S 39 KR 670/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
39
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 39 KR 670/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 333/17
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid des Beklagten vom 10.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 26.09.2012 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Verpflichtung des Klägers als Apotheker zur Auskunftserteilung gegenüber dem Beklagten in Form der Übermittlung von Einkaufspreisen für Fertigarzneimittel zur parenteralen Zubereitung.

Der Kläger teilte dem Beklagten aufgrund eines Auskunftsbegehrens 2011 schriftlich mit, dass die Adler-Apotheke seit 2005 keine Zytostatika-Zubereitungen mehr herstelle, sondern die Herstellung im Lohnauftrag an den pharmazeutischen Hersteller medicari Arzneimittel GmbH vergebe. Diese Gesellschaft würde die nach der Lauer-Taxe gültigen Abgabepreise abzüglich nach der Hilfstaxe zu gewährenden Rabatte in Rechnung stellen. Für die Herstellung werde ein einheitlicher Preis erhoben.

Der Beklagte erließ nach vorheriger Anhörung am 10.05.2012 einen Bescheid in dem dem Kläger als Inhaber der Adler-Apotheke in Moers aufgegeben wird, dem Beklagten innerhalb von vier Wochen nach Vollziehbarkeit des Bescheides über sämtliche Fertigarzneimittel mit den in den Anlagen 1 – 5 aufgeführten Wirkstoffen, die der Kläger im Zeitraum vom 01.10.2011 bis zum 31.12.2011 zur Herstellung von parenteraler Zubereitungen bezogen hat, Auskunft zu erteilen. In dem Bescheid wird geregelt, dass die Auskunft folgende Informationen zu umfassen hat:

– Pharmazentralnummer (PZN) der genannten Arzneimittel
– Produktbezeichnung sowie Packungsgröße (Menge einer bestimmten Einheit)
– Bezugsquellen
– Bezugsdaten
– Bezugsmengen (Anzahl erworbener Packungen)
– Einkaufspreis je Packung exklusive Umsatzsteuer
– sämtliche Einkaufsvorteile, die sich unmittelbar oder mittelbar mindernd auf den Preis
des Fertigarzneimittels auswirken (beispielsweise Rückvergütungen, Preisnachlässe,
Rabatte, Umsatzbeteiligungen, Bonifikationen, rückvergütungsgleiche
Gewinnbeteiligung oder sonstige geldwerte Vorteile insbesondere von pharma-
zeutischen Unternehmen oder Großhändler)
– tatsächlicher Einkaufspreis je Packung exklusive Umsatzsteuer (Einkaufspreis
abzüglich aller Preisvorteile)

Dem Kläger wird in dem Bescheid aufgegeben, die geforderten Informationen in den Bearbeitungsbögen der Anlage 1 – 5 zu erfassen. Die Anlagen seien Bestandteil des Bescheides. Des Weiteren wurde in dem Bescheid mitgeteilt, die Auskunftspflicht gelte un-abhängig davon, ob der Kläger abgegebene Zubereitungen selbst herstelle oder ob die Zubereitungen von einem Lohnhersteller hergestellt werde. In letzteren Fall habe der Kläger Auskunft über die Einkaufspreise der von dem Lohnhersteller verwendeten Fertigarzneimittel zu erteilen.
Die Auskünfte seien durch Vorlage korrespondierender Belege insbesondere Rechnungen und Lieferscheine in Kopie nachzuweisen.

Zur Begründung des Bescheides führte der Beklagte aus, dass Fertigarzneimittel in parenteraler Zubereitungen nicht mehr der gesetzlichen Preisbindung unterlägen und daher nunmehr Apotheken ihre Einkaufspreise mit pharmazeutischen Unternehmern und Großhändlern frei vereinbaren könnten. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers sollten die im Wege solcher Verhandlungen erzielbaren Preisvorteile nicht allein den Apotheken zukommen, sondern auch genutzt werden um die Beitragszahler/innen der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) zu entlasten. Daher hätten sich die in dem Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen nach § 4 und § 5 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), der sogenannte Hilfstaxe, vereinbarten Abrechnungspreise an den Einkaufsvorteilen zu orientieren. Für die Verhandlungen zur Hilfstaxe müsse der Beklagte sich ein Bild von den am Markt herrschenden Einkaufskonditionen für die relevanten Fertigarzneimittel verschaffen. Eine solche Vereinbarung sei zwar vor kurzem abgeschlossen worden, die Parteien würden die Verhandlungen jedoch zeitnah weiterführen.

Rechtsgrundlage für die geforderten Auskünfte sei § 129 Abs. 5c S. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V). Demnach könne der Beklagte von Apotheken Nachweise über Bezugsquellen und verarbeitete Mengen sowie die tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise verlangen.

Alternative Möglichkeiten die notwendigen Informationen in Erfahrung zu bringen bestünden nicht, daher sei das Auskunftsverlangen auch erforderlich. Die allgemein verfügbaren Listenpreise für Fertigarzneimittel bildeten bekanntermaßen nicht die tatsächlichen Marktverhältnisse ab. Mögliche Einkaufsvorteile würden dem Apotheker regelmäßig auf Basis individueller Vereinbarungen durch Großhändler oder pharmazeutische Unternehmer gewährt.

Dem Beklagten stünde nach dem Wortlaut des Gesetzes auch kein direkter Auskunftsanspruch gegenüber Lohnhersteller zu. Hingegen habe der Kläger als Apotheker sicherzustellen, dass er die Einkaufspreise der Fertigarzneimittel kenne auch wenn er die Zubereitung nicht selbst vornehme. Dies ergebe sich aus einem Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 16.07.2009, in dem klargestellt werde, dass Apotheken in ihren Verträgen für den Bezug der Zubereitung zu gewährleisten hätten, dass sie den Einkaufspreis der Fertigarzneimittel in der Zubereitung kennen. Es obliege also jedem Apotheker die Einkaufskonditionen seines Lohnherstellers selbst in Erfahrung zu bringen. Denn nur so könne die erforderliche Transparenz erreicht werden, um das getende Abrechnungssystem parenteraler Zubereitungen interessengerecht fortzuentwickeln. Der Apotheker könne sich seiner Mitwirkungspflicht nicht durch einen Verweis auf den Lohnhersteller entledigen. Zudem sei der Kläger selbst Hauptgesellschafter der medicari Arzneimittel GmbH. Das Gesetz gehe des Weiteren davon aus, dass der Apotheker sich Kenntnisse von den Einkaufskonditionen seines Lohnhersteller verschaffen könne, da diese im Falle einer Kündigung der Hilfstaxe maßgeblich für die Berechnung des Abrechnungspreises wären. Der Beklagte führte des Weiteren in dem Bescheid aus warum er die einzelnen Information benötige und teilte mit, dass das Auskunftsverlangen auf fünf Wirkstoffe beschränkt sei, um keinen unzumutbaren Aufwand zu verlangen.

Der Kläger legte gegen den Bescheid mit Schreiben vom 24.05.2012 Widerspruch ein mit der Begründung, der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen einen Bescheid zu erlassen, sondern hätte allgemeine Leistungsklage erheben müssen. Des Weiterem sei der Abfragezeitraum von drei Monaten sei unverhältnismäßig lang; ein Abfragezeitraum von einem Monat sei ausreichend. Zudem stünde dem Beklagten der Auskunftsanspruch in dem geltend gemachten Umfang nicht zu. Es bestünde keine Berechtigung Einkaufskonditionen von Lohnherstellern abzufragen und die geforderten Informationen gingen über die Ermächtigungsgrundlage hinaus. Im Gesetz seien die zu erteilenden Auskünfte abschließend aufgezählt; Angaben wie die PZN, Bezugsmengen und Bezugsdaten seien nicht von der Norm erfasst.

Der Beklagte erließ am 26.09.2012 einen zurückweisenden Widerspruchsbescheid mit der Begründung, die Ermächtigung zum Erlass eines Bescheides ergebe sich durch die Auslegung der Norm. Ein Gleichordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten bestünde nicht; es bestünden keine gegenseitigen Leistungsbeziehungen.
Hinsichtlich des Auskunftsanspruches verwies der Beklagte in dem Widerspruchsbescheid auf die Begründung des Ausgangsbescheides. Darüber hinaus wird im Widerspruchsbescheid ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass Apotheken ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen und Auskunftsansprüche gegen ihre Lohnhersteller vertraglich gewährleisten würden. Es lägen keine Informationen vor, die belegen würden, dass der Kläger unter Verletzung dieser Pflicht über die abgefragten Informationen tatsächlich nicht verfüge oder zukünftig verfügen könne. Nach Auffassung des Beklagten stünde unabhängig von der Vertragsgestaltung Apothekern ein Auskunftsanspruch gegenüben ihren Lohnherstellern zu. Es sei zudem eine pragmatische Lösung und gewisse Kooperationsbereitschaft des Lohnherstellers erwarten, um die Belieferung weiterhin zu ermöglichen.
Auch der Umfang der abgefragten Informationen sei von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Es komme nicht auf den Wortlaut des Gesetzes, sondern auf dessen Auslegung an.

Hiergegen hat der Kläger am 15.10.2012 Klage erhoben. Neben den bereits im Wider-spruchsschreiben vorgebrachten Einwänden trägt er zur Begründung vor, er habe der Beklagten bereits mit Schreiben vom 07.11.2011 seine Einkaufspreise mitgeteilt. An den mitgeteilten Konditionen habe sich nichts geändert.
Des Weiteren fehle es an einer ausreichenden Bestimmtheit des Bescheides, da der Beklagte eigentlich Auskünfte über die Einkaufskonditionen des Lohnherstellers begehre, in Ziffer 1 des Bescheides jedoch die Auskunftserteilung für Wirkstoffe, die der Kläger selbst bezogen habe, anordne.
Die fehlende Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes ergebe sich aus dem Wortlaut des § 129 Abs. 5c SGB V. Die Wortwahl "kann verlangen" ließe darauf schließen, dass der Beklagte den Auskunftsanspruch im Gleichordnungsverhältnis geltend machen müsse, andernfalls hätte der Gesetzgeber eine Formulierung wie "kann anordnen, dass Auskünfte zu erteilen sind" gewählt. Darüber hinaus sei die Norm ein bloßer Annex zur Vertragskompetenz des Beklagten, daher sei die Beziehung gerade nicht durch ein Über-/Unterordnungsverhältnis geprägt, sondern durch eine Ebene der Gleichordnung. Es bestünde auch keine Notwendigkeit von dem Kläger Auskünfte zu verlangen, die nicht in seinem Herrschaftsbereich lägen, da der Beklagte sich zur Abfrage der Einkaufspreise an die pharmazeutischen Unternehmen oder Großhändler wenden könne. Die Preisabfrage bezüglich des Lohnherstellers sehe das Gesetz hingegen nicht vor. Der Vertrag zwischen dem Kläger und der Medicari Arzneimittel GmbH sehe zudem eine Mitteilung der Einkaufspreise nicht vor.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen

und hilfsweise,

für den Fall einer Stattgabe der Klage, weil der Anspruch nicht im Wege eines Verwaltungsakts geltend werden kann, den Kläger zu verurteilen,

1. der Beklagten Auskunft zu erteilen über sämtliche Fertigarzneimittel mit den
Wirkstoffen Oxaliplation, Doxorubicin, Calciumfolinat, Vinorelbin und Gemcitabin, die
er in seiner Funktion als Inhaber der Adler Apotheke, Moers sowie eventueller
Filialapotheken im Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2001 zur
Herstellung von parenteralen Zubereitungen bezogen hat. Die Auskunft hat folgende
Informationen zu umfassen:
– Pharmazentralnummer (PZN) der genannten Arzneimittel
– Produktbezeichnung sowie Packungsgröße
– Bezugsquellen
– Bezugsdaten
– Bezugsmengen (Anzahl erworbener Packungen)
– Einkaufspreis die Packung exklusive Umsatzsteuer
– Sämtliche Einkaufsvorteile, die sich unmittelbar oder mittelbar mindernd auf den
Preis des Fertigarzneimittels auswirken (beispielsweise Rückvergütungen,
Preisnachlässe, Rabatte, Umsatzbeteiligungen, Bonifikationen,
rückvergütungsgleiche Gewinnbeteiligung oder sonstige geldwerte Vorteile
insbesondere von pharmazeutischen Unternehmen oder Großhändler)
– Tatsächlicher Einkaufspreis je Packung exklusive Umsatzsteuer (Einkaufspreis
abzüglich aller Preisvorteile)

Die Auskunftspflicht gilt unabhängig davon, ob der Kläger die abgegebene
Zubereitungen selbst herstellt oder ob die Zubereitung von Lohnherstellern (bspw.
Herstellungsbetrieben nach § 13 Arzneimittelgesetz oder Krankenhausapotheken)
hergestellt werden. Der Kläger wird verurteilt, in gleichem Umfang Auskunft über die
Einkaufskonditionen der von eventuellen Lohnherstellern verwendeten
Fertigarzneimittel zu erteilen.

2. der Beklagten die Ziffer 1 genannten Auskünfte durch Vorlage korrespondierender
Belege (insbesondere Rechnungen und Lieferscheine) in Kopie nachzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die hilfsweise erhobene Widerklage abzuweisen.

Ergänzend zu den Ausführungen im Widerspruchsbescheid führt der Beklagte zur Begründung aus wie die von den GKVs zu zahlenden Preise für die parenteralen Zuberei-tungen zu standen kommen und dass zur Vorbereitung der Neuverhandlung der sog. Hilfstaxe die begehrten Auskünfte benötigt würden, damit die Vereinbarung auf der Grundlage des tatsächlichen Marktpreises geschlossen werden könne.
Auch die streitgegenständlichen Auskünfte aus dem Jahr 2011 würden zum Entschei-dungszeitpunkt noch benötigt, da für die Preisverhandlungen auch die langfristige Entwicklung der Preise und des Marktes relevant seien.

Entgegen dem Vortrag des Klägers ergebe sich aus dem Wortlaut des § 129 Abs. 5c SGB V nicht die fehlende Befugnis einen Verwaltungsakt zu erlassen. Dies ergebe sich schon aus einem Vergleich mit anderen Normen des SGB in denen bei gleicher Formulierung unstreitig eine Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes bestehe. Ein Gleichordnungsverhältnis bestehe zwar zwischen Apotheke und der einzelnen Krankenversicherung, nicht jedoch zwischen Apotheke und Spitzenverband der Krankenver-sicherungen. Zudem ergebe sich die Ermächtigung gegenüber dem Kläger auch aus der Systematik der Norm, da gegenüber den anderen in der Norm aufgezählten juristischen Personen keinesfalls ein Gleichordnungsverhältnis bestehe.

Dass der begehrte Auskunftsanspruch bestehe, ergebe sich aus dem Wortlaut der Norm, aus der Systematik des gesetzlichen Abrechnungsmodells und dem Sinn und Zweck der Norm. Der Wortlaut der Norm würde bei dem Auskunftsanspruch gegen Apotheken nicht danach differenzieren, ob der Apotheker die Zubereitungen selbst herstelle oder einen Lohnhersteller beauftragt habe. Würde die bestehende Hilfstaxe gekündigt werden, müsste der Apotheker zur Abrechnung gegenüber der GKV über die streitgegenständlichen Informationen verfügen. Da ein Großteil der Apotheken die Zubereitungen an Lohnhersteller abgegeben habe, würde die Norm ihren Zweck der Ermittlung des marktüblichen Preises nicht erfüllen, wenn sich aus der Norm der streitgegenständliche Auskunftsanspruch nicht ergebe. Zudem könnten Apotheken den Auskunftsanspruch andernfalls durch die Auslagerung der Zubereitung an Lohnhersteller umgehen.
Die im Bescheid geregelte Auskunftspflicht sei auch verhältnismäßig, bestimmt genug und bisher nicht erfüllt worden. Der Einwand des Klägers, er habe keinen vertraglichen Auskunftsanspruch gegen den Lohnhersteller, sei unbeachtlich, da der Kläger der Hauptgesellschafter des Lohnherstellers sei und daher die Einkaufskonditionen des Lohnherstellers kenne oder in Erfahrung bringen könne.

Der Kläger widerspricht dem Vortrag des Beklagten, der Markt sei durch die Abgabe der Zubereitung zur parenteralen Anwendung von Apotheken an Lohnhersteller geprägt. Des Weiteren erwidert er auf den Vortrag des Beklagten, der § 129 Abs. 5c SGB V könne schon deshalb nicht so interpretiert werden, dass er den streitgegenständlichen Auskunftsanspruch umfasse, da im Gesetzgebungsverfahren die Rolle der Lohnherstellerbetriebe ausführlich diskutiert wurde und der Gesetzgeber daher diese Betriebe in der Norm aufgeführt hätte, wenn dies inhaltlich gewollt gewesen wäre. Der Apotheker müsse entgegen dem Vortrag des Beklagten die Einkaufspreise des Lohnherstellers nicht kennen, da die Einkaufspreise des Apothekers diejenigen seien, die er mit dem Lohnhersteller vereinbart habe. Die Auskünfte beträfen zudem Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und eine Auskunftspflicht des Lohnherstellers gegenüber dem Apotheker müsse daher aufgrund von Art. 12 und Art. 14 Grundgesetz (GG) ausdrücklich geregelt werden und könne sich nicht indirekt aus dem Auskunftsanspruch des Beklagten gegen die Apotheken ergeben. Auch die Gesellschafterstellung des Klägers führe nicht zu einer Kenntnis oder einem Anspruch auf Kenntnis. Der Lohnhersteller sei juristisch und auch faktisch nicht mit dem Kläger identisch.

Auch aus dem Sinn und Zweck der Norm ergebe sich der Auskunftsanspruch nicht, da die Kosten der Apotheken zur Herstellung weitaus höher seien als die von Lohnherstellern und die Versorgung durch Apotheken nicht sichergestellt sei, wenn bei der Verhandlung der Hilfstaxe vorwiegend auf die Lohnhersteller abgestellt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der wesentliche Inhalt der vorgenannten Akten ist Gegenstand der Entschei-dungsfindung geworden.

Entscheidungsgründe:

Die Anfechtungsklage ist gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und gemäß § 54 Abs. 2 S. 1 SGG auch begründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Verwaltungsakt des Beklagten vom 10.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert, da die Bescheide rechtswidrig sind. Die Bescheide waren daher aufzuheben.

Entgegen der Ansicht des Klägers durfte der Beklagte sein Auskunftsbegehren aus § 129 Abs. 5c SGB V per Erlass eines Bescheides durchsetzen. Das in dem Bescheid konkret formulierte Auskunftsbegehren entspricht jedoch nicht dem Auskunftsanspruch aus § 129 Abs. 5c SGB V.

I. Dass der Beklagte seinen Auskunftsanspruch aus § 129 Abs. 5c SGB V im Wege des Erlasses einen Verwaltungsaktes gelten machen durfte, wird in § 129 Abs. 5c SGB V zwar nicht ausdrücklich normiert, ergibt sich aber dennoch aus dem Gesetz.

Die Kammer ist in Übereinstimmung mit den bisher zum Auskunftsanspruch des § 129 Abs. 5c SGB V ergangenen Urteilen (Landessozialgericht (LSG) München vom 24.05.2016 – L 5 KR 442/13; Sozialgericht (SG) Leipzig vom 26.01.2016 – S 8 KR 174/13; SG Reutlingen vom 20.01.2016 – S 1 KR 2979/12; a.A. noch SG München vom 26.09.2013 – S 2 KR 904/13) zu dem Ergebnis gelangt, dass die notwendige Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes in der Normierung des Auskunftsanspruchs enthalten ist.

Das streitgegenständliche Auskunftsbegehren beruht auf einem dem Beklagten von Gesetzes wegen eingeräumten Anspruch und die Beteiligten stehen insoweit in einem Über- und Unterordnungsverhältnis (vgl. LSG München vom 24.05.2016 – L 5 KR 442/13 –, Rn. 77 ff.; SG Leipzig vom 26.01.2016 – S 8 KR 174/13; SG Reutlingen vom 20.01.2016 – S 1 KR 2979/12 –, Rn. 35 ff.).
Das streitgegenständliche Verfahren betrifft eine Streitigkeit zwischen einem Apotheker und dem Spitzenverband Bund der Krankenversicherung. Diese stehen nicht in vertraglicher Beziehung zueinander wie z. B. grundsätzlich gleichberechtigte Partner in einem Abrechnungsstreit. Die Rechtsgrundlage für den Auskunftsanspruch wurzelt nicht in zwischen den Beteiligten geltenden Verträgen, sondern ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Daher steht auch der Kontext zu Verhandlungen zwischen dem Beklagten und dem Deutschen Apothekerverband e.V. über die Hilfstaxe einer Ermächtigung zum Handeln per Verwaltungsakt nicht entgegen. Denn es handelt sich bei der Hilfstaxe zum einen nicht um eine Vereinbarung zwischen der Verfahrensbeteiligten und zum anderen auch nicht um einen Vertrag, der eine gleichberechtigte Leistungsbeziehung regeln würde. Vielmehr nimmt der Beklagte bei der Vereinbarung der Hilfstaxe und auch bei der dafür notwendigen Durchsetzung von Auskunftsansprüchen seine ihm als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 217a Abs. 2 SGB V zugewiesenen Aufgaben wahr (vgl. LSG München vom 24.05.2016 – L 5 KR 442/13 –, Rn. 77 ff.; SG Leipzig vom 26.01.2016 – S 8 KR 174/13; SG Reutlingen vom 20.01.2016 – S 1 KR 2979/12 –, Rn. 35 ff.).

II. Da keine vertragliche Leistungsbeziehung zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht, konnte der Beklagte sein Begehren in der Form eines Auskunftsverwaltungsaktes geltend machen. Daher ist der Beklagte nicht auf eine allgemeine Leistungsklage zu verweisen und es ist über die hilfsweise erhobene Leistungswiderklage nicht mehr zu entscheiden gewesen.

III. Der von dem Beklagten im Bescheid verlangte Auskunftsanspruch entspricht jedoch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht dem Auskunftsanspruch aus § 129 Abs. 5c SGB V und ist daher trotz der formellen Ermächtigung rechtswidrig.

Nach dem Wortlaut des Bescheides sind von dem geltend gemachten Auskunftsbegehren nur Fertigarzneimittel erfasst, die der Kläger zur Herstellung von parenteralen Zubereitungen bezogen hat. Da der Kläger jedoch aufgrund der Abgabe der Herstellung an den Lohnhersteller im streitgegenständlichen Zeitraum keinerlei Fertigarzneimittel zur Herstellung von parenteralen Zubereitungen bezogen hat, läuft dieses Auskunftsbegehren ins Leere.

Da es dem Beklagten jedoch vielmehr auf die Auskunft über die Einkaufspreise des Lohnherstellers ankam, waren die streitgegenständlichen Bescheide aus Gründen der Rechtssicherheit zur Klarstellung aufzuheben.

Dem Kläger ist darin zuzustimmen, dass aufgrund der oben genannten Formulierung fraglich ist, ob der streitgegenständliche Bescheid ausreichend konkret die Pflichten des Klägers bestimmt, soweit Auskunft über die Einkaufspreise des Lohnherstellers begehrt wird. Dies kann jedoch dahinstehen, da dieses Auskunftsverlagen nicht von der Ermächtigung aus § 129 Abs. 5c SGB V erfasst ist. Nach § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V in der bei Bescheid-Erlass und derzei gültigen Fassung kann der Beklagte von den Apotheken Nachweise über Bezugsquellen und verarbeitete Mengen sowie die tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise verlangen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Norm ergibt sich, dass es sich hierbei um die tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise der Apotheke – und nicht eines Dritten – handelt. Aus einem Vergleich mit Satz 2 wird deutlich, dass die Norm hinsichtlich der tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise ihre Einkaufspreise – also die der Apotheke – meint (vgl. SG Reutlingen vom 20.01.2016 – S 1 KR 2979/12 –, Rn. 48; a.A. SG Leipzig, Urteil vom 26.01.2016 – S 8 KR 174/13 –).

Dem Beklagten ist darin zuzustimmen, dass der gesetzliche Auftrag Verhandlungen auf Grundlage einer entsprechenden Kenntnisse über die Marktverhältnisse zu führen, es nahe legt, einen Auskunftsanspruch gegen alle an der Lieferkette beteiligten Unterneh-men zu haben. Wie der Beklagte selbst festgestellt hat, ergibt sich aus dem Gesetz jedoch kein Auskunftsanspruch gegenüber Lohnherstellern. Dem Vorgehen des Beklag-ten, diesen vom Gesetzgeber nicht normierten Anspruch indirekt über einen Auskunfts-anspruch gegenüber den Apotheken durchsetzen zu wollen, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

Da die Rolle der Lohnhersteller dem Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren bekannt war, muss davon ausgegangen werden, dass die Begrenzung des Auskunftsanspruchs dem Willen des Gesetzgebers entspricht (vgl. dazu ausführlich SG Reutlingen vom 20.01.2016 – S 1 KR 2979/12 –, Rn. 49).

Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung der Norm ist trotz des dargelegten berechtigten Interesses des Beklagten nicht möglich. Ein Eingriff per Bescheid in die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse eines Unternehmens – hier des Lohnherstellers – benötigt eine ausreichend bestimmte gesetzliche Grundlage; insbesondere wenn ein Dritter verpflichtet werden soll. Mangels gesetzlicher Grundlage fehlt es dem Kläger an einem Auskunftsanspruch gegenüber dem Lohnhersteller, so dass der Kläger keinesfalls verpflichtet werden kann, Daten zu verschaffen, die nicht in seinem Herrschaftsbereich liegen.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kläger in diesem Fall Gesellschafter des Lohnherstellers war. Trotz dieser personellen Überschneidung im tatsächlichen, handelt es sich um zwei verschiedene Personen im juristischen Sinne. Der Kläger ist als Inhaber der Adler-Apotheke Adressat des Bescheides und diese Position ist rechtlich losgelöst von einer Gesellschafterstellung in einem anderen Unternehmen. Ein gesetzlich geregelter Auskunftsanspruch kann schlechterdings nicht von der Zufälligkeit der Kenntnis aufgrund einer persönlichen Stellung des Klägers abhängen.

IV. Inwieweit die von dem Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid angeforderten Einzelinformationen von dem Anspruch auf den Nachweis von Bezugsquellen, verar-beiteten Mengen sowie den tatsächlich vereinbarten Einkaufspreisen aus § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V umfasst sind, kann wegen des schon nicht bestehenden grundsätzlichen Anspruchs über die Einkaufspreise des Lohnherstellers dahinstehen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetzt (GKG), da der Wert der streitgegenständlichen Auskunft nicht zu bestimmen ist (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 16.12.2015 – L 1 KR 414/15 B).
Rechtskraft
Aus
Saved