L 11 EG 1714/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 EG 90/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 1714/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.04.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngelds für ihren am 13.08.2015 geborenen Sohn J. A. G. (im Folgenden J).

Die 1981 geborene Klägerin ist verheiratet und lebt zusammen mit ihrem Ehemann und J. Seit 01.08.2010 ist sie als beamtete Lehrerin beschäftigt. Im Jahr 2014 beliefen sich ihre Dienstbezüge auf insgesamt 20.282,03 EUR (Januar bis Juni monatlich 1.336,80 EUR, Juli 1.384,31 EUR, August 2.154,92 EUR und September bis Dezember monatlich 2.180,50 EUR). Zusätzlich erzielte sie aus einer selbstständigen Tätigkeit als Chorleiterin im Jahr 2014 einen Gewinn iHv 1.303 EUR.

Auf ihren Antrag vom 15.10.2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 11.01.2016 unter Berücksichtigung der Einkünfte des Kalenderjahres 2014 als Bemessungszeitraum vorläufig Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat von J (1. und 2. Lebensmonat iHv 0 EUR; 3. Lebensmonat iHv 577,35 EUR, 4. bis 12. Lebensmonat iHv 813,54 EUR). Die Bewilligung erfolgte vorläufig mit der Begründung, dass das Einkommen im Bemessungszeitraum noch nicht feststehe.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe in ihrer Tätigkeit als Lehrerin die Arbeitszeit ab August 2014 deutlich erhöht, entsprechend seien ihre Dienstbezüge gestiegen. Für sie wäre es daher günstiger, als Bemessungszeitraum nicht das Jahr 2014 zugrunde zu legen, sondern die zwölf Kalendermonate vor der Geburt. Um dieses Ergebnis zu erreichen, habe sie beantragt, ihre Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit außer Betracht zu lassen. Zu Unrecht sei die Beklagte dem nicht gefolgt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sofern sowohl Einkommen aus selbstständiger wie aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit vorhanden sei, sei für beide Einkommensarten der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes maßgeblich. Die Klägerin habe Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit (Chorleiterin) und aus nichtselbstständiger Tätigkeit (Lehrerin) gehabt. Ausgehend von der Geburt am 13.08.2015 sei zwingend das Kalenderjahr 2014 der Bemessung zugrunde zu legen. Ein Ermessen stehe der Beklagten nicht zu.

Hiergegen richtet sich die am 19.02.2016 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, § 2b Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) müsse ergänzend verfassungskonform ausgelegt werden. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung das Ziel verfolgt, das Verfahren zur Festsetzung des Elterngelds zu vereinfachen und zu beschleunigen. Hierzu solle sich bei Mischeinkünften der Bemessungszeitraum für beide Einkommensarten decken. Dabei habe der Gesetzgeber offenbar den typischen Fall vor Augen gehabt, dass sich durch die – schwierig festzustellenden – Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit der Anspruch auf Elterngeld erhöhe. Dies sei aber nicht immer der Fall. Sei die Berücksichtigung des Einkommens aus den letzten zwölf Monaten vor der Geburt günstiger, müsse die leistungsberechtigte Person die Möglichkeit haben, auf die Berücksichtigung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit zu verzichten. Die Ziele des Gesetzgebers würden dadurch nicht gefährdet; die Entscheidung über den Anspruch auf Elterngeld werde sogar vereinfacht. Gleichzeitig würden drohende Härten vermieden ohne Schwierigkeiten für die Behörde. Nur bei einer derartigen Auslegung sei § 2b Abs 3 BEEG verhältnismäßig. Es dürfe der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, dass sie neben ihren Dienstbezügen als Lehrerin noch in geringem Umfang Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt habe.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 17.10.2016 das Elterngeld der Klägerin für den 1. bis 12. Lebensmonat von J endgültig festgesetzt in unveränderter Höhe. Ferner hat sie eine Probeberechnung vorgelegt unter Heranziehung der letzten zwölf Kalendermonate vor der Geburt von J. Danach beliefe sich der Elterngeldanspruch auf 695,80 EUR für den 3. Lebensmonat und monatlich 980,45 EUR für die Lebensmonate vier bis zwölf.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.04.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Streitgegenstand sei allein der Bescheid vom 17.10.2016, mit dem der Anspruch auf Elterngeld endgültig festgesetzt worden sei. Der Bescheid über die vorläufige Bewilligung habe sich damit erledigt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf höheres Elterngeld. Zu Recht habe die Beklagte der Bemessung das Einkommen der Klägerin im Jahr 2014 zugrunde gelegt. Verfüge die berechtigte Person über Einkommen sowohl aus nichtselbstständiger wie aus selbstständiger Tätigkeit, sei für beide Einkommensarten der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes maßgeblich (§ 2b Abs 3 Satz 1 BEEG). Das Gesetz sehe keine ungeschriebene Ausnahme vor, ebenso wenig könne die Behörde hiervon im Wege des Ermessens abweichen (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG) 27.10.2016, B 10 EG 4/15 R). Dies sei selbst dann ausgeschlossen, wenn im Einzelfall die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit leicht zu ermitteln seien und nur einen geringen Anteil am Gesamteinkommen ausmachten, andererseits das Elterngeld durch die Verschiebung des Bemessungszeitraums nach § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG deutlich niedriger ausfalle als bei Berechnung auf Grundlage des Einkommens in den letzten zwölf Kalendermonaten vor der Geburt. Verfassungsrechtlich begegne dies keinen Bedenken. Fehler in der Berechnung selbst seien weder ersichtlich, noch von der Klägerin gerügt.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 20.04.2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 28.04.2017 eingelegte Berufung der Klägerin. Schon die Annahme, § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG schließe eine ungeschriebene Ausnahme nach Wortlaut und Systematik aus, könne nicht überzeugen. Elterngeld habe Lohnersatzfunktion und solle die Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie stärken. An dieser Zielsetzung habe sich durch § 2b BEEG nF nichts geändert. Der Gesetzgeber habe ganz sicher nicht die Absicht verfolgt, eine Familie, die infolge von Zusatzeinkünften über ein höheres Familieneinkommen verfüge, dadurch zu benachteiligen, dass ihr Elterngeld niedriger ausfalle als das einer Familie, die ohne Zusatzeinkünfte ohnehin über ein niedrigeres Einkommen verfüge. Der Gesetzgeber habe Einschränkungen einzig mit der Zielsetzung vorgenommen, im Interesse aller betroffenen Eltern eine Verwaltungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung zu erreichen. Die verfassungsrechtlichen Ausführungen des 10. Senats des BSG seien zwar isoliert betrachtet zutreffend, sie seien jedoch auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Die Klägerin wolle gar nicht, dass ihr gesamtes Einkommen als Bemessungsgrundlage herangezogen werde, sondern ausschließlich die Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Die Argumentation, dass sich Härten ohne oftmals aufwändige Vergleichsberechnungen nicht vermeiden ließen und der Zweck der Verwaltungsvereinfachung zunichte gemacht werde, greife hier nicht, denn verlangt werde einzig der Ansatz der Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit in den letzten zwölf Monaten vor der Geburt. Dies verursache keinen erhöhten Verwaltungsaufwand. Damit lasse sich kein Argument finden, das dieses Ergebnis und die damit verbundene Ungleichbehandlung rechtfertige. Wäge man die Vorteile der Typisierung auf Seiten der Verwaltung mit den Nachteilen auf Seiten der Klägerin ab, komme man zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Klägerin einen erheblichen Nachteil erleide, die Beklagte aber überhaupt keine Vorteile habe. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) liege auf der Hand. Ergänzend werde eine Verletzung des Art 33 Abs 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 30.03.2010 iVm der Elternurlaubsrichtlinie 2010/18/EU vom 08.03.2010 zur Durchführung der überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG gerügt.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.04.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 17.10.2016 zu verurteilen, das Elterngeld der Klägerin für ihren am 13.08.2015 geborenen Sohn auf der Grundlage ihres Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit in den zwölf Monaten vor der Geburt zu bemessen, hilfsweise den Antrag auf Bewilligung von Elterngeld unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bei der Regelung in § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG handele es sich nicht um eine Ausnahme von der Zwölfmonatsregel des § 2b Abs 1 BEEG. Vielmehr stelle der Rückgriff auf den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum bei Mischeinkünften die neue gesetzliche Regel dar. Abweichend davon sei bei der Vorgängerfassung der Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt tatsächlich die Regel gewesen und der letzte steuerliche Veranlagungszeitraum habe die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme dargestellt. Nach aktuellem Recht hinderten Wortlaut und Systematik von § 2b Abs 3 BEEG bei Mischeinkünften den Rückgriff auf den Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt. Einzige Ausnahme sei die Verschiebung des Bemessungszeitraums noch weiter in die Vergangenheit. Für das Begehren der Klägerin gebe es keine gesetzliche Grundlage. Ein Zulassen eines solchen "Wunschkonzertes" würde dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung zuwiderlaufen, denn die Elterngeldstellen müssten in jedem Fall mit Mischeinkünften nachfragen, welches Einkommen berücksichtigt werden solle, ggf müssten Vergleichsberechnungen durchgeführt werden. Die Regelung in § 2b Abs 3 BEEG sei selbst dann nicht verfassungswidrig, wenn einerseits nur sehr geringe Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit erzielt würden und andererseits der Elterngeldanspruch gerade durch Verlagerung des Bemessungszeitraums auf den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum erheblich niedriger ausfalle als bei Zugrundelegung des Zwölfmonatszeitraums vor der Geburt. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG sei nicht erkennbar. Im Gegenteil würden durch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Berücksichtigungsfähigkeit ihres Einkommens gerade die Elterngeldberechtigten benachteiligt, denen eine solche von vornherein gar nicht zustehe, weil sie nur über eine Einkunftsart verfügten. Eine Verletzung von Art 33 Abs 2 der Charta der Grundrechte der EU vom 30.03.2010 iVm der Elternurlaubsrichtlinie 2010/18/EU sei nicht nachvollziehbar. Die Gewährleistung des wirtschaftlichen und sozialen Schutzes der Familie gemäß Art 33 Abs 1 Der Charta werde jedenfalls nicht dadurch verletzt, dass die Klägerin nicht selbst über die berücksichtigungsfähigen Einkommensarten bei der Berechnung des Elterngeldes bestimmen dürfe. Art 33 Abs 2 der Charta regele den Schutz vor Entlassung im Zusammenhang mit Mutterschaft sowie den Anspruch auf Mutterschafts- und Elternurlaub. Die Elternurlaubsrichtlinie betreffe ausschließlich den Elternurlaub an sich. Derartige Fragestellungen seien hier jedoch nicht betroffen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr höheres Elterngeld auf der Grundlage eines anderen Bemessungszeitraums als des Kalenderjahres 2014 gewährt. Zu entscheiden ist allein über den Bescheid vom 17.10.2016, weil dieser als endgültiger Verwaltungsakt die vorläufige Festsetzung des Elterngeldes im Bescheid vom 11.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2016 ersetzt hat (§ 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)). Dieser Bescheid ist nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden (vgl BSG 20.12.2012, B 10 EG 19/11 R, SozR 4-7837 § 3 Nr 1), worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat. Der von der Klägerin im Berufungsverfahren gestellte Antrag, wonach ausdrücklich nur der Bescheid vom 11.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 08.02.2016 genannt ist, ist nach dem wahren Begehren entsprechend auszulegen.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach dem BEEG (Gesetz vom 05.12.2006, BGBl I 2006, S 2748ff in der ab 01.01.2015 gültigen Fassung vom 27.01.2015, BGBl I S 33 ff). Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG für einen Anspruch dem Grunde nach sind erfüllt. Die Klägerin hat ihren Wohnsitz in Deutschland, sie lebt mit J in einem Haushalt, betreute und erzog das Kind und übte im Bezugszeitraum 13.08.2015 bis 12.08.2016 keine Erwerbstätigkeit aus, die 30 oder mehr Wochenstunden umfasste (§ 1 Abs 6 BEEG). Der Senat stützt sich insoweit auf die eigenen Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren. Die Klägerin beantragte das Elterngeld schriftlich am 15.10.2015 und damit innerhalb von drei Monaten nach der Geburt von J (§ 7 Abs 1 BEEG).

Gemäß § 2 Abs 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 bis 65 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 EStG, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs 3 BEEG erzielt hat (§ 2 Abs 1 Satz 3 BEEG).

Für die hier allein streitige Höhe des Elterngeldanspruchs der Klägerin ist § 2b BEEG in der für die Beurteilung des vorliegend geltend gemachten Anspruchs maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 27.01.2015 (BGBl I S 33 ff) einschlägig. Dessen Absätze 1 bis 3 lauten wie folgt: (1) Für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iSv § 2c vor der Geburt sind die 12 Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes maßgeblich. Bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums nach Satz 1 bleiben Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person 1. im Zeitraum nach § 4 Abs 1 Satz 1 Elterngeld für ein älteres Kindes bezogen hat, 2. während der Schutzfristen nach § 3 Abs 2 oder § 6 Abs 1 des Mutterschutzgesetzes nicht beschäftigt werden durfte oder Mutterschaftsgeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch oder nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat, 3. eine Krankheit hatte, die maßgeblich durch eine Schwangerschaft bedingt war, oder 4. Wehrdienst oder Zivildienst geleistet hat und in den Fällen der Nrn 3 und 4 dadurch ein geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit hatte. (2) Für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit iSv § 2d vor der Geburt sind die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde liegen. Haben in einem Gewinnermittlungszeitraum die Voraussetzungen des Abs 1 Satz 2 vorgelegen, sind auf Antrag die Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich, die dem diesen Ereignissen vorangegangenen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum zugrunde liegen. (3) Abweichend von Abs 1 ist für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt der steuerliche Veranlagungszeitraum maßgeblich, der den Gewinnermittlungszeiträumen nach Abs 2 zugrunde liegt, wenn die berechtigte Person in den Zeiträumen nach Abs 1 oder Abs 2 Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit hatte. Haben im Bemessungszeitraum nach S 1 die Voraussetzungen des Abs 1 S 2 vorgelegen, ist Abs 2 S 2 mit der zusätzlichen Maßgabe anzuwenden, dass für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt der vorangegangene steuerliche Veranlagungszeitraum maßgeblich ist.

Entgegen der Ansicht ihres Bevollmächtigten hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Elterngeld gemäß § 2b Abs 1 Satz 1 BEEG allein nach dem Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit bemisst, welches sie in den zwölf Monaten vor dem Geburtsmonat von J erzielt hat. Aufgrund des erzielten Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit ist als Bemessungszeitraum nach § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG iVm § 4a Abs 1 Satz 2 Nr 3 Satz 1 EStG das Kalenderjahr 2014 zugrunde zu legen. Für ein Absehen von dieser Regelung gibt es keine gesetzliche Grundlage. Eine mögliche Vorverlegung des Bemessungszeitraums in das Kalenderjahr 2013 hat die Klägerin nicht beantragt.

Als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iSv § 2c BEEG sind gemäß § 2b Abs 1 Satz 1 BEEG die 12 Kalendermonate vor dem Geburtsmonat des Kindes maßgeblich. Abweichend davon ist nach § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG stattdessen der steuerliche Veranlagungszeitraum maßgeblich, der den Zeiträumen für die Gewinnermittlung aus selbstständiger Tätigkeit nach § 2b Abs 2 BEEG zugrunde liegt, wenn die berechtigte Person in den Zeiträumen nach Abs 1 oder Abs 2 der Vorschrift Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit hatte.

Diese Voraussetzungen für die Verlagerung des Bemessungszeitraums auf den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes erfüllte die Klägerin, da sie - auch in den letzten zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt von J - positives Einkommen aus ihrer selbstständigen Tätigkeit iSv § 2d Abs 1 BEEG als Chorleiterin hatte. Nach § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG hat die Beklagte deshalb zutreffend als Bemessungsgrundlage für das Elterngeld der Klägerin das Kalenderjahr 2014 herangezogen, das der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes war (§ 4a Abs 1 Satz 2 Nr 3 Satz 1 EStG iVm § 4a Abs 1 Satz 1 EStG). Dass diese Vorgehensweise der gesetzlichen Regelung entspricht, wird von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen. Anders als die Klägerin meint, kommt auch in ihrem Einzelfall eine abweichende Auslegung der gesetzlichen Vorschriften jedoch nicht in Betracht.

Die Frage des anwendbaren Bemessungszeitraums bei Mischeinkünften aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit vor der Geburt des Kindes ist höchstrichterlich geklärt (BSG 21.06.2016, B 10 EG 8/15 R, SozR 4-7837 § 2b Nr 1; BSG 27.10.2016, B 10 EG 4/15 R, SozR 4-7837 § 2b Nr 2; BSG 27.10.2016, B 10 EG 5/15 R, SozR 4-7837 § 2b Nr 3). Danach ist bei derartigen Einkünften grundsätzlich der letzte steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt als Bemessungszeitraum zugrunde zu legen, selbst wenn die berechtigte Person mit ihrer selbstständigen Tätigkeit nur Verluste erzielt hat. Die Regelung des § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG ist auch nicht verfassungswidrig. Der Senat schließt sich insoweit nach eigener Überprüfung in vollem Umfang der Rechtsprechung des BSG an (zB BSG 27.10.2016, B 10 EG 4/15 R, SozR 4-7837 § 2b Nr 2 RdNr 22 bis 25).

Der vorliegende Fall bietet entgegen der Auffassung der Klägerin unter keinem Aspekt einen Grund, von der dargelegten höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen. Der Gesetzgeber wollte bei Mischeinkünften eine Deckungsgleichheit der Bemessungszeiträume erreichen und vor allem die Einkommensermittlung und damit den Elterngeldvollzug durch Rückgriff auf die Feststellungen der Steuerbehörden maßgeblich vereinfachen (BT-Drs 17/1221 S 1; BT-Drs 17/9841 S 15f, 21). Nicht entscheidend ist, ob sich dieser Gedanke der Verwaltungsvereinfachung im konkreten Einzelfall auswirkt. Keine Auswirkung ergibt sich beispielsweise, wenn im konkreten Einzelfall die selbstständige Tätigkeit erst kurz vor der Geburt aufgenommen wird und daher im letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum noch gar keine entsprechenden Einkünfte erzielt worden waren (dazu Senatsurteil vom 27.06.2017, L 11 EG 1091/17). Bei Fällen der hier vorliegenden Konstellation trifft die Argumentation, dass kein Mehraufwand entstünde, dagegen schon im Grundsatz nicht zu. Welcher Bezugszeitraum im Ergebnis für die Betroffenen günstiger ist, muss nicht unbedingt – wie hier - auf der Hand liegen, sondern kann im Einzelfall Probeberechnungen erfordern. Würde den betroffenen Eltern bei Mischeinkünften grundsätzlich das der Klägerin für den Bemessungszeitraum vorschwebende Wahlrecht eingeräumt, entweder regulär auf den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum abzustellen oder wahlweise unter Außerachtlassung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit nur das Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit in dem Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt zu berücksichtigen, erforderte dies in jedem einzelnen Fall mit Mischeinkünften Nachfragen der Beklagten und im Hinblick auf offenkundige Gestaltungsmöglichkeiten ggf auch weitergehende Beratungen unter Erstellung von Probeberechnungen. Der Zweck der Verwaltungsvereinfachung würde so in sein Gegenteil verkehrt.

Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG in Bezug auf die Gruppe von Eltern mit Mischeinkünften, die eine Berücksichtigung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit nicht wünschen im Vergleich zu Eltern mit Einkommen allein aus nichtselbstständiger Tätigkeit ist nicht ersichtlich, weshalb der Senat keinen Anlass hat, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen (Art 100 Abs 1 Satz 1 GG). Art 3 Abs 1 GG erwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Der allgemeine Gleichheitssatz ist vielmehr erst dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55). Umgekehrt verbietet Art 3 Abs 1 GG ebenfalls die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung als sachwidrig erscheinen lassen. Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 mwN; BVerfGE 110, 412, 436; stRspr). Der Gesetzgeber hat dabei im Bereich des Sozialrechts, zu dem die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören, einen weiten Gestaltungsspielraum. Das gilt jedenfalls uneingeschränkt für das Elterngeld als fürsorgerische Leistung der Familienförderung, die über die bloße Sicherung des Existenzminimums hinausgeht (zum Elterngeld vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 09.11.2011, 1 BvR 1853/11, BVerfGK 19, 186-193).

Das BSG hat bereits ausführlich dargelegt, dass auch die Behandlung von Mischeinkünften mit einem geringen, relativ einfach zu ermittelnden Anteil aus selbstständiger Tätigkeit verhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Diesen überzeugenden Darlegungen schließt sich der Senat an (BSG 21.06.2016, B 10 EG 8/15 R, SozR 4-7837 § 2b Nr 1 RdNr 27 ff). Auch bezogen auf die oben dargelegten Gruppen liegt eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht vor, vielmehr würde die Einräumung eines Wahlrechts für Eltern mit Mischeinkünften eine Benachteiligung der Eltern mit nur einer Einkommensart darstellen. Auch für Eltern mit Einkünften allein aus nichtselbstständiger Tätigkeit könnte sich ein Wahlrecht günstig auswirken, etwa wenn – umgekehrt zu der hier vorliegenden Konstellation – im letzten steuerlichen Bemessungszeitraum mit einem höheren Stundenkontingent gearbeitet und daher höhere Einkünfte erzielt worden wären als im Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt. Der Aufrechterhaltung des Konzepts der Verwaltungsvereinfachung liefen umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten des Bemessungszeitraums durch die Eltern jedoch diametral entgegen, wie bereits oben dargelegt. Der Gesetzgeber hat derartige Möglichkeiten bewusst nur sehr begrenzt vorgesehen (vgl § 2b Abs 2 Satz 2 BEEG). Für die von der Klägerin gewünschte Variante, den Bemessungszeitraum nach § 2b Abs 1 BEEG anzuwenden und dabei die in diesem Zeitraum erzielten Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit völlig außer Betracht zu lassen, gibt es nach alledem keine gesetzliche Grundlage.

Soweit die Klägerin durch die Bemessung ihres Elterngeldes einen Verstoß gegen Art 33 Abs 2 der Charta der Grundrechte der EU, konkretisiert durch die Elternurlaubsrichtlinie 2010/18/EU rügt, kann der Senat diese Auffassung nicht teilen. Die Vorschrift lautet: "Um Familien- und Berufsleben miteinander in Einklang bringen zu können, hat jeder Mensch das Recht auf Schutz vor Entlassung aus einem mit der Mutterschaft zusammenhängenden Grund sowie den Anspruch auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub und auf einen Elternurlaub nach der Geburt oder Adoption eines Kindes". Der Grundrechtecharta kommt über den Verweis in Art 6 Abs 1 EUV die Qualität von Primärrecht zu. Das Grundrecht spricht allerdings schon gar nicht von bezahltem Elternurlaub, die Rede ist nur von bezahltem Mutterschaftsurlaub (Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 2. Aufl, Art 33 RdNr 18). Auch die Elternurlaubsrichtlinie 2010/18/EU bzw die dazu ergangene Rahmenvereinbarung machen weder zur Höhe gewährter Entgeltersatzleistungen genauere Vorgaben, noch sehen sie zwingend überhaupt einen bezahlten Elternurlaub vor. In den allgemeinen Erwägungen zur Rahmenvereinbarung wird unter I.20 zwar darauf hingewiesen, dass die Erfahrung in den Mitgliedstaaten zeigt, dass die Höhe der Vergütung während des Elternurlaubs einer der Faktoren ist, der die Inanspruchnahme von Elternurlaub, vor allem durch Väter, beeinflusst. In den inhaltlichen Mindestvorgaben, die nach II § 1 Nr 1 der Rahmenvereinbarung festgelegt werden, finden sich jedoch keinerlei konkrete weitere Vorgaben für einen bezahlten Elternurlaub. Als Mindestdauer für Elternurlaub sind nach II § 2 Nr 2 der Rahmenvereinbarung vier Monate vorgesehen. Nach II § 5 Nr 5 der Rahmenvereinbarung bleibt es ausdrücklich dabei, dass einkommensrelevante Fragen im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung von den Mitgliedstaaten und/oder Sozialpartnern nach den nationalen Vorschriften, Tarifverträgen und/oder Gepflogenheiten geprüft und entschieden werden; dabei ist dem Einkommen als einem der maßgeblichen Faktoren für die Inanspruchnahme des Elternurlaubs Rechnung zu tragen. Den Mitgliedstaaten bleibt damit ein erheblicher Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung. Die Mindestanforderungen der Elternurlaubsrichtlinie werden durch das BEEG deutlich übertroffen (vgl Dahm, EuZA 2011, 30, 45). Es ist dem nationalen Gesetzgeber europarechtlich auch nicht untersagt, das Schutzniveau durch Änderung der gesetzlichen Regelungen abzusenken, solange den Mindestanforderungen der Richtlinie noch genügt wird (vgl Graue/Diers, NZS 2015, 777, 779 mwN).

Die Beklagte hat somit die Bemessungsgrundlage für das Elterngeld der Klägerin zutreffend gewählt. Gegen die auf dieser Grundlage durchgeführte Elterngeldberechnung sind Bedenken ansonsten weder erhoben noch sonst ersichtlich. Damit erweist sich die endgültige Festsetzung des Elterngelds mit Bescheid vom 17.10.2016 insgesamt als rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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