Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 14 AS 102/17 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 390/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 28. Februar 2017 abgeändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 368,00 EUR monatlich für die Zeit vom 30. Mai bis 30. November 2017 bzw. bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Fortzahlungsantrag für den am 1. Dezember 2016 beginnenden Bewilligungsabschnitt zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwältin G., L.-W., beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Antragstellerin begehrt sowohl die Regelleistung als auch Kosten der Unterkunft. Die 1963 geborene Antragstellerin lebt in einer Wohnung mit R. M. Die Antragstellerin und R. M. haben zusammen die 61,62 m² große Wohnung mit Mietvertrag vom 26. November 2015 ab dem 1. Dezember 2015 angemietet. Später hat die Antragstellerin noch einen Untermietvertrag mit R. M. geschlossen. Zuvor hatten sie gemeinsam in einem Haus des R. M. gelebt. Ob die Antragstellerin während dieser Zeit eine abgeschlossene Wohnung getrennt von R. M. bewohnte, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Die Antragstellerin bezog in der Vergangenheit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von dem Antragsgegner. Dabei ging der Antragsgegner zuletzt von einer Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin mit R. M. aus und bezog dessen Einkommen in die Berechnung der Leistungshöhe ein. Dagegen wendet sich die Antragstellerin jeweils mit Widerspruch und Klage. Sie ist der Ansicht, dass sie mit R. M. lediglich eine Wohngemeinschaft bildet.
Mit Bescheid vom 9. Januar 2017 lehnte der Antragsgegner den Fortzahlungsantrag der An-tragstellerin für Leistungen ab dem 1. Dezember 2016 mit der Begründung ab, die Antragstellerin habe ihre Mitwirkungspflichten nicht erfüllt, weil sie die Kontoauszüge und Verdienst-bescheinigungen von R. M. nicht vorgelegt habe. Über den dagegen eingelegten Widerspruch vom 16. Januar 2017 hat der Antragsgegner noch nicht entschieden. Am 20. Januar 2017 beantragte die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, ihr Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 608,50 EUR monatlich zu gewähren. Sie fügte ihrem Antrag eine eigene und eine eidesstattliche Versicherung des R. M. bei, in denen sie sich jeweils erklärten, dass sie nicht die Absicht hätten, füreinander einzustehen und dass sie nicht gemeinsam wirtschaften würden. Sie hat einen weiteren Mietvertrag "Mietvertrag für Wohngemeinschaften" vom 26. November 2015 vorgelegt, in dem R. M. der Antragstellerin das Wohnzimmer zur alleinigen Nutzung untervermietet und die Nutzung der anteiligen Gemeinschaftsflächen gestattet. Das Sozialgericht Nordhausen hat die Antragstellerin gehört und R. M. als Zeugen vernommen. Auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 13. Februar 2017 wird verwiesen. Dabei hat R. M. erklärt, dass mittlerweile Mietrückstände in Höhe von 3.306,30 EUR seit Dezember 2015 aufgelaufen seien. Auch habe er der Antragstellerin Geld für den Lebensunterhalt, insgesamt 4.988,29 EUR vorgestreckt.
Das Sozialgericht Nordhausen hat den Antrag mit Beschluss vom 28. Februar 2017 zurück-gewiesen. Die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin sei nicht glaubhaft gemacht. Es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin in einer Bedarfsgemeinschaft mit R. M. lebe, welcher erwerbstätig sei.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Sie begehrt die Leistungen nunmehr ab Dezember 2016. Sie betont, dass R. M. und sie selbst eindeutig erklärt hätten, nicht in einer Einstehensgemeinschaft zu leben.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Die Verwaltungsakten des Antragsgegners bis 16. Januar 2017 lagen vor.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
Streitgegenständlich ist, ob die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Die Frage, ob der Antragsgegner einen Versagungsbescheid erlassen durfte, ist für das vorliegende Verfahren nicht maßgeblich; das diesbezügliche Widerspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Nach § 86b Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall von § 86b Abs. 1 - wie hier - nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn anders die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 86b Abs. 4 SGG).
Der Antrag ist dann begründet, wenn das Gericht auf Grund hinreichender Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung einen Anordnungsanspruch bejahen kann. Ein solcher Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Darüber hinaus muss in Abwägung der für die Verwirklichung des Rechts bestehenden Gefahr einerseits und der bestehenden Gefahr und der Notwendigkeit einer Regelung andererseits ein Anordnungsgrund zu bejahen sein. Die Antragstellerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Streitig ist allein, ob die Antragstellerin hilfebedürftig ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 iVm § 9 SGB II) und wenn ja, in welchem Umfang. Die Hilfebedürftigkeit (§ 9 SGB II) orientiert sich unter anderem daran, welches Einkommen der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung steht. Nach dem Inhalt der Akten bestehen für den Senat entgegen der Ansicht der Antragstellerin kaum Zweifel, dass diese eine Bedarfsgemeinschaft mit R. M. bildet. Insoweit folgt der Senat den Ausführungen des Sozialgerichts und nimmt darauf Bezug. In diesem Fall ist das Einkommen und das Vermögen von R. M. bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit mit zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). R. M. ist erwerbstätig. Die genaue Höhe seiner Einkünfte ist jedoch unbekannt. Zwar trifft zunächst die Antragstellerin die Pflicht, ihre Hilfebedürftigkeit nachzuweisen, doch muss die Behörde für den Fall, dass die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit von Angaben Dritter abhängt, ihrerseits dort Ermittlungen anstellen, wenn die Angaben des Leistungsempfängers nicht ausreichen. Die Ermittlungen des Antragsgegners bei der Antragstellerin waren unergiebig. R. M. hat es im Verwaltungsverfahren abgelehnt, Unterlagen vorzulegen. Im Erörterungstermin hat er lediglich die für die Leistungsberechnung nicht hinreichende Angabe gemacht, 2.400,- EUR brutto monatlich zu verdienen. Ob seine sich aus § 60 Abs. 4 SGB II ergebende Auskunftspflicht durchgesetzt wurde, ist ebenso wenig bekannt wie die Frage, ob dies hinsichtlich dessen Arbeitgeber geschehen ist (§ 60 Abs. 3 SGB II). Eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Antragstellerin scheidet bei dieser Sachlage aus.
Insgesamt sind zu viele tatsächliche Fragen offen, die nicht in der für dieses Verfahren gebotenen Zeit geklärt werden können. Insbesondere ist es erforderlich festzustellen, in welcher Höhe R. M. Einkünfte hat und ob dieser über Vermögen verfügt. Dazu ist es erforderlich, R. M. selbst oder seinen Arbeitgeber zu befragen. In der Vergangenheit war die Antragstellerin auch bei Berücksichtigung des Einkommens von R. M. zumindest in gewissem Umfang hilfebedürftig. In dieser Situation fordert das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), eine Folgenabwägung vorzunehmen. Hierbei sind die Folgen gegenei-nander abzuwägen, die einerseits entstünden, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung in der Sache zu Unrecht unterbliebe, und die andererseits zu erwarten wären, wenn eine einstweilige Anordnung in der Sache zu Unrecht erginge. Diese Abwägung führt vorliegend dazu, die aus dem Tenor ersichtliche einstweilige Anordnung zu erlassen, weil eine zu Unrecht ergangene einstweilige Anordnung den Antragsgegner weniger belasten würde als dies umgekehrt hinsichtlich der Antragstellerin der Fall wäre, die existenzielle Leistungen geltend macht und bei der, sofern sich ihr Vortrag als zutreffend erweisen würde, der Lebensunterhalt nicht mehr gesichert wäre. Hinsichtlich der Höhe der zugesprochenen Leistung ist der Senat davon ausgegangen, dass zwischen der Antragstellerin und R. M. eine Bedarfsgemeinschaft besteht, so dass die Antrag-stellerin allenfalls einen Anspruch auf eine Regelleistung nach der Regelbedarfsstufe 2 haben kann (vgl. § 20 Abs. 4 SGB II iVm § 8 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz). Dieser beläuft sich derzeit auf monatlich 368,00 EUR. Ob und wenn ja, in welcher Höhe der Klägerin tatsächlich ein Leistungsanspruch zusteht, kann (wie bereits oben dargelegt) erst mit genauen Informationen über die wirtschaftliche Situation des R. M. festgestellt werden. Dass der vom Antragsgegner in der Vergangenheit unter Berücksichtigung des Einkommens des R. M. für die Antragstellerin errechnete Leistungsanspruch niedriger war als der Grundbetrag der betreffenden Regelleistung, hindert den Senat im Hinblick auf die vom Antragsgegner unterlassenen Ermittlungen nicht an der Anordnung der Zahlung des vollen Betrags nach der Regelleistungsstufe 2. Im Übrigen handelt es sich lediglich um eine vorläufige Leistung unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung nach dem Ergebnis in der Hauptsache. Der Umstand, dass R. M. in der Vergangenheit regelmäßig bereit war, der Antragstellerin verschiedene Darlehen zu gewähren, lässt eine Eilbedürftigkeit für die zukünftige Deckung der Kosten des Lebensunterhalts nicht entfallen. Einen Anspruch auf Hilfe zu den Kosten der Unterkunft hat die Antragstellerin - zumindest im Eilverfahren - nicht. Die Miete wurde bisher, einschließlich des möglichen Anteils der Antragstellerin, von R. M. an den Vermieter gezahlt. In diesem Mietverhältnis sind somit keinerlei Mietrückstände zu verzeichnen. Ob der zusätzlich zwischen der Antragstellerin und R. M. geschlossene Untermietvertrag einer rechtlichen Überprüfung Stand halten würde, kann dahingestellt bleiben, denn selbst dann, wenn man unterstellen würde, dass zwischen der An-tragstellerin und R. M. ein weiteres Mietverhältnis besteht und die Antragstellerin den sich daraus ergebenden Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist, so hätte dies bisher noch keine Konsequenzen für die Antragstellerin gehabt. R. M. hat bisher weder ernsthaft die Mietrückstände eingefordert noch der Antragstellerin mit der Beendigung des Untermietverhältnisses gedroht. Den Beginn der einstweiligen Anordnung hat der Senat auf den 30. Mai 2017, das Datum der Beschlussfassung, festgesetzt und dabei berücksichtigt, dass Leistungen aufgrund einer einst-weiligen Anordnung grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt der positiven Gerichtsentscheidung in Betracht kommen und die Antragstellerin für bereits abgelaufene Zeiträume auch keinen besonderen Nachholbedarf geltend gemacht hat. Sie hat zwar mitgeteilt, dass sie bei R. M. Schulden habe, doch ist nicht ersichtlich, dass dieser sie bisher zur Rückzahlung aufgefordert hat. Insoweit ist es ihr für vergangene Zeiten zumutbar, den Ausgang der Hauptsache abzuwarten, in der bei Erfolg eine Nachzahlung angeordnet werden kann.
Der Regelbedarf ist im vorliegenden Verfahren nur vorläufig bis zum 30. November 2017 zuzusprechen. Die zeitliche Dauer der einstweiligen Anordnung ist auf den Zeitraum des möglichen Bewilligungsabschnitts begrenzt. Der Streitgegenstand eines Eilverfahrens in Vor-nahmesachen bezieht sich auf das zu sichernde Recht, also die Sicherung des Hauptsachean-spruchs und kann deshalb auch nicht über diesen hinausgehen (vgl. LSG Berlin - Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2015, L 31 AS 1471/15 B mwN). Die Antragstellerin macht in der Hauptsache bei dem Antragsgegner im Verwaltungsverfahren einen Anspruch auf Weiterzahlung von Grundsicherungsleistungen ab dem 1. Dezember 2016 geltend. Der Bewilligungsabschnitt würde regelmäßig bis zum 30. November 2017 reichen (§ 41 Abs. 3 SGB II). Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Antragstellerin begehrt sowohl die Regelleistung als auch Kosten der Unterkunft. Die 1963 geborene Antragstellerin lebt in einer Wohnung mit R. M. Die Antragstellerin und R. M. haben zusammen die 61,62 m² große Wohnung mit Mietvertrag vom 26. November 2015 ab dem 1. Dezember 2015 angemietet. Später hat die Antragstellerin noch einen Untermietvertrag mit R. M. geschlossen. Zuvor hatten sie gemeinsam in einem Haus des R. M. gelebt. Ob die Antragstellerin während dieser Zeit eine abgeschlossene Wohnung getrennt von R. M. bewohnte, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Die Antragstellerin bezog in der Vergangenheit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von dem Antragsgegner. Dabei ging der Antragsgegner zuletzt von einer Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin mit R. M. aus und bezog dessen Einkommen in die Berechnung der Leistungshöhe ein. Dagegen wendet sich die Antragstellerin jeweils mit Widerspruch und Klage. Sie ist der Ansicht, dass sie mit R. M. lediglich eine Wohngemeinschaft bildet.
Mit Bescheid vom 9. Januar 2017 lehnte der Antragsgegner den Fortzahlungsantrag der An-tragstellerin für Leistungen ab dem 1. Dezember 2016 mit der Begründung ab, die Antragstellerin habe ihre Mitwirkungspflichten nicht erfüllt, weil sie die Kontoauszüge und Verdienst-bescheinigungen von R. M. nicht vorgelegt habe. Über den dagegen eingelegten Widerspruch vom 16. Januar 2017 hat der Antragsgegner noch nicht entschieden. Am 20. Januar 2017 beantragte die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, ihr Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 608,50 EUR monatlich zu gewähren. Sie fügte ihrem Antrag eine eigene und eine eidesstattliche Versicherung des R. M. bei, in denen sie sich jeweils erklärten, dass sie nicht die Absicht hätten, füreinander einzustehen und dass sie nicht gemeinsam wirtschaften würden. Sie hat einen weiteren Mietvertrag "Mietvertrag für Wohngemeinschaften" vom 26. November 2015 vorgelegt, in dem R. M. der Antragstellerin das Wohnzimmer zur alleinigen Nutzung untervermietet und die Nutzung der anteiligen Gemeinschaftsflächen gestattet. Das Sozialgericht Nordhausen hat die Antragstellerin gehört und R. M. als Zeugen vernommen. Auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 13. Februar 2017 wird verwiesen. Dabei hat R. M. erklärt, dass mittlerweile Mietrückstände in Höhe von 3.306,30 EUR seit Dezember 2015 aufgelaufen seien. Auch habe er der Antragstellerin Geld für den Lebensunterhalt, insgesamt 4.988,29 EUR vorgestreckt.
Das Sozialgericht Nordhausen hat den Antrag mit Beschluss vom 28. Februar 2017 zurück-gewiesen. Die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin sei nicht glaubhaft gemacht. Es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin in einer Bedarfsgemeinschaft mit R. M. lebe, welcher erwerbstätig sei.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Sie begehrt die Leistungen nunmehr ab Dezember 2016. Sie betont, dass R. M. und sie selbst eindeutig erklärt hätten, nicht in einer Einstehensgemeinschaft zu leben.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Die Verwaltungsakten des Antragsgegners bis 16. Januar 2017 lagen vor.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
Streitgegenständlich ist, ob die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Die Frage, ob der Antragsgegner einen Versagungsbescheid erlassen durfte, ist für das vorliegende Verfahren nicht maßgeblich; das diesbezügliche Widerspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Nach § 86b Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall von § 86b Abs. 1 - wie hier - nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn anders die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 86b Abs. 4 SGG).
Der Antrag ist dann begründet, wenn das Gericht auf Grund hinreichender Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung einen Anordnungsanspruch bejahen kann. Ein solcher Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Darüber hinaus muss in Abwägung der für die Verwirklichung des Rechts bestehenden Gefahr einerseits und der bestehenden Gefahr und der Notwendigkeit einer Regelung andererseits ein Anordnungsgrund zu bejahen sein. Die Antragstellerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Streitig ist allein, ob die Antragstellerin hilfebedürftig ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 iVm § 9 SGB II) und wenn ja, in welchem Umfang. Die Hilfebedürftigkeit (§ 9 SGB II) orientiert sich unter anderem daran, welches Einkommen der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung steht. Nach dem Inhalt der Akten bestehen für den Senat entgegen der Ansicht der Antragstellerin kaum Zweifel, dass diese eine Bedarfsgemeinschaft mit R. M. bildet. Insoweit folgt der Senat den Ausführungen des Sozialgerichts und nimmt darauf Bezug. In diesem Fall ist das Einkommen und das Vermögen von R. M. bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit mit zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). R. M. ist erwerbstätig. Die genaue Höhe seiner Einkünfte ist jedoch unbekannt. Zwar trifft zunächst die Antragstellerin die Pflicht, ihre Hilfebedürftigkeit nachzuweisen, doch muss die Behörde für den Fall, dass die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit von Angaben Dritter abhängt, ihrerseits dort Ermittlungen anstellen, wenn die Angaben des Leistungsempfängers nicht ausreichen. Die Ermittlungen des Antragsgegners bei der Antragstellerin waren unergiebig. R. M. hat es im Verwaltungsverfahren abgelehnt, Unterlagen vorzulegen. Im Erörterungstermin hat er lediglich die für die Leistungsberechnung nicht hinreichende Angabe gemacht, 2.400,- EUR brutto monatlich zu verdienen. Ob seine sich aus § 60 Abs. 4 SGB II ergebende Auskunftspflicht durchgesetzt wurde, ist ebenso wenig bekannt wie die Frage, ob dies hinsichtlich dessen Arbeitgeber geschehen ist (§ 60 Abs. 3 SGB II). Eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Antragstellerin scheidet bei dieser Sachlage aus.
Insgesamt sind zu viele tatsächliche Fragen offen, die nicht in der für dieses Verfahren gebotenen Zeit geklärt werden können. Insbesondere ist es erforderlich festzustellen, in welcher Höhe R. M. Einkünfte hat und ob dieser über Vermögen verfügt. Dazu ist es erforderlich, R. M. selbst oder seinen Arbeitgeber zu befragen. In der Vergangenheit war die Antragstellerin auch bei Berücksichtigung des Einkommens von R. M. zumindest in gewissem Umfang hilfebedürftig. In dieser Situation fordert das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), eine Folgenabwägung vorzunehmen. Hierbei sind die Folgen gegenei-nander abzuwägen, die einerseits entstünden, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung in der Sache zu Unrecht unterbliebe, und die andererseits zu erwarten wären, wenn eine einstweilige Anordnung in der Sache zu Unrecht erginge. Diese Abwägung führt vorliegend dazu, die aus dem Tenor ersichtliche einstweilige Anordnung zu erlassen, weil eine zu Unrecht ergangene einstweilige Anordnung den Antragsgegner weniger belasten würde als dies umgekehrt hinsichtlich der Antragstellerin der Fall wäre, die existenzielle Leistungen geltend macht und bei der, sofern sich ihr Vortrag als zutreffend erweisen würde, der Lebensunterhalt nicht mehr gesichert wäre. Hinsichtlich der Höhe der zugesprochenen Leistung ist der Senat davon ausgegangen, dass zwischen der Antragstellerin und R. M. eine Bedarfsgemeinschaft besteht, so dass die Antrag-stellerin allenfalls einen Anspruch