L 15 U 727/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 17 U 425/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 727/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 108/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.10.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente über den 30.06.2009 hinaus.

Der im Jahre 1983 geborene Kläger wurde am 10.03.2006, als er einer anderen Verkehrsteilnehmerin helfen wollte, ein verunfalltes Kraftfahrzeug zu bergen, von einem PKW erfasst und erlitt dabei ausweislich des Durchgangsarztberichtes eine Schädelprellung mit Gehirnerschütterung, eine offene Unterschenkelfraktur rechts, eine Hautnekrose am medialen rechten Unterschenkel durch Verbrennungen, eine Risswunde am rechten Kniegelenk mit Gelenköffnung und Knochenabsprengung vom medialen Femurkondylus, eine nicht dislozierte Sitzbeinfraktur rechts sowie eine Jochbogen- und Orbitabodenfraktur rechts.

Mit Urteil vom 20.04.2010 verurteilte das Sozialgericht Dortmund die Beklagte zur Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall (S 17 U 225/07).

Anschließend erstattete der Chirurg Dr. T aus X am 06.03.2011 das erste Rentengutachten und stellte als Unfallfolgen tastbare Knoten im Bereich des rechten Jochbogens, sichtbare Narben im Bereich des rechten Oberschenkels, des Kniegelenks und des Unterschenkels, eine Muskelminderung im Bereich des rechten Ober- und Unterschenkels, Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten Unterschenkels, eine Bewegungseinschränkung im rechten Sprunggelenk sowie röntgenologische Veränderungen und glaubhafte Beschwerden fest. Die MdE schätzte er vom 21.08.2006 - 04.07.2007 mit 30 vom Hundert (v. H.), vom 05.07.2007 - 22.07.2007 mit 100 v. H., vom 23.07. - 31.12.2007 mit 30 v. H. , vom 01.01.2008 - 30.06.2009 mit 20 v. H. und vom 01.07.2009 - 19.01.211 sowie bis auf weiteres mit 10 v. H. ein. Der Neurologe Prof. Dr. H schloss im Gutachten vom 12.01.2012 eine unfallbedingte Schädigung des nervus peronaeus rechts und tibialis rechts aus. Als Unfallfolgen lägen noch Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten Unterschenkels vor. Er verneinte eine unfallbedingte MdE, weil keine Nervenschädigungen vorlägen. Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 13.03.2012 Rente in Höhe von 8.390,98 Euro und Mehrleistungen in Höhe von 5.054,81 Euro für den Zeitraum 21.08.2006 bis 30.06.2009 ausgehend von einer MdE von zunächst 30 v. H. bis zum 31.12.2007 und 20 v.H. bis zum 30.06.2009.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, welchen er damit begründete, dass er über den 30.06.2009 hinaus in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert sei.

Mit Bescheid vom 25.04.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte begründete ihre Entscheidung damit, dass keine rechtserheblichen Gesichtspunkte vorgetragen worden seien, welche die Richtigkeit der Gutachten in Frage stellen könnten.

Hiergegen hat der Kläger am 22.05.2013 Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, ihm sei für die Zeit über den 30.06.2009 hinaus Rente zu bewilligen. Er leide bis heute unter den Folgen des Verkehrsunfalles. Er könne das rechte Bein nicht mehr dauerhaft belasten und leide unter Gefühlsstörungen.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Chirurgen Dr. T aus C. Er hat als objektivierbare Unfallfolgen eine strumpfförmige Gefühlsminderung am rechten Unterschenkel und am Fuß ohne trophische Störungen, eine geringe Bewegungseinschränkung am rechten oberen Sprunggelenk und eine leichte Bewegungsschwäche sowie eine in dezenter x-Fehlstellung verheilte ehemalige Bruchschädigung am rechten Unterschenkel festgestellt. Die MdE betrage 10 v. H.

Sodann hat das Gericht gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten eingeholt, des Orthopäden Prof. Dr. H aus N eingeholt. Er hat als Unfallfolgen multiple Narben im Bereich des rechten Ober- und Unterschenkels mit strumpfförmigen Gefühlsminderungen und fehlender Sensibilität im Bereich des gesamten rechten Unterschenkels und Fußes, ein "Instatbilität(sgefühl)" des rechten Kniegelenkes mit plötzlichem "Wegsacken/Einknicken" des rechten Kniegelenks, belastungsabhängige Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks und des rechten Sprunggelenks ohne röntgenologisch sichere Hinweise auf eine frühzeitige Arthrose sowie knöchern fest verheilte Unterschenkelschaftfraktur (mit geringer x-förmiger Fehlstellung von ca. 5 Grad festgestellt. Die MdE hat er mit 20 v. H. ab 01.07.2009 eingeschätzt. Dr. T hat in der gutachterlichen Stellungnahme vom 27.07.2015 ausgeführt, Prof. Dr. H stütze seine höhere MdE-Einschätzung allein auf das subjektive Instabilitätsgefühl, das der Kläger angegeben habe. Die höhere MdE-Einschätzung beruhe mithin allein auf den subjektiven Angaben des Klägers. Das entspreche nicht den Regeln der medizinischen Begutachtung.

Mit Urteil vom 26.10.2015 hat das Sozialgericht Dortmund die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf die Beurteilungen im Gutachten des Sachverständigen Dr. T gestützt. Dieser habe darauf hingewiesen, dass bei dem Kläger als objektivierbare Unfallfolge eine strumpfförmige Gefühlsminderung am rechten Unterschenkel und am Fuß vorhanden sei, indes ohne trophische Störungen. Eine geringe Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenkes und eine leichte Belastungsschwäche, die sich etwa beim einbeinigen Hüpfen zeige, seien im täglichen Alltag und im Beruf ohne wesentliche Relevanz. Die ehemalige Bruchschädigung am rechten Unterschenkel sei in dezenter X-Fehlstellung von ca. 5 Grad verheilt. Es habe sich auch keine posttraumatische Arthrose im Bereich der angrenzenden Gelenke eingestellt. Das Gutachten des nach § 109 SGG beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. H vermöge keine andere Bewertung zu begründen. Es fehle in dem Gutachten an einer überzeugenden Begründung dafür, dass das vom Kläger bei der dortigen Untersuchung beschriebene Instabilitätsgefühl zu der Anhebung der MdE auf 20 v.H. führen müsse. Insbesondere die bildgebenden Befunde sowie das Ergebnis der körperlichen Untersuchung ließen diesen Schluss nicht als zwingend erscheinen.

Gegen das am 06.11.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.11.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung stützt er sich auf die Beurteilungen im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H und macht ferner geltend, es bestehe eine Schädigung des Nervus peronaeus und des Nervus ischiadicus. Er sei im beruflichen und familiären Bereich belastet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Dortmund vom 26.10.2015 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2013 zu verurteilen, ihm über den 30.06.2009 hinaus Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie stützt sich zur Begründung auf die Ausführungen des Sachverständigen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. W vom 12.07.2016 und eines radiologischen Zusatzgutachtens des Chefarztes PD Dr. S vom 30.06.2016. PD Dr. S hat ausgeführt, eine vermehrte Instabilität eines Kniegelenks lasse sich beim Kläger nicht feststellen. Die Stabilität beider Kniegelenke sei symmetrisch und die Stabilität des vorderen Kreuzbandes sei ebenfalls seitengleich. Dr. W hat als Unfallfolgen einen unter geringer Fehlstellung im X-Sinne stabil verheilten Unterschenkelbruch rechts nach Entfernung des Osteosynthesematerials, die vermehrte Überstreckbarkeit des rechten Kniegelenks und leichte Einschränkung der Beugefähigkeit des rechten Kniegelenks sowie die leichte Bewegungseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk, die Herabsetzung der groben Kraft der das rechte Kniegelenk führenden Muskulatur ohne äußerlich sichtbare muskuläre Verschmächtigung, die beschriebenen, zum Teil mit Spalthaut bedeckten ausgedehnten Narben, den verbliebenen Weichteilreizzustand im Bereich der tibialis anterior Sehne, die röntgenologisch beschriebenen Veränderungen und die hierauf zurückzuführenden Beschwerden festgestellt. Bis zum 30.06.2016 sei eine MdE mit 20 v. H. nachvollziehbar. Danach schätze er die MdE ebenso wie Dr. T mit 10 v. H. ein. Übereinstimmend mit Dr. T habe er bei seiner Untersuchung klinische Zeichen einer Seiten- oder Kreuzbandinstabilität nicht feststellen können. Beim Kläger liege seitengleich eine leicht vermehrte Laxität vor, das bedeute ein geringes Nachgeben des seitlichen Kapselbandapparates in Beugestellung. Der Sachverständige Prof. Dr. H habe in seinem Gutachten keine tatsächlich objektivierbare Instabilität des Kniegelenks bezeichnet sondern ein Instabilitäten. Dies habe Dr. S nicht bestätigen können. Zum weiteren Vorbringen des Klägers hat der Senat eine gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. W vom 28.01.2017 eingeholt. Er ist bei seiner Auffassung verblieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2013 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn dieser Bescheid entspricht der Rechtslage. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente über den 30.06. 2009 hinaus.

Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug und sieht insoweit nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die im Berufungsverfahren fortgeführte Beweisaufnahme hat keine abweichenden Erkenntnisse ergeben. Der Sachverständige Dr. W hat überzeugend dargelegt, dass die beim Kläger im Zeitraum ab 01.07.2009 fortbestehenden Unfallfolgen lediglich eine MdE von 10 v. H. bedingen. Es sind eine geringgradige Einschränkung der Beugefähigkeit des rechten Kniegelenks und eine leicht vermehrte Überstreckbarkeit sowie eine geringgradige Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk verblieben. Die darauf zurückzuführenden Funktionseinschränkungen erreichen nur knapp das Ausmaß einer MdE von 10 v. H. Lediglich unter Berücksichtigung der zum Teil mit Spalthaut überdeckten Narben und der darauf zurückzuführenden Funktionsstörungen ist eine MdE von 10 v. H. gerechtfertigt, die aber nicht rentenberechtigend ist. Eine darüber hinaus verbliebene Instabilität des Kniegelenks, die zu einer rentenberechtigenden MdE von 20 v. H. führen könnte, hat letztlich keiner der Sachverständigen festgestellt. Weder Dr. W als noch der Radiologe PD Dr. S haben objektivierbare Anhaltspunkte für eine vermehrte Instabilität des vom Arbeitsunfall betroffenen Kniegelenks festzustellen vermocht, die der im ersten Rechtszug beauftragte Sachverständige Dr. T ebenfalls verneint hat. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H überzeugt demgegenüber nicht, weil er seine Diagnose eines Instabilitätsgefühls im Bereich des durch den Arbeitsunfall betroffenen Kniegelenks allein auf die subjektiven Angaben des Klägers gestützt und nicht zu objektivieren vermocht hat. Seine Einschätzung einer rentenberechtigenden MdE stützt er allein auf diese nicht objektivierbare Diagnose. Eine durch den Wegeunfall bedingte Schädigung des Nervus peronaeus und des Nervus ischiadicus hat keiner der Sachverständigen festgestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG)

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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