Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
32
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 32 AL 6/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Antragsteller ist kein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer, wenn er im Ausland beschäftigt ist, sein dortiger Arbeitgeber das Weisungsrecht ausübt und er dort vollständig im Betrieb eingegliedert ist.
2. Eine Ausstrahlung ist nicht gegeben, sofern das inländische Arbeitsverhältnis auf Grund einer Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien wegen eines ausländischen Arbeitsverhältnisses ruht.
3. Eine Ausnahmevereinbarung nach Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71 bewirkt nicht, dass ein im Ausland beschäftigter Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat, da der sachliche Geltungsbereich nach Art. 4 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 Insolvenzgeld nicht erfasst und durch diese Ausnahmevereinbarung der Gegenstand dieser Verordnung nicht erweitert werden kann.
2. Eine Ausstrahlung ist nicht gegeben, sofern das inländische Arbeitsverhältnis auf Grund einer Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien wegen eines ausländischen Arbeitsverhältnisses ruht.
3. Eine Ausnahmevereinbarung nach Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71 bewirkt nicht, dass ein im Ausland beschäftigter Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld hat, da der sachliche Geltungsbereich nach Art. 4 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 Insolvenzgeld nicht erfasst und durch diese Ausnahmevereinbarung der Gegenstand dieser Verordnung nicht erweitert werden kann.
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Ablehnung von Insolvenzgeld auf Grund eines ausländischen Insolvenzereignisses bei ruhendem inländischem Arbeitsverhältnis.
Der im Jahre 1950 geborene Kläger war ursprünglich ab dem 01.08.2009 bei der Firma C GmbH in C-Stadt als Produktentwickler im Bereich Kosmetik beschäftigt gewesen. Der Kläger stellte am 04.12.2009 einen Antrag auf Weitergeltung der deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit gemäß einer Ausnahmevereinbarung nach Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Grundlage des Antrags war, dass der Kläger ab dem 01.01.2010 bis zum 31.12.2014 ausschließlich in der Schweiz bei dem Unternehmen D. in D-Stadt arbeiten wollte. Das Arbeitsverhältnis sollte mit Ausnahme der Berichtspflichten und der Fortführung der betrieblichen Altersvorsorge ruhen.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen schloss für den Kläger eine Ausnahmevereinbarung ab, damit der Kläger für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2014 vorübergehend bei der Firma D. in D-Stadt (im Weiteren D.) in der Schweiz eingesetzt werden konnte und gleichzeitig für ihn die deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit weiter gelten konnten. In seinem Schreiben vom 14.12.2009 an den ursprünglichen Arbeitgeber führte der Spitzenverband aus, dass diese Ausnahmevereinbarung für alle Bereiche der sozialen Sicherheit (gesetzliche Kranken-, Pflege-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung) gelte. Diese Ausnahmevereinbarung wurde abgeschlossen, da der ursprüngliche Arbeitgeber gegenüber dem Spitzenverband bestätigt hat, dass er die Melde- und Beitragspflichten zur Sozialversicherung so erfüllen werde, als ob die Beschäftigung insgesamt in Deutschland ausgeübt werde. Die Vereinbarung beruhe auf den geschilderten Umständen der Beschäftigung im Ausland sowie der fortdauernden arbeitsrechtlichen Anbindung in Deutschland.
Der Kläger schloss mit der D. am 29.12.2009 einen Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung ab dem 01.01.2010. Danach betrug das monatliche Grundgehalt gemäß Ziffer 3.3.2 u. a. ab dem 01.08.2010 4.891,-EUR; eine Anpassung sollte dabei einmal jährlich zu den entsprechenden Kursschwankungen (Euro – Schweizer Franken) erfolgen. Das Gehalt sollte dem Kläger in Schweizer Franken ausgezahlt werden. Der Kläger erhielt zudem von seinem Arbeitgeber einen Zuschuss von 50 % zu den Krankenkassenprämien. Nach Nr. 3.4 des Arbeitsvertrages mit der D. wurden Überstunden nicht zusätzlich entschädigt; diese Leistungen sind mit der Entschädigung gemäß Ziffer 3.3.2 abgegolten. Nach Ziffer 4.2 gelten für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis die Bestimmungen nach § 24 GestG, wonach für arbeitsrechtliche Klagen das schweizerische Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, zuständig ist. Mit Schreiben vom 27.05.2010 erhöhte der Arbeitgeber den Lohn u. a. ab dem 01.08.2010 auf 5.209,-EUR.
Der Kläger schloss im Anschluss mit seinem ursprünglichen Arbeitgeber am 31.12.2009 eine Vereinbarung, wonach er ab dem 01.01.2010 bei der D. eingesetzt wird und das Arbeitsverhältnis zwar weiter besteht, aber für den Zeitraum der Beschäftigung bei der D. ruht. Der deutsche Arbeitgeber entrichtete die Sozialversicherungsbeiträge und überwies das Gehalt an den Arbeitgeber in der Schweiz, welches dieses an den Kläger auszahlte.
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.08.2011 zum 31.10.2011. Er habe seinen Arbeitgeber wegen fehlender Gehaltszahlungen mit Schreiben vom 02.09.2011 gemahnt. Im Anschluss habe sein Rechtsanwalt mit Schreiben vom 09.09.2011 den Arbeitgeber gemahnt. Am 22.09.2011 sei die Firma durch den Insolvenzverwalter geschlossen worden. Am gleichen Tag sei durch das Konkursamt L-Stadt der Konkurs eröffnet worden. Die Staatsanwaltschaft L-Stadt habe zudem ein Ermittlungsverfahren wegen Konkursverschleppung eingeleitet.
Den Rechtsanwalt habe er bevollmächtigt, seine Forderungen beim Insolvenzverwalter einzuzahlen. Seine Forderungen seien jedoch abgelehnt worden, da die Sozialabgaben in Deutschland bezahlt wurden. Ihm würden zudem für den Monat Oktober 2011 die Zahlung der Sozialabgaben fehlen. Beim Konkursamt meldete der Kläger am 24.10.2011 einen Lohn i. H. v. 32.034,70 Franken an.
Ein Mitarbeiter einer anderen Agentur für Arbeit übersandte dem Kläger mit E-Mail vom 10.11.2011 den Antrag auf Insolvenzgeld und teilte ihm die Adresse der zuständigen Agentur für Arbeit in E-Stadt mit.
Das Konkursamt L-Stadt erteilte dem Kläger eine Lohnabrechnung im Konkursfall seiner Arbeitgeberin vom 05.08.2013, wonach er einen Verlust i. H. v. 26.239,85 Franken durch den Konkurs erlitten habe. Dies stelle den nicht prämienpflichtigen Bruttolohn dar.
Der Kläger meldete ausstehendes Arbeitsentgelt i. H. v. 25.685,10 Franken zur Insolvenztabelle an. Beim Arbeitsgericht Münster erwirkte er einen Vollstreckungsbescheid über einen Betrag i. H. v. 23.443,82 Franken.
Der Kläger beantragte mit E-Mail vom 18.09.2013 bei der Beklagten Insolvenzgeld. Das Konkursverfahren in der Schweiz sei abgeschlossen, sodass er nun seine Forderung geltend mache. Es könne nicht angehen, dass seine deutschen Kollegen, die ihre Abgaben in der Schweiz entrichtet haben, den ausstehenden Lohn vom Schweizer Arbeitsamt bekommen haben. Seine Sozialabgaben seien von der F. nach der Ausnahmevereinbarung gemäß Artikel 17 der VO Nr. 1408/71 in Deutschland abgeführt worden, sodass ihm auch eine gesetzliche Absicherung zustehe. In der Insolvenzbescheinigung führte der Arbeitnehmer aus, dass ein Verfahren beim Insolvenzgericht L-Stadt beantragt worden sei.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Insolvenzgeld mit Bescheid vom 26.09.2013 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch wegen der am 22.09.2011 erfolgten ausländischen Konkurseröffnung durch das Bezirksgericht G-Stadt, da er nicht im Inland beschäftigt sei. Zudem habe er Insolvenzgeld nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis beantragt. Der Antrag sei erst am 18.09.2013 und somit außerhalb der Ausschlussfrist eingegangen.
Der Kläger erhob mit undatierten Schreiben, bei der Beklagten am 14.10.2013 eingegangen, "Einspruch" gegen den Bescheid. Er war der Ansicht, dass es sich bei der Ausnahmevereinbarung um einen Vertrag mit völkerrechtlicher Wirkung handele. Es handele sich um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Beschäftigungsstaat. Es seien auch alle Abgaben entrichtet worden. Bei der Kranken- und Rentenversicherung habe es keine Probleme gegeben, sodass es nicht angehen könne, ob eine Vereinbarung nach Belieben greife oder nicht. Er behauptete, dass er bereits im September 2011 Kontakt zu der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau K., aufgenommen habe. Ohne Abschluss des Konkursverfahrens und somit ohne konkrete Zahlen habe jedoch keine Antragstellung erfolgen könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2013 zurück. Der Kläger sei nicht im Inland beschäftigt gewesen, sodass kein Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe. Er könne zudem auch nicht als entsandter Arbeitnehmer der Firma C. GmbH angesehen werden, da der Kläger gemäß der Vereinbarung vom 31.12.2009 ab dem 01.01.2010 bei der D. eingesetzt werde und das inländische Arbeitsverhältnis ruhe. Die Voraussetzungen für eine Entsendung lägen nicht vor.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 08.01.2014 Klage dagegen erhoben. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen. Er legte im Klageverfahren eine Bestätigung des Konkursamts L-Stadt vor, wonach der Konkurs über die D. am 22.09.2011 eröffnet wurde. Dem Kläger sei für die Monate September und Oktober 2011 ein Gehalt i. H. v. jeweils 7.865,60 Franken nicht gezahlt worden. Zudem habe ein Betrag für Überstunden i. H. v. 6.109,95 Franken ausgestanden. Der Kläger machte zudem noch Ferienguthaben für das Jahr 2010 i. H. v. 5.074,30 Franken und für das Jahr 2011 i. H. v. 5.074,30 Franken geltend. Er erhielt eine Auszahlung von 675,60 Franken. Der Kläger legte zudem eine Bestätigung des Insolvenzverwalters vor, wonach ihm für den Zeitraum vom 22.06.2011 bis 21.09.2011 kein Gehalt ausgezahlt worden sei.
Er bestreitet, dass der Lohnausfall sich nur auf den September 2011 beziehe. Er ist der Ansicht, dass es sich bei Vergütung für Überstunden um insolvenzfähiges Arbeitsentgelt handele.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 26.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2013 Insolvenzgeld dem Grunde nach zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide. Nach ihrer Ansicht bestehe ein Anspruch auf Insolvenzgeld nach den dafür maßgeblichen Vorschriften und nicht nach dem allgemeinen Sozialversicherungsrecht. Es handele sich nicht um eine von den Arbeitnehmern finanzierte Versicherung. Die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes werde vielmehr durch eine monatliche Umlage von den Arbeitgebern aufgebracht. Ein Insolvenzgeldanspruch bestehe jedoch nicht, da der Kläger weder in einem inländischen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe noch entsendeter Arbeitnehmer war. Sie bestreitet das Vorliegen eines Insolvenzereignisses, da die lohnabrechnende Stelle weiterhin die Firma C. GmbH in A-Stadt geblieben sei. Es fehle zudem ein Nachweis der ausgefallenen Lohnzahlungen. Sie ist der Ansicht, dass ein Lohnausfall nur für September 2011 vorläge. Nach ihrer Ansicht könne sich ein Anspruch nur i. H. eines Betrages von 2.229,25 EUR ergäben (21/30 der Beitragsbemessungsgrenze).
Das Gericht hat die Akte des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkasse, Abteilung Krankenversicherung – Ausland, beigezogen. Ein erster Kammertermin wurde am 04.05.2015 durchgeführt. Das Gericht hat im zweiten Kammertermin am 21.09.2017 Beweis erhoben durch Vernehmung der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau C.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem örtlich zuständigen Gericht gemäß §§ 57 Abs. 1, 78, 87 Abs. 2 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 16.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 16.12.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht nach §§ 183 ff. in der Fassung vom 02.12.2006 (im Weiteren § 183 ff. a. F.) Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) kein Anspruch auf Insolvenzgeld zu.
1. Dabei kann das Gericht offenlassen, ob die Beklagte für die Befriedigung von nicht erfüllten Ansprüchen von Arbeitnehmern örtlich zuständig ist. Nach Art. 9 Abs. 1 RL 2008/94/EG ist für zahlungsunfähige Unternehmen, das im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten tätig ist, die Einrichtung für Ansprüche von Arbeitnehmern zuständig, in dessen Hoheitsgebiete die betreffenden Arbeitnehmer gewöhnlich ihre Arbeit verrichten oder verrichtet haben. Dem Gericht entzieht sich bereits die Kenntnis, ob das Unternehmen, bei dem der Kläger grenzüberschreitend tätig war, in mindestens zwei Mitgliedsstaaten der Europäischen Union tätig gewesen ist. Es ist dem Gericht zudem nicht bekannt, ob diese Vorschrift unmittelbar oder entsprechend auch für Insolvenzfälle in einem Staat Anwendung findet, welches kein Mitglied der Europäischen Union ist. Das Gericht muss auch nicht entscheiden, ob die durch den Kläger abgeschlossene Ausnahmevereinbarung bewirkt, dass sich der gewöhnliche Verrichtungsort dennoch in Deutschland liegt, da die Klage bereits aus weiteren Gründen unbegründet ist (dazu unten).
2. Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht unbestimmt. Nach § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes (SGB X) muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmbar sein. Ausreichend für die Bestimmbarkeit eines Verwaltungsaktes ist die Bestimmbarkeit des Verfügungssatzes (Pattar in jurisPK-SGB X, § 33 SGB X, Rn. 10). Im vorliegenden Fall kann an der Bestimmtheit lediglich in der Hinsicht gezweifelt werden, da im Verfügungssatz nicht angegeben ist, für welchen Zeitraum dem Antrag auf Insolvenzgeld nicht entsprochen wird. Es ist jedoch aus dem Verfügungssatz deutlich erkennbar, dass der Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld abgelehnt werden soll. Dieser Verfügungssatz ist aus der anschließend gegebenen Begründung auch bestimmbar, da die Ablehnung der Gewährung von Insolvenzgeld sich ersichtlich auf die am 22.09.2011 erfolgte Konkurseröffnung durch das Bezirksgericht G-Stadt / Schweiz sowie den vor und durch diesen Konkurs erfolgten Ausfall von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt bezieht.
3. Der Anspruch des Klägers scheitert nach Auffassung des Gerichts nicht daran, dass der Kläger den Antrag auf Insolvenzgeld nach Ablauf der Frist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III gestellt hat. Insofern hat die Zeugin überzeugend ausgeführt, dass das Zusenden eines Antrags auf Insolvenzgeld bei ihr regelmäßig als Antragstellung von ihrer Seite gewertet würde. Insofern muss sich die Beklagte im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis auch die Zusendung eines Antrags auf Insolvenzgeld per E-Mail durch einen Mitarbeiter einer anderen Bundesagentur für Arbeit festhalten lassen. Der Kläger hat den Antrag zwar bei einer unzuständigen Sozialleistungsbehörde gestellt. Insofern wäre jedoch die unzuständige Agentur für Arbeit nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) verpflichtet gewesen, diese Antragstellung der Beklagten mitzuteilen. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer in Satz 1 genannten Stellen eingeht. Die Zeugin hat in dem Zusammenhang auch überzeugend ausgeführt, dass sie auch eine formlose Antragstellung akzeptiert hätte. Insofern kam es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Kläger sich nochmal persönlich oder telefonisch bei der Beklagten gemeldet hatte. Das maßgebliche Insolvenzereignis lag vorliegend darin, dass beim Bezirksgericht G-Stadt / Schweiz über das Vermögen der Firma D. am 22.09.2011 der Konkurs eröffnet wurde. Dies stellt unstreitig ein zu den in § 165 SGB III normierten Tatbeständen vergleichbares, ausländisches Insolvenzereignis dar. Dem Kläger wurde am 10.11.2011 der Antrag auf Insolvenzgeld zugesandt, sodass er den Antrag auf Insolvenzgeld innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III gestellt hat.
4. Der Kläger war jedoch kein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer (dazu unter a)). Bei ihm liegt auch keine Ausstrahlung nach § 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) vor (dazu unter b)). Diese Vorschrift ist auch nicht erweiternd auszulegen (dazu unter c)). Auch die Berücksichtigung der Ausnahmevereinbarung sowie der europäischