermieter für die Erfüllung seiner Pflichten Sicherheit zu leisten, so darf diese vorbehaltlich des § 551 Abs. 3 Satz 4 BGB höchstens das Dreifache der auf einen Monat entfallenden Miete ohne die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten betragen. Ist als Sicherheit eine Geldsumme bereitzustellen, so ist der Mieter zu drei gleichen monatlichen Teilzahlungen berechtigt. Die erste Teilzahlung ist zu Beginn des Mietverhältnisses fällig. Die weiteren Teilzahlungen werden zusammen mit den unmittelbar folgenden Mietzahlungen fällig.
Ausgehend von einer monatlichen Miete in Höhe von 570 Euro zuzüglich einer Vorauszahlung für Heizung, Warmwasser und weitere Betriebskosten (Betriebskostenvorauszahlung) von 180 Euro (Gesamtmiete 750 Euro) und einer Mietkaution von 1500 Euro, die nach einer (nach § 551 Abs. 4 BGB) wirksamen Vereinbarung der Mietvertragsparteien jeden Monat in Höhe von 100 Euro zu zahlen ist, schulden die Antragsteller Miete von 570 Euro, Betriebskostenvorauszahlung von 180 Euro und Mietkaution von 300 Euro, insgesamt 1050 Euro, so dass sie weder für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages, der die Miete für zwei Monate erreicht, oder mit der Mietkaution im Umfang einer zweifachen Monatsmiete in Verzug sind.
Auch eine ordentliche Kündigung des Vermieters gemäß § 573 BGB ist gegenwärtig nicht begründbar. Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Erheblichkeit muss sich auf die Pflichtverletzung (nicht auf das Verschulden) beziehen. Auch kann der nachträgliche Ausgleich bei der Prüfung schuldhafter Pflichtverletzung zu berücksichtigen sein (Palandt, BGB, 73. Auflage § 573 Rz. 17 m. H. auf Rechtsprechung des BGH). Soweit der Kündigungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erfüllt wird, ist die Kündigung auf jeden Fall gerechtfertigt (Bundesgerichtshof – BGH - Urteil vom 25. Oktober 2006 – VIII ZR 102/06, Rdnr. 9, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 2007, 428). Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) u. a. aber auch dann gegeben, wenn der Mieter die Miete oder den Betriebskostenvorschuss ständig unpünktlich oder unvollständig zahlt oder wenn der Mieter mit seinen diesbezüglichen Zahlungen in Höhe eines Betrages, der die Bruttomiete von zwei Monaten überschreitet, über einen Zeitraum von mehr als zwei Zahlungsterminen hinweg in Verzug ist, wobei unter ständiger unvollständiger Zahlung eine solche von mehreren Monaten zu verstehen ist (BGH, Urteil vom 28. November 2007 – VIII ZR 145/07, zitiert nach juris Rz. 13 ff.). Streitig ist in der Rechtsprechung und in der mietrechtlichen Literatur, wie hoch ein vom Mieter verschuldeter Zahlungsrückstand sein und wie lange er angedauert haben muss, um eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen (zum Meinungsstand Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2012 – VIII ZR 107/12 zitiert nach juris Rz. 15 ff.). Der BGH gibt in dieser Entscheidung der Auffassung den Vorzug, dass auch unterhalb der in § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB festgelegten Grenze eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs möglich ist, allerdings müsse bei der Bewertung einer Pflichtverletzung als "nicht unerheblich" die Dauer und die Höhe des Zahlungsverzugs berücksichtigt werden. Nicht jeder geringfügige oder nur kurzfristige Zahlungsverzug rechtfertige die Annahme einer nicht unerheblichen Pflichtverletzung. Dem BGH erscheint die Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten, wenn der Rückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und zudem die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt.
Ausgehend davon scheidet eine ordentliche Kündigung aus, da zum einen der Kündigungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB nicht erfüllt ist und zum anderen nicht ersichtlich ist, dass wegen des Zahlungsverzuges eine erhebliche Pflichtverletzung besteht, die eine solche Kündigung wegen eines geringeren Betrages als zwei Monatsmieten rechtfertigen könnte.
Das Schreiben des Vermieters vom 13. Juni 2017 zwingt zu keiner anderen Bewertung. Der Vermieter hat zwar mit diesem Schreiben die Zahlung des ausstehenden Betrages von 1050 Euro angemahnt. Dieses Schreiben lässt jedoch nicht erkennen, dass weitere Konsequenzen, wie die Kündigung des Mietverhältnisses seitens des Vermieters, beabsichtigt sind. Anhaltspunkte für die Gefährdung der Unterkunft liegen daher gegenwärtig nicht vor.
Angesichts dessen kann dahin stehen, ob die Kosten der zum 1. April 2017 angemieteten Wohnung überhaupt angemessen sind.
An der Angemessenheit der vom Antragsteller beanspruchten Miete könnten Zweifel bestehen. Nach Ziffer 3.2. Abs. 2, Ziffer 3.4.1 Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen) vom 16.06.2015 (GesSoz II A 25) gelten als Richtwerte für angemessene Bruttokaltmieten bei 3 Personen pro Bedarfsgemeinschaft 518,25 Euro, wobei insbesondere bei Alleinerziehenden dieser Richtwert um bis zu 10 v. H. überschritten werden kann. Nach der von Richtern des Sozialgerichts Berlin entwickelten Methode (Projekt von Richterinnen und Richtern des Sozialgerichts Berlin, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit Nr. 1/210, S. 28 bis 42), die durch Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R) bestätigt wurde, ist für einen 3-Personenhaushalt eine Bruttokaltmiete von 552,80 Euro angemessen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist begründet. Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO erhält auf Antrag auf Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Erfolgsaussicht ist nicht zu prüfen, weil der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat, § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m § 119 Abs.1 ZPO: Die Übrigen Voraussetzungen liegen vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Gründe:
I.
Im Streit sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Wege einstweiligen Rechtsschutzes.
Die im Jahr 1992 geborene Antragstellerin zu 1 und ihre Kinder, die Antragsteller zu 2 und 3 (geboren im April 2009 und März 2015) sind bulgarische Staatsangehörige. Die Antragstellerin zu 1 erzielt Einkommen in Höhe von monatlich 170 Euro in Ausübung ihrer Tätigkeit als Aushilfe.
Mit Bescheid vom 7. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.März 2017 hat der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 1. September 2016 für die Zeit ab 1. April 2017 für sie und die Antragsteller zu 2 und 3 abgelehnt, wogegen die Antragsteller Klage erhoben haben.
Mit dem am 12. April 2017 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben die Antragsteller geltend gemacht, ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei nicht gegeben, da die Antragstellerin zu 1 einer Tätigkeit nachgehe und die Antragsteller zu 2 und 3 ein Aufenthaltsrecht im Zusammenhang mit Ausbildung und Integration hätten. Der Antragsteller zu 2 besuche eine gebundene Ganztagsgrundschule. Neben dem Erwerbseinkommen der Antragstellerin werde Kindergeld für die Antragsteller zu 2 und 3 bezogen.
Die Antragsteller haben erstinstanzlich beantragt,
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für die Zeit ab Antragstellung (bei Gericht) bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens für die Dauer von sechs Monaten, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu gewähren.
2. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
3. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R S bewilligt.
Mit Beschluss vom 24. April 2017 hat das Sozialgericht Berlin beschlossen:
Tenor:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorläufig für die Zeit vom 13.04.2017-30.04.2017 in Höhe von 487,04 EUR sowie ab dem 01.05.2017 bis zum 30.09.2017, längstens jedoch bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, in Höhe von monatlich 811,74 EUR, sowie zu gewähren und auszuzahlen.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
Den Antragstellern wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt R S, B Straße, B beigeordnet.
Gegen den Beschluss richtet sich die am 28. April 2017 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Beschwerde des Antragsgegners. Er meint, bei der Tätigkeit der Antragstellerin zu 1 handele es sich um eine völlig untergeordnete Tätigkeit, welche eine Arbeitnehmereigenschaft nicht begründen könne. Eine Beschäftigung sei (erst dann) nicht mehr geringfügig, wenn aus ihr ein Entgelt in Höhe von mindestens 450,01 Euro erzielt werde.
Der Antragsgegner beantragt,
1. den Beschluss vom 24. April 2017 aufzuheben und den Antrag abzulehnen, 2. die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung aus dem Beschluss vom 24. April 2017 auszusetzen sowie 3. gemäß § 193 SGG zu entscheiden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Die Antragsteller beantragen,
1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 28.04.2017 gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 24.04.2017 zum Aktenzeichen S 158 AS 4886/17 ER wird vollumfänglich zurückgewiesen. 2. Den Beschwerdegegnern wird auch für die zweite Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Schäfer beigeordnet. 3. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens.
Sie verweisen auf Rechtsprechung des EuGH und anderer Gerichte, wonach die Antragstellerin zu 1 als Arbeitnehmerin zu beurteilen sei. Ferner teilen sie mit, dass die Antragsteller unter dem 10. April 2017 in eine neue Wohnung eingezogen seien. Überreicht wurde ein Wohnungsmietvertrag, der eine Gesamtmiete in Höhe von 750 Euro ausweist. Es bestünden zwischenzeitlich erhebliche Mietrückstände, die den Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigten. Die Monatsmiete für Juni 2017 habe nicht gezahlt werden können. Die geschuldete Mietkaution in Höhe von 100 Euro habe bisher in Gänze (für die Monate April bis Juni 2017) nicht gezahlt werden können. Die Antragsteller haben die Mahnung ihres Vermieters vom 13. Juni 2017 mit der Aufforderung, binnen 2 Wochen den fehlenden Gesamtbetrag von 1050 Euro zu überweisen, vorgelegt.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2017 wurde die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Berlin teilweise ausgesetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten des Antragsgegners.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen- hinsichtlich des Bedarfs für Unterkunft und Heizung- ist sie unbegründet.
Die Beschwerde ist insoweit unbegründet, als das Sozialgericht zu Recht erkannt hat, dass die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beanspruchen können. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht hinsichtlich des Regelbedarfs, Mehrbedarfs und des Sozialgeldes.
Das Sozialgericht hat im Einzelnen mit zutreffender Begründung dargelegt, dass den Antragstellern ein Anordnungsanspruch insoweit zusteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss. Die dort wiedergegebene Rechtsprechung ist zutreffende Grundlage für die Beurteilung, dass die Beschäftigung, der die Antragstellerin zu 1 nachgeht, nicht untergeordnet oder unwesentlich ist.
Die Auffassung des Antragsgegners, mindestens 450,01 Euro müssten erzielt sein, damit eine Beschäftigung nicht mehr geringfügig ist, erschließt sich in Anbetracht der Rechtsprechung des EuGH und des BSG nicht. Nach der Entscheidung des EuGH vom 4. Februar 2010 – C 14/09 ist als "Arbeitnehmer" jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Zwar könne der Umstand, dass im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden geleistet werden, ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübten Tätigkeiten nur untergeordnet und unwesentlich sind, jedoch lasse es sich unabhängig von der begrenzten Höhe des aus einer Berufstätigkeit bezogenen Entgelts und des begrenzten Umfangs der insoweit aufgewendeten Arbeitszeit nicht ausschließen, dass die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses von den nationalen Stellen als tatsächlich und echt angesehen werden kann und es somit ermögliche, dem Beschäftigten die Arbeitnehmereigenschaft zuzuerkennen. Bei der Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses seien nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub von 28 Tagen, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag. Diese letztgenannten Gesichtspunkte könnten darauf hindeuten, dass es sich bei dieser Erwerbstätigkeit um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt.
Nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist auch derjenige Arbeitnehmer, der nur über ein geringfügiges, das Existenzminimum nicht deckendes Einkommen verfügt, wie im Falle eines monatlichen Entgelts von 100 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 7,5 Stunden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R – juris Rdnrn. 3 und 18).
Das Sozialgericht hat sich an diesen Maßstäben orientiert und hat die Gesamtbewertung im vorliegenden Fall zutreffend vorgenommen. Die regelmäßige Arbeitszeit der Antragstellerin beträgt 4,5 Stunden. Der aktuelle Arbeitsvertrag besteht bereits seit 1. Juni 2016, sodass das Beschäftigungsverhältnis der Antragstellerin mit einer gewissen Dauerhaftigkeit ausgeübt wird (vgl. zur "Dauerhaftigkeit": Brinkmann in: Huber, AufenthG, § 2 FreizügG/EU, Rn. 11). Anhaltspunkte dafür, dass das Arbeitsverhältnis wesentlich zur Erlangung von Sozialleistungen begründet wurde, sind nicht erkennbar. Ihr steht ein Urlaubsanspruch in Höhe von 26 Kalender-/Arbeitstagen zu. Diese Gesichtspunkte deuten darauf hin, dass es sich bei dieser Erwerbstätigkeit um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt. Das Entgelt übersteigt 100 Euro.
