L 4 SO 51/16 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 7 SO 55/15 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 51/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 28. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller auch die zur zweckgerichteten Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners, mit der dieser beantragt hat,
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 28. Januar 2016 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, soweit ihm stattgegeben wurde, abzulehnen,
ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden.

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Recht verpflichtet, vorläufig die Kosten für eine persönliche Assistenz des Antragstellers für den Besuch des Kindergartens der Beigeladenen in einem Umfang von einer Stunde täglich ab dem 1. Februar 2016, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, zu übernehmen.

Die Voraussetzungen für die Gewährung der Assistenz als Leistung der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) – Sozialhilfe (SGB XII) liegen vor.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen. Der Senat folgt dem Sozialgericht insbesondere auch in seiner Einschätzung, dass die Schluckstörung des Antragstellers als eine Behinderung im Sinne von § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII einzustufen ist, die diesen wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, einschränkt. Es handelt sich weder um eine nur unwesentliche Behinderung, wie in dem angefochtenen Beschluss überzeugend dargetan wird, noch um eine bloße (vorübergehende) Erkrankung.

Wie das Sozialgericht weiter zu Recht ausgeführt hat, kann der Antragsteller auch nicht auf Leistungen der Pflegekasse verwiesen werden. Ebenso wie das erstinstanzliche Gericht geht der Senat davon aus, dass eine Aufspaltung der begehrten Assistenzleistung in zwei Teilleistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege nicht in Betracht kommt. Vielmehr ist die Frage, wie die begehrte Leistung einordnen ist, anhand des Zieles, das mit der Leistung verfolgt wird, zu beurteilen. Wie das Sozialgericht richtig dargelegt hat, dient die Assistenz dazu, dem Antragsteller die Teilnahme an dem gemeinsamen Frühstück - welches integraler Bestandteil des Kindergartenbesuchs ist - zu ermöglichen. Die Ermöglichung des Kindergartenbesuches hat gerade auch den Zweck, den Antragsteller in die Gemeinschaft einzugliedern bzw. seine Ausgliederung zu verhindern. Schon das genügt für die Einstufung als Eingliederungshilfeleistung.

Hiervon abgesehen handelt es sich bei der vom Antragsteller begehrten Assistenz selbst bei isolierter Betrachtung nicht um eine bloße Pflegeleistung, also eine Maßnahme, die lediglich oder vorrangig darauf abzielt, den aktuellen Zustand des Betroffenen zu erhalten und seine Grundbedürfnisse des täglichen Lebens abzudecken (s. zu dieser Zweckrichtung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nur Krahmer/Sommer, in: LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, vor §§ 61 ff. Rn. 12 m.w.N.). Vielmehr geht es bei der Assistenz, die der Antragsteller fordert - neben der Überwachung der Nahrungsaufnahme und dem Treffen von Gegenmaßnahmen für den Fall des Verschluckens - auch darum, ihn bei der Nahrungsaufnahme so anzuleiten, dass es erst gar nicht zum Verschlucken von Nahrung und damit der Gefahr des Erstickens wegen seiner verengten Speiseröhre kommt (durch Weglassen bestimmter Lebensmittel, gutes Kauen der Nahrung, ausreichendes Trinken, vgl. die Handlungsleitlinien, Bl. 30 der Gerichtsakte). Damit zielt die verlangte Leistung maßgeblich auch darauf ab, mit dem Antragsteller ein Essverhalten einzuüben, durch das er, mit zunehmendem Alter, selbst in der Lage sein wird, die Gefahr des Erstickens zu vermeiden oder zu verringern, so dass eine Überwachung beim Essen nicht mehr oder nur noch eingeschränkter erforderlich ist. Insofern erfüllt die Assistenz gerade eine Kernaufgabe der Eingliederungshilfe, denn deren Zweck ist es, den behinderten Menschen soweit wie möglich unabhängig von Pflege oder Hilfeleistungen Dritter zu machen. Diese Aufgabe wird sogar ausdrücklich in § 53 Abs. 3 S. 2 SGB XII benannt.

Das Sozialgericht hat auch den notwendigen Umfang der Assistenzleistung zutreffend bestimmt.

Die Beschwerde konnte daher, auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens in der Beschwerdebegründung, keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved