Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 4377/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1399/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. März 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten höheres Insolvenzgeld unter Berücksichtigung einer Jahressonderzahlung für das Jahr 2012, dessen Fälligkeit mit arbeitsgerichtlichem Vergleich auf Mai und Juni 2013 bestimmt worden war.
Die 1964 geborene Klägerin war seit dem 15. September 2011 als die Diplom-Sozialpädagogin bei der H.-E.-Klinik B. S. sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zudem war sie Betriebsratsvorsitzende. Das Amtsgericht W.-T. eröffnete am 1. August 2013 das Insolvenzverfahren über den Arbeitgeber.
Unter dem 24. Juli 2013 beantragte die Klägerin Insolvenzgeld. In der Anlage zum Antrag führte sie bereits die Jahressonderzahlung 2012 in Höhe von 2.300 EUR, aufgeteilt in Mai und Juni 2013, auf. Aktenkundig wurde eine Bescheinigung des Arbeitsgebers vom 1. August 2013, wonach die Klägerin im Mai und Juni 2013 jeweils 2.844,61 EUR und im Juli 2013 3.425,14 EUR erzielt habe. Nach den Abzügen ergebe sich ein Betrag von 1.815,08 EUR für Mai und Juni 2013 sowie 2.104,52 EUR für Juli 2013. Die Entgelte für Mai und Juni 2013 seien von der Volksbank F. vorfinanziert worden. Die in den 2.104,52 EUR enthaltenen 153,05 EUR seien noch nicht an die VBL abgezweigt worden. Das in der Bescheinigung ausgewiesene noch nicht ausgezahlte Netto-Arbeitsentgelt in Höhe von 1.951,47 EUR für Juli 2013 hat die Beklagte mit Bescheid vom 6. August 2013 bewilligt. Mit Schreiben vom 29. August 2013 erhob die Klägerin Widerspruch. Die Jahressonderzahlung 2012 hätte laut Vergleich im Mai und Juni 2013 ausbezahlt werden müssen. Der Vergleich schaffe einen neuen Rechtsgrund und bestimme einen Fälligkeitstermin, der im Insolvenzgeldzeitraum liege. Sie legte einen Teil-Vergleich mit dem Arbeitgeber vom 16. Mai 2013 vor, der vor dem Arbeitsgericht L. geschlossen worden ist. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Insolvenzgeldzeitraum umfasse die Monate Mai bis Juli 2013. Ansprüche auf Arbeitsentgelt könnten nur dann einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, wenn sie zeitlich dem Insolvenzgeldzeitraum zuzuordnen seien. Hierbei komme es maßgeblich darauf an, wann das Arbeitsentgelt erarbeitet worden sei. Die Sonderzahlung sei dem Erarbeitungszeitraum des Jahres 2012 zuzuordnen und sei auch im November 2012 fällig gewesen. Auch die arbeitsgerichtliche Vereinbarung führe nicht dazu, dass sie sich um im Mai und Juni 2013 erarbeitetes Arbeitsentgelt handele. Darüber hinaus habe das Bundessozialgericht entschieden, dass bei einer dem jeweiligen Kalenderjahr insgesamt zuzuordnenden Jahressonderzahlung der festgelegte Auszahlungszeitpunkt nicht durch eine Verschiebung der Fälligkeit verändert werden könne.
Am 30. September 2013 hat die Klägerin hiergegen Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und vorgetragen, die arbeitsgerichtliche Vereinbarung habe eine neue materiell-rechtliche Grundlage geschaffen, weshalb nicht eine bloße Verschiebung der Fälligkeit vorliege. Die Klägerin habe auch davon ausgehen dürfen, dass die Zahlung durch den Arbeitgeber unmittelbar erfolge. Es habe keine Absicht zur Benachteiligung der Beklagten durch den Vergleich bestanden. Der Vergleich sei wirksam. Die Beklagte hat den angefochtenen Bescheid verteidigt. Nachdem der ehemalige Arbeitgeber eine korrigierte Bescheinigung vom 31. Oktober 2014 vorgelegt hat, nach der die 153,05 EUR Umlage VBL zum noch nicht ausgezahlten Netto-Arbeitsentgelt addiert wurde, hat die Beklagte 153,05 EUR mit Bescheid vom 11. November 2014 nachbewilligt. Mit Urteil vom 10. März 2016 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 6. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2013 dahingehend abgeändert, dass bei der Bewilligung von Insolvenzgeld die unter Ziffer I des Vergleiches vom 16. Mai 2013 geschuldeten Forderungen aufgeteilt auf die Monate Mai und Juni 2013 in voller Höhe berücksichtigt werden. Die Klägerin habe Anspruch auf Insolvenzgeld, da die Voraussetzungen erfüllt seien. Die Jahressonderzahlung sei nicht einzelnen Monaten zuzuordnen, sodass sie grundsätzlich auch in voller Höhe zu berücksichtigten sei. Zwar werde sie nach § 20 Abs. 5 TVöD mit dem Tabellenentgelt für November des jeweiligen Jahres ausgezahlt, womit sie grundsätzlich nicht in den Insolvenzgeldzeitraum Mai bis Juli 2013 falle. Die tarifvertragliche Regelung sei jedoch durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich wirksam abbedungen worden und entfalte dadurch eine Bindungswirkung gegenüber der Beklagten (Hinweis auf die andere Auffassung des Bayerischen LSG, Beschluss vom 26. November 2008, L 8 AL 260/06). Die Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers sei der Klägerin zum Zeitpunkt des arbeitsgerichtlichen Vergleiches auch nicht hinreichend absehbar gewesen. eine missbräuchliche Vereinbarung könne die Kammer nicht erkennen.
Gegen das der Beklagten am 17. März 2016 zugestellte Urteil hat sie am 13. April 2016 Berufung eingelegt. Die streitgegenständliche Jahressonderzahlung entstamme aus dem Jahre 2012 und sei mit dem Entgelt für November 2012 auszuzahlen gewesen. Sie stehe damit unter keinem rechtlichen Aspekt mit dem Entgeltausfall im Insolvenzgeldzeitraum in Verbindung. Der Vergleich könne den Anspruch auch nicht von § 20 TVöD abkoppeln. Vielmehr handle es sich um einen Zahlungsaufschub der bereits fälligen Jahressonderzahlung. Wenn in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich eine eigenständige Grundlage gesehen würde, so wäre dieser Vergleich wegen eines Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig. Für eine Vorverlegung habe das BSG dies bereits entschieden (Hinweis auf Urteil des BSG vom 18. März 2004, B 11 AL 57/03 R, juris). Die Insolvenz des Arbeitgebers sei für die Klägerin auch hinreichend absehbar gewesen. Die Jahressonderzahlung sei bereits sechs Monate trotz Fälligkeit nicht bezahlt worden. Der Lohn für April 2013 sei erst im Mai 2013 bezahlt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. März 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der abgeschlossene gerichtliche Vergleich stelle nicht bloß eine Fälligkeitsverschiebung, sondern eine materielle Rechtsgrundlage dar. Ein Zurückgreifen auf eine tarifvertragliche Verpflichtung werde dadurch ausgeschlossen. Die Insolvenz sei auch nicht vorhersehbar gewesen. Es habe zwar Verzögerungen gegeben, die Entgelte seien aber immer, wenn auch verspätet, bezahlt worden. Die Arbeitgeberin habe sich auch immer wieder darauf berufen, dass die Talsohle überschritten sei. Hätte eine Absicht bestanden, Entgeltansprüche willkürlich zu Lasten der Beklagten in den Insolvenzzeitraum hinein zu vergleichen, so hätte es nahegelegen, dies für alle zustehenden Forderungen aus der Vergangenheit zu tun. Da die vorausgegangenen Vergleiche der Mitarbeiter erfüllt worden seien, seien alle davon ausgegangen, dass dies auch bei der Klägerin der Fall sein werde. Eine Nichtigkeit liege nicht vor, weshalb im Mai und Juni 2013 noch ausstehendes Arbeitsentgelt bei der Insolvenzgeldberechnung zu berücksichtigten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten im Termin zu Erörterung des Sachverhalts am 27. Juni 2017 einer solchen zugestimmt haben.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Insolvenzgeld als mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2013 in der Fassung des Bescheides vom 11. November 2014 bewilligt worden ist.
Gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitsgebers (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III). Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören nach § 165 Abs. 2 Satz 1 SGB III alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Gem. § 167 SGB III wird das Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgelts gezahlt, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird.
Die Klägerin war im Inland beschäftigt und hatte bei einem Insolvenzereignis (die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. August 2013[siehe Insolvenzgeldbescheinigung vom 1. August 2013 und 31. Oktober 2014]) für die vorausgegangenen drei Monate (Mai bis Juli 2013) noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Die Beklagte hat gemäß den vorgelegten Insolvenzgeldbescheinigungen den für Juli 2013 noch offen stehenden Betrag in Höhe von 1.951,47 EUR bzw. 2.104,52 EUR bewilligt. Das für Mai und Juni 2013 ausstehende Arbeitsentgelt wurde an die Volksbank Freiburg wegen einer Vorfinanzierung abgetreten, sodass die Klägerin nicht Anspruchsinhaberin ist bzw. dies kein ausgefallenes Arbeitsentgelt darstellt, was unter den Beteiligten auch nicht streitig ist.
Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Jahressonderzahlung 2012 bei dem Insolvenzgeld für Mai bis Juli 2013 zu berücksichtigten.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es zur Beantwortung der Frage, ob dem Arbeitnehmer ein Anspruch für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten zusteht, nicht auf die Fälligkeit, sondern darauf an, wann das Arbeitsentgelt erarbeitet worden ist (ständige Rechtsprechung seit BSG 43,49, zuletzt Urteil vom 11. März 2014, B 11 AL 21/12 R, Juris). Bei einer Jahressonderzahlung, die -wie hier- grundsätzlich allen Arbeitnehmern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen im jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt ungekürzt und unabhängig von der Betriebszugehörigkeit im Laufe des Jahres auszuzahlen ist, kann eine Einmalleistung in voller Höhe bei der Bemessung des Insolvenzgeldes berücksichtigt werden, allerdings nur dann, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzereignis hätte ausbezahlt werden müssen, andernfalls überhaupt nicht (BSG, Urteil vom 11. März 2014, am angegebenen Ort, mit weiteren Nachweisen). Das BSG hat auch bereits entschieden, dass Sinn und Zweck der tariflichen Regelung es verbieten, den Auszahlungstag auf einen Tag außerhalb des Kalenderjahres, für den die Sonderzahlung gedacht ist, zu legen (BSG, Urteil vom 2. November 2000, B 11 AL 87/99 R, Juris).
Hiernach ist für den Senat festzustellen, dass die Jahressonderzahlung 2012 im Jahre 2012 erarbeitet worden und gemäß § 20 Abs. 5 TVöD im November 2012 fällig geworden ist. Mit Eintritt der Fälligkeit im November 2012 hätte die Jahressonderzahlung 2012 ausbezahlt werden müssen, so dass nach der Rechtsprechung des BSG diese nicht im Insolvenzgeldzeitraum erarbeitet worden ist. Der arbeitsgerichtliche Vergleich mag einen neuen Rechtsgrund begründet, den tarifvertraglichen ersetzt haben; er hat aber nichts daran geändert, dass die Jahressonderzahlung bereits im November 2012 hätte ausbezahlt werden müssen. Auf die Frage, ob die Klägerin die Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers erahnt hatte und der arbeitsgerichtliche Vergleich zu Lasten der Beklagten geschah -die Klägerin war immerhin Betriebsratsvorsitzende und der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde am 10. Juni 2013, d.h. kurz nach dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 16. Mai 2013, gestellt - kam es damit nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtsfrage, wann eine Jahressonderzahlung erarbeitet worden ist im Sinne der Insolvenzgeldvorschriften, hat das BSG bereits mehrfach entschieden.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten höheres Insolvenzgeld unter Berücksichtigung einer Jahressonderzahlung für das Jahr 2012, dessen Fälligkeit mit arbeitsgerichtlichem Vergleich auf Mai und Juni 2013 bestimmt worden war.
Die 1964 geborene Klägerin war seit dem 15. September 2011 als die Diplom-Sozialpädagogin bei der H.-E.-Klinik B. S. sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zudem war sie Betriebsratsvorsitzende. Das Amtsgericht W.-T. eröffnete am 1. August 2013 das Insolvenzverfahren über den Arbeitgeber.
Unter dem 24. Juli 2013 beantragte die Klägerin Insolvenzgeld. In der Anlage zum Antrag führte sie bereits die Jahressonderzahlung 2012 in Höhe von 2.300 EUR, aufgeteilt in Mai und Juni 2013, auf. Aktenkundig wurde eine Bescheinigung des Arbeitsgebers vom 1. August 2013, wonach die Klägerin im Mai und Juni 2013 jeweils 2.844,61 EUR und im Juli 2013 3.425,14 EUR erzielt habe. Nach den Abzügen ergebe sich ein Betrag von 1.815,08 EUR für Mai und Juni 2013 sowie 2.104,52 EUR für Juli 2013. Die Entgelte für Mai und Juni 2013 seien von der Volksbank F. vorfinanziert worden. Die in den 2.104,52 EUR enthaltenen 153,05 EUR seien noch nicht an die VBL abgezweigt worden. Das in der Bescheinigung ausgewiesene noch nicht ausgezahlte Netto-Arbeitsentgelt in Höhe von 1.951,47 EUR für Juli 2013 hat die Beklagte mit Bescheid vom 6. August 2013 bewilligt. Mit Schreiben vom 29. August 2013 erhob die Klägerin Widerspruch. Die Jahressonderzahlung 2012 hätte laut Vergleich im Mai und Juni 2013 ausbezahlt werden müssen. Der Vergleich schaffe einen neuen Rechtsgrund und bestimme einen Fälligkeitstermin, der im Insolvenzgeldzeitraum liege. Sie legte einen Teil-Vergleich mit dem Arbeitgeber vom 16. Mai 2013 vor, der vor dem Arbeitsgericht L. geschlossen worden ist. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Insolvenzgeldzeitraum umfasse die Monate Mai bis Juli 2013. Ansprüche auf Arbeitsentgelt könnten nur dann einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, wenn sie zeitlich dem Insolvenzgeldzeitraum zuzuordnen seien. Hierbei komme es maßgeblich darauf an, wann das Arbeitsentgelt erarbeitet worden sei. Die Sonderzahlung sei dem Erarbeitungszeitraum des Jahres 2012 zuzuordnen und sei auch im November 2012 fällig gewesen. Auch die arbeitsgerichtliche Vereinbarung führe nicht dazu, dass sie sich um im Mai und Juni 2013 erarbeitetes Arbeitsentgelt handele. Darüber hinaus habe das Bundessozialgericht entschieden, dass bei einer dem jeweiligen Kalenderjahr insgesamt zuzuordnenden Jahressonderzahlung der festgelegte Auszahlungszeitpunkt nicht durch eine Verschiebung der Fälligkeit verändert werden könne.
