L 9 R 4301/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 331/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4301/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von Kindererziehungszeiten streitig.

Die 1949 geborene Klägerin ist Mutter von vier Kindern, die 1976, 1978, 1980 und 1983 geboren wurden.

Sie war als Lehrerin ab 1972 Beamtin des Landes Baden-Württemberg. Zunächst wurde sie ab dem 21.08.1972 in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen; mit Urkunde vom 16.12.1976 wurde ihr die Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit verliehen. Versorgungsträger ist das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (LBV). Mit Bescheid des LBV vom 06.03.2014 wurden die Versorgungsbezüge nach dem Landesbeamtenversorgungsgesetz Baden-Württemberg (LBeamtVGBW) festgesetzt und der Klägerin ab dem 01.08.2014 ein Ruhegehalt in Höhe von 1.924,20 EUR brutto gewährt. In der Anlage des Bescheides wird die Berechnung der maßgebenden ruhegehaltsfähigen Dienstzeit und des maßgebenden Ruhegehaltssatzes dargestellt. Danach wurde u. a. die Zeit vom 08.09.1972 bis 15.08.1976 als Dienstzeit im Beamten-/Richterverhältnis oder gleichgestellte Zeit (3 Jahre und 342 Tage ruhegehaltsfähig) und als Dienstzeiten im Beamten-/Richterverhältnis oder gleichgestellte Zeiten (Kindererziehungszeit - bis zur Vollendung des 6. Lebensmonats voll ruhegehaltfähig -) die Zeiten vom 16.08.1976 bis 12.10.1976 (58 Tage ruhegehaltsfähig), vom 04.10.1978 bis 29.11.1978 (57 Tage ruhegehaltsfähig), vom 30.11.1978 bis 03.04.1979 (125 Tage ruhegehaltsfähig), vom 19.10.1980 bis 18.04.1981 (182 Tage ruhegehaltsfähig) und vom 13.07.1983 bis 12.01.1984 (184 Tage ruhegehaltsfähig) berücksichtigt. Wegen der weiteren Zeiten wird auf den Bescheid des LBV vom 06.03.2014 (Bl. 28 ff. der Verwaltungsakte) Bezug genommen.

Die Beklagte hatte im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens mit Bescheid vom 10.03.2011 als Kindererziehungszeiten die Zeiten vom 01.05.1976 bis 30.04.1977, vom 01.11.1978 bis 31.10.1979, vom 01.11.1980 bis 31.10.1981 und vom 01.08.1983 bis 31.07.1984 und als Berücksichtigungszeiten die Zeiten vom 13.04.1976 bis 03.10.1978, vom 04.10.1978 bis 18.10.1980, vom 19.10.1980 bis 12.07.1983 und vom 13.07.1983 bis 31.12.1991 festgestellt.

Am 16.04.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente ab dem 01.04.2015. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30.04.2015 ab, weil die Klägerin die allgemeine Wartezeit zu dem gewünschten Rentenbeginn am 01.04.2015 nicht erfülle. Ihr Versicherungskonto enthalte bis zum 31.03.2015 statt der erforderlichen 60 Monate nur 24 Wartezeitmonate. Der Bescheid vom 10.03.2011 werde hinsichtlich der Feststellung von Kindererziehungszeiten für die Zeiten vom 01.05.1976 bis 30.04.1978, 01.11.1978 bis 31.10.1980, 01.11.1980 bis 31.10.1982 und 01.08.1983 bis 31.07.1985 sowie hinsichtlich der Feststellung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Zeiten vom 13.04.1976 bis 12.04.1986, 04.10.1978 bis 03.10.1988, 19.10.1980 bis 18.10.1990 und vom 13.07.1983 bis 12.07.1993 nach § 149 Abs. 5 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) mit Wirkung ab 01.07.2014 aufgehoben. Wegen einer Rechtsänderung könnten die bisher vorgemerkten Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nicht mehr berücksichtigt werden, weil die Klägerin während dieser Zeit Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen erworben habe. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung könnten wiederum nur für Zeiträume vorgemerkt werden, in denen die Voraussetzungen für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten erfüllt seien.

Zur Begründung ihres hiergegen am 01.06.2015 eingelegten Widerspruchs machte die Klägerin geltend, die vier Kinder würden zwar bei ihrer Pension berücksichtigt, dies aber keineswegs annähernd gleichwertig. Für die Kinder würden insgesamt 601 Tage ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt. Ihre Pension berechne sich, indem sie für 22 Jahre und 77 Tage ruhegehaltsfähige Dienstzeit 44,59 % (= 1.924,00 EUR) erhalte. 365 Tage ruhegehaltsfähige Dienstzeit entsprächen damit ca. 87,45 EUR. Der Wert für die knapp 2 Jahre berücksichtigter Zeiten der Kindererziehung betrage rund 174,00 EUR. Nach dem aktuellen Rentenrecht bekäme sie in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Erziehung ihrer vier Kinder hingegen 228,88 EUR (4 x 2 EP). Dies sei überhaupt nicht annähernd gleichwertig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dem Begehren der Klägerin auf Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten für ihre vier Kinder und damit die Erfüllung der Wartezeit von 60 Kalendermonaten für die Regelaltersrente könne nicht entsprochen werden. § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI sei mit Wirkung ab dem 01.07.2014 neu gefasst worden. Die Neuregelung erfasse ohne Einschränkung auch Erziehungszeiten vor dem 01.07.2014. Seien in der Vergangenheit Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten bei Elternteilen, die während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen auf Grund Erziehung erworben hätten, bereits vorgemerkt worden, sei der Vormerkungsbescheid aufzuheben. Eine weitere Anerkennung der Zeiten der Kindererziehung sei auf Grund des zum 01.07.2014 neu eingefügten zweiten Halbsatzes zu § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI nicht mehr möglich.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.01.2016 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zur Begründung auf ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren Bezug genommen. Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 30.04.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2016 abzuändern und der Klägerin Kindererziehungszeiten für vier Kinder anzuerkennen.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 29.04.2016 hat das SG die Bevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen, es gehe davon aus, dass der Streitgegenstand vorliegend auf die Aufhebung der im Bescheid vom 30.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2016 genannten Kindererziehungszeiten beschränkt worden sei. Dem ist der Bevollmächtigte der Klägerin nicht entgegen getreten.

Mit Urteil vom 20.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Auslegung des Klagebegehrens habe ergeben, dass sich die rechtskundig vertretene Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 30.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2016 allein insoweit wende, als mit ihm die Anerkennung der mit Bescheid vom 10.03.2011 festgestellten Kindererziehungszeiten aufgehoben werde. Aus dem Vorbringen im Klageverfahren ergebe sich hingegen nicht, dass die rechtskundig vertretene Klägerin weiterhin die Gewährung einer Regelaltersrente ab dem 01.04.2015 begehre. Die damit allein statthafte isolierte Anfechtungsklage sei nicht begründet. Die Beklagte habe die Feststellung der Kindererziehungszeiten zu Recht aufgehoben. Rechtsgrundlage für die Aufhebung sei § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI, dessen Voraussetzungen erfüllt seien, da nach § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI in der ab dem 01.07.2014 geltenden neuen Fassung (n. F.), die im vorliegenden Fall nach § 300 Abs. 5 SGB VI Anwendung finde, kein Anspruch auf Anerkennung der Kindererziehungszeiten für die vier Kinder in den Zeiten vom 01.05.1976 bis 30.04.1978, 01.11.1978 bis 31.10.1980, 01.11.1980 bis 31.10.1982 und 01.08.1983 bis 31.07.1985 mehr bestehe. Denn die Klägerin habe während der Erziehungszeiten für ihre vier Kinder nach beamtenrechtlichen Vorschriften Anwartschaften auf Versorgung im Alter auf Grund der Erziehung erworben, wie sich aus der Anlage zum Bescheid des LBV vom 06.03.2014 ergebe. Aus dem Gesetzeswortlaut ergebe sich, dass eine systembezogene annähernde Gleichwertigkeit bei einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen unwiderleglich fingiert werde. Eine konkrete Einzelfallprüfung, ob eine annähernde Gleichwertigkeit tatsächlich gegeben sei, finde mithin nicht statt. Unerheblich sei damit, ob sich der von der Klägerin vorgebrachte Differenzbetrag zwischen der Versorgung nach den beamtenrechtlichen Vorschriften und der nach dem SGB VI bezüglich der Kindererziehung tatsächlich auf 54,88 EUR (228,88 EUR im Vergleich zu 174,00 EUR) belaufe und ob bei einem solchen Unterschied noch von einer annähernd gleichwertigen Versorgung auszugehen wäre. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die Klage auch dann keinen Erfolg gehabt hätte, wenn die Klägerin weiterhin die Gewährung einer Regelaltersrente ab dem 01.04.2015 geltend gemacht hätte. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Regelaltersrente lägen insbesondere nach Aufhebung der Kindererziehungszeiten nicht mehr vor.

Gegen das ihr am 28.10.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.11.2016 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, sie sei der Auffassung, dass die Regelung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI gegen das in Art. 3 Grundgesetz (GG) geregelte Gleichbehandlungsgebot verstoße. Die pauschale Annahme, die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten sei systembezogen annähernd gleichwertig wie in der gesetzlichen Rentenversicherung treffe nicht zu, da sie dadurch in ihrem aus Art. 3 GG resultierenden Rechts auf Gleichbehandlung verletzt werde. Die Ungleichbehandlung bestehe darin, dass der finanzielle Wert der Kindererziehungszeit nicht für alle Kinder gleich hoch sei. Dass der finanzielle Wert nicht gleich hoch sei, ergebe sich aus ihrer Berechnung vom 28.05.2015, auf die Bezug genommen werde. Durch die Regelung in § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI hänge der konkrete Geldwert einer Elternzeit davon ab, ob der Elternteil, dem die Erziehungszeiten zugerechnet werden, ein beim Staat beschäftigter Beamter oder ein sonstiger Arbeitnehmer sei. Der zeitliche Aufwand für die Betreuung und Erziehung eines Kindes sei aber in beiden Fällen der gleiche und müsse daher auch zu einem gleich hohen finanziellen Ausgleich bei der Erziehungsperson führen. Gleiche Sachverhalte müssten gleich behandelt werden. Sei dies, wie vorliegend, nicht der Fall, sei nach ihrer Auffassung ein Verstoß gegen Art. 3 GG gegeben, der nicht hinzunehmen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 30. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2016 abzuändern und der Klägerin Kindererziehungszeiten für ihre vier Kinder anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zu den Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der streitgefangenen Normen äußerte sie sich nicht. Sie sei verpflichtet, den Vorgaben des Gesetzgebers Folge zu leisten. Diese seien in ihren Bescheiden umgesetzt worden.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 13.07.2017 und 02.08.2017 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Das angefochtene Urteil des SG vom 20.10.2016 sowie der Bescheid vom 30.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2016 sind nicht zu beanstanden.

Das SG ist zu Recht von der Zulässigkeit der allein gegen die Aufhebung der mit Vormerkungsbescheid vom 10.03.2011 anerkannten Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gerichteten isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) ausgegangen. Die Beklagte hat mit den streitgegenständlichen Entscheidungen nicht nur die beantragte Altersrente abgelehnt, sondern zugleich ausdrücklich die vorgemerkten Zeiten aufgehoben; die Aufhebung stellt eine eigenständige Verfügung und nicht lediglich ein Begründungselement für die Ablehnung der Rente dar. Durch die Ablehnung begünstigender Regelungen im Vormerkungsbescheid ist die Klägerin auch beschwert, weil der Ablehnung der Rente keine Dauerwirkung zukommt und die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten als rentenrechtlich relevante Zeiten bei einer möglichen erneuten Rentenantragstellung - ein Erfolg des Rechtsmittels unterstellt - zu berücksichtigen wären.

Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die mit Vormerkungsbescheid vom 10.03.2011 anerkannten Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Erziehung der 1976, 1978, 1980 und 1983 geborenen Kinder der Klägerin aufgehoben.

Gemäß § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI ist bei Änderung der einem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden Vorschriften dieser Bescheid durch einen neuen Feststellungsbescheid oder im Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben; die §§ 24 und 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sind nicht anzuwenden.

Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Nach § 249 Abs. 1 SGB VI endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Für einen Elternteil wird gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen (§ 57 Satz 1 SGB VI).

Die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2, 57 SGB VI liegen vor, da die Erziehung der Kinder der Klägerin im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist und ihr die Erziehungszeiten zuzuordnen sind. Die Klägerin hat nach ihren Angaben die Kinder überwiegend erzogen, was auch ihr Ehemann als anderer Elternteil mit seiner Unterschrift vom 22.11.2010 auf dem Antragsformular zur Feststellung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten vom 07.11.2010 bestätigt hat (Bl. 15 ff. der Verwaltungsakte).

Die Klägerin ist aber hinsichtlich der Erziehungszeiten für ihre vier Kinder von der Anrechnung als Kindererziehungs- oder Berücksichtigungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen.

Gemäß § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI in der ab dem 01.07.2014 geltenden Fassung vom 23.06.2014 sind Elternteile von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als im diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

Gemäß Bescheid des LBV vom 06.03.2014 wird bei den Versorgungsbezügen der Klägerin für den 1976 geborenen Sohn die Zeit vom 16.08.1976 bis 12.10.1976, für die am 04.10.1978 geborene Tochter die Zeit vom 04.10.1978 bis 03.04.1979, für die 1980 geborene Tochter die Zeit vom 19.10.1980 bis 18.04.1981 und für den 1983 geborenen Sohn die Zeit vom 13.07.1983 bis 12.01.1984 als voll ruhegehaltsfähige Dienstzeit im Beamten-/Richterverhältnis oder gleichgestellte Zeit berücksichtigt. Dies entspricht § 106 Abs. 1 LBeamtVGBW (in der ab dem 09.11.2010 gültigen Fassung). Danach ist für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind die Zeit eines Erziehungsurlaubs bis zu dem Tag ruhegehaltfähig, an dem das Kind sechs Monate alt wird, wenn - wie im Falle der Klägerin - während der Kinderziehung vor dem 01.01.1992 bereits ein Beamtenverhältnis bestand. Für den 1976 geborenen Sohn wurde die Zeit von der Geburt bis zum 15.08.1976 nicht als Kindererziehungszeit, aber als Dienstzeit im Beamtenverhältnis oder gleichgestellte Zeit berücksichtigt.

Die Berücksichtigung ist daher bei allen Kindern nicht in dem nach § 56 i.V.m. § 249 Abs. 1 SGB VI für Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgesehenen Zeitraum von 24 Monaten und nicht in dem für Berücksichtigungszeiten nach § 57 Satz 1 SGB VI möglichen Zeitraum bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres erfolgt. Es handelt sich dennoch bei der Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten bei der Festsetzung des Ruhegehalts um eine gleichwertige Versorgung im Sinne des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI in der ab dem 01.07.2014 gültigen Fassung. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen als systembezogen annähernd gleichwertig. Das Merkmal der systembezogen annähernd gleichwertigen Berücksichtigung wird somit legal definiert (Gesetzesfiktion) als jede Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen (so auch SG Reutlingen, Urteil vom 14.07.2016, S 3 R 43/16, Juris). Wird - wie im Falle der Klägerin - in der beamtenrechtlichen Versorgung für ein Kind eine Erziehungszeit berücksichtigt, ist für dieses Kind eine Kindererziehungs- oder Berücksichtigungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen. Ein zeitlicher Gleichlauf der Versorgungen ist nicht erforderlich, um eine annähernd systembezogene Gleichwertigkeit anzunehmen (Senatsurteil vom 21.02.2017, L 9 R 3651/16, Juris).

Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut der Vorschrift und dem Willen des Gesetzgebers. Grund der Neufassung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz zum 01.07.2014 war, dass die mit Wirkung vom 22.07.2009 gültige Vorfassung zu Unsicherheit darüber geführt hatte, was in der Beamtenversorgung (und den weiteren betroffenen Versorgungssystemen) als "systembezogen gleichwertig" anzusehen war (vgl. Schuler-Harms in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand 24.02.2015, § 56 Rdnr. 6.1 unter Hinweis auf den Gesetzesentwurf, BT-Drs. 18/909, S. 21). Gemäß § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI in der ab dem 22.07.2009 durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom 15.07.2009 (BGBl. I S. 1939, 2010 I S. 340) eingeführten Fassung waren Elternteile von der Anrechnung als Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen oder nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung aufgrund der Erziehung erworben haben, die systembezogen gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch. Die "auch nur annähernde" systembezogene Gleichwertigkeit war durch die Rechtsprechung (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 22.03.2013, S 34 R 1594/10, Juris Rdnr. 18) im Falle der Anrechnung von sechs Monaten Kindererziehungszeit in der Beamtenversorgung für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder gegenüber einer zwölfmonatigen, additiv zu sonstigen Beitragszeiten anrechenbaren Kindererziehungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Rechtsfolge verneint worden, dass Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung und der Beamtenversorgung angerechnet wurden. Der Gesetzgeber nahm diese Rechtsprechung zum Anlass, § 56 Abs. 4 SGB VI zu überarbeiten, um u.a. im Hinblick auf die Beamtenversorgung den Rechtszustand vor der Änderung des § 56 Abs. 4 SGB VI mit Wirkung vom 22.07.2009 wiederherzustellen (BT-Drs. 18/909, S. 21; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales BT-Drs. 18/1489, S. 26). § 56 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI in der bis zum 21.07.2009 gültigen Fassung schloss aber gerade Elternteile von der Anrechnung aus, die während der Erziehungszeit zu den in § 5 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI genannten Personen gehörten, d.h. u.a. Beamte und Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe. Mit der Neufassung wollte der Gesetzgeber diesen Ausschluss wiederherstellen, wie in der Begründung des Gesetzesentwurfs ausdrücklich dargelegt wird: "Um eine doppelte Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung in jedem Falle zu vermeiden, sollen Beamte wieder generell von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen werden, da die Beamtenversorgung systembezogen Leistungen für Kindererziehung erbringt" (BT-Drs. 18/909, S. 21). Zwar hat der Gesetzgeber bei der Neufassung zum 01.07.2014 nicht, entsprechend der bis zum 21.07.2009 geltenden Fassung, allein auf ein bestehendes Beamtenverhältnis abgestellt, das auch bei einer Beurlaubung ohne Besoldung weiter Bestand hat. Vielmehr hat er grundsätzlich an der Neuregelung der Bestimmung ab dem 22.07.2009 festgehalten, wonach der Ausschluss der Anrechnung von Kindererziehungszeiten nur Elternteile betrifft, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben. Durch diesen Zusatz sollte aber verhindert werden, dass bestimmte Personenkreise, namentlich Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Hs. 2 SGB VI, generell von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten auch dann ausgeschlossen werden, wenn sie keine Leistungen für Kindererziehung erhalten, die denen der gesetzlichen Rentenversicherung systembezogen annähernd gleichwertig sind (Beschlussempfehlung und Bericht BT,-Drs. 18/1489, S. 26). Die Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gilt hingegen als systembezogen annähernd gleichwertig nach § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI. Insoweit findet eine Prüfung der Gleichwertigkeit weder hinsichtlich der Zeiträume noch hinsichtlich der hieraus errechneten Rentenhöhe nicht mehr statt; eine doppelte Berücksichtigung in mehreren Versorgungssystemen wird dadurch vermieden (Gürtner in Kasseler Kommentar, Stand Mai 2017, § 56 Rdnr. 83). Die Vermeidung von Doppelanrechnungen war ausdrücklich Ziel des Gesetzgebers (Beschlussempfehlung und Bericht BT-Drs. 18/1489, S. 26). Eine Berücksichtigung sowohl in der Beamtenversorgung als auch in der gesetzlichen Rentenversicherung ist gesetzgeberisch nicht gewollt; es gilt die Systemsubsidiarität der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18.10.2005, B 4 RA 6/05 R, Juris Rdnr. 21).

Der Senat verkennt nicht, dass die Zeiten vom 04.04.1979 bis 18.10.1980, 19.04.1981 bis 12.07.1983, 13.01.1984 bis 31.01.1988, 03.09.1990 bis 31.12.1991 und 01.01.1992 bis 15.08.1993, die als nicht ruhegehaltsfähige Zeit in der Festsetzung der Versorgungsbezüge vermerkt sind, nach dieser Auslegung weder in der gesetzlichen Rentenversicherung noch in der Beamtenversorgung berücksichtigt werden. Die nach den beamtenrechtlichen Vorschriften entstandene Lücke in den Versorgungsanwartschaften ist in dem System der beamtenrechtlichen Versorgung allerdings aufgrund der systembezogen differenzierten Anrechnung der Zeiten der Kindererziehung hinzunehmen. Ausgehend von der gesetzgeberischen Fiktion des § 56 Abs. 4 Nr. 3 Hs. 2 SGB VI gilt eine beamtenrechtliche Versorgung dennoch als annähernd gleichwertig.

Der Senat hat auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI. Der darin geregelte Ausschluss der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ist im Hinblick auf die damit verbundene Ungleichbehandlung von Personengruppen (Art. 3 Abs. 1 GG) zu prüfen, wobei bei einer Differenzierung zum Nachteil der Familie der besondere Schutz zu beachten ist, den der Staat nach Art. 6 Abs. 1 GG der Familie schuldet (BSG, Urteil vom 18.10.2005, a.a.O., m.w.N.). Nach Auffassung des Senats liegt aber bereits kein Ungleichbehandlung vor, da verbeamtete Elternteile und von der Versicherungspflicht befreite Elternteile bereits aufgrund der Sonderstellung von Beamten nicht vergleichbar sind. Darüber hinaus wäre eine Ungleichbehandlung auch sachlich gerechtfertigt, da ein prinzipiell gleichwertiger Schutz für den Erziehenden durch die beamtenrechtliche Versorgung und die dortige Berücksichtigung der Erziehungsleistung gewährleistet ist.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens berücksichtigt, dass die Berufung der Klägerin ohne Erfolg geblieben ist.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Frage, ob nach § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI in der Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes Beamte auch für die Zeiträume von der Anrechnung als Kindererziehungszeiten ausgeschlossen sind, die nicht ruhegehaltsfähig sind, wenn eine Berücksichtigung der Kindererziehung nach beamtenrechtlichen Regelungen grundsätzlich erfolgt ist, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, aber über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftig.
Rechtskraft
Aus
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