Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SO 1358/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 3178/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juni 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
Der Streitwert wird auf 14.801,72 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung der ab 26.3.2010 für T. K. im Rahmen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung - begleitetes Wohnen in Familien - erbrachten Leistungen.
Die 1962 geborene T. K. verfügt in der Bundesrepublik Deutschland als ehemalige eritreische Befreiungskämpferin über eine Aufenthaltserlaubnis. Von 2001 bis 2008 wohnte sie in L. in der K.straße 14. Am 7.5.2008 brachte sie ihren behinderten Sohn D. in der Universitätsklinik T. zur Welt und ist alleinerziehend. Nach dem Klinikaufenthalt hielt sie sich mit D. ab dem 30.6.2008 in der stationären Mutter-Kind-Einrichtung St. C. in Schwäbisch Gmünd auf, weil ein Alleinleben nicht möglich war. Der Aufenthalt wurde über die Jugendhilfe L. bezahlt. Im Oktober 2009 erkrankte D. an Leukämie, die stationär in der Universitätsklinik T. ab 20.10.2009 bis 26.3.2010 behandelt wurde. T. K. war während der gesamten stationären Behandlung als Begleitperson zur Betreuung ihres Kindes in der Universitätsklinik T. mit aufgenommen. Der Aufenthalt wurde von der Krankenkasse, der AOK L.-Rems-Murr bzw. Rottenburg bezahlt. Am 18.12.2009 stellte das Jugendamt L. die Jugendhilfe für die Betreuung in St. C. aufgrund des langen stationären Klinikaufenthalts ein (Bescheid vom 16.12.2009). T. K. meldete sich rückwirkend vom 19.12.2009 unter der Adresse Mildred-Scheel-Haus, Elternhaus des Fördervereins für krebskranke Kinder in T. an und bezog vom Jobcenter T. Alg II (ohne Kosten der Unterkunft).
Am 5.3.2010 beantragte sie auf Grund ihrer früheren Zugehörigkeit zum Landkreis L. beim Beklagten wegen ihrer eigenen psychischen Erkrankung (rezidivierende depressive Störung, generalisierte Angststörung, komplexe posttraumatische Störung) betreutes Wohnen in Familien für Mütter mit Behinderung und ihre Kinder. Den Antrag leitete der Beklagte mit Schreiben vom 11.3.2010 zuständigkeitshalber an den Kläger weiter, weil T. K. ihren gewöhnlichen und tatsächlichen Aufenthalt in T. begründet habe. Mit Bescheid vom 5.5.2010 bewilligte der Kläger T. K. Sozialhilfe für das begleitete Wohnen in Familien durch eine Fachkraft des Trägers VSP psychiatrische Familienpflege Z. vom 26.3.2010 bis 30.4.2011 (Bl. 89 VA Kläger). Ab 26.3.2010 lebte T. K. mit ihrem Sohn bei einer Gastfamilie in R., ab 1.7.2010 in Reutlingen. Die Maßnahme wurde mehrfach verlängert (Bescheide vom 12.7.2011, 6.8.2012, 7.6.2013, 11.9.2014, 20.4.2015, Bl. 203, 238, 273, 354, 371 VA Kläger).
Am 10.5.2010 meldete der Kläger beim Beklagten einen Erstattungsanspruch gemäß § 102 SGB X an. Der Beklagte lehnte den Erstattungsantrag mit Schreiben vom 15.7.2010 ab. Er vertrat die Auffassung, dass die Uniklinik der Mutter (T. K.) nicht als Einrichtung gedient habe, sondern dem Sohn zur Behandlung seiner Leukämiekrankheit. Es handele sich daher um keine geschlossene Heimkette. T. K. habe damit in der Uniklinik ihren gewöhnlichen und tatsächlichen Aufenthalt begründet, die örtliche Zuständigkeit richte sich nicht nach § 98 Abs. 5 SGB XII (Bl. 29 VA Beklagte).
Am 4.5.2011 hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage gegen den Beklagten erhoben und die Erstattung der ab dem 26.3.2010 für T. K. erbrachten Sozialhilfeleistungen begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte nach § 98 Abs. 5 SGB XII der örtlich zuständige Leistungsträger sei. Vor Eintritt in die ambulant betreute Wohnmöglichkeit habe sich T. K. in der Uniklinik (in T.) aufgehalten, dort aber trotz des längere Zeit andauernden Klinikaufenthalts keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Der Kostenerstattungsanspruch finde seine Rechtsgrundlage in § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat an seiner Auffassung festgehalten, dass T. K. auf Grund ihrer Meldung ab 19.12.2009 in der J.K.-Straße (Elternhaus des Fördervereins) in T. einen eigenen Wohnsitz in T. begründet habe. Auch spreche die Tatsache, dass die Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II in T. beantragte und bezog dafür, dass sie in T. nicht nur vorübergehend habe verweilen wollen.
Das SG hat die Beklagte durch Gerichtsbescheid vom 30.6.2015 verurteilt, dem Kläger die für T. K. ab 26.3.2010 erbrachten Sozialhilfeleistungen i.H.v. 14.801,72 EUR zu erstatten. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch bilde § 105 Abs. 1 SGB X. Für die hier im Streit stehenden Leistungen bestimme sich die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII. Danach sei für Leistungen in Formen ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig gewesen sei oder gewesen wäre. Ausgehend von § 30 Abs. 3 SGB I habe T. K. sich tatsächlich ab Oktober 2009 in T. aufgehalten. Für den Aufenthalt sei jedoch maßgeblich gewesen, dass sie sich aufgrund der Behandlung der Leukämieerkrankung ihres Sohnes in der Klinik aufgehalten habe. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie vor dem stationären Krankenhausaufenthalt in einer Mutter-Kind-Einrichtung in Schwäbisch Gmünd untergebracht gewesen sei, ergebe sich, dass sie selbst keinen eigenständigen, von der Versorgung des eigenen Kindes losgelösten Aufenthaltsort bislang begründet habe. Ein solcher sei auch nicht in ihrer einwohnerrechtlichen Anmeldung im Mildred-Scheel-Haus zu sehen. Unter Würdigung der Gesamtumstände habe T. K. damit in T. gerade keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet, weshalb die Zuständigkeit des Beklagten gegeben gewesen sei.
Gegen den ihm gegen Empfangsbekenntnis am 2.7.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 29.7.2015 schriftlich Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und sich zunächst gegen die Verurteilung der Höhe nach gewandt mit der Begründung, dass der Klageantrag nicht beziffert gewesen sei. Weiter hat er an seiner Auffassung festgehalten, dass sich die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII bemesse. Das Sozialgericht habe nicht gewürdigt, dass die Alg II- Gewährung durch das Jobcenter T. an den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpfe. Kernfrage sei, wer für T. K. während des Krankenhausaufenthaltes des Kindes zuständig gewesen wäre. Da T. K. selber nicht stationär behandelt worden sei, hätte sie sozialhilferechtlich Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt haben können, für die der tatsächliche Aufenthalt maßgeblich sei. Das Aufenthaltsverhältnis der Mutter folge nicht dem des Kindes, sondern umgekehrt.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juni 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und beziffert seine Aufwendungen mittlerweile in Höhe von ca. 69.000 EUR. Anzuknüpfen sei an die tatsächliche oder hypothetisch bestehende Zuständigkeit vor Eintritt in das betreute Wohnen für Familien. Die Zuständigkeit des Klägers sei nicht gegeben, da T. K. sich in einer Einrichtung befunden und im Mildred-Scheel-Haus nicht gewohnt habe.
Auf Nachfrage hat die Universitätskinderklinik T. mit Schreiben vom 12.2.2016 mitgeteilt, dass T. K. während der stationären onkologischen Behandlung des D. vom 26.10.2009 bis 26.3.2010 während der gesamten Zeit stationär mit aufgenommen gewesen sei. Kostenträger sei bei Aufnahme die AOK L., im Laufe der Behandlungszeit die AOK Rottenburg gewesen. (Bl. 19 LSG Akte).
Das Jobcenter Landkreis T. hat Bewilligungsbescheide über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter anderem vom 24.2.2010 adressiert an T. K. im Mildred-Scheel-Haus (Bl. 48 LSG Akte) über die Leistungsbewilligung vom 8.1. bis 31.1.2010 (nur Regelbedarf) überlassen. Vom Förderverein für krebskranke Kinder T., B. S., ist unter dem 6.4.2016 mitgeteilt worden, dass T. K. nicht im Mildred-Scheel-Haus wohnhaft gewesen sei, sondern die Meldung nur dazu gedient habe eine Bezugsadresse zu liefern. T. K. habe während der gesamten Dauer der Behandlung mit ihrem Sohn in der Klinik gewohnt. (Bl. 56 LSG Akte). Die AOK L.-Rems-Murr hat die Abrechnungsunterlagen für den Krankenhausaufenthalt von D. vorgelegt und mitgeteilt, dass während der stationären Behandlung vom 20.10.2009 bis 30.12.2009 und vom 3.1.2010 bis 26.3.2010 in der Abrechnung die Kosten für die Mitaufnahme einer Begleitperson beinhaltet waren und in der Zuschlagshöhe von 45 EUR Unterkunft und Verpflegung beinhaltet gewesen seien. (Schreiben vom 13.4.2016 und vom 25.4.2016, Bl. 57, 64 LSG Akte).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 12.5.2017, Bl. 79 LSG Akte und des Beklagten vom 24.5.2017, Bl. 80 LSG Akte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Der Beklagte ist nicht zur Erstattung der Sozialhilfeaufwendungen für T. K. ab 26.3.2010 verpflichtet, weil er nicht der zuständige Leistungsträger für das betreute Wohnen in Familien ist.
Zu Grunde liegen dem geltend gemachten Erstattungsanspruch Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (hier T. K.) gemäß §§ 53, 54 SGB XII, 55 SGB IX. Für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ist daher die maßgebliche Rechtsgrundlage §§ 53 Abs. 4 S. 1 SGB XII, 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. Danach gilt: Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Abs. 1 S. 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften. Für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 S. 1 und 2 erbracht haben ist § 105 SGB X nicht anzuwenden, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes (§ 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX). Der Kläger hat die Leistung als nach § 14 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IX zuständig gewordener Leistungsträger erbracht, nachdem der Beklagte den am 5.3.2010 an ihn gerichteten Antrag mit Schreiben vom 11.3.2010 innerhalb von zwei Wochen an den nach seiner Prüfung örtlich zuständigen Leistungsträger, den Kläger weitergeleitet hat. Die Voraussetzungen liegen im Übrigen aber nicht vor, weil der Beklagte - was bei unstreitig vorliegender sachlicher Zuständigkeit nach § 97 SGB XII allein streitig ist - nicht für die Leistung örtlich zuständig ist.
Die örtliche Zuständigkeit beurteilt sich nach § 98 SGB XII. Grundsätzlich bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt (§ 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Abs. 2 stellt jedoch für stationäre (gemeint: vollstationäre) Leistungen - ggf im Rahmen einer Einrichtungskette - auf den gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in eine, im Falle einer Einrichtungskette in die erste Einrichtung ab. Für Leistungen in Form ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten, die nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII (Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten) erbracht werden, ist demgegenüber der Sozialhilfeträger örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre (§ 98 Abs. 5 SGB XII; vgl. auch BSG, Urteil vom 20.4.2016 – B 8 SO 8/14 R –, juris Rn. 13).
Die hier in Rede stehenden Leistungen - Eingliederungshilfe in Form des betreuten Wohnens in Familien für Mütter mit Behinderung und ihrer Kinder - sind der T. K. gewährt worden, weil sie mit der Betreuung ihres behinderten Kindes D. allein überfordert war. Es handelt sich demnach um Leistungen nach dem 6. Kapitel des SGB XII, die für T. K. erbracht worden sind. Für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit für T. K. im Falle von Leistungen des betreuten Wohnens ist § 98 Abs. 5 S. 1 SGB XII einschlägig. Für die örtliche Zuständigkeit maßgeblich ist demnach, welcher Leistungsträger vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Nachdem T. K. vor Eintritt in das betreute Wohnen in Familien am 26.3.2010 keine Sozialhilfe bezogen hat, kommt es entscheidend darauf an, welcher Sozialhilfeträger für T. K. hypothetisch vor dem 26.3.2010 zuständig gewesen wäre. Die Zuständigkeit wäre beim Beklagten geblieben, wenn bei T. K. seit ihrem letzten Aufenthalt in L. und bis zur Aufnahme in das betreute Wohnen eine ununterbrochene Einrichtungskette i. S. des § 98 Abs. 2 SGB XII vorgelegen hätte. Dies ist indes nicht der Fall.
Entscheidend ist die rechtliche Qualifizierung des Aufenthalts der T. K. in der Uniklinik T. vom 20.10.2009 bis 26.3.2010. Hierzu ist festzustellen, dass nicht T. K. dort behandelt wurde, sondern ihr an Krebs erkrankter Sohn. Für T. K. handelte es sich "nur" um die Mitaufnahme als Begleitperson für ihren stationär behandlungsbedürftigen Sohn und entsprechend hat die AOK L.-Rems-Murr die Kosten auch für ihren Aufenthalt im Krankenhaus gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB V mitübernommen (Auskünfte der AOK L.-Rems-Murr vom 13.4.2016 und vom 25.4.2016). Anspruchsberechtigt für die Übernahme der Kosten für eine Begleitperson ist der behandlungsbedürftige Versicherte, nicht die Begleitperson selbst (Plagemann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 11 SGB V, Rn. 27). Nicht jeder Aufenthalt eines Leistungsberechtigten in einer objektiv als vollstationär ausgewiesenen Einrichtung ist auch im Einzelfall als Betreuung in einer stationären Einrichtung im Sinne des Leistungs- und Kostenrechts des SGB XII anzusehen, wenn bei dem Leistungsberechtigten das Kriterium der "Heimbetreuungsbedürftigkeit" nicht gegeben ist (Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. § 13 Rn. 13). Damit fehlt es bereits an dem für die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 2 SGB XII erforderlichen Merkmal der Betreuung eines Leistungsberechtigten, weil sich T. K. nur als Mutter ihres schwerkranken Kindes in der Uniklinik T. aufgehalten hat und die Klinik jederzeit hätte verlassen können. Zudem stellte die Uniklinik T. für T. K. keine stationäre Einrichtung in diesem Sinne dar. Der Einrichtungsbegriff ist in § 13 Abs. 2 SGB XII dahingehend bestimmt, dass unter Einrichtungen im Sinne des Abs. 1 alle Einrichtungen zu verstehen sind, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen. Nach der Rechtsprechung wird unter einer Einrichtung ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft verstanden, der auf gewisse Dauer angelegt, für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und einen Bezug zur Sozialhilfe oder zur Jugendhilfe aufweisen (BSG, Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 14/12 R –, SozR 4-5910 § 97 Nr 1, Rn. 14 m.w.Nw.). Dies ist bei der Uniklinik T., die Krankenbehandlung nach dem SGB V erbringt, nicht der Fall. Der Aufenthalt der T. K. dort ist deshalb nicht als stationärer Aufenthalt im Anschluss an die stationäre Unterbringung im St. C. H. in Schwäbisch Gmünd im Sinne einer Einrichtungskette zu bewerten.
Daraus folgt, dass die Zuständigkeit des Beklagten mit dem Verlassen der St. C. Mutter-Kind-Einrichtung, das eine Zäsur gebildet hat, beendet war. Für den sich daran anschließenden Aufenthalt im Landkreis T. galt für die hypothetische Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit deshalb die allgemeine Regel des § 98 Abs. 1 SGB XII, somit war der tatsächliche Aufenthalt im Landkreis T. maßgeblich und die örtliche Zuständigkeit des Klägers begründet worden.
Nachdem es um die Zuständigkeit für Leistungen an die T. K. - betreutes Wohnen in Familien - geht und im Übrigen, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, der Aufenthalt der Mutter maßgeblich ist, dem der des Kindes im Zweifel folgt (Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl., § 98 Rn. 56), kann aus dem Umstand, dass D. stationär behandelt wurde, kein anderes Ergebnis abgeleitet werden.
Für die an T. K. nach den Feststellungen des Senats in Höhe von 14.801,72 EUR rechtmäßig erbrachten Leistungen - die Anschlussberufung hinsichtlich der inzwischen weiter aufgelaufenen Kosten hat die Klägerin nicht mehr erhoben - gelangt der Senat deshalb zur Zuständigkeit des Klägers, der deren Erstattung daher zu Unrecht vom Beklagten gefordert hat und die vom SG zu Unrecht zugesprochen worden sind. Das Urteil des SG war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
Der Streitwert wird auf 14.801,72 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung der ab 26.3.2010 für T. K. im Rahmen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung - begleitetes Wohnen in Familien - erbrachten Leistungen.
Die 1962 geborene T. K. verfügt in der Bundesrepublik Deutschland als ehemalige eritreische Befreiungskämpferin über eine Aufenthaltserlaubnis. Von 2001 bis 2008 wohnte sie in L. in der K.straße 14. Am 7.5.2008 brachte sie ihren behinderten Sohn D. in der Universitätsklinik T. zur Welt und ist alleinerziehend. Nach dem Klinikaufenthalt hielt sie sich mit D. ab dem 30.6.2008 in der stationären Mutter-Kind-Einrichtung St. C. in Schwäbisch Gmünd auf, weil ein Alleinleben nicht möglich war. Der Aufenthalt wurde über die Jugendhilfe L. bezahlt. Im Oktober 2009 erkrankte D. an Leukämie, die stationär in der Universitätsklinik T. ab 20.10.2009 bis 26.3.2010 behandelt wurde. T. K. war während der gesamten stationären Behandlung als Begleitperson zur Betreuung ihres Kindes in der Universitätsklinik T. mit aufgenommen. Der Aufenthalt wurde von der Krankenkasse, der AOK L.-Rems-Murr bzw. Rottenburg bezahlt. Am 18.12.2009 stellte das Jugendamt L. die Jugendhilfe für die Betreuung in St. C. aufgrund des langen stationären Klinikaufenthalts ein (Bescheid vom 16.12.2009). T. K. meldete sich rückwirkend vom 19.12.2009 unter der Adresse Mildred-Scheel-Haus, Elternhaus des Fördervereins für krebskranke Kinder in T. an und bezog vom Jobcenter T. Alg II (ohne Kosten der Unterkunft).
Am 5.3.2010 beantragte sie auf Grund ihrer früheren Zugehörigkeit zum Landkreis L. beim Beklagten wegen ihrer eigenen psychischen Erkrankung (rezidivierende depressive Störung, generalisierte Angststörung, komplexe posttraumatische Störung) betreutes Wohnen in Familien für Mütter mit Behinderung und ihre Kinder. Den Antrag leitete der Beklagte mit Schreiben vom 11.3.2010 zuständigkeitshalber an den Kläger weiter, weil T. K. ihren gewöhnlichen und tatsächlichen Aufenthalt in T. begründet habe. Mit Bescheid vom 5.5.2010 bewilligte der Kläger T. K. Sozialhilfe für das begleitete Wohnen in Familien durch eine Fachkraft des Trägers VSP psychiatrische Familienpflege Z. vom 26.3.2010 bis 30.4.2011 (Bl. 89 VA Kläger). Ab 26.3.2010 lebte T. K. mit ihrem Sohn bei einer Gastfamilie in R., ab 1.7.2010 in Reutlingen. Die Maßnahme wurde mehrfach verlängert (Bescheide vom 12.7.2011, 6.8.2012, 7.6.2013, 11.9.2014, 20.4.2015, Bl. 203, 238, 273, 354, 371 VA Kläger).
Am 10.5.2010 meldete der Kläger beim Beklagten einen Erstattungsanspruch gemäß § 102 SGB X an. Der Beklagte lehnte den Erstattungsantrag mit Schreiben vom 15.7.2010 ab. Er vertrat die Auffassung, dass die Uniklinik der Mutter (T. K.) nicht als Einrichtung gedient habe, sondern dem Sohn zur Behandlung seiner Leukämiekrankheit. Es handele sich daher um keine geschlossene Heimkette. T. K. habe damit in der Uniklinik ihren gewöhnlichen und tatsächlichen Aufenthalt begründet, die örtliche Zuständigkeit richte sich nicht nach § 98 Abs. 5 SGB XII (Bl. 29 VA Beklagte).