Das Aufenthaltsrecht der Antragsteller zu 2 und 3 hat das Sozialgericht ebenfalls zutreffend begründet.
Nach allem können die Antragsteller wie vom Sozialgericht im Beschluss dargelegt den Regelbedarf (409 Euro für die Antragstellerin zu 1 zuzüglich den Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 147,24 Euro, Sozialgeld in Höhe von 291 und 237 Euro unter Berücksichtigung des Erwerbseinkommens der Antragstellerin zu 1 in Höhe von 170 Euro und des Kindergeldes in Höhe von 2 x 190 Euro), also 534,24 Euro monatlich insgesamt beanspruchen.
Allerdings kann die Entscheidung des Sozialgerichts keinen Bestand haben, soweit sie die Kosten der Unterkunft trifft. Insoweit besteht kein Anordnungsgrund.
Zumindest Anhaltspunkte für die Gefährdung der Unterkunft müssen glaubhaft gemacht sein, um einen Anordnungsgrund für die Kosten der Unterkunft zu begründen. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist – im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – geboten, wenn das Abwarten einer Entscheidung im grundsätzlich vorrangigen Hauptsacheverfahren aufgrund des Zeitablaufs zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Kammerbeschluss vom 22.11.2002 – 1 BvR 1586/02 – juris Rdnr. 7). Für den Streit um laufende Leistungen für Kosten der Unterkunft bedeutet dies, dass entscheidend ist, ob der Erhalt der Wohnung als Lebensmittelpunkt konkret gefährdet ist. Denn den Bedarfen für die Unterkunft nach § 22 SGB II liegt der Zweck des Schutzes der Wohnung zur Erfüllung des Grundbedürfnisses "Wohnen" und als eines räumlichen Lebensmittelpunkts zugrunde (st. Rspr., BSG, Urteil vom 19.08.2015 – B 14 AS 13/14 R – juris Rdnr. 19 m.w.N.).
Dies zugrunde legend fehlt es vorliegend an einem Anordnungsgrund. Vorliegend ist weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass der Erhalt der Wohnung als Lebensmittelpunkt konkret gefährdet ist. Dass Mietrückstände aufgelaufen wären, die zu einer Kündigung des Mietverhältnisses berechtigten, oder gar eine Kündigung drohen würde, ist nicht glaubhaft gemacht.
Es ist kein Zahlungsverzug glaubhaft gemacht, der eine außerordentliche fristlose Kündigung gemäß § 543 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rechtfertigen könnten.
Danach kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB).
Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Absatz 1 BGB liegt ferner vor, wenn der Mieter mit einer Sicherheitsleistung nach § 551 BGB in Höhe eines Betrages im Verzug ist, der der zweifachen Monatsmiete entspricht (§ 569 Abs. 2a Satz 1 BGB).
§ 551 Abs. 1 und 2 BGB bestimmt: Hat der Mieter dem Vermieter für die Erfüllung seiner Pflichten Sicherheit zu leisten, so darf diese vorbehaltlich des § 551 Abs. 3 Satz 4 BGB höchstens das Dreifache der auf einen Monat entfallenden Miete ohne die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten betragen. Ist als Sicherheit eine Geldsumme bereitzustellen, so ist der Mieter zu drei gleichen monatlichen Teilzahlungen berechtigt. Die erste Teilzahlung ist zu Beginn des Mietverhältnisses fällig. Die weiteren Teilzahlungen werden zusammen mit den unmittelbar folgenden Mietzahlungen fällig.
Ausgehend von einer monatlichen Miete in Höhe von 570 Euro zuzüglich einer Vorauszahlung für Heizung, Warmwasser und weitere Betriebskosten (Betriebskostenvorauszahlung) von 180 Euro (Gesamtmiete 750 Euro) und einer Mietkaution von 1500 Euro, die nach einer (nach § 551 Abs. 4 BGB) wirksamen Vereinbarung der Mietvertragsparteien jeden Monat in Höhe von 100 Euro zu zahlen ist, schulden die Antragsteller Miete von 570 Euro, Betriebskostenvorauszahlung von 180 Euro und Mietkaution von 300 Euro, insgesamt 1050 Euro, so dass sie weder für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages, der die Miete für zwei Monate erreicht, oder mit der Mietkaution im Umfang einer zweifachen Monatsmiete in Verzug sind.
Auch eine ordentliche Kündigung des Vermieters gemäß § 573 BGB ist gegenwärtig nicht begründbar. Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Erheblichkeit muss sich auf die Pflichtverletzung (nicht auf das Verschulden) beziehen. Auch kann der nachträgliche Ausgleich bei der Prüfung schuldhafter Pflichtverletzung zu berücksichtigen sein (Palandt, BGB, 73. Auflage § 573 Rz. 17 m. H. auf Rechtsprechung des BGH). Soweit der Kündigungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erfüllt wird, ist die Kündigung auf jeden Fall gerechtfertigt (Bundesgerichtshof – BGH - Urteil vom 25. Oktober 2006 – VIII ZR 102/06, Rdnr. 9, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 2007, 428). Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) u. a. aber auch dann gegeben, wenn der Mieter die Miete oder den Betriebskostenvorschuss ständig unpünktlich oder unvollständig zahlt oder wenn der Mieter mit seinen diesbezüglichen Zahlungen in Höhe eines Betrages, der die Bruttomiete von zwei Monaten überschreitet, über einen Zeitraum von mehr als zwei Zahlungsterminen hinweg in Verzug ist, wobei unter ständiger unvollständiger Zahlung eine solche von mehreren Monaten zu verstehen ist (BGH, Urteil vom 28. November 2007 – VIII ZR 145/07, zitiert nach juris Rz. 13 ff.). Streitig ist in der Rechtsprechung und in der mietrechtlichen Literatur, wie hoch ein vom Mieter verschuldeter Zahlungsrückstand sein und wie lange er angedauert haben muss, um eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen (zum Meinungsstand Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2012 – VIII ZR 107/12 zitiert nach juris Rz. 15 ff.). Der BGH gibt in dieser Entscheidung der Auffassung den Vorzug, dass auch unterhalb der in § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB festgelegten Grenze eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs möglich ist, allerdings müsse bei der Bewertung einer Pflichtverletzung als "nicht unerheblich" die Dauer und die Höhe des Zahlungsverzugs berücksichtigt werden. Nicht jeder geringfügige oder nur kurzfristige Zahlungsverzug rechtfertige die Annahme einer nicht unerheblichen Pflichtverletzung. Dem BGH erscheint die Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten, wenn der Rückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und zudem die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt.
Ausgehend davon scheidet eine ordentliche Kündigung aus, da zum einen der Kündigungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB nicht erfüllt ist und zum anderen nicht ersichtlich ist, dass wegen des Zahlungsverzuges eine erhebliche Pflichtverletzung besteht, die eine solche Kündigung wegen eines geringeren Betrages als zwei Monatsmieten rechtfertigen könnte.
Das Schreiben des Vermieters vom 13. Juni 2017 zwingt zu keiner anderen Bewertung. Der Vermieter hat zwar mit diesem Schreiben die Zahlung des ausstehenden Betrages von 1050 Euro angemahnt. Dieses Schreiben lässt jedoch nicht erkennen, dass weitere Konsequenzen, wie die Kündigung des Mietverhältnisses seitens des Vermieters, beabsichtigt sind. Anhaltspunkte für die Gefährdung der Unterkunft liegen daher gegenwärtig nicht vor.
Angesichts dessen kann dahin stehen, ob die Kosten der zum 1. April 2017 angemieteten Wohnung überhaupt angemessen sind.
An der Angemessenheit der vom Antragsteller beanspruchten Miete könnten Zweifel bestehen. Nach Ziffer 3.2. Abs. 2, Ziffer 3.4.1 Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen) vom 16.06.2015 (GesSoz II A 25) gelten als Richtwerte für angemessene Bruttokaltmieten bei 3 Personen pro Bedarfsgemeinschaft 518,25 Euro, wobei insbesondere bei Alleinerziehenden dieser Richtwert um bis zu 10 v. H. überschritten werden kann. Nach der von Richtern des Sozialgerichts Berlin entwickelten Methode (Projekt von Richterinnen und Richtern des Sozialgerichts Berlin, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit Nr. 1/210, S. 28 bis 42), die durch Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R) bestätigt wurde, ist für einen 3-Personenhaushalt eine Bruttokaltmiete von 552,80 Euro angemessen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist begründet. Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO erhält auf Antrag auf Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Erfolgsaussicht ist nicht zu prüfen, weil der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat, § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m § 119 Abs.1 ZPO: Die Übrigen Voraussetzungen liegen vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
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