L 3 RS 29/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 12 RS 8/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 RS 29/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RS 59/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung zusätzlicher Entgelte im Rahmen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) auf der Grundlage von zusätzlichen Belohnungen im Bergbau (im Folgenden: Bergmannsprämie) für die Kalenderjahre 1960 bis 1990.

Der am ... 1937 geborene Kläger besuchte ab dem 1. September 1957 die Bergingenieurschule "Ernst-Thälmann" S. in der Fachabteilung Bergbautechnik (Braunkohle), Fachrichtung Technologie. Ausweislich des Abschlusszeugnisses der Bergingenieurschule vom 13. Dezember 1960 schloss er die Abschlussprüfung erfolgreich ab. Anschließend war er im VEB Braunkohlenwerk B., seit 1968 VEB Braunkohlenkombinat B., tätig. Dort war er auch noch am 30. Juni 1990 beschäftigt. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 1988 trat er der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei.

Mit Bescheid vom 17. März 2000 stellte die Beklagte den Zeitraum vom 1. Dezember 1960 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) mit den entsprechenden Entgelten fest.

Am 6. Dezember 2012 beantragte der Kläger die Berücksichtigung der Bergmannsprämie als rentenwirksames Entgelt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Januar 2013 ab und führte zur Begründung aus, der Bescheid vom 17. März 2000 könne nicht nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) zurückgenommen bzw. geändert werden, weil die vom Kläger begehrten zusätzlichen Arbeitsverdienste weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden seien. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2013 zurück. Aufgrund der vom Bundessozialgericht (BSG) vorgegebenen objektiven Beweislast könnten zusätzliche Geldleistungen nur festgestellt werden, wenn tatsächlicher Zufluss und Höhe der Zahlungen nachgewiesen seien. Werde dieser Nachweis nicht erbracht, könnten keine Feststellungen erfolgen.

Dagegen hat der Kläger am 22. Mai 2013 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben. Das Sozialgericht Halle hat sich mit Beschluss vom 10. Juni 2013 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht Dessau-Roßlau verwiesen. Zur Klagebegründung hat der Kläger vorgetragen, ihm sei durchaus bewusst, dass er für den Erhalt der Bergmannsprämie beweisbelastet sei. Es bedürfe hier allerdings nicht des sogenannten Vollbeweises, sondern es genüge bereits eine Glaubhaftmachung. Dies folge aus der Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG. Den Erhalt der Bergmannsprämie könne er mit Hilfe von Zeugenaussagen voll beweisen. Zumindest werde ihm die Glaubhaftmachung gelingen.

Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat die Klage mit Urteil vom 11. September 2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es schließe sich der erstinstanzlichen Rechtsprechung in weiten Teilen der neuen Bundesländer an, die der Entscheidung des BSG vom 23. August 2007 (B 4 RS 4/06 R) nicht folge. Nach dieser erstinstanzlichen Rechtsprechung sei Arbeitsentgelt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) mit der Maßgabe zu bestimmen, dass dabei zusätzlich zu Löhnen und Gehältern bzw. Dienstbezügen gewährte Geld- oder geldwerte Sachleistungen nicht berücksichtigungsfähig seien, auf die im Zuflusszeitpunkt keine (Lohn-)Steuer gezahlt worden sei. Dass es bei der Auslegung des Arbeitsentgeltbegriffs und die Frage der Steuerpflicht nur auf den Zeitpunkt des Zuflusses ankommen könne, zeige nicht zuletzt die vom Kläger geltend gemachte Anerkennung kostenloser Verpflegung in Form von Sachbezug für den Zeitraum vom 13. September 1962 bis zum 30. April 1963 als rentenwirksame Leistung. Auch die Berücksichtigung des Sachbezugs als Arbeitsentgelt käme nur in Betracht, wenn dieser zum Zeitpunkt des Zuflusses nach DDR-Recht zu versteuern gewesen wäre. Das sei nicht der Fall.

Gegen das ihm am 18. September 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. Oktober 2014 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Wenn das Sozialgericht auf Seite 10 seines Urteils im letzten Absatz auf eine vermeintlich von ihm geltend gemachte Anerkennung kostenloser Verpflegung in Form eines Sachbezuges für den Zeitraum vom 13. September 1962 bis zum 30. April 1963 Bezug nehme, dürfe bemerkt werden, dass er etwas derartiges nicht geltend gemacht habe. Hinsichtlich der geltend gemachten Bergmannsprämien werde ihm zumindest die Glaubhaftmachung des Erhalts dieser Prämien mit Hilfe von Zeugenaussagen gelingen. Der Sichtweise in dem Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 27. August 2015 (L 1 RS 23/13), wonach die Bergmannsprämie in Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung kein festzustellendes Arbeitsentgelt sei, könne er nicht beitreten. Es sei bereits nicht nachvollziehbar, dass hinsichtlich der Lohnsteuerfreiheit mit § 3 Nr. 46 Einkommenssteuergesetz (EStG) in der Fassung am 1. August 1991 auf ein Gesetz abgestellt werde, dass es zum Zeitpunkt der maßgeblichen Prämienzahlung überhaupt nicht gegeben habe bzw. das nicht einschlägig gewesen sei. Zudem wisse er beispielhaft um die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. März 2014 (L 3 R 590/13), in der die Bergmannsprämie durchaus als lohnsteuerpflichtiges Einkommen eingestuft werde. Der Kläger habe in dem Verfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg "nur" deshalb nicht durchdringen können, weil ihm der Nachweis des Zuflusses einer konkret bestimmten zusätzlichen Belohnung nicht gelungen gewesen sei. Zudem sei die Frage aufzuwerfen, ob in der Bergmannsprämie tatsächlich eine Zulage, ein Zuschlag, ein Zuschuss oder eine ähnliche Einnahme zum Lohn zu sehen sei. Dies sei aus seiner Sicht nicht der Fall. Im Unterschied zu einer Zulage, einem Zuschuss und einer ähnlichen Einlage knüpfe eine Prämie an objektiv messbare Bezugsgrößen an. Eine Zulage, ein Zuschlag oder ein Zuschuss würden im Gegensatz dazu in einer relativen Abstufung subjektiv ermittelt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. September 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Feststellungsbescheid vom 17. März 2000 dahingehend zu ändern, für die Jahre 1960 bis 1990 weitere Arbeitsentgelte wegen gezahlter Bergmannsprämien festzustellen, und zwar wie folgt:

1. bis zum 31. Dezember 1960 in Höhe von 29,80 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 28. Februar 1961 in Höhe von 60,00 DDR-Mark,

1. März bis zum 31. Dezember 1961 in Höhe von 560,00 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1962 in Höhe von 705,60 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1963 in Höhe von 739,20 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1964 in Höhe von 739,20 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1965 in Höhe von 924,00 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1966 in Höhe von 969,00 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1967 in Höhe von 984,00 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1968 in Höhe von 1.005,75 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1969 in Höhe von 1.028,45 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1970 in Höhe von 1.277,35 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1971 in Höhe von 1.264,90 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1972 in Höhe von 1.254,70 DDR-Mark

1. Januar bis zum 31. Dezember 1973 in Höhe von 1.355,00 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1974 in Höhe von 1.361,18 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1975 in Höhe von 1.522,70 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1976 in Höhe von 1.522,70 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1977 in Höhe von 1.522,70 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1978 in Höhe von 1.591,95 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1979 in Höhe von 1.837,50 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1980 in Höhe von 1.915,04 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1981 in Höhe von 1.916,20 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1982 in Höhe von 1.960,70 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1983 in Höhe von 2.011,22 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1984 in Höhe von 2.083,26 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1985 in Höhe von 2.216,18 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1986 in Höhe von 2.308,90 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1987 in Höhe von 2.582,56 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1988 in Höhe von 2.380,60 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 31. Dezember 1989 in Höhe von 2.377,26 DDR-Mark,

1. Januar bis zum 30. Juni 1990 in Höhe von 1.198,96 DDR-Mark.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, sie vermöge sich nicht eindeutig zu positionieren, inwieweit hinsichtlich der Steuerfreiheit von Bergmannsprämien der Rechtsauffassung des 1. Senats des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (L 1 RS 23/13) oder der abweichenden Auffassung des 3. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (L 3 R 590/13) zu folgen sei. Unabhängig von der Frage der Steuerfreiheit von Bergmannsprämien bleibe festzustellen, dass deren Zahlung - insbesondere in Bezug auf die Höhe - vorliegend weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei.

Der Berichterstatter hat in einem Erörterungstermin am 9. Juni 2015 G. S. und G. L. als Zeugen zu der Frage der Zahlung von Bergmannsprämien an den Kläger vernommen. Wegen des Ergebnisses dieser Zeugenvernehmung wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 10. März 2016 und Schriftsatz der Beklagten vom 14. März 2016).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen. Diese Akten haben bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2013 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Die Beklagte hat bei Erlass ihres Bescheides vom 17. März 2000 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Das Urteil des Sozialgerichts ist deshalb im Ergebnis zu bestätigen und die Berufung zurückzuweisen. Das Begehren des Klägers scheitert daran, dass die geltend gemachten Bergmannsprämien nach der Rechtsprechung des BSG kein durch die Beklagte festzustellendes Arbeitsentgelt sind (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29. Juni 2016 - L 3 RS 12/14 -; so bereits Urteil des 1. Senats des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 -, juris).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - Rn. 24 ff.; Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - Rn. 15, 16; Urteil vom 23. Juli 2015 - B 5 RS 9/14 R - Rn. 13, 14, sämtlich juris) bestimmt sich der Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nach § 14 SGB IV. Bei einem Vorliegen von Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV ist im zweiten Prüfungsschritt festzustellen, ob sich insbesondere auf der Grundlage von § 17 SGB IV i. V. m. § 1 Arbeitsentgeltverordnung ausnahmsweise ein Ausschluss ergibt. Dieser kommt dann in Betracht, wenn u.a. "Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen" sowohl "zusätzlich" zu Löhnen oder Gehältern gezahlt werden als auch lohnsteuerfrei sind. Soweit es im letztgenannten Zusammenhang auf Vorschriften des Steuerrechts ankommt, ist das am 1. August 1991 - dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG - geltende Steuerrecht maßgeblich.

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit gehören nicht solche Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinungen einer betriebsfunktionalen Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung der für die Zuwendung maßgebenden Umstände zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. Ist aber neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers und führt zur Bewertung als Lohnzuwendung (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2013 - L 22 R 449/11 -, juris, Rn. 89 unter Hinweis auf Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 21. Januar 2010 - VI R 51/08 -, juris).

Bezogen auf die Bergmannsprämie ist ein erhebliches wirtschaftliches Interesse des Arbeitnehmers erkennbar. Nach dem Recht der DDR (§ 3 Abs. 1 der Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR vom 10. August 1950 (GBl. der DDR I, S. 832) in der Fassung der Fünften Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR vom 9. April 1964 (GBl. der DDR II, S. 313, im Folgenden: Prämien-VO) wurde die Bergmannsprämie als eine zusätzliche Belohnung für die ununterbrochene Beschäftigung in einem Bergbaubetrieb gezahlt und diente als Anerkennung für die geleistete Arbeit der im Bergbau Beschäftigten (§ 3 Abs. 18 dieser Verordnung). Der möglicherweise auch verfolgte betriebliche Zweck der Bindung von qualifizierten Arbeitskräften an den Betrieb dürfte in dem sozialistischen System der Arbeitskräftelenkung allenfalls eine untergeordnete Bedeutung gehabt haben. Die Bergmannsprämie ist also grundsätzlich als Arbeitsentgelt zu qualifizieren.

Diese zusätzlich zu den Löhnen bzw. Gehältern gezahlten Prämien gehörten damit gemäß § 19 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung (danach zählten zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit u. a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden) zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit. Sie waren jedoch steuerfrei.

Nach § 3 Nr. 46 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung waren Bergmannsprämien nach dem Gesetz über Bergmannsprämien steuerfrei. Eine direkte Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus. Denn § 3 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung hatte als bundesdeutsches Gesetz nicht die Bergmannsprämie im Blick, die vor dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes im Beitrittsgebiet gezahlt wurde. Vielmehr betrifft § 3 Nr. 46 EStG die nach dem bundesdeutschen Gesetz über Bergmannsprämien vom 20. Dezember 1956 (BGBl I, S. 927) geregelten Zuwendungen an Bergleute im Bundesgebiet. Hinzu kommt, dass die korrekte Bezeichnung der umstrittenen Zahlungen nicht "Bergmannsprämie" ist, sondern "zusätzliche Belohnung für eine Beschäftigung im Bergbau". Außerdem war im alten Bundesgebiet nur begünstigt, wer als Arbeitnehmer des Bergbaus unter Tage beschäftigt war. Dagegen profitierten in der ehemaligen DDR auch Beschäftigte über Tage von der Bergmannsprämie (§ 3 Abs. 3 Buchst. c) Prämien-VO).

Nach der Konzeption des BSG kann es nur um eine sinngemäße Anwendung von § 3 Nr. 46 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung gehen. Eine solche sinngemäße Anwendung ist hier zwingend, weil die Zielstellung der Bergmannsprämien sowohl in der alten Bundesrepublik wie auch in der ehemaligen DDR im Wesentlichen gleich war, nämlich die Kohleindustrie als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg zu fördern. Denn in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über Bergmannsprämien in der Bundesrepublik ist ausdrücklich aufgeführt, dass die Bergmannsprämie eine Anerkennung für die schwere, gefahrvolle Arbeit des Bergmanns darstellen sollte. Sie sollte den Bergmannsberuf unter anderen Berufen hervorheben und ihn wieder anziehender machen (vgl. Protokoll der 128. Kabinettssitzung am 28. März 1956, Tagesordnungspunkt C.; http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0/k/k1956k/kap1 2/kap2 20/para3 9.html.) Hintergrund war der Umstand, dass die Steinkohlenförderung in der Zeit von 1936 bis 1955 nur um 12 Prozent gewachsen war, während die gesamte industrielle Entwicklung um mehr als 100 Prozent zugenommen hatte. Wegen der schnelleren Ausweitung der kohlenverbrauchenden Industrie waren 1955 sieben Millionen Tonnen amerikanischer Kohle eingeführt worden, die zudem teurer war als die deutsche Kohle. Nach den Berechnungen des Bundesministers für Wirtschaft fehlten 17.000 Untertage-Bergleute. Vor diesem Hintergrund sollte der Beruf des Bergmanns, der für die wirtschaftliche Entwicklung als wichtig angesehen wurde, attraktiver gemacht werden (vgl. Protokoll der Kabinettssitzung am 8. Februar 1956, Tagesordnungspunkt 6.; http://www.bundesarchiv.de/ cocoon/barch/0/k/k1956k/kap1 2 kap2 8/para3 8.html). Ähnlich war die Situation Anfang der Fünfzigerjahre in der ehemaligen DDR. Dies kommt in der Präambel der Prämien-VO vom 10. August 1950 anschaulich zum Ausdruck. Auch hier ist bereits im ersten Satz von der entscheidenden wirtschaftlichen Bedeutung des gesamten Bergbaus für die weitere wirtschaftliche Entwicklung die Rede. Notwendig sei die "aktivste Mitarbeit" aller in den Betrieben und Verwaltungen Beschäftigten. Als eine der bedeutsamsten Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Bergbauwirtschaft, zur Erfüllung der Pläne und zum Wirksamwerden der technischen Neuerungen war die Verbesserung der Entlohnung und der sozialen Lebensbedingungen für die im Bergbau Beschäftigten angesehen worden. Dabei sollte die Vertiefung des Verständnisses für die Bedeutung des gesamten Bergbaus in der Bevölkerung gefördert werden und es sollten geeignete Nachwuchskräfte geworben werden. § 2 Abs. 1 Prämien-VO besagte unmissverständlich, dass die in den verschiedenen Bergbaubetrieben geltenden Tarifverträge so zu verändern seien, dass die Facharbeiterlöhne und Angestelltengehälter entsprechend der Bedeutung des Bergbaus an der Spitze der Facharbeiterlöhne und Gehälter aller Industrien stehen müssten.