auf eine Regelleistung nach der Regelbedarfsstufe 2 haben kann (vgl. § 20 Abs. 4 SGB II iVm § 8 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz). Dieser beläuft sich derzeit auf monatlich 368,00 EUR. Ob und wenn ja, in welcher Höhe der Klägerin tatsächlich ein Leistungsanspruch zusteht, kann (wie bereits oben dargelegt) erst mit genauen Informationen über die wirtschaftliche Situation des R. M. festgestellt werden. Dass der vom Antragsgegner in der Vergangenheit unter Berücksichtigung des Einkommens des R. M. für die Antragstellerin errechnete Leistungsanspruch niedriger war als der Grundbetrag der betreffenden Regelleistung, hindert den Senat im Hinblick auf die vom Antragsgegner unterlassenen Ermittlungen nicht an der Anordnung der Zahlung des vollen Betrags nach der Regelleistungsstufe 2. Im Übrigen handelt es sich lediglich um eine vorläufige Leistung unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung nach dem Ergebnis in der Hauptsache. Der Umstand, dass R. M. in der Vergangenheit regelmäßig bereit war, der Antragstellerin verschiedene Darlehen zu gewähren, lässt eine Eilbedürftigkeit für die zukünftige Deckung der Kosten des Lebensunterhalts nicht entfallen. Einen Anspruch auf Hilfe zu den Kosten der Unterkunft hat die Antragstellerin - zumindest im Eilverfahren - nicht. Die Miete wurde bisher, einschließlich des möglichen Anteils der Antragstellerin, von R. M. an den Vermieter gezahlt. In diesem Mietverhältnis sind somit keinerlei Mietrückstände zu verzeichnen. Ob der zusätzlich zwischen der Antragstellerin und R. M. geschlossene Untermietvertrag einer rechtlichen Überprüfung Stand halten würde, kann dahingestellt bleiben, denn selbst dann, wenn man unterstellen würde, dass zwischen der An-tragstellerin und R. M. ein weiteres Mietverhältnis besteht und die Antragstellerin den sich daraus ergebenden Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist, so hätte dies bisher noch keine Konsequenzen für die Antragstellerin gehabt. R. M. hat bisher weder ernsthaft die Mietrückstände eingefordert noch der Antragstellerin mit der Beendigung des Untermietverhältnisses gedroht. Den Beginn der einstweiligen Anordnung hat der Senat auf den 30. Mai 2017, das Datum der Beschlussfassung, festgesetzt und dabei berücksichtigt, dass Leistungen aufgrund einer einst-weiligen Anordnung grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt der positiven Gerichtsentscheidung in Betracht kommen und die Antragstellerin für bereits abgelaufene Zeiträume auch keinen besonderen Nachholbedarf geltend gemacht hat. Sie hat zwar mitgeteilt, dass sie bei R. M. Schulden habe, doch ist nicht ersichtlich, dass dieser sie bisher zur Rückzahlung aufgefordert hat. Insoweit ist es ihr für vergangene Zeiten zumutbar, den Ausgang der Hauptsache abzuwarten, in der bei Erfolg eine Nachzahlung angeordnet werden kann.
Der Regelbedarf ist im vorliegenden Verfahren nur vorläufig bis zum 30. November 2017 zuzusprechen. Die zeitliche Dauer der einstweiligen Anordnung ist auf den Zeitraum des möglichen Bewilligungsabschnitts begrenzt. Der Streitgegenstand eines Eilverfahrens in Vor-nahmesachen bezieht sich auf das zu sichernde Recht, also die Sicherung des Hauptsachean-spruchs und kann deshalb auch nicht über diesen hinausgehen (vgl. LSG Berlin - Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2015, L 31 AS 1471/15 B mwN). Die Antragstellerin macht in der Hauptsache bei dem Antragsgegner im Verwaltungsverfahren einen Anspruch auf Weiterzahlung von Grundsicherungsleistungen ab dem 1. Dezember 2016 geltend. Der Bewilligungsabschnitt würde regelmäßig bis zum 30. November 2017 reichen (§ 41 Abs. 3 SGB II). Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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