Am 4.5.2011 hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage gegen den Beklagten erhoben und die Erstattung der ab dem 26.3.2010 für T. K. erbrachten Sozialhilfeleistungen begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte nach § 98 Abs. 5 SGB XII der örtlich zuständige Leistungsträger sei. Vor Eintritt in die ambulant betreute Wohnmöglichkeit habe sich T. K. in der Uniklinik (in T.) aufgehalten, dort aber trotz des längere Zeit andauernden Klinikaufenthalts keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Der Kostenerstattungsanspruch finde seine Rechtsgrundlage in § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat an seiner Auffassung festgehalten, dass T. K. auf Grund ihrer Meldung ab 19.12.2009 in der J.K.-Straße (Elternhaus des Fördervereins) in T. einen eigenen Wohnsitz in T. begründet habe. Auch spreche die Tatsache, dass die Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II in T. beantragte und bezog dafür, dass sie in T. nicht nur vorübergehend habe verweilen wollen.
Das SG hat die Beklagte durch Gerichtsbescheid vom 30.6.2015 verurteilt, dem Kläger die für T. K. ab 26.3.2010 erbrachten Sozialhilfeleistungen i.H.v. 14.801,72 EUR zu erstatten. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch bilde § 105 Abs. 1 SGB X. Für die hier im Streit stehenden Leistungen bestimme sich die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII. Danach sei für Leistungen in Formen ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig gewesen sei oder gewesen wäre. Ausgehend von § 30 Abs. 3 SGB I habe T. K. sich tatsächlich ab Oktober 2009 in T. aufgehalten. Für den Aufenthalt sei jedoch maßgeblich gewesen, dass sie sich aufgrund der Behandlung der Leukämieerkrankung ihres Sohnes in der Klinik aufgehalten habe. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie vor dem stationären Krankenhausaufenthalt in einer Mutter-Kind-Einrichtung in Schwäbisch Gmünd untergebracht gewesen sei, ergebe sich, dass sie selbst keinen eigenständigen, von der Versorgung des eigenen Kindes losgelösten Aufenthaltsort bislang begründet habe. Ein solcher sei auch nicht in ihrer einwohnerrechtlichen Anmeldung im Mildred-Scheel-Haus zu sehen. Unter Würdigung der Gesamtumstände habe T. K. damit in T. gerade keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet, weshalb die Zuständigkeit des Beklagten gegeben gewesen sei.
Gegen den ihm gegen Empfangsbekenntnis am 2.7.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 29.7.2015 schriftlich Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und sich zunächst gegen die Verurteilung der Höhe nach gewandt mit der Begründung, dass der Klageantrag nicht beziffert gewesen sei. Weiter hat er an seiner Auffassung festgehalten, dass sich die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII bemesse. Das Sozialgericht habe nicht gewürdigt, dass die Alg II- Gewährung durch das Jobcenter T. an den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpfe. Kernfrage sei, wer für T. K. während des Krankenhausaufenthaltes des Kindes zuständig gewesen wäre. Da T. K. selber nicht stationär behandelt worden sei, hätte sie sozialhilferechtlich Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt haben können, für die der tatsächliche Aufenthalt maßgeblich sei. Das Aufenthaltsverhältnis der Mutter folge nicht dem des Kindes, sondern umgekehrt.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juni 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und beziffert seine Aufwendungen mittlerweile in Höhe von ca. 69.000 EUR. Anzuknüpfen sei an die tatsächliche oder hypothetisch bestehende Zuständigkeit vor Eintritt in das betreute Wohnen für Familien. Die Zuständigkeit des Klägers sei nicht gegeben, da T. K. sich in einer Einrichtung befunden und im Mildred-Scheel-Haus nicht gewohnt habe.
Auf Nachfrage hat die Universitätskinderklinik T. mit Schreiben vom 12.2.2016 mitgeteilt, dass T. K. während der stationären onkologischen Behandlung des D. vom 26.10.2009 bis 26.3.2010 während der gesamten Zeit stationär mit aufgenommen gewesen sei. Kostenträger sei bei Aufnahme die AOK L., im Laufe der Behandlungszeit die AOK Rottenburg gewesen. (Bl. 19 LSG Akte).
Das Jobcenter Landkreis T. hat Bewilligungsbescheide über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter anderem vom 24.2.2010 adressiert an T. K. im Mildred-Scheel-Haus (Bl. 48 LSG Akte) über die Leistungsbewilligung vom 8.1. bis 31.1.2010 (nur Regelbedarf) überlassen. Vom Förderverein für krebskranke Kinder T., B. S., ist unter dem 6.4.2016 mitgeteilt worden, dass T. K. nicht im Mildred-Scheel-Haus wohnhaft gewesen sei, sondern die Meldung nur dazu gedient habe eine Bezugsadresse zu liefern. T. K. habe während der gesamten Dauer der Behandlung mit ihrem Sohn in der Klinik gewohnt. (Bl. 56 LSG Akte). Die AOK L.-Rems-Murr hat die Abrechnungsunterlagen für den Krankenhausaufenthalt von D. vorgelegt und mitgeteilt, dass während der stationären Behandlung vom 20.10.2009 bis 30.12.2009 und vom 3.1.2010 bis 26.3.2010 in der Abrechnung die Kosten für die Mitaufnahme einer Begleitperson beinhaltet waren und in der Zuschlagshöhe von 45 EUR Unterkunft und Verpflegung beinhaltet gewesen seien. (Schreiben vom 13.4.2016 und vom 25.4.2016, Bl. 57, 64 LSG Akte).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 12.5.2017, Bl. 79 LSG Akte und des Beklagten vom 24.5.2017, Bl. 80 LSG Akte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Der Beklagte ist nicht zur Erstattung der Sozialhilfeaufwendungen für T. K. ab 26.3.2010 verpflichtet, weil er nicht der zuständige Leistungsträger für das betreute Wohnen in Familien ist.
Zu Grunde liegen dem geltend gemachten Erstattungsanspruch Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (hier T. K.) gemäß §§ 53, 54 SGB XII, 55 SGB IX. Für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ist daher die maßgebliche Rechtsgrundlage §§ 53 Abs. 4 S. 1 SGB XII, 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. Danach gilt: Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Abs. 1 S. 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften. Für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 S. 1 und 2 erbracht haben ist § 105 SGB X nicht anzuwenden, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes (§ 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX). Der Kläger hat die Leistung als nach § 14 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IX zuständig gewordener Leistungsträger erbracht, nachdem der Beklagte den am 5.3.2010 an ihn gerichteten Antrag mit Schreiben vom 11.3.2010 innerhalb von zwei Wochen an den nach seiner Prüfung örtlich zuständigen Leistungsträger, den Kläger weitergeleitet hat. Die Voraussetzungen liegen im Übrigen aber nicht vor, weil der Beklagte - was bei unstreitig vorliegender sachlicher Zuständigkeit nach § 97 SGB XII allein streitig ist - nicht für die Leistung örtlich zuständig ist.
Die örtliche Zuständigkeit beurteilt sich nach § 98 SGB XII. Grundsätzlich bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt (§ 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Abs. 2 stellt jedoch für stationäre (gemeint: vollstationäre) Leistungen - ggf im Rahmen einer Einrichtungskette - auf den gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in eine, im Falle einer Einrichtungskette in die erste Einrichtung ab. Für Leistungen in Form ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten, die nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII (Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten) erbracht werden, ist demgegenüber der Sozialhilfeträger örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre (§ 98 Abs. 5 SGB XII; vgl. auch BSG, Urteil vom 20.4.2016 – B 8 SO 8/14 R –, juris Rn. 13).
Die hier in Rede stehenden Leistungen - Eingliederungshilfe in Form des betreuten Wohnens in Familien für Mütter mit Behinderung und ihrer Kinder - sind der T. K. gewährt worden, weil sie mit der Betreuung ihres behinderten Kindes D. allein überfordert war. Es handelt sich demnach um Leistungen nach dem 6. Kapitel des SGB XII, die für T. K. erbracht worden sind. Für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit für T. K. im Falle von Leistungen des betreuten Wohnens ist § 98 Abs. 5 S. 1 SGB XII einschlägig. Für die örtliche Zuständigkeit maßgeblich ist demnach, welcher Leistungsträger vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Nachdem T. K. vor Eintritt in das betreute Wohnen in Familien am 26.3.2010 keine Sozialhilfe bezogen hat, kommt es entscheidend darauf an, welcher Sozialhilfeträger für T. K. hypothetisch vor dem 26.3.2010 zuständig gewesen wäre. Die Zuständigkeit wäre beim Beklagten geblieben, wenn bei T. K. seit ihrem letzten Aufenthalt in L. und bis zur Aufnahme in das betreute Wohnen eine ununterbrochene Einrichtungskette i. S. des § 98 Abs. 2 SGB XII vorgelegen hätte. Dies ist indes nicht der Fall.
Entscheidend ist die rechtliche Qualifizierung des Aufenthalts der T. K. in der Uniklinik T. vom 20.10.2009 bis 26.3.2010. Hierzu ist festzustellen, dass nicht T. K. dort behandelt wurde, sondern ihr an Krebs erkrankter Sohn. Für T. K. handelte es sich "nur" um die Mitaufnahme als Begleitperson für ihren stationär behandlungsbedürftigen Sohn und entsprechend hat die AOK L.-Rems-Murr die Kosten auch für ihren Aufenthalt im Krankenhaus gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB V mitübernommen (Auskünfte der AOK L.-Rems-Murr vom 13.4.2016 und vom 25.4.2016). Anspruchsberechtigt für die Übernahme der Kosten für eine Begleitperson ist der behandlungsbedürftige Versicherte, nicht die Begleitperson selbst (Plagemann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 11 SGB V, Rn. 27). Nicht jeder Aufenthalt eines Leistungsberechtigten in einer objektiv als vollstationär ausgewiesenen Einrichtung ist auch im Einzelfall als Betreuung in einer stationären Einrichtung im Sinne des Leistungs- und Kostenrechts des SGB XII anzusehen, wenn bei dem Leistungsberechtigten das Kriterium der "Heimbetreuungsbedürftigkeit" nicht gegeben ist (Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. § 13 Rn. 13). Damit fehlt es bereits an dem für die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 2 SGB XII erforderlichen Merkmal der Betreuung eines Leistungsberechtigten, weil sich T. K. nur als Mutter ihres schwerkranken Kindes in der Uniklinik T. aufgehalten hat und die Klinik jederzeit hätte verlassen können. Zudem stellte die Uniklinik T. für T. K. keine stationäre Einrichtung in diesem Sinne dar. Der Einrichtungsbegriff ist in § 13 Abs. 2 SGB XII dahingehend bestimmt, dass unter Einrichtungen im Sinne des Abs. 1 alle Einrichtungen zu verstehen sind, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen. Nach der Rechtsprechung wird unter einer Einrichtung ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft verstanden, der auf gewisse Dauer angelegt, für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und einen Bezug zur Sozialhilfe oder zur Jugendhilfe aufweisen (BSG, Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 14/12 R –, SozR 4-5910 § 97 Nr 1, Rn. 14 m.w.Nw.). Dies ist bei der Uniklinik T., die Krankenbehandlung nach dem SGB V erbringt, nicht der Fall. Der Aufenthalt der T. K. dort ist deshalb nicht als stationärer Aufenthalt im Anschluss an die stationäre Unterbringung im St. C. H. in Schwäbisch Gmünd im Sinne einer Einrichtungskette zu bewerten.
Daraus folgt, dass die Zuständigkeit des Beklagten mit dem Verlassen der St. C. Mutter-Kind-Einrichtung, das eine Zäsur gebildet hat, beendet war. Für den sich daran anschließenden Aufenthalt im Landkreis T. galt für die hypothetische Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit deshalb die allgemeine Regel des § 98 Abs. 1 SGB XII, somit war der tatsächliche Aufenthalt im Landkreis T. maßgeblich und die örtliche Zuständigkeit des Klägers begründet worden.
Nachdem es um die Zuständigkeit für Leistungen an die T. K. - betreutes Wohnen in Familien - geht und im Übrigen, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, der Aufenthalt der Mutter maßgeblich ist, dem der des Kindes im Zweifel folgt (Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl., § 98 Rn. 56), kann aus dem Umstand, dass D. stationär behandelt wurde, kein anderes Ergebnis abgeleitet werden.
Für die an T. K. nach den Feststellungen des Senats in Höhe von 14.801,72 EUR rechtmäßig erbrachten Leistungen - die Anschlussberufung hinsichtlich der inzwischen weiter aufgelaufenen Kosten hat die Klägerin nicht mehr erhoben - gelangt der Senat deshalb zur Zuständigkeit des Klägers, der deren Erstattung daher zu Unrecht vom Beklagten gefordert hat und die vom SG zu Unrecht zugesprochen worden sind. Das Urteil des SG war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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