Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 28 AL 114/11
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 22/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 71/17 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 28. März 2014 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung eines dem Kläger bewilligten Gründungszuschusses aufgehoben und bezogene Leistungen für die Zeit vom 1. Februar bis 30. September 2010 erstattet verlangt hat.
Der 1975 geborene Kläger hat eine nicht abgeschlossene Ausbildung zum Bankkaufmann durchlaufen, eine Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel mit Abschluss (am 30. Juni 1998) und von 2003 bis 2006 eine Ausbildung zum Physiotherapeuten mit Abschluss (vom 9. April 2006). Seit 2006 hat der Kläger als Physiotherapeut im "F " – Das Gesundheitszentrum gearbeitet, seit dem 1. Januar 2009 als dessen stellvertretender Leiter. Das Beschäftigungsverhältnis wurde nach seinen Angaben aus betrieblichen Gründen gekündigt; seit dem 4. August 2009 bestand Arbeitslosigkeit. Nachdem der Kläger am 18. August 2009 zunächst mündlich einen Antrag gestellt hatte, stellte er am 28. Oktober 2009 schriftlich einen Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach § 57 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) a. F. mit der Angabe, dass er sich am 1. Februar 2010 als Physiotherapeut selbstständig machen wolle bei einer beabsichtigten selbstständigen Tätigkeit von ca. 50 Wochenstunden. Anforderungsgemäß übersandte der Kläger eine Gewerbeanmeldung vom 7. Januar 2010 bei gleichem Beginndatum der angemeldeten Tätigkeit - Betrieb eines Gesundheitsstudios -, ferner ein Schreiben vom 28. November 2009, nach dem sich die Finanzierung verzögern werde, er - der Kläger - aber eine mündliche Zusage habe und er voraussichtlich zum 1. Januar 2010 mit der Selbstständigkeit starten könne. Weiter wurden vorgelegt die Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 31. August 2009, der Gesellschaftsvertrag zum Geschäftsbereich M vom 1. September 2009, das (unvollständige) Konzept betreffend F Das Gesundheitszentrum, das Prüfungszeugnis der IHK betreffend die kaufmännische Ausbildung sowie diverse Urkunden und ein Lebenslauf. Mit Bescheid vom 26. Januar 2010 bewilligte die Beklagte die Förderung der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit und gewährte dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 31. Oktober 2010 einen Gründungszuschuss in Höhe von monatlich 1.058,70 EUR. Nach Aktenlage beantragte der Kläger am 8. November 2010 die Weitergewährung des Gründungszuschusses und gab im Rahmen dieses Kontaktes an, dass er unternehmerische Tätigkeiten im Folgeantrag nicht angeben könne, da es bisher nicht zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gekommen sei. Die Investitionsbank habe die Mittel bisher nicht bewilligt und ihn mehrfach vertröstet, in Kürze sei jedoch von einer Bewilligung auszugehen. Mit Schreiben vom 1. März 2011 hörte die Beklagte den Kläger zu einem möglicherweise unrechtmäßigen Leistungsbezug an, weil er seine selbstständige Tätigkeit nicht aufgenommen habe, weshalb der Gründungszuschuss in dem Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis 31. Oktober 2010 in Höhe von 9.528,30 EUR zu Unrecht gezahlt worden sei. Die Beklagte verwies auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X). In seiner Stellungnahme gab der Kläger an, dass der Bankkredit wegen der beabsichtigten Rechtsform als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) versagt worden sei. Die Bank habe nur die Selbstständigkeit in die Physiotherapie unterstützen wollen. Er habe diesem Druck nachgegeben und sich nur in der Physiotherapie selbstständig gemacht. Das Darlehen habe er gebraucht, um die Grundausstattung zu erwerben, ansonsten wäre die Selbstständigkeit unmöglich gewesen. In diesem Durcheinander mit der Bank habe er nicht an seine Pflichten als Leistungsempfänger gedacht und vergessen, der Beklagten die neue Situation zu schildern. Fakt sei aber, dass er sich in dem genannten Zeitraum selbstständig gemacht habe, dass nur die Gesellschaftsform eine andere sei. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31. März 2011 hob die Beklagte die Bewilligung des Gründungszuschusses ab dem 1. Februar 2010 bis 31. Oktober 2010 auf. Der Kläger habe für diesen Zeitraum einen Gründungszuschuss für den Betrieb eines Gesundheitsstudios erhalten, hierzu sei das Gewerbe als GbR angemeldet worden. Tatsächlich habe er diese Tätigkeit aber im Rahmen der GbR nicht aufgenommen, so dass die Voraussetzungen für die Zahlung des Gründungszuschusses nicht mehr vorgelegen hätten. Der überzahlte Betrag von 9.528,30 EUR sei von ihm zu erstatten. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er sein bisheriges Vorbringen wiederholte und vertiefte. Weiter trug er vor, dass er zum 1. Oktober 2010 unter der gleichen Adresse eine Einzelpraxis für Physiotherapie gegründet habe. Zwar liege auf seiner Seite eine Pflichtverletzung vor, gleichwohl sei es aber zu einer erfolgreichen Existenzgründung gekommen. Die Verpflichtung zur Rückzahlung insbesondere des vollen Gründungszuschusses stelle eine besondere Härte dar. Des Weiteren legte der Kläger einen Mietvertrag mit Zusatzvereinbarungen sowie eine von ihm an die M ausgestellte Rechnung für seine freie Mitarbeit im Oktober 2010 sowie weitere Unterlagen vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2011 änderte die Beklagte den Bescheid vom 31. März 2011 betreffend den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. Oktober 2010 ab, gab für diesen Zeitraum dem Widerspruch statt und reduzierte den Forderungsbetrag für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 30. September 2010 auf 8.469,60 EUR. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wies die Beklagte im Wesentlichen darauf hin, dass der Kläger erst seit dem 1. Oktober 2010 als Physiotherapeut in einer Einzelpraxis selbstständig tätig geworden sei. Die Gewährung des Gründungszuschusses sei aber zwingend an die Aufnahme einer hauptberuflichen, selbstständigen Tätigkeit geknüpft, womit die Voraussetzungen für den Anspruch ab dem 1. Februar 2010 nicht vorlägen. Aus welchen Gründen die Tätigkeit nicht habe aufgenommen werden können, sei unerheblich. Die Beklagte verwies auf die Vorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X, weil der Kläger unrichtige Angaben gemacht habe. Zudem habe er die Rechtswidrigkeit der Bewilligung gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt. Weil ihm jedoch für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Oktober 2010 keine Bösgläubigkeit vorgeworfen werden könne, sei die Rücknahme auf die Zeit bis zum 30. September 2010 begrenzt worden.
Hiergegen hat der Kläger am 23. Juni 2011 Klage vor dem Sozialgericht Lübeck erhoben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen weiter vertieft und ausgeführt, dass er zum 1. Oktober 2010 als Einzelunternehmer an die Öffentlichkeit gegangen sei. Bis dahin habe er seine selbstständige Tätigkeit vorbereiten müssen. Ab dem 1. August 2010 habe er als freier Mitarbeiter für Frau O gearbeitet. Spätestens ab August 2010 sei er in Vollzeit selbstständig tätig. Im Hinblick auf das von Seiten der Beklagten und vom Sozialgericht unterstützte Vergleichsangebot Verzicht auf die Rückforderung für August und September 2010 hat der Kläger weiter ausgeführt, von ihm intensiv entfaltete Tätigkeiten seien bereits Teil der selbstständigen Tätigkeit gewesen. Die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit sei nicht mit der Erzielung von Umsätzen gleichzustellen. Er habe einen Businessplan vorgelegt, der die Finanzierung der erforderlichen Aufwendungen für die Betriebsausstattung ausdrücklich als Grundbedingung nenne. Die aufgetretenen Verzögerungen seien außerhalb seines Verantwortungsbereichs aufgetreten. Die konkrete Kreditzusage datiere vom 11. August 2010, zur Auszahlung sei es erst spät im September gekommen. Die Formulierungen des den Kläger seinerzeit beratenden Steuerberaters seien zudem unglücklich gewesen und könnten den Eindruck erwecken, der Kläger habe bis zum 1. Oktober 2010 nichts gemacht. Tatsächlich hätte er sogar Anspruch auf die Anschlussfinanzierung. Des Weiteren hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er von dem Vorwurf des Betrugs zu Lasten der Beklagten mit Urteil vom 6. Juni 2012 freigesprochen worden sei (Amtsgericht Lübeck, 61 Ds 711 Js 24051/11). Nach diesem Urteil habe das Gericht keine Anhaltspunkte dafür erkennen können, dass eine Pflichtverletzung gegenüber der Beklagten vorgelegen habe. Zudem habe das Amtsgericht die vom Kläger in der streitigen Zeit vorgenommenen Handlungen als Vorbereitungshandlungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gewertet. Der Kläger hat die von ihm gegenüber Frau O ausgestellten Rechnungen für seine freie Mitarbeit für die Monate August und September 2010 über 1.182,06 EUR bzw. 1.368,18 EUR vorgelegt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 31. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2011 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids bezogen.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28. März 2014 hat das Sozialgericht mit Urteil vom gleichen Tage der Klage teilweise stattgegeben und den Bescheid vom 31. März 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2011 insoweit abgeändert, als der am 1. Februar 2010 beginnende Aufhebungs- und Erstattungszeitraum bereits am 31. Juli 2010 geendet hat und sich der Rückforderungsbetrag entsprechend reduziert. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Aufhebung sei entgegen der Beklagten nicht § 45 SGB X, sondern der § 48 SGB X. Denn es sei von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X nach Bescheiderteilung auszugehen. Der Sachverhalt bei einer Prognoseentscheidung sei nach § 48 SGB X zu beurteilen, wenn die Prognose fortbestehen müsse, um die Leistungsbewilligung weiterhin zu rechtfertigen. So liege der Fall hier. Dem Bewilligungsbescheid vom 28. Januar 2010 habe die Prognose zugrunde gelegen, dass bezogen auf den Bewilligungsbeginn am 1. Februar 2010 alle Leistungsvoraussetzungen vorlägen. Diese Prognose sei im Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides nicht falsch gewesen. Sie habe sich nur später als prognostiziert realisiert. Die insoweit in den Bescheiden unzutreffend bestimmte Rechtsgrundlage führe jedoch nicht zur Aufhebbarkeit der Bescheide, sondern könne umgedeutet werden, da hier sowohl im Falle des § 45 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III als auch im Falle des § 48 SGB X eine gebundene Entscheidung und keine Ermessensentscheidung zu treffen gewesen sei. Hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen für den Gründungszuschuss sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Denn die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit könne erst mit Wirkung ab 1. August 2010 festgestellt werden. Eine selbstständige Tätigkeit könne auch schon vor der eigentlichen "Geschäftseröffnung" aufgenommen werden. Vorbereitende Maßnahmen seien nach der Rechtsprechung jedoch nur dann als "Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" zu werten, wenn diese Maßnahmen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalteten und sie ferner nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept zielgerichtet und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet seien. Eine derartige vorbereitende Tätigkeit könne für die Zeit vor dem 1. August 2010 nicht festgestellt werden. Den vom Kläger vorgetragenen Verhandlungen mit den Banken und Investoren fehle zum einen die Unmittelbarkeit des Zusammenhanges mit der eigentlichen auf berufsmäßigen Erwerb gerichteten und der Gewinnerzielung dienenden Geschäftstätigkeit und zum anderen die erforderliche Außenwirkung. Die erforderliche Unmittelbarkeit fehle ebenso bezüglich der ggf. geführten Gespräche und Vertragsverhandlungen mit der ursprünglich angedachten Partnerin und bezüglich des Abschlusses des Mietvertrages über die Praxisräume, der auch erst am 18. August 2010 erfolgt sei. Mit Wirkung ab 1. August 2010 könne wegen der nunmehr unmittelbaren Geschäftstätigkeit als Physiotherapeut bereits die eigentliche Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit angenommen werden mit der Folge der Erfüllung aller Voraussetzungen für den Gründungszuschuss. Dass diese Tätigkeit noch in fremden Räumen durchgeführt worden sei, sei insoweit nicht von Belang. Die Aufhebung sei auch zu Recht mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt. Denn der Kläger habe seine Mitteilungspflichten nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) verletzt. Denn er habe weder mitgeteilt, dass die geplante Gesellschaftsform nicht umgesetzt werden könne, noch dass die ursprüngliche Gewerbeanmeldung aufgehoben bzw. habe abgeändert werden müssen und insbesondere nicht, dass die eigentliche Tätigkeit nicht wie vorgesehen habe aufgenommen werden können. Dieser Verpflichtung sei er zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Weil dem Kläger für jeden Monat Leistungen für die Aufnahme einer Geschäftstätigkeit zugeflossen seien, hätte ihm einleuchten müssen, dass die Nichtaufnahme der Geschäftstätigkeit mitzuteilen gewesen wäre. Die Frage, ob der Kläger gewusst habe oder hätte wissen müssen, welche rechtlichen Konsequenzen sich hieraus ergäben, sei nicht von Bedeutung.
Gegen das dem Kläger am 3. Juli 2014 zugestellte Urteil richtet sich seine am 23. Juli 2014 eingegangene Berufung, gegen das der Beklagten am 1. Juli 2014 zugegangene Urteil richtet sich deren Berufung vom 18. Juli 2014.
Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus: Die Umdeutung des Gerichts betreffend die Aufhebung der Entscheidung von § 45 SGB X in eine solche nach § 48 SGB X begegne rechtlichen Bedenken. Der Ansatz, es läge keine Ermessensentscheidung vor, sei unzutreffend. Das Sozialgericht habe bei seiner Bewertung der Vorbereitungshandlung die tatsächlichen Voraussetzungen außer Acht gelassen. Ausgangspunkt des Geschäftsplanes sei die hälftige Übernahme des bereits langjährig bestehenden Betriebs des aus F Gesundheitsstudio und der Physiotherapie M bestehenden Betriebs von Frau O. Die hierzu erforderlichen Schritte, wie die Einrichtung des Arbeitsplatzes des Klägers, Einarbeitung in die Finanzgestaltung, Therapieplanung usw. hätten ab Ostern 2010 vorgelegen. Selbst die Außenwirkung sei gegeben gewesen, weil der Einstieg des Klägers mehrfach im Gesundheitsstudio schriftlich an der Infotafel angekündigt worden sei. Der Kapitaleinsatz für die Übernahme des vorgesehenen Anteils hätte jedoch nicht ausgeführt werden dürfen, solange die Vorgaben des beantragten Kredits nicht eingehalten würden. Der Kläger sei jederzeit anfangsbereit gewesen. Von den Kreditinstituten sei ihm eingeschärft worden, dass Anschaffungen vor Bewilligung des Kredits ebenso zur Rückforderung desselben führen würden wie die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit. Da alle Vorbereitungen abgeschlossen gewesen seien, sei jede der Handlungen, die der Kläger seit Februar 2010 vorgenommen habe, darauf gerichtet gewesen, die Hindernisse für die Kreditvergabe zu beseitigen. Dies seien jene Vorbereitungshandlungen, die das Bundessozialgericht (BSG) in dem Urteil B 11 AL 28/09 R aufgezeigt habe. Zudem sei auf die im Rahmen des Strafverfahrens geprüften rechtlichen Aspekte abzustellen. Der Kläger sei dort nach Zeugenanhörung und Prüfung der sozialrechtlichen Grundlagen freigesprochen worden. Ihm könne auch nicht entgegengehalten werden, irgendetwas zögerlich angegangen zu sein. Er habe sich Rat von geschulten Unternehmensberatern und seinem Steuerberater geholt und hierauf vertrauen können und müssen. Nichts habe in diesem Zusammenhang darauf hingedeutet, dass irgendeine Änderung eingetreten gewesen sei, die das Geschäftsmodell in der Laiensphäre des Klägers verändert habe. Eine solche Anzeigepflicht, wie sie von der Beklagten und vom Vordergericht vertreten werde, würde der Rechtsprechung des BSG entgegenstehen. Dem Kläger könne keine grob fahrlässige Verletzung seiner Mitteilungspflichten vorgeworfen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 28. März 2014 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2011 insgesamt aufzuheben, sowie, die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 28. März 2014 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen sowie, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor: Selbst wenn, wie von der Vorinstanz angenommen, am 1. August 2010 der Kläger eine hauptberufliche, selbstständige Tätigkeit aufgenommen hätte, wären damit nicht alle Voraussetzungen für den Gründungszuschuss ab diesem Datum erfüllt. Denn Voraussetzung sei nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a. F. u. a., dass der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III oder eine Beschäftigung ausgeübt habe, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden sei. Diese Voraussetzung habe bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 1. August 2010 nicht vorgelegen. Denn der Kläger habe weder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt noch eine Beschäftigung ausgeübt, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gefördert worden sei. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld habe ab dem 1. Februar 2010 mangels Vorliegen der persönlichen Arbeitslosmeldung nicht mehr vorgelegen, weil allein die Erklärung des Klägers mit dem Antrag auf Gründungszuschuss, ab dem 1. Februar 2010 eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von wöchentlich 15 Stunden oder mehr auszuüben, die Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung beseitigt habe. Eine kurzzeitige Unterbrechung bis zu einem Monat zwischen dem Anspruch auf Entgeltersatzleistungen und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit schließe die Gewährung eines Gründungszuschusses nicht aus, wovon vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden könne. Denn zwischen dem letzten Tag des Bezuges von Arbeitslosengeld am 31. Januar 2010 und dem vom Sozialgericht angenommenen Beginn der selbstständigen Tätigkeit am 1. August 2010 liege ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten.
Anforderungsgemäß überreicht der Kläger Unterlagen des Schriftverkehrs betreffend die Kreditgewährung.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und dem Vorbringen der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von den Beteiligten eingelegten Berufungen sind zulässig, insbesondere liegt eine Berufungsbeschränkung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei beiden Beteiligten nicht vor, weil die Beschwer jeweils den Betrag von 750,00 EUR übersteigt. Bei dem Kläger in Höhe von 6.352,20 EUR (Rückforderung Februar bis Juli 2010 in Höhe von 1.058,70 EUR monatlich), für die Beklagte in Form des Unterliegens bezüglich der Rückforderung des Gründungszuschusses in Höhe von je 1.058,70 EUR für August und September 2010.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Mit Bescheid vom 31. März 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2011 hat die Beklagte zu Recht den dem Kläger bewilligten Gründungszuschuss aufgehoben und während dieser Zeit geleistete Zahlungen erstattet verlangt. Der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Auf die Berufung der Beklagten ist das teilweise stattgebende Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 28. März 2014 daher aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Nach § 57 Abs. 1 SGB III in der bis zum 27. Dezember 2011 geltenden und hier einschlägigen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom 15. Juli 2009 (BGBl. I, S. 1939; im Folgenden a. F.) haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. wird ein Gründungszuschuss geleistet, wenn der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden ist, 2. bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Dauer nicht allein auf § 127 Abs. 3 SGB III [a.F.] beruht, von mindestens 90 Tagen verfügt, 3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung war die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz SGB III a. F.). Fachkundige Stellen waren insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz SGB III a. F.). Als fachkundige Stellen für die Einschätzung der Tragfähigkeit der Existenzgründung können neben den in § 57 Abs. 2 Satz 2 SGB III a. F. exemplarisch benannten Stellen auch Steuerberater in Betracht kommen (vgl. Hassel in Brandt, SGB III, 6. Aufl., § 93 Rn. 12; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Februar 2014 – L 18 AL 155/12 –, Rn. 22, juris).
Eine ausdrückliche Regelung, aus der geschlossen werden kann, dass eine Tätigkeit erst dann aufgenommen ist, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen wird, existiert nicht. Eine selbstständige Tätigkeit ist dann aufgenommen, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 – B 7a AL 34/05 R). Einen genauen Zeitpunkt zu bestimmen, wann die selbstständige Tätigkeit aufgenommen ist, ist im Einzelfall schwierig, denn für den bislang Arbeitslosen auf dem Weg zur Selbstständigkeit sind zahlreiche "vorbereitende Handlungen" erforderlich; es kommt daher auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 a.a.O.). Eine selbstständige Tätigkeit kann auch schon durch Vorbereitungshandlungen aufgenommen werden, soweit diese im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 Al 28/09 R). Den zeitlichen Umfang der Vorbereitungshandlungen hat das BSG weiter dahin präzisiert, dass ein solcher von (mindestens) 15 Wochenstunden vorliegen muss (vgl. Urteil vom 9. Juni 2016 B 11 AL 13/16 R , s. Terminbericht Nr. 23/17 vom 9. Juli 2017). Vorbereitungshandlungen können zudem nur dann als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gewertet werden, wenn sie zielgerichtet und unmittelbar dazu bestimmt sind, hieraus den Lebensunterhalt bestreiten zu können (vgl. BSG vom 5. Mai 2010 a.a.O.; LSG Rheinland-Pfalz vom 29. Okto¬ber 2001 - L 1 AL 122/00 -). Anhaltspunkte für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit können die Anmietung von Gewerbe- oder Geschäftsräumen und deren Ausstattung, Bestellung von Waren oder Produktionsmitteln, Außenwerbung, Buchhaltung, Rechnungslegung, Einrichtung von Geschäftskonten, Kundenwerbung sein. Derartige Gesichtspunkte können aber nicht losgelöst einerseits vom Maßnahmeplan und andererseits von der konkreten Umsetzung der Planung bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gesehen werden, um eine Zuordnung zu Vorbereitungshandlungen und der tatsächlichen Aufnahme abzugrenzen. Die Grenzen hierzu sind fließend. Jedenfalls muss die Überzeugung gefunden werden, dass die Handlungen des Existenzgründers die eingangs erwähnten Voraussetzungen erfüllen. Die Aufnahme setzt keine Unternehmensneugründung voraus, ein Betriebsübergang ist ausreichend (vgl. zum Ganzen Kuhnke in Schlegel/Voelzke, jurisPK SGB III, 1. Aufl. 2014, § 93 SGB III Rn. 16 m.w.N.).
Der Kläger hat eine selbstständige Tätigkeit zum 1. Februar 2010 weder in der ursprünglich geplanten Form als Mitgesellschafter des Unternehmensbereichs M in der Rechtsform einer GbR noch als selbstständiger Physiotherapeut aufgenommen, auch nicht durch die Entfaltung von Vorbereitungshandlungen. Vorliegend plante der Kläger im August 2008/September 2009 eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Für den Bereich M GbR wurde ein Gesellschaftsvertrag geschlossen zwischen dem Kläger und Frau O , die bislang als Einzelunternehmerin unter dem Begriff F /M zwei getrennte Unternehmen betrieb. Nach den Angaben des Klägers waren die bis dato kontaktierten Banken jedoch nicht bereit, ihm für diese beabsichtigte selbstständige Tätigkeit in der Rechtsform der GbR einen Kredit zu gewähren. Vielmehr habe er sich umstellen müssen und erhielt schließlich eine Kreditzusage nur für eine Tätigkeit als Einzelunternehmer in Form eines freiberuflich tätigen Physiotherapeuten in der Praxis der vormals in Aussicht genommenen Mitgesellschafterin. Der konkrete Kreditvertrag mit der I kam am 11. August 2010 zustande. Zur Mittelauszahlung selbst ist es allerdings dann wegen weiterer Schwierigkeiten erst im September 2010 gekommen. Es mag zwar sein, dass der Kläger Teilschritte zum Einstieg in die selbstständige Tätigkeit vorgenommen hat, wie die Einrichtung des Arbeitsplatzes, Einarbeitung in die Finanzgestaltung, Therapieplanung, Mitarbeiterführung. Allerdings hat das BSG in seiner Entscheidung vom 1. Juni 2006 (a.a.O.) ausdrücklich darauf abgestellt, dass eine selbstständige Tätigkeit erst dann aufgenommen wird, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird. Eine solche unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung kann in den von dem Kläger beschriebenen Tätigkeiten jedoch nicht gesehen werden, mögen sie auch für sein Vorhaben von Bedeutung gewesen sein. Dies gilt auch für die Verhandlungen mit den Banken. Selbst bei Unterstellung zeitlich intensiver Verhandlungen zur Erlangung eines Kredits stellen diese keine Vorbereitungshandlungen im Sinne der Rechtsprechung dar. Denn sie sind, da nicht integraler Bestandteil der angestrebten selbstständigen Tätigkeit als Physiotherapeut, nur mittelbar auf die der Gewinnerzielung dienende Handlung gerichtet. Hinzu kommt, dass erst bei Abschluss des Kreditvertrages am 11. August 2010 für den Kläger klar war, dass die Voraussetzungen für die Umsetzung seiner geplanten selbstständigen Tätigkeit gegeben waren, z. B. auch für das Tätigen von Anschaffungen. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die vom Kläger angegebene Einrichtung des Arbeitsplatzes als Vorbereitungshandlung nicht plausibel. Der Mietvertrag, der es ihm überhaupt ermöglichte, in den Räumen des Gesundheitszentrums F als Physiotherapeut selbstständig tätig zu sein, stammt erst vom 18. August 2010 mit Beginn des Mietverhältnisses zum 1. September 2010. In der abgeschlossenen Zusatzvereinbarung vom 30. August 2010 hieß es sogar, dass das Mietverhältnis erst zum 1. Oktober 2010 beginnen sollte. Im Übrigen hat der Kläger auch in seiner Berufungsschrift deutlich gemacht, dass er weder Anschaffungen für seine konkrete Tätigkeit als selbstständiger Physiotherapeut vornehmen noch die Tätigkeit selbst vor Bewilligung des Kredits aufgrund der Bestimmungen des Kreditvertrages aufnehmen durfte. Insofern können die von ihm geschilderten Maßnahmen nicht als Vorbereitungshandlungen im Sinne der Rechtsprechung angesehen werden. Dem steht auch nicht das den Kläger vom Vorwurf des Sozialleistungsbetruges durch Unterlassen (§§ 263, 13 StGB) freisprechende Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 27. Juni 2012 entgegen. Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass in der Urteilsbegründung festgestellt worden sei, die von ihm ab dem 1. Februar 2010 getätigten Handlungen stellten Vorbereitungshandlungen im Sinne der Rechtsprechung des BSG dar, weshalb der Senat über die Bindungswirkung des Strafurteils hieran gebunden sei, ist dem zu widersprechen. Eine in diesem Sinne zwingende Bindungswirkung kommt dem Urteil nicht zu. Der rechtskräftige Freispruch verbraucht die Strafklage und steht fortan einer Sanktionierung wegen der nämlichen Tat entgegen. Eine Tatsachenbindung gehört aber nicht zum Wesen der Rechtskraft (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03 -). In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass jedenfalls dann, wenn eine weitgehende Identität des den Gegenstand des zu entscheidenden (hier sozialgerichtlichen) Rechtsstreits und des Strafverfahrens bildenden Sachverhalts vorliegt, das rechtskräftige Strafurteil nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl. BSG, Urteile vom 30. Juli 1981 -10/8b RAr 4/80 -; 26. Juni 1987 - 5a RKn 2/86; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Oktober 2011 - L 11 KA 30/09; OLG Koblenz, Urteil vom 7. April 1944 - 5 U 89/91 - m.w.N.; Roos in von Wulffen/Schütze SGB X, 8. Aufl. 2014 vor § 39 Rn. 4f). Das Strafurteil ist aber für den Zivilrichter genauso wie für den Sozialrichter nicht bindend, er muss sich aber mit den darin getroffenen Feststellungen auseinandersetzen und sie würdigen, darf also auch gegenteilig entscheiden. Anders liegt es dort, wo das Strafurteil Tatbestandsvoraussetzung eines Anspruchs ist (vgl. OLG Koblenz a.a.O.; BSG, Beschluss vom 27. Juni 2007 - B 6 KA 20/07 B -; vgl. hierzu auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl. § 14 EGZPO Rn. 1). Zugrundeliegender Sachverhalt in beiden Verfahren ist die Frage, ob der Kläger verpflichtet war, die Änderungen betreffend die von ihm angezeigte selbstständige Tätigkeit im Zusammenhang mit dem ihm bewilligten Gründungszuschusses der Beklagten mitzuteilen und gegebenenfalls, wie diese Nichtmitteilung zu würdigen ist. Über die in diesem Zusammenhang auch vom Amtsgericht zu berücksichtigende Frage des eventuellen Vorliegens einer Vorbereitungshandlung im Sinne der sozialgerichtlichen Rechtsprechung hat das Amtsgericht aber bereits keine Entscheidung getroffen. Denn es hat hierzu lediglich ausgeführt, dass "die Rechtsauffassung des Angeklagten, die von ihm begleitend zu seiner freiberuflichen Tätigkeit als Physiotherapeut durchgeführte Suche insbesondere nach einer finanzierenden Bank, nachdem die ursprüngliche Finanzierungszusage einer anderen Bank zurückgezogen wurde, stellte eine förderungswürdige selbstständige Tätigkeit im Sinne des § 57 SGB III dar, jedenfalls nicht als gänzlich unvertretbar" sei.
Auch die Annahme des Beginns einer selbstständigen Tätigkeit ab Juli 2010 – oder August 2010, wie vom Sozialgericht angenommen – kommt vorliegend nicht in Betracht. Der Kläger hat im Laufe des Verfahrens von ihm gegenüber der Frau O gestellte Rechnungen für Verdienste als freier Mitarbeiter aus physiotherapeutischer Behandlung für die Monate Juli bis Oktober 2010 vorgelegt. Ob die Tätigkeit als freier Mitarbeiter in ihrer konkreten Ausgestaltung tatsächlich eine selbstständige Tätigkeit darstellt, kann im Ergebnis dahinstehen. Die Annahme eines Beginns der selbstständigen Tätigkeit am 1. Juli oder später kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil hierfür nicht alle Voraussetzungen für den Gründungszuschuss erfüllt sind. Denn der Kläger müsste dann bis zu diesem Tag einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt haben. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Wie die Beklagte zutreffend darauf hinweist, bestand ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 1. Februar 2010 mangels Vorliegen der persönlichen Arbeitslosmeldung nicht mehr, weil allein die Erklärung des Klägers mit dem Antrag auf Gründungszuschuss, ab dem 1. Februar 2010 eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mehr als wöchentlich 15 Stunden oder mehr auszuüben, die Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung beseitigt hat (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2000 - B 7 AL 2/200 R -; siehe zur Erlöschenswirkung auch Urteil vom 11. März 2014 – B 11 AL 4/14 R -). Zutreffend weist die Beklagte weiter darauf hin, dass auch keine nur kurzzeitige Unterbrechung bis zu einem Monat zwischen dem Anspruch auf Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit liegt. Nur unter diesen Voraussetzungen wäre die Gewährung eines Gründungszuschusses nicht ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R -).
Unabhängig davon erfüllt der Kläger zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 1. Juli 2010 darüber hinaus die Anspruchsvoraussetzungen auch deshalb nicht, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über den nach dem Gesetz erforderlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügte. Nach Aktenlage verfügte der Kläger ab dem 4. August 2009 über einen Arbeitslosengeldanspruch mit einer angenommenen Bewilligungsdauer von 360 Tagen, so dass dieser bei einem angenommenen Beginn der selbstständigen Tätigkeit am 1. Juli 2010 der Alg- Anspruch keine 90 Tage mehr umfasste. Dies gilt erst recht im Hinblick auf den von Seiten des Sozialgerichts angenommenen Beginn der selbstständigen Tätigkeit ab dem 1. August 2010; zu dieser Zeit war der Alg-Anspruch nahezu erschöpft.
Hiernach steht fest, dass der Kläger für den hier streitigen Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis 30. September 2010 nicht die Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III a. F. erfüllte. Auch wenn damit von Beginn an des begehrten Gründungszuschusses die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nicht erfüllt sind, erfolgte die Bewilligung vorliegend zuvor, nämlich mit Bescheid vom 26. Januar 2010, so dass sich die Frage stellt, auf welchen Zeitpunkt für die vorliegende Rechtswidrigkeit der Bewilligung abzustellen ist. Die Rücknahme eines rechts¬widrigen Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X setzt voraus, dass die Rechtswidrigkeit bereits im Zeitpunkt seines Erlasses bestanden hat, also ursprüngliche Rechtswidrigkeit vorlag. Erlassen in diesem Sinne ist ein Verwaltungsakt gemäß § 39 Abs. 1 SGB X mit dem Eintritt seiner Wirksamkeit, d. h. gemäß Abs. 1 Satz 1 der genannten Vorschrift mit Bekanntgabe. Tritt die Rechtswidrigkeit nach Erlass ein, liegt ein Fall der nachträglichen Rechtswidrigkeit nach § 48 SGB X vor, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn die Änderung eine rückwirkende Änderung auf den Zeitpunkt des Erlasses oder davor bewirkt (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juni 2004 B 7 AL 102/03 R -). Ebenfalls nach § 48 SGB X kann eine schon anfänglich rechtswidrige Bewilligung aufgehoben werden, wenn eine bei der Bewilligung zu Recht als erfüllt angesehene Leistungsvoraussetzung nachträglich wegfällt (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 1996 – 10 RKG 27/93 -). Mängel der Sachverhaltskenntnis sind danach für Rücknahmeentscheidungen nach § 45 SGB X relevant, soweit der einer Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt mit der Sachlage bei Bekanntgabe objektiv nicht übereinstimmt. Von einem schon anfänglich unzutreffenden Sachverhalt ist die Behörde in Konstellationen bei ungewissem Geschehensablauf in der Zukunft ausgegangen, wenn sie im Zeitpunkt der Entscheidung von Annahmen ausgegangen ist, die sie nach den jeweils maßgeblichen materiellspezifischen Vorschriften nicht hätte zugrunde legen dürfen. Konnte sie bei ungewissem Geschehensablauf von einer Prognose über die künftige Entwicklung ausgehen, so war diese nur unzutreffend, wenn sie auch unter Berücksichtigung der Prognoseunsicherheit nach den im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung objektiv verfügbaren Umständen bereits von Anfang an fehlerhaft war (vgl. Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, a.a.O. § 45 Rn. 32 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteil vom 25. Januar 2001 – B 4 RA 110/00 R -). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist vorliegend von einem Fall der nachträglichen Rechtswidrigkeit nach § 48 SGB X auszugehen, denn nach den von dem Kläger selbst gemachten Angaben und den für die Bewilligung weiter erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere nach § 57 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB III a. F., war im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides – von dessen Zustellung gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X am 30. Januar 2010 auszugehen ist – von einer rechtmäßigen Bewilligung auszugehen. Insbesondere hatte der Kläger noch am 20. Januar 2010 der Beklagten mitgeteilt, dass die Selbstständigkeit tatsächlich zum 1. Februar 2010 aufgenommen würde. Auf die von Seiten des Sozialgerichts aufgeworfene Fragestellung der Problematik bei Prognoseentscheidungen kommt es daher nicht an. Denn eine von Seiten der Beklagten zu treffende Prognose, die sich im Nachhinein als nicht richtig erwiesen hat, ist hier nicht gegeben. Zwar stellt die Stellungnahme der fachkundigen Stelle hinsichtlich der Tragfähigkeit der Existenzgründung die Entscheidungsgrundlage für die Beklagte dar. Die Entscheidung über die Tragfähigkeit der Existenzgründung ist ihrem Wesen nach auch eine Prognoseentscheidung, weil die Entscheidung die Leistung nach deren Sinn und Zweck, nämlich die Sicherung des Lebensunterhalts sowie die soziale Sicherung der Anfangszeit der Unternehmensgründung zu ermöglichen, zeitnah ergehen muss. Diese Entscheidung ist auch nicht bereits dadurch fehlerhaft, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse anders als prognostiziert entwickeln. Vorliegend ging es jedoch nicht darum, dass die Tragfähigkeit der Existenzgründung sich anders entwickelt hat als zunächst angenommen, sondern dass eine selbstständige Tätigkeit nicht zum angekündigten Zeitpunkt aufgenommen wurde. Ist damit § 48 SGB X anwendbar, ist in der Nichtaufnahme der selbstständigen Tätigkeit ab dem 1. Februar 2010 eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Gründungszuschusses eingetreten (s. o.).
Die Aufhebung durch die Beklagte erfolgte zu Recht auch für die Vergangenheit, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X. Mit dem Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass hier zumindest die Nr. 2 erfüllt ist, weil der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt hat, dass er die eigentliche Tätigkeit der Selbstständigkeit nicht wie vorgesehen am 1. Februar 2010 aufgenommen hat. Insofern kann auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen werden. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger bereits bei Antragstellung mit einer entsprechenden Erklärung verpflichtet hat, der Beklagten unverzüglich alle Änderungen mitzuteilen, die Auswirkungen auf die Leistung haben könnten. Selbst wenn der Kläger – irrig – davon ausgegangen sein sollte, dass sein Bemühen der Finanzierung des Vorhabens als Vorbereitungshandlung für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ausreichend ist, hätte er sich zur Abklärung, ob dies tatsächlich zutreffend ist, mit der Beklagten in Verbindung setzen müssen.
Auch bezüglich des Vorliegens grober Fahrlässigkeit ist der Senat nicht durch das strafgerichtliche Urteil (a.a.O.) gebunden. Unabhängig davon, dass eine diesbezügliche Bindungswirkung des Urteils betreffend die rechtliche Würdigung nicht gegeben ist (s. o.), hat das Amtsgericht auch nicht über das Vorliegen grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X entschieden, sondern über das Nichtvorliegen (bedingt) vorsätzlichen Handelns im Rahmen der Prüfung eines möglichen Betrugs durch Unterlassen. Eine präjudizielle Wirkung für das im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X zu prüfende Vorliegen grober Fahrlässigkeit ergibt sich hieraus für den Senat nicht. Soweit das Amtsgericht davon ausgeht, dass schon nicht klar sei, welche Tatsachen im konkreten Fall der Kläger der Beklagten hätte mitteilen müssen, weil sich diese weder aus dem Antrag noch aus den Merkblättern ergebe, erachtet der Senat bereits diese Feststellung für nicht für plausibel. Der Kläger hat für eine bestimmte selbstständige Tätigkeit einen Antrag gestellt und für diese die entsprechenden Unterlagen einschließlich der Erläuterung der Beschreibung des Existenzgründungsvorhabens und der Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt. Ihm musste daher auch aus laienhafter nicht juristisch vorgebildeter Sicht deutlich sein, dass er im Sinne der geplanten und beantragten Form nicht selbstständig tätig war. Sowohl seine gegenüber dem Senat als offensichtlich auch gegenüber dem Amtsgericht geäußerte Auffassung, bereits ab dem 1. Februar 2010 selbstständig tätig gewesen zu sein, ist mit den auch von ihm selbst vorgetragenen Umständen zur Erlangung des Gründungszuschusses nicht in Einklang zu bringen (s.o.). In dem strafrechtlichen Urteil heißt es weiter, dass dem Kläger nicht der (strafrechtliche) Vorwurf gemacht werden könne, es unterlassen zu haben, der Beklagen die tatsächlichen, sich verändernden Umstände mitgeteilt zu haben. Dies wird daraus gefolgert, dass der Kläger ansonsten der Beklagten im Rahmen der Antragstellung auf Weitergewährung nicht mitgeteilt hätte, eine Selbstständigkeit bislang nicht aufgenommen zu haben. Denn ansonsten, nämlich im Falle einer Bösgläubigkeit des Klägers, wäre es fernliegend, sich durch einen Folgeantrag dem Risiko einer Rückforderung auszusetzen. Auch diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen, denn es geht nicht um die Würdigung des Verhaltens des Klägers im November 2010 und dass er sich gegenüber der Beklagten sonst anders verhalten hätte, sondern darum, dass es dem Kläger bereits am 1. Februar 2010 eingedenk der zahlreichen und auch vom Amtsgericht aufgeführten Hinweise und Mitteilungspflichten klar sein musste, dass eine Änderung der im Antrag angegeben selbstständigen Tätigkeit eingetreten ist. Auch aus der Teilstattgabe des Widerspruchs durch die Beklagte betreffend den Monat Oktober 2010 kann entgegen der amtsgerichtlichen Auffassung nicht auf ein Nichtvorliegen grober Fahrlässigkeit für die Zeit ab 1. Februar 2010 rückgeschlossen werden.
Dass die Beklagte ihre Entscheidung auf § 45 SGB X und nicht auf § 48 SGB X gestützt hat, führt nicht zu einer Rechtwidrigkeit der Aufhebung. Einer Umdeutung bedarf es nicht. Es ist, wenn die Aufhebung statt auf § 45 SGB X nunmehr auf § 48 SGBX gestützt wird, nicht die Regelung, also der Verfügungssatz des Verwaltungsaktes, betroffen, sondern nur seine Begründung. Es handelt sich um ein Problem der falschen Rechtsgrundlage, was aber nichts daran ändert, dass die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes vom Gericht unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen ist. Beim Wechsel von § 45 SGB X zu § 48 SGB X als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung tritt regelmäßig eine unzulässige Änderung von Regelungsumfang oder Wesensgehalt nicht ein; die beiden Normen sind auf dasselbe Ziel gerichtet (BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 18/05 R-). Sie erfassen auch vorliegend denselben Lebenssachverhalt, denn der Kläger macht nunmehr gerade die tatsächliche Ausübung der selbständigen Tätigkeit geltend. Eine unzulässige Beeinträchtigung und Erschwerung der Rechtsverteidigung liegt somit nicht vor. Das bloße vom Wunsch des Betroffenen getragene Interesse daran, dass ein belastender Verweisungsakt nicht nachträglich auf eine ihn tragendende andere Rechtsgrundlage gestützt wird, ist rechtlich nicht geschützt (BSG, Urteil vom 15.08.2002 - B 7 AL 66/01 R -). Eine Ermessensausübung durch die Beklagte ist weder im Rahmen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X noch im Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X erforderlich (§ 330 Abs. 2, 3 SGB III). Der Kläger hat der Beklagten die ihm gewährten Leistungen gemäß § 50 Abs.1 SGB X zu erstatten. Die Höhe der Erstattung wird vom Kläger nicht angegriffen. Anhaltspunkte für eine Falschberechnung ergeben sich auch nicht nach Aktenlage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung eines dem Kläger bewilligten Gründungszuschusses aufgehoben und bezogene Leistungen für die Zeit vom 1. Februar bis 30. September 2010 erstattet verlangt hat.
Der 1975 geborene Kläger hat eine nicht abgeschlossene Ausbildung zum Bankkaufmann durchlaufen, eine Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel mit Abschluss (am 30. Juni 1998) und von 2003 bis 2006 eine Ausbildung zum Physiotherapeuten mit Abschluss (vom 9. April 2006). Seit 2006 hat der Kläger als Physiotherapeut im "F " – Das Gesundheitszentrum gearbeitet, seit dem 1. Januar 2009 als dessen stellvertretender Leiter. Das Beschäftigungsverhältnis wurde nach seinen Angaben aus betrieblichen Gründen gekündigt; seit dem 4. August 2009 bestand Arbeitslosigkeit. Nachdem der Kläger am 18. August 2009 zunächst mündlich einen Antrag gestellt hatte, stellte er am 28. Oktober 2009 schriftlich einen Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach § 57 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) a. F. mit der Angabe, dass er sich am 1. Februar 2010 als Physiotherapeut selbstständig machen wolle bei einer beabsichtigten selbstständigen Tätigkeit von ca. 50 Wochenstunden. Anforderungsgemäß übersandte der Kläger eine Gewerbeanmeldung vom 7. Januar 2010 bei gleichem Beginndatum der angemeldeten Tätigkeit - Betrieb eines Gesundheitsstudios -, ferner ein Schreiben vom 28. November 2009, nach dem sich die Finanzierung verzögern werde, er - der Kläger - aber eine mündliche Zusage habe und er voraussichtlich zum 1. Januar 2010 mit der Selbstständigkeit starten könne. Weiter wurden vorgelegt die Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 31. August 2009, der Gesellschaftsvertrag zum Geschäftsbereich M vom 1. September 2009, das (unvollständige) Konzept betreffend F Das Gesundheitszentrum, das Prüfungszeugnis der IHK betreffend die kaufmännische Ausbildung sowie diverse Urkunden und ein Lebenslauf. Mit Bescheid vom 26. Januar 2010 bewilligte die Beklagte die Förderung der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit und gewährte dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 31. Oktober 2010 einen Gründungszuschuss in Höhe von monatlich 1.058,70 EUR. Nach Aktenlage beantragte der Kläger am 8. November 2010 die Weitergewährung des Gründungszuschusses und gab im Rahmen dieses Kontaktes an, dass er unternehmerische Tätigkeiten im Folgeantrag nicht angeben könne, da es bisher nicht zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gekommen sei. Die Investitionsbank habe die Mittel bisher nicht bewilligt und ihn mehrfach vertröstet, in Kürze sei jedoch von einer Bewilligung auszugehen. Mit Schreiben vom 1. März 2011 hörte die Beklagte den Kläger zu einem möglicherweise unrechtmäßigen Leistungsbezug an, weil er seine selbstständige Tätigkeit nicht aufgenommen habe, weshalb der Gründungszuschuss in dem Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis 31. Oktober 2010 in Höhe von 9.528,30 EUR zu Unrecht gezahlt worden sei. Die Beklagte verwies auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X). In seiner Stellungnahme gab der Kläger an, dass der Bankkredit wegen der beabsichtigten Rechtsform als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) versagt worden sei. Die Bank habe nur die Selbstständigkeit in die Physiotherapie unterstützen wollen. Er habe diesem Druck nachgegeben und sich nur in der Physiotherapie selbstständig gemacht. Das Darlehen habe er gebraucht, um die Grundausstattung zu erwerben, ansonsten wäre die Selbstständigkeit unmöglich gewesen. In diesem Durcheinander mit der Bank habe er nicht an seine Pflichten als Leistungsempfänger gedacht und vergessen, der Beklagten die neue Situation zu schildern. Fakt sei aber, dass er sich in dem genannten Zeitraum selbstständig gemacht habe, dass nur die Gesellschaftsform eine andere sei. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31. März 2011 hob die Beklagte die Bewilligung des Gründungszuschusses ab dem 1. Februar 2010 bis 31. Oktober 2010 auf. Der Kläger habe für diesen Zeitraum einen Gründungszuschuss für den Betrieb eines Gesundheitsstudios erhalten, hierzu sei das Gewerbe als GbR angemeldet worden. Tatsächlich habe er diese Tätigkeit aber im Rahmen der GbR nicht aufgenommen, so dass die Voraussetzungen für die Zahlung des Gründungszuschusses nicht mehr vorgelegen hätten. Der überzahlte Betrag von 9.528,30 EUR sei von ihm zu erstatten. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er sein bisheriges Vorbringen wiederholte und vertiefte. Weiter trug er vor, dass er zum 1. Oktober 2010 unter der gleichen Adresse eine Einzelpraxis für Physiotherapie gegründet habe. Zwar liege auf seiner Seite eine Pflichtverletzung vor, gleichwohl sei es aber zu einer erfolgreichen Existenzgründung gekommen. Die Verpflichtung zur Rückzahlung insbesondere des vollen Gründungszuschusses stelle eine besondere Härte dar. Des Weiteren legte der Kläger einen Mietvertrag mit Zusatzvereinbarungen sowie eine von ihm an die M ausgestellte Rechnung für seine freie Mitarbeit im Oktober 2010 sowie weitere Unterlagen vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2011 änderte die Beklagte den Bescheid vom 31. März 2011 betreffend den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. Oktober 2010 ab, gab für diesen Zeitraum dem Widerspruch statt und reduzierte den Forderungsbetrag für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 30. September 2010 auf 8.469,60 EUR. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wies die Beklagte im Wesentlichen darauf hin, dass der Kläger erst seit dem 1. Oktober 2010 als Physiotherapeut in einer Einzelpraxis selbstständig tätig geworden sei. Die Gewährung des Gründungszuschusses sei aber zwingend an die Aufnahme einer hauptberuflichen, selbstständigen Tätigkeit geknüpft, womit die Voraussetzungen für den Anspruch ab dem 1. Februar 2010 nicht vorlägen. Aus welchen Gründen die Tätigkeit nicht habe aufgenommen werden können, sei unerheblich. Die Beklagte verwies auf die Vorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X, weil der Kläger unrichtige Angaben gemacht habe. Zudem habe er die Rechtswidrigkeit der Bewilligung gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt. Weil ihm jedoch für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Oktober 2010 keine Bösgläubigkeit vorgeworfen werden könne, sei die Rücknahme auf die Zeit bis zum 30. September 2010 begrenzt worden.
Hiergegen hat der Kläger am 23. Juni 2011 Klage vor dem Sozialgericht Lübeck erhoben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen weiter vertieft und ausgeführt, dass er zum 1. Oktober 2010 als Einzelunternehmer an die Öffentlichkeit gegangen sei. Bis dahin habe er seine selbstständige Tätigkeit vorbereiten müssen. Ab dem 1. August 2010 habe er als freier Mitarbeiter für Frau O gearbeitet. Spätestens ab August 2010 sei er in Vollzeit selbstständig tätig. Im Hinblick auf das von Seiten der Beklagten und vom Sozialgericht unterstützte Vergleichsangebot Verzicht auf die Rückforderung für August und September 2010 hat der Kläger weiter ausgeführt, von ihm intensiv entfaltete Tätigkeiten seien bereits Teil der selbstständigen Tätigkeit gewesen. Die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit sei nicht mit der Erzielung von Umsätzen gleichzustellen. Er habe einen Businessplan vorgelegt, der die Finanzierung der erforderlichen Aufwendungen für die Betriebsausstattung ausdrücklich als Grundbedingung nenne. Die aufgetretenen Verzögerungen seien außerhalb seines Verantwortungsbereichs aufgetreten. Die konkrete Kreditzusage datiere vom 11. August 2010, zur Auszahlung sei es erst spät im September gekommen. Die Formulierungen des den Kläger seinerzeit beratenden Steuerberaters seien zudem unglücklich gewesen und könnten den Eindruck erwecken, der Kläger habe bis zum 1. Oktober 2010 nichts gemacht. Tatsächlich hätte er sogar Anspruch auf die Anschlussfinanzierung. Des Weiteren hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er von dem Vorwurf des Betrugs zu Lasten der Beklagten mit Urteil vom 6. Juni 2012 freigesprochen worden sei (Amtsgericht Lübeck, 61 Ds 711 Js 24051/11). Nach diesem Urteil habe das Gericht keine Anhaltspunkte dafür erkennen können, dass eine Pflichtverletzung gegenüber der Beklagten vorgelegen habe. Zudem habe das Amtsgericht die vom Kläger in der streitigen Zeit vorgenommenen Handlungen als Vorbereitungshandlungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gewertet. Der Kläger hat die von ihm gegenüber Frau O ausgestellten Rechnungen für seine freie Mitarbeit für die Monate August und September 2010 über 1.182,06 EUR bzw. 1.368,18 EUR vorgelegt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 31. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2011 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids bezogen.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28. März 2014 hat das Sozialgericht mit Urteil vom gleichen Tage der Klage teilweise stattgegeben und den Bescheid vom 31. März 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2011 insoweit abgeändert, als der am 1. Februar 2010 beginnende Aufhebungs- und Erstattungszeitraum bereits am 31. Juli 2010 geendet hat und sich der Rückforderungsbetrag entsprechend reduziert. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Aufhebung sei entgegen der Beklagten nicht § 45 SGB X, sondern der § 48 SGB X. Denn es sei von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X nach Bescheiderteilung auszugehen. Der Sachverhalt bei einer Prognoseentscheidung sei nach § 48 SGB X zu beurteilen, wenn die Prognose fortbestehen müsse, um die Leistungsbewilligung weiterhin zu rechtfertigen. So liege der Fall hier. Dem Bewilligungsbescheid vom 28. Januar 2010 habe die Prognose zugrunde gelegen, dass bezogen auf den Bewilligungsbeginn am 1. Februar 2010 alle Leistungsvoraussetzungen vorlägen. Diese Prognose sei im Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides nicht falsch gewesen. Sie habe sich nur später als prognostiziert realisiert. Die insoweit in den Bescheiden unzutreffend bestimmte Rechtsgrundlage führe jedoch nicht zur Aufhebbarkeit der Bescheide, sondern könne umgedeutet werden, da hier sowohl im Falle des § 45 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III als auch im Falle des § 48 SGB X eine gebundene Entscheidung und keine Ermessensentscheidung zu treffen gewesen sei. Hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen für den Gründungszuschuss sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Denn die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit könne erst mit Wirkung ab 1. August 2010 festgestellt werden. Eine selbstständige Tätigkeit könne auch schon vor der eigentlichen "Geschäftseröffnung" aufgenommen werden. Vorbereitende Maßnahmen seien nach der Rechtsprechung jedoch nur dann als "Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" zu werten, wenn diese Maßnahmen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalteten und sie ferner nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept zielgerichtet und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet seien. Eine derartige vorbereitende Tätigkeit könne für die Zeit vor dem 1. August 2010 nicht festgestellt werden. Den vom Kläger vorgetragenen Verhandlungen mit den Banken und Investoren fehle zum einen die Unmittelbarkeit des Zusammenhanges mit der eigentlichen auf berufsmäßigen Erwerb gerichteten und der Gewinnerzielung dienenden Geschäftstätigkeit und zum anderen die erforderliche Außenwirkung. Die erforderliche Unmittelbarkeit fehle ebenso bezüglich der ggf. geführten Gespräche und Vertragsverhandlungen mit der ursprünglich angedachten Partnerin und bezüglich des Abschlusses des Mietvertrages über die Praxisräume, der auch erst am 18. August 2010 erfolgt sei. Mit Wirkung ab 1. August 2010 könne wegen der nunmehr unmittelbaren Geschäftstätigkeit als Physiotherapeut bereits die eigentliche Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit angenommen werden mit der Folge der Erfüllung aller Voraussetzungen für den Gründungszuschuss. Dass diese Tätigkeit noch in fremden Räumen durchgeführt worden sei, sei insoweit nicht von Belang. Die Aufhebung sei auch zu Recht mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt. Denn der Kläger habe seine Mitteilungspflichten nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) verletzt. Denn er habe weder mitgeteilt, dass die geplante Gesellschaftsform nicht umgesetzt werden könne, noch dass die ursprüngliche Gewerbeanmeldung aufgehoben bzw. habe abgeändert werden müssen und insbesondere nicht, dass die eigentliche Tätigkeit nicht wie vorgesehen habe aufgenommen werden können. Dieser Verpflichtung sei er zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Weil dem Kläger für jeden Monat Leistungen für die Aufnahme einer Geschäftstätigkeit zugeflossen seien, hätte ihm einleuchten müssen, dass die Nichtaufnahme der Geschäftstätigkeit mitzuteilen gewesen wäre. Die Frage, ob der Kläger gewusst habe oder hätte wissen müssen, welche rechtlichen Konsequenzen sich hieraus ergäben, sei nicht von Bedeutung.
Gegen das dem Kläger am 3. Juli 2014 zugestellte Urteil richtet sich seine am 23. Juli 2014 eingegangene Berufung, gegen das der Beklagten am 1. Juli 2014 zugegangene Urteil richtet sich deren Berufung vom 18. Juli 2014.
Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus: Die Umdeutung des Gerichts betreffend die Aufhebung der Entscheidung von § 45 SGB X in eine solche nach § 48 SGB X begegne rechtlichen Bedenken. Der Ansatz, es läge keine Ermessensentscheidung vor, sei unzutreffend. Das Sozialgericht habe bei seiner Bewertung der Vorbereitungshandlung die tatsächlichen Voraussetzungen außer Acht gelassen. Ausgangspunkt des Geschäftsplanes sei die hälftige Übernahme des bereits langjährig bestehenden Betriebs des aus F Gesundheitsstudio und der Physiotherapie M bestehenden Betriebs von Frau O. Die hierzu erforderlichen Schritte, wie die Einrichtung des Arbeitsplatzes des Klägers, Einarbeitung in die Finanzgestaltung, Therapieplanung usw. hätten ab Ostern 2010 vorgelegen. Selbst die Außenwirkung sei gegeben gewesen, weil der Einstieg des Klägers mehrfach im Gesundheitsstudio schriftlich an der Infotafel angekündigt worden sei. Der Kapitaleinsatz für die Übernahme des vorgesehenen Anteils hätte jedoch nicht ausgeführt werden dürfen, solange die Vorgaben des beantragten Kredits nicht eingehalten würden. Der Kläger sei jederzeit anfangsbereit gewesen. Von den Kreditinstituten sei ihm eingeschärft worden, dass Anschaffungen vor Bewilligung des Kredits ebenso zur Rückforderung desselben führen würden wie die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit. Da alle Vorbereitungen abgeschlossen gewesen seien, sei jede der Handlungen, die der Kläger seit Februar 2010 vorgenommen habe, darauf gerichtet gewesen, die Hindernisse für die Kreditvergabe zu beseitigen. Dies seien jene Vorbereitungshandlungen, die das Bundessozialgericht (BSG) in dem Urteil B 11 AL 28/09 R aufgezeigt habe. Zudem sei auf die im Rahmen des Strafverfahrens geprüften rechtlichen Aspekte abzustellen. Der Kläger sei dort nach Zeugenanhörung und Prüfung der sozialrechtlichen Grundlagen freigesprochen worden. Ihm könne auch nicht entgegengehalten werden, irgendetwas zögerlich angegangen zu sein. Er habe sich Rat von geschulten Unternehmensberatern und seinem Steuerberater geholt und hierauf vertrauen können und müssen. Nichts habe in diesem Zusammenhang darauf hingedeutet, dass irgendeine Änderung eingetreten gewesen sei, die das Geschäftsmodell in der Laiensphäre des Klägers verändert habe. Eine solche Anzeigepflicht, wie sie von der Beklagten und vom Vordergericht vertreten werde, würde der Rechtsprechung des BSG entgegenstehen. Dem Kläger könne keine grob fahrlässige Verletzung seiner Mitteilungspflichten vorgeworfen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 28. März 2014 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2011 insgesamt aufzuheben, sowie, die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 28. März 2014 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen sowie, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor: Selbst wenn, wie von der Vorinstanz angenommen, am 1. August 2010 der Kläger eine hauptberufliche, selbstständige Tätigkeit aufgenommen hätte, wären damit nicht alle Voraussetzungen für den Gründungszuschuss ab diesem Datum erfüllt. Denn Voraussetzung sei nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a. F. u. a., dass der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III oder eine Beschäftigung ausgeübt habe, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden sei. Diese Voraussetzung habe bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 1. August 2010 nicht vorgelegen. Denn der Kläger habe weder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt noch eine Beschäftigung ausgeübt, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gefördert worden sei. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld habe ab dem 1. Februar 2010 mangels Vorliegen der persönlichen Arbeitslosmeldung nicht mehr vorgelegen, weil allein die Erklärung des Klägers mit dem Antrag auf Gründungszuschuss, ab dem 1. Februar 2010 eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von wöchentlich 15 Stunden oder mehr auszuüben, die Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung beseitigt habe. Eine kurzzeitige Unterbrechung bis zu einem Monat zwischen dem Anspruch auf Entgeltersatzleistungen und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit schließe die Gewährung eines Gründungszuschusses nicht aus, wovon vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden könne. Denn zwischen dem letzten Tag des Bezuges von Arbeitslosengeld am 31. Januar 2010 und dem vom Sozialgericht angenommenen Beginn der selbstständigen Tätigkeit am 1. August 2010 liege ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten.
Anforderungsgemäß überreicht der Kläger Unterlagen des Schriftverkehrs betreffend die Kreditgewährung.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und dem Vorbringen der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von den Beteiligten eingelegten Berufungen sind zulässig, insbesondere liegt eine Berufungsbeschränkung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei beiden Beteiligten nicht vor, weil die Beschwer jeweils den Betrag von 750,00 EUR übersteigt. Bei dem Kläger in Höhe von 6.352,20 EUR (Rückforderung Februar bis Juli 2010 in Höhe von 1.058,70 EUR monatlich), für die Beklagte in Form des Unterliegens bezüglich der Rückforderung des Gründungszuschusses in Höhe von je 1.058,70 EUR für August und September 2010.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Mit Bescheid vom 31. März 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2011 hat die Beklagte zu Recht den dem Kläger bewilligten Gründungszuschuss aufgehoben und während dieser Zeit geleistete Zahlungen erstattet verlangt. Der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Auf die Berufung der Beklagten ist das teilweise stattgebende Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 28. März 2014 daher aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Nach § 57 Abs. 1 SGB III in der bis zum 27. Dezember 2011 geltenden und hier einschlägigen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom 15. Juli 2009 (BGBl. I, S. 1939; im Folgenden a. F.) haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. wird ein Gründungszuschuss geleistet, wenn der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden ist, 2. bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Dauer nicht allein auf § 127 Abs. 3 SGB III [a.F.] beruht, von mindestens 90 Tagen verfügt, 3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung war die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz SGB III a. F.). Fachkundige Stellen waren insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz SGB III a. F.). Als fachkundige Stellen für die Einschätzung der Tragfähigkeit der Existenzgründung können neben den in § 57 Abs. 2 Satz 2 SGB III a. F. exemplarisch benannten Stellen auch Steuerberater in Betracht kommen (vgl. Hassel in Brandt, SGB III, 6. Aufl., § 93 Rn. 12; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Februar 2014 – L 18 AL 155/12 –, Rn. 22, juris).
Eine ausdrückliche Regelung, aus der geschlossen werden kann, dass eine Tätigkeit erst dann aufgenommen ist, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen wird, existiert nicht. Eine selbstständige Tätigkeit ist dann aufgenommen, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 – B 7a AL 34/05 R). Einen genauen Zeitpunkt zu bestimmen, wann die selbstständige Tätigkeit aufgenommen ist, ist im Einzelfall schwierig, denn für den bislang Arbeitslosen auf dem Weg zur Selbstständigkeit sind zahlreiche "vorbereitende Handlungen" erforderlich; es kommt daher auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 a.a.O.). Eine selbstständige Tätigkeit kann auch schon durch Vorbereitungshandlungen aufgenommen werden, soweit diese im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 Al 28/09 R). Den zeitlichen Umfang der Vorbereitungshandlungen hat das BSG weiter dahin präzisiert, dass ein solcher von (mindestens) 15 Wochenstunden vorliegen muss (vgl. Urteil vom 9. Juni 2016 B 11 AL 13/16 R , s. Terminbericht Nr. 23/17 vom 9. Juli 2017). Vorbereitungshandlungen können zudem nur dann als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gewertet werden, wenn sie zielgerichtet und unmittelbar dazu bestimmt sind, hieraus den Lebensunterhalt bestreiten zu können (vgl. BSG vom 5. Mai 2010 a.a.O.; LSG Rheinland-Pfalz vom 29. Okto¬ber 2001 - L 1 AL 122/00 -). Anhaltspunkte für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit können die Anmietung von Gewerbe- oder Geschäftsräumen und deren Ausstattung, Bestellung von Waren oder Produktionsmitteln, Außenwerbung, Buchhaltung, Rechnungslegung, Einrichtung von Geschäftskonten, Kundenwerbung sein. Derartige Gesichtspunkte können aber nicht losgelöst einerseits vom Maßnahmeplan und andererseits von der konkreten Umsetzung der Planung bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gesehen werden, um eine Zuordnung zu Vorbereitungshandlungen und der tatsächlichen Aufnahme abzugrenzen. Die Grenzen hierzu sind fließend. Jedenfalls muss die Überzeugung gefunden werden, dass die Handlungen des Existenzgründers die eingangs erwähnten Voraussetzungen erfüllen. Die Aufnahme setzt keine Unternehmensneugründung voraus, ein Betriebsübergang ist ausreichend (vgl. zum Ganzen Kuhnke in Schlegel/Voelzke, jurisPK SGB III, 1. Aufl. 2014, § 93 SGB III Rn. 16 m.w.N.).
Der Kläger hat eine selbstständige Tätigkeit zum 1. Februar 2010 weder in der ursprünglich geplanten Form als Mitgesellschafter des Unternehmensbereichs M in der Rechtsform einer GbR noch als selbstständiger Physiotherapeut aufgenommen, auch nicht durch die Entfaltung von Vorbereitungshandlungen. Vorliegend plante der Kläger im August 2008/September 2009 eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Für den Bereich M GbR wurde ein Gesellschaftsvertrag geschlossen zwischen dem Kläger und Frau O , die bislang als Einzelunternehmerin unter dem Begriff F /M zwei getrennte Unternehmen betrieb. Nach den Angaben des Klägers waren die bis dato kontaktierten Banken jedoch nicht bereit, ihm für diese beabsichtigte selbstständige Tätigkeit in der Rechtsform der GbR einen Kredit zu gewähren. Vielmehr habe er sich umstellen müssen und erhielt schließlich eine Kreditzusage nur für eine Tätigkeit als Einzelunternehmer in Form eines freiberuflich tätigen Physiotherapeuten in der Praxis der vormals in Aussicht genommenen Mitgesellschafterin. Der konkrete Kreditvertrag mit der I kam am 11. August 2010 zustande. Zur Mittelauszahlung selbst ist es allerdings dann wegen weiterer Schwierigkeiten erst im September 2010 gekommen. Es mag zwar sein, dass der Kläger Teilschritte zum Einstieg in die selbstständige Tätigkeit vorgenommen hat, wie die Einrichtung des Arbeitsplatzes, Einarbeitung in die Finanzgestaltung, Therapieplanung, Mitarbeiterführung. Allerdings hat das BSG in seiner Entscheidung vom 1. Juni 2006 (a.a.O.) ausdrücklich darauf abgestellt, dass eine selbstständige Tätigkeit erst dann aufgenommen wird, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird. Eine solche unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung kann in den von dem Kläger beschriebenen Tätigkeiten jedoch nicht gesehen werden, mögen sie auch für sein Vorhaben von Bedeutung gewesen sein. Dies gilt auch für die Verhandlungen mit den Banken. Selbst bei Unterstellung zeitlich intensiver Verhandlungen zur Erlangung eines Kredits stellen diese keine Vorbereitungshandlungen im Sinne der Rechtsprechung dar. Denn sie sind, da nicht integraler Bestandteil der angestrebten selbstständigen Tätigkeit als Physiotherapeut, nur mittelbar auf die der Gewinnerzielung dienende Handlung gerichtet. Hinzu kommt, dass erst bei Abschluss des Kreditvertrages am 11. August 2010 für den Kläger klar war, dass die Voraussetzungen für die Umsetzung seiner geplanten selbstständigen Tätigkeit gegeben waren, z. B. auch für das Tätigen von Anschaffungen. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die vom Kläger angegebene Einrichtung des Arbeitsplatzes als Vorbereitungshandlung nicht plausibel. Der Mietvertrag, der es ihm überhaupt ermöglichte, in den Räumen des Gesundheitszentrums F als Physiotherapeut selbstständig tätig zu sein, stammt erst vom 18. August 2010 mit Beginn des Mietverhältnisses zum 1. September 2010. In der abgeschlossenen Zusatzvereinbarung vom 30. August 2010 hieß es sogar, dass das Mietverhältnis erst zum 1. Oktober 2010 beginnen sollte. Im Übrigen hat der Kläger auch in seiner Berufungsschrift deutlich gemacht, dass er weder Anschaffungen für seine konkrete Tätigkeit als selbstständiger Physiotherapeut vornehmen noch die Tätigkeit selbst vor Bewilligung des Kredits aufgrund der Bestimmungen des Kreditvertrages aufnehmen durfte. Insofern können die von ihm geschilderten Maßnahmen nicht als Vorbereitungshandlungen im Sinne der Rechtsprechung angesehen werden. Dem steht auch nicht das den Kläger vom Vorwurf des Sozialleistungsbetruges durch Unterlassen (§§ 263, 13 StGB) freisprechende Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 27. Juni 2012 entgegen. Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass in der Urteilsbegründung festgestellt worden sei, die von ihm ab dem 1. Februar 2010 getätigten Handlungen stellten Vorbereitungshandlungen im Sinne der Rechtsprechung des BSG dar, weshalb der Senat über die Bindungswirkung des Strafurteils hieran gebunden sei, ist dem zu widersprechen. Eine in diesem Sinne zwingende Bindungswirkung kommt dem Urteil nicht zu. Der rechtskräftige Freispruch verbraucht die Strafklage und steht fortan einer Sanktionierung wegen der nämlichen Tat entgegen. Eine Tatsachenbindung gehört aber nicht zum Wesen der Rechtskraft (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03 -). In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass jedenfalls dann, wenn eine weitgehende Identität des den Gegenstand des zu entscheidenden (hier sozialgerichtlichen) Rechtsstreits und des Strafverfahrens bildenden Sachverhalts vorliegt, das rechtskräftige Strafurteil nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl. BSG, Urteile vom 30. Juli 1981 -10/8b RAr 4/80 -; 26. Juni 1987 - 5a RKn 2/86; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Oktober 2011 - L 11 KA 30/09; OLG Koblenz, Urteil vom 7. April 1944 - 5 U 89/91 - m.w.N.; Roos in von Wulffen/Schütze SGB X, 8. Aufl. 2014 vor § 39 Rn. 4f). Das Strafurteil ist aber für den Zivilrichter genauso wie für den Sozialrichter nicht bindend, er muss sich aber mit den darin getroffenen Feststellungen auseinandersetzen und sie würdigen, darf also auch gegenteilig entscheiden. Anders liegt es dort, wo das Strafurteil Tatbestandsvoraussetzung eines Anspruchs ist (vgl. OLG Koblenz a.a.O.; BSG, Beschluss vom 27. Juni 2007 - B 6 KA 20/07 B -; vgl. hierzu auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl. § 14 EGZPO Rn. 1). Zugrundeliegender Sachverhalt in beiden Verfahren ist die Frage, ob der Kläger verpflichtet war, die Änderungen betreffend die von ihm angezeigte selbstständige Tätigkeit im Zusammenhang mit dem ihm bewilligten Gründungszuschusses der Beklagten mitzuteilen und gegebenenfalls, wie diese Nichtmitteilung zu würdigen ist. Über die in diesem Zusammenhang auch vom Amtsgericht zu berücksichtigende Frage des eventuellen Vorliegens einer Vorbereitungshandlung im Sinne der sozialgerichtlichen Rechtsprechung hat das Amtsgericht aber bereits keine Entscheidung getroffen. Denn es hat hierzu lediglich ausgeführt, dass "die Rechtsauffassung des Angeklagten, die von ihm begleitend zu seiner freiberuflichen Tätigkeit als Physiotherapeut durchgeführte Suche insbesondere nach einer finanzierenden Bank, nachdem die ursprüngliche Finanzierungszusage einer anderen Bank zurückgezogen wurde, stellte eine förderungswürdige selbstständige Tätigkeit im Sinne des § 57 SGB III dar, jedenfalls nicht als gänzlich unvertretbar" sei.
Auch die Annahme des Beginns einer selbstständigen Tätigkeit ab Juli 2010 – oder August 2010, wie vom Sozialgericht angenommen – kommt vorliegend nicht in Betracht. Der Kläger hat im Laufe des Verfahrens von ihm gegenüber der Frau O gestellte Rechnungen für Verdienste als freier Mitarbeiter aus physiotherapeutischer Behandlung für die Monate Juli bis Oktober 2010 vorgelegt. Ob die Tätigkeit als freier Mitarbeiter in ihrer konkreten Ausgestaltung tatsächlich eine selbstständige Tätigkeit darstellt, kann im Ergebnis dahinstehen. Die Annahme eines Beginns der selbstständigen Tätigkeit am 1. Juli oder später kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil hierfür nicht alle Voraussetzungen für den Gründungszuschuss erfüllt sind. Denn der Kläger müsste dann bis zu diesem Tag einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt haben. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Wie die Beklagte zutreffend darauf hinweist, bestand ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 1. Februar 2010 mangels Vorliegen der persönlichen Arbeitslosmeldung nicht mehr, weil allein die Erklärung des Klägers mit dem Antrag auf Gründungszuschuss, ab dem 1. Februar 2010 eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mehr als wöchentlich 15 Stunden oder mehr auszuüben, die Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung beseitigt hat (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2000 - B 7 AL 2/200 R -; siehe zur Erlöschenswirkung auch Urteil vom 11. März 2014 – B 11 AL 4/14 R -). Zutreffend weist die Beklagte weiter darauf hin, dass auch keine nur kurzzeitige Unterbrechung bis zu einem Monat zwischen dem Anspruch auf Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit liegt. Nur unter diesen Voraussetzungen wäre die Gewährung eines Gründungszuschusses nicht ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R -).
Unabhängig davon erfüllt der Kläger zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 1. Juli 2010 darüber hinaus die Anspruchsvoraussetzungen auch deshalb nicht, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über den nach dem Gesetz erforderlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügte. Nach Aktenlage verfügte der Kläger ab dem 4. August 2009 über einen Arbeitslosengeldanspruch mit einer angenommenen Bewilligungsdauer von 360 Tagen, so dass dieser bei einem angenommenen Beginn der selbstständigen Tätigkeit am 1. Juli 2010 der Alg- Anspruch keine 90 Tage mehr umfasste. Dies gilt erst recht im Hinblick auf den von Seiten des Sozialgerichts angenommenen Beginn der selbstständigen Tätigkeit ab dem 1. August 2010; zu dieser Zeit war der Alg-Anspruch nahezu erschöpft.
Hiernach steht fest, dass der Kläger für den hier streitigen Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis 30. September 2010 nicht die Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III a. F. erfüllte. Auch wenn damit von Beginn an des begehrten Gründungszuschusses die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nicht erfüllt sind, erfolgte die Bewilligung vorliegend zuvor, nämlich mit Bescheid vom 26. Januar 2010, so dass sich die Frage stellt, auf welchen Zeitpunkt für die vorliegende Rechtswidrigkeit der Bewilligung abzustellen ist. Die Rücknahme eines rechts¬widrigen Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X setzt voraus, dass die Rechtswidrigkeit bereits im Zeitpunkt seines Erlasses bestanden hat, also ursprüngliche Rechtswidrigkeit vorlag. Erlassen in diesem Sinne ist ein Verwaltungsakt gemäß § 39 Abs. 1 SGB X mit dem Eintritt seiner Wirksamkeit, d. h. gemäß Abs. 1 Satz 1 der genannten Vorschrift mit Bekanntgabe. Tritt die Rechtswidrigkeit nach Erlass ein, liegt ein Fall der nachträglichen Rechtswidrigkeit nach § 48 SGB X vor, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn die Änderung eine rückwirkende Änderung auf den Zeitpunkt des Erlasses oder davor bewirkt (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juni 2004 B 7 AL 102/03 R -). Ebenfalls nach § 48 SGB X kann eine schon anfänglich rechtswidrige Bewilligung aufgehoben werden, wenn eine bei der Bewilligung zu Recht als erfüllt angesehene Leistungsvoraussetzung nachträglich wegfällt (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 1996 – 10 RKG 27/93 -). Mängel der Sachverhaltskenntnis sind danach für Rücknahmeentscheidungen nach § 45 SGB X relevant, soweit der einer Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt mit der Sachlage bei Bekanntgabe objektiv nicht übereinstimmt. Von einem schon anfänglich unzutreffenden Sachverhalt ist die Behörde in Konstellationen bei ungewissem Geschehensablauf in der Zukunft ausgegangen, wenn sie im Zeitpunkt der Entscheidung von Annahmen ausgegangen ist, die sie nach den jeweils maßgeblichen materiellspezifischen Vorschriften nicht hätte zugrunde legen dürfen. Konnte sie bei ungewissem Geschehensablauf von einer Prognose über die künftige Entwicklung ausgehen, so war diese nur unzutreffend, wenn sie auch unter Berücksichtigung der Prognoseunsicherheit nach den im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung objektiv verfügbaren Umständen bereits von Anfang an fehlerhaft war (vgl. Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, a.a.O. § 45 Rn. 32 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteil vom 25. Januar 2001 – B 4 RA 110/00 R -). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist vorliegend von einem Fall der nachträglichen Rechtswidrigkeit nach § 48 SGB X auszugehen, denn nach den von dem Kläger selbst gemachten Angaben und den für die Bewilligung weiter erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere nach § 57 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB III a. F., war im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides – von dessen Zustellung gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X am 30. Januar 2010 auszugehen ist – von einer rechtmäßigen Bewilligung auszugehen. Insbesondere hatte der Kläger noch am 20. Januar 2010 der Beklagten mitgeteilt, dass die Selbstständigkeit tatsächlich zum 1. Februar 2010 aufgenommen würde. Auf die von Seiten des Sozialgerichts aufgeworfene Fragestellung der Problematik bei Prognoseentscheidungen kommt es daher nicht an. Denn eine von Seiten der Beklagten zu treffende Prognose, die sich im Nachhinein als nicht richtig erwiesen hat, ist hier nicht gegeben. Zwar stellt die Stellungnahme der fachkundigen Stelle hinsichtlich der Tragfähigkeit der Existenzgründung die Entscheidungsgrundlage für die Beklagte dar. Die Entscheidung über die Tragfähigkeit der Existenzgründung ist ihrem Wesen nach auch eine Prognoseentscheidung, weil die Entscheidung die Leistung nach deren Sinn und Zweck, nämlich die Sicherung des Lebensunterhalts sowie die soziale Sicherung der Anfangszeit der Unternehmensgründung zu ermöglichen, zeitnah ergehen muss. Diese Entscheidung ist auch nicht bereits dadurch fehlerhaft, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse anders als prognostiziert entwickeln. Vorliegend ging es jedoch nicht darum, dass die Tragfähigkeit der Existenzgründung sich anders entwickelt hat als zunächst angenommen, sondern dass eine selbstständige Tätigkeit nicht zum angekündigten Zeitpunkt aufgenommen wurde. Ist damit § 48 SGB X anwendbar, ist in der Nichtaufnahme der selbstständigen Tätigkeit ab dem 1. Februar 2010 eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Gründungszuschusses eingetreten (s. o.).
Die Aufhebung durch die Beklagte erfolgte zu Recht auch für die Vergangenheit, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X. Mit dem Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass hier zumindest die Nr. 2 erfüllt ist, weil der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt hat, dass er die eigentliche Tätigkeit der Selbstständigkeit nicht wie vorgesehen am 1. Februar 2010 aufgenommen hat. Insofern kann auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen werden. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger bereits bei Antragstellung mit einer entsprechenden Erklärung verpflichtet hat, der Beklagten unverzüglich alle Änderungen mitzuteilen, die Auswirkungen auf die Leistung haben könnten. Selbst wenn der Kläger – irrig – davon ausgegangen sein sollte, dass sein Bemühen der Finanzierung des Vorhabens als Vorbereitungshandlung für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ausreichend ist, hätte er sich zur Abklärung, ob dies tatsächlich zutreffend ist, mit der Beklagten in Verbindung setzen müssen.
Auch bezüglich des Vorliegens grober Fahrlässigkeit ist der Senat nicht durch das strafgerichtliche Urteil (a.a.O.) gebunden. Unabhängig davon, dass eine diesbezügliche Bindungswirkung des Urteils betreffend die rechtliche Würdigung nicht gegeben ist (s. o.), hat das Amtsgericht auch nicht über das Vorliegen grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X entschieden, sondern über das Nichtvorliegen (bedingt) vorsätzlichen Handelns im Rahmen der Prüfung eines möglichen Betrugs durch Unterlassen. Eine präjudizielle Wirkung für das im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X zu prüfende Vorliegen grober Fahrlässigkeit ergibt sich hieraus für den Senat nicht. Soweit das Amtsgericht davon ausgeht, dass schon nicht klar sei, welche Tatsachen im konkreten Fall der Kläger der Beklagten hätte mitteilen müssen, weil sich diese weder aus dem Antrag noch aus den Merkblättern ergebe, erachtet der Senat bereits diese Feststellung für nicht für plausibel. Der Kläger hat für eine bestimmte selbstständige Tätigkeit einen Antrag gestellt und für diese die entsprechenden Unterlagen einschließlich der Erläuterung der Beschreibung des Existenzgründungsvorhabens und der Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt. Ihm musste daher auch aus laienhafter nicht juristisch vorgebildeter Sicht deutlich sein, dass er im Sinne der geplanten und beantragten Form nicht selbstständig tätig war. Sowohl seine gegenüber dem Senat als offensichtlich auch gegenüber dem Amtsgericht geäußerte Auffassung, bereits ab dem 1. Februar 2010 selbstständig tätig gewesen zu sein, ist mit den auch von ihm selbst vorgetragenen Umständen zur Erlangung des Gründungszuschusses nicht in Einklang zu bringen (s.o.). In dem strafrechtlichen Urteil heißt es weiter, dass dem Kläger nicht der (strafrechtliche) Vorwurf gemacht werden könne, es unterlassen zu haben, der Beklagen die tatsächlichen, sich verändernden Umstände mitgeteilt zu haben. Dies wird daraus gefolgert, dass der Kläger ansonsten der Beklagten im Rahmen der Antragstellung auf Weitergewährung nicht mitgeteilt hätte, eine Selbstständigkeit bislang nicht aufgenommen zu haben. Denn ansonsten, nämlich im Falle einer Bösgläubigkeit des Klägers, wäre es fernliegend, sich durch einen Folgeantrag dem Risiko einer Rückforderung auszusetzen. Auch diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen, denn es geht nicht um die Würdigung des Verhaltens des Klägers im November 2010 und dass er sich gegenüber der Beklagten sonst anders verhalten hätte, sondern darum, dass es dem Kläger bereits am 1. Februar 2010 eingedenk der zahlreichen und auch vom Amtsgericht aufgeführten Hinweise und Mitteilungspflichten klar sein musste, dass eine Änderung der im Antrag angegeben selbstständigen Tätigkeit eingetreten ist. Auch aus der Teilstattgabe des Widerspruchs durch die Beklagte betreffend den Monat Oktober 2010 kann entgegen der amtsgerichtlichen Auffassung nicht auf ein Nichtvorliegen grober Fahrlässigkeit für die Zeit ab 1. Februar 2010 rückgeschlossen werden.
Dass die Beklagte ihre Entscheidung auf § 45 SGB X und nicht auf § 48 SGB X gestützt hat, führt nicht zu einer Rechtwidrigkeit der Aufhebung. Einer Umdeutung bedarf es nicht. Es ist, wenn die Aufhebung statt auf § 45 SGB X nunmehr auf § 48 SGBX gestützt wird, nicht die Regelung, also der Verfügungssatz des Verwaltungsaktes, betroffen, sondern nur seine Begründung. Es handelt sich um ein Problem der falschen Rechtsgrundlage, was aber nichts daran ändert, dass die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes vom Gericht unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen ist. Beim Wechsel von § 45 SGB X zu § 48 SGB X als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung tritt regelmäßig eine unzulässige Änderung von Regelungsumfang oder Wesensgehalt nicht ein; die beiden Normen sind auf dasselbe Ziel gerichtet (BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 18/05 R-). Sie erfassen auch vorliegend denselben Lebenssachverhalt, denn der Kläger macht nunmehr gerade die tatsächliche Ausübung der selbständigen Tätigkeit geltend. Eine unzulässige Beeinträchtigung und Erschwerung der Rechtsverteidigung liegt somit nicht vor. Das bloße vom Wunsch des Betroffenen getragene Interesse daran, dass ein belastender Verweisungsakt nicht nachträglich auf eine ihn tragendende andere Rechtsgrundlage gestützt wird, ist rechtlich nicht geschützt (BSG, Urteil vom 15.08.2002 - B 7 AL 66/01 R -). Eine Ermessensausübung durch die Beklagte ist weder im Rahmen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X noch im Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X erforderlich (§ 330 Abs. 2, 3 SGB III). Der Kläger hat der Beklagten die ihm gewährten Leistungen gemäß § 50 Abs.1 SGB X zu erstatten. Die Höhe der Erstattung wird vom Kläger nicht angegriffen. Anhaltspunkte für eine Falschberechnung ergeben sich auch nicht nach Aktenlage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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