Darüber hinaus spricht auch die Konzeption der zusätzlichen Belohnung in Abhängigkeit zur Arbeitsmoral der Bergleute für eine sinngemäße Anwendung der bundesdeutschen Steuergesetze. Fehlschichten, also unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz, wurden nach beiden Rechtsnormen bei der Prämienvergabe negativ berücksichtigt. Während im Bundesgebiet gemäß § 2 des Gesetzes über Bergmannsprämien die Bergmannsprämie von zehn DM nur für jede - tatsächlich - unter Tage verfahrene volle Schicht vorgesehen war, wurde die zusätzliche Belohnung im Beitrittsgebiet gemäß § 1 Abs. 8 Prämien-VO für jede unentschuldigte Fehlschicht gekürzt. Somit besteht auch insoweit - trotz unterschiedlicher Herangehensweise - eine weitgehende Identität der beiden Leistungen. Nicht die konkret am Arbeitsplatz erbrachte Arbeitsleistung, sondern die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz war entscheidend für die Frage der Gewährung der zusätzlichen Belohnung.

Schließlich waren nach dem Wortlaut sowohl des § 1 Abs. 17 der Prämien-VO als auch des § 4 des Gesetzes über Bergmannsprämien die zusätzlichen Leistungen ausdrücklich lohnsteuer- und auch sozialversicherungsfrei. Die vom Kläger vorgenommene Differenzierung zwischen Prämien einerseits und Zulagen, Zuschlägen, Zuschüssen oder ähnlichen Einnahmen andererseits führt nicht weiter. Die von ihm geltend gemachten höheren Entgelte zählten jedenfalls zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Andernfalls wären sie ohnehin nicht berücksichtigungsfähig und das klägerische Begehren schon von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg. Maßgeblich ist letztlich, dass die Bergmannsprämien steuerfrei waren.

In Anwendung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - Rn. 24 ff.; Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - Rn. 15, 16; Urteil vom 23. Juli 2015 - B 5 RS 9/14 R - Rn. 13, 14, juris) ist die Bergmannsprämie nach alledem kein durch die Beklagte festzustellendes Arbeitsentgelt. Der gegenteiligen Ansicht des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (z.B. Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 -, juris) folgt der Senat nicht. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg meint, der entscheidende Unterschied zwischen der bundesdeutschen Bergmannsprämie als (steuerrechtliche) Subvention einerseits und der zusätzlichen Belohnung im Bergbau in der DDR als Bestandteil des Arbeitsverdienstes andererseits werde vom 1. Senat des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt nicht berücksichtigt (Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 -, Rn. 66, juris). Es ist zutreffend, dass es sich bei der bundesdeutschen Bergmannsprämie um eine steuerrechtliche Subvention handelte, diese also letztlich aus dem Staatshaushalt finanziert wurde. Die Auszahlung erfolgte aber durch den Arbeitgeber (§ 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Bergmannsprämien). Angesichts der staatlichen Planwirtschaft der DDR vermag der Senat insoweit keinen wesentlichen Unterschied zu erkennen. Denn auch in der DDR mit ihren volkseigenen Bergbaubetrieben war die zusätzliche Belohnung im Bergbau zumindest mittelbar eine staatliche Subvention. Entscheidend ist für den Senat die dargestellte, im Wesentlichen identische Zielstellung der Zahlungen, nämlich die Kohleindustrie als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg zu fördern. Selbst wenn die Bergmannsprämie grundsätzlich zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt wäre, ist hier der tatsächliche Zufluss an den Kläger weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung, denn der Senat hat den geltend gemachten Anspruch auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des BSG geprüft. Eine entscheidungserhebliche Abweichung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts liegt ebenfalls nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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