Am 30. September 2013 hat die Klägerin hiergegen Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und vorgetragen, die arbeitsgerichtliche Vereinbarung habe eine neue materiell-rechtliche Grundlage geschaffen, weshalb nicht eine bloße Verschiebung der Fälligkeit vorliege. Die Klägerin habe auch davon ausgehen dürfen, dass die Zahlung durch den Arbeitgeber unmittelbar erfolge. Es habe keine Absicht zur Benachteiligung der Beklagten durch den Vergleich bestanden. Der Vergleich sei wirksam. Die Beklagte hat den angefochtenen Bescheid verteidigt. Nachdem der ehemalige Arbeitgeber eine korrigierte Bescheinigung vom 31. Oktober 2014 vorgelegt hat, nach der die 153,05 EUR Umlage VBL zum noch nicht ausgezahlten Netto-Arbeitsentgelt addiert wurde, hat die Beklagte 153,05 EUR mit Bescheid vom 11. November 2014 nachbewilligt. Mit Urteil vom 10. März 2016 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 6. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2013 dahingehend abgeändert, dass bei der Bewilligung von Insolvenzgeld die unter Ziffer I des Vergleiches vom 16. Mai 2013 geschuldeten Forderungen aufgeteilt auf die Monate Mai und Juni 2013 in voller Höhe berücksichtigt werden. Die Klägerin habe Anspruch auf Insolvenzgeld, da die Voraussetzungen erfüllt seien. Die Jahressonderzahlung sei nicht einzelnen Monaten zuzuordnen, sodass sie grundsätzlich auch in voller Höhe zu berücksichtigten sei. Zwar werde sie nach § 20 Abs. 5 TVöD mit dem Tabellenentgelt für November des jeweiligen Jahres ausgezahlt, womit sie grundsätzlich nicht in den Insolvenzgeldzeitraum Mai bis Juli 2013 falle. Die tarifvertragliche Regelung sei jedoch durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich wirksam abbedungen worden und entfalte dadurch eine Bindungswirkung gegenüber der Beklagten (Hinweis auf die andere Auffassung des Bayerischen LSG, Beschluss vom 26. November 2008, L 8 AL 260/06). Die Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers sei der Klägerin zum Zeitpunkt des arbeitsgerichtlichen Vergleiches auch nicht hinreichend absehbar gewesen. eine missbräuchliche Vereinbarung könne die Kammer nicht erkennen.
Gegen das der Beklagten am 17. März 2016 zugestellte Urteil hat sie am 13. April 2016 Berufung eingelegt. Die streitgegenständliche Jahressonderzahlung entstamme aus dem Jahre 2012 und sei mit dem Entgelt für November 2012 auszuzahlen gewesen. Sie stehe damit unter keinem rechtlichen Aspekt mit dem Entgeltausfall im Insolvenzgeldzeitraum in Verbindung. Der Vergleich könne den Anspruch auch nicht von § 20 TVöD abkoppeln. Vielmehr handle es sich um einen Zahlungsaufschub der bereits fälligen Jahressonderzahlung. Wenn in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich eine eigenständige Grundlage gesehen würde, so wäre dieser Vergleich wegen eines Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig. Für eine Vorverlegung habe das BSG dies bereits entschieden (Hinweis auf Urteil des BSG vom 18. März 2004, B 11 AL 57/03 R, juris). Die Insolvenz des Arbeitgebers sei für die Klägerin auch hinreichend absehbar gewesen. Die Jahressonderzahlung sei bereits sechs Monate trotz Fälligkeit nicht bezahlt worden. Der Lohn für April 2013 sei erst im Mai 2013 bezahlt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. März 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der abgeschlossene gerichtliche Vergleich stelle nicht bloß eine Fälligkeitsverschiebung, sondern eine materielle Rechtsgrundlage dar. Ein Zurückgreifen auf eine tarifvertragliche Verpflichtung werde dadurch ausgeschlossen. Die Insolvenz sei auch nicht vorhersehbar gewesen. Es habe zwar Verzögerungen gegeben, die Entgelte seien aber immer, wenn auch verspätet, bezahlt worden. Die Arbeitgeberin habe sich auch immer wieder darauf berufen, dass die Talsohle überschritten sei. Hätte eine Absicht bestanden, Entgeltansprüche willkürlich zu Lasten der Beklagten in den Insolvenzzeitraum hinein zu vergleichen, so hätte es nahegelegen, dies für alle zustehenden Forderungen aus der Vergangenheit zu tun. Da die vorausgegangenen Vergleiche der Mitarbeiter erfüllt worden seien, seien alle davon ausgegangen, dass dies auch bei der Klägerin der Fall sein werde. Eine Nichtigkeit liege nicht vor, weshalb im Mai und Juni 2013 noch ausstehendes Arbeitsentgelt bei der Insolvenzgeldberechnung zu berücksichtigten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten im Termin zu Erörterung des Sachverhalts am 27. Juni 2017 einer solchen zugestimmt haben.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Insolvenzgeld als mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2013 in der Fassung des Bescheides vom 11. November 2014 bewilligt worden ist.
Gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitsgebers (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III). Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören nach § 165 Abs. 2 Satz 1 SGB III alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Gem. § 167 SGB III wird das Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgelts gezahlt, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird.
Die Klägerin war im Inland beschäftigt und hatte bei einem Insolvenzereignis (die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. August 2013[siehe Insolvenzgeldbescheinigung vom 1. August 2013 und 31. Oktober 2014]) für die vorausgegangenen drei Monate (Mai bis Juli 2013) noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Die Beklagte hat gemäß den vorgelegten Insolvenzgeldbescheinigungen den für Juli 2013 noch offen stehenden Betrag in Höhe von 1.951,47 EUR bzw. 2.104,52 EUR bewilligt. Das für Mai und Juni 2013 ausstehende Arbeitsentgelt wurde an die Volksbank Freiburg wegen einer Vorfinanzierung abgetreten, sodass die Klägerin nicht Anspruchsinhaberin ist bzw. dies kein ausgefallenes Arbeitsentgelt darstellt, was unter den Beteiligten auch nicht streitig ist.
Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Jahressonderzahlung 2012 bei dem Insolvenzgeld für Mai bis Juli 2013 zu berücksichtigten.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es zur Beantwortung der Frage, ob dem Arbeitnehmer ein Anspruch für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten zusteht, nicht auf die Fälligkeit, sondern darauf an, wann das Arbeitsentgelt erarbeitet worden ist (ständige Rechtsprechung seit BSG 43,49, zuletzt Urteil vom 11. März 2014, B 11 AL 21/12 R, Juris). Bei einer Jahressonderzahlung, die -wie hier- grundsätzlich allen Arbeitnehmern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen im jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt ungekürzt und unabhängig von der Betriebszugehörigkeit im Laufe des Jahres auszuzahlen ist, kann eine Einmalleistung in voller Höhe bei der Bemessung des Insolvenzgeldes berücksichtigt werden, allerdings nur dann, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzereignis hätte ausbezahlt werden müssen, andernfalls überhaupt nicht (BSG, Urteil vom 11. März 2014, am angegebenen Ort, mit weiteren Nachweisen). Das BSG hat auch bereits entschieden, dass Sinn und Zweck der tariflichen Regelung es verbieten, den Auszahlungstag auf einen Tag außerhalb des Kalenderjahres, für den die Sonderzahlung gedacht ist, zu legen (BSG, Urteil vom 2. November 2000, B 11 AL 87/99 R, Juris).
Hiernach ist für den Senat festzustellen, dass die Jahressonderzahlung 2012 im Jahre 2012 erarbeitet worden und gemäß § 20 Abs. 5 TVöD im November 2012 fällig geworden ist. Mit Eintritt der Fälligkeit im November 2012 hätte die Jahressonderzahlung 2012 ausbezahlt werden müssen, so dass nach der Rechtsprechung des BSG diese nicht im Insolvenzgeldzeitraum erarbeitet worden ist. Der arbeitsgerichtliche Vergleich mag einen neuen Rechtsgrund begründet, den tarifvertraglichen ersetzt haben; er hat aber nichts daran geändert, dass die Jahressonderzahlung bereits im November 2012 hätte ausbezahlt werden müssen. Auf die Frage, ob die Klägerin die Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers erahnt hatte und der arbeitsgerichtliche Vergleich zu Lasten der Beklagten geschah -die Klägerin war immerhin Betriebsratsvorsitzende und der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde am 10. Juni 2013, d.h. kurz nach dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 16. Mai 2013, gestellt - kam es damit nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtsfrage, wann eine Jahressonderzahlung erarbeitet worden ist im Sinne der Insolvenzgeldvorschriften, hat das BSG bereits mehrfach entschieden.
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