L 7 AS 449/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 26 AS 528/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 449/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 347/17 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. April 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligen streiten um den Eintritt einer Sanktion nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom 1. Januar bis 31. März 2014 in Höhe von 100 %.

Die 1953 geborene Klägerin steht seit 2008 bei dem Beklagten im Leistungsbezug nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2012 (Bl. 837 der Verwaltungsakte) minderte der Beklagte das Arbeitslosengeld II der Klägerin um 30 % des Regelbedarfs für den Zeitraum 1. Januar bis 31. März 2013 wegen des Nichtantritts einer zugewiesenen Arbeitsgelegenheit ab 5. November 2012. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 (Bl. 839 der Verwaltungsakte) Widerspruch ein. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2013 (Bl. 1063 der Verwaltungsakte) als unbegründet zurück. Nach Angaben des Beklagten (Bl. 130 der Gerichtsakte) erhob die Klägerin gegen diesen Bescheid keine Klage.

Mit Bescheid von 22. Mai 2013 (Bl. 968 der Verwaltungsakte) minderte der Beklagte das Arbeitslosengeld II der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 31. August 2013 um monatlich 229,20 EUR (60 % des Regelbedarfs), wegen der Nichtvorlage von sechs schriftlichen Bewerbungen pro Monat. Mit Schreiben vom 19. Juni 2013 (Bl. 1013 der Verwaltungsakte) legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2013 (Bl. 16 der Gerichtsakte) als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 21. April 2016 (Az. S 26 AS 1194/13) ab. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Senat mit Beschluss vom 25. November 2016 (Az. L 7 AS 446/16 NZB) zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2013 (Bl. 1036 der Verwaltungsakte) minderte der Beklagte das Arbeitslosengeld II der Klägerin im Zeitraum vom 1. August bis 31. Oktober 2013 vollständig, da die Klägerin der Zuweisung einer Eingliederungsmaßnahme ("C.") ab 1. Juli 2013 nicht Folge geleistet hatte. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 20. August 2013 Widerspruch (Bl. 594 der Verwaltungsakt FM) ein. Diesen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2013 (Bl. 648 der Verwaltungsakte FM) als unbegründet zurück. Nach Angaben des Beklagten (Bl. 130 der Gerichtsakte) erhob die Klägerin gegen diesen Bescheid keine Klage. Mit Schreiben vom 15. November 2013 (Bl. 655 der Verwaltungsakte FM) wies der Beklagte die Klägerin der Qualifizierungs- bzw. Eingliederungsmaßnahme "C." ab 25. November 2013 bis 24. Mai 2014 jeweils von 8:30 Uhr bis 15:00 Uhr zu. Dort war angegeben, dass die Klägerin die für sie notwendigen Fahrtkosten beim Beklagten beantragen könne. Wenn die Klägerin aufgrund von Krankheit die Maßnahme nicht pünktlich antreten könne, müsse diese am ersten Werktag der Gesundung angetreten werden. Das Schreiben enthielt auch eine Belehrung über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung. Mit Schreiben vom 22. November 2013 (Bl. 663 der Verwaltungsakte FM) legte die Klägerin gegen diese Zuweisung Widerspruch ein. Ein Widerspruchsbescheid erging nicht.

Mit Schreiben vom 28. November 2013 (Bl. 664 der Verwaltungsakte FM) hörte der Beklagte die Klägerin zum Eintritt einer möglichen Sanktion an, nachdem die Klägerin die Eingliederungsmaßnahme nicht aufgenommen hatte. Mit Bescheid vom 17. Dezember 2013 (Bl. 1287 der Verwaltungsakte) minderte der Beklagte sodann das gewährte Arbeitslosengeld II der Klägerin im Zeitraum 1. Januar 2014 bis 31. März 2014 vollständig. Zur Begründung führte er an, dass die Klägerin die Eingliederungsmaßnahme unentschuldigt nicht angetreten habe. Da die Klägerin im vergangenen Jahr bereits mit 60 % gemindert worden sei, komme nunmehr eine Sanktion in Höhe von 100 % zum Tragen. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 2. Januar 2014 (Bl. 674 der Verwaltungsakte FM) Widerspruch ein. Sie habe dem Beklagten ausreichend nachgewiesen, dass sie in den ersten Arbeitsmarkt nicht eingegliedert werden müsse. Am 6. Januar 2014 (Bl. 687 der Verwaltungsakte FM) ging bei dem Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 6. Januar 2014 über eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin für die Zeit vom 6. Januar 2014 bis voraussichtlich 30. Januar 2014 ein. Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 17. Dezember 2013 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2014 (Bl. 707 der Verwaltungsakte FM) als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er an, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Minderung in Höhe von 100 % gegeben seien. Die Klägerin habe einen Nachweis für eine Entschuldigung ihres Pflichtversäumnisses nicht vorgelegt.

Hiergegen richtet sich die am 26. März 2014 (Bl. 1 der Gerichtsakte) zum Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage. Zur Begründung trug die Klägerin vor, dass sie sehr gut selbst in der Lage sei, sich sinnvoll zu beschäftigen. Sie wisse besser, welche beruflichen und privaten Termine/Kontakte für sie wichtig seien, wobei der Beklagte sie lediglich darin behindere, diese Termine wahrzunehmen. Sie sei als Unternehmerin auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig, wobei sie zurzeit arbeitsunfähig erkrankt sei. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe sie dem Beklagten vorgelegt. Zudem sei sie 60 Jahre alt und müsse aus diesem Grunde nicht mehr eingegliedert werden. Durch die 100 % Sanktion habe der Beklagte die Zwangsräumung ihrer Wohnung verursacht.

Die Klägerin beantragte, den Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2014 aufzuheben. Der Beklagte trat dem entgegen. Zur Begründung seines Antrags verwies der Beklagte auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheids.

Mit Urteil vom 21. April 2016 wies das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage ab.

Zur Begründung führte das Sozialgericht an, die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2014 sei rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht habe der Beklagte gegenüber der Klägerin den Eintritt einer Sanktion in Höhe von 100 % im Zeitraum Januar bis März 2014 ausgesprochen.

Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II verletzten erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 1 Satz 6 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen (Nr. 1), sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16d oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern (Nr. 2), eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben (Nr. 3). Dies gelte nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen würden.

Gemäß § 31a Abs. 1 SGB II mindere sich bei einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 mindere sich nach S. 2 der Vorschrift das Arbeitslosengeld II um 60 % des maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung entfalle das Arbeitslosengeld II sodann vollständig (S. 3).

Vorliegend habe die Klägerin trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht angetreten. Die Klägerin habe hierfür auch keinen wichtigen Grund nachgewiesen. Jedenfalls zum Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme sei die Klägerin nicht arbeitsunfähig erkrankt und auch die übrigen von der Klägerin vorgetragenen Gründe, nämlich dass sie nicht in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden müsse, da sie selbstständig tätig sei, könnten nicht anerkannt werden. Die Klägerin habe insoweit mit ihrer Selbstständigkeit zum damaligen Zeitpunkt und auch aktuell keine Einnahmen generiert, sondern sei vollständig auf die Unterstützung durch den Beklagten angewiesen gewesen. Die von der Klägerin vorgetragene selbstständige Tätigkeit sei deshalb im Rahmen einer Eingliederung der Klägerin von den Beklagten zu Recht nicht berücksichtigt worden. Da die Klägerin zudem bereits weniger als ein Jahr zuvor schon einmal eine 100 %-Sanktion erhalten habe, habe der Beklagte auch rechtmäßig erneut das Arbeitslosengeld II der Klägerin vollständig gemindert.

Dieses Urteil wurde der Klägerin am 3. Mai 2016 (Bl. 77 der Gerichtsakte L 7 AS 452/16) zugestellt. Dagegen hat die Klägerin am 2. Juni 2016 (Bl. 105 der Gerichtsakte) Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. April 2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die erstinstanzliche Entscheidung sei nicht zu beanstanden.

Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 26. April 2017 auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und eine Äußerungsfrist bis zum 15. Juni 2017 gesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten, die bei der Entscheidung jeweils vorgelegen haben, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß §§ 143 und 144 SGG. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da der Wert des Beschwerdegegenstandes, die Zahlung vollständiger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2014, den maßgeblichen Betrag von 750 Euro deutlich überstieg.

Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen oder Richter zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Die Beteiligten sind auch vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG). Eines Einverständnisses der Beteiligten mit dieser Entscheidungsform bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6 Rka 97/96 – NZS 1998, 304; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 10. A. 2012, § 153 Rn. 14).

Die Berufung ist unbegründet. Der von der Klägerin angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts Frankfurt am Main im angegriffenen Urteil, die sich der Senat nach Prüfung zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG), verwiesen. Dass der Widerspruch der Klägerin vom 22. November 2013 (Bl. 663 der Verwaltungsakte FM) gegen das Schreiben des Beklagten vom 15. November 2013 (Bl. 655 der Verwaltungsakte FM), mit dem dieser die Klägerin der Qualifizierungs- bzw. Eingliederungsmaßnahme "C." zugewiesen hat, (noch) nicht (formell) beschieden wurde, hindert eine Entscheidung nicht, weil das Sozialgericht Frankfurt am Main zu Recht davon ausgegangen ist, dass diese Maßnahme eine für die Klägerin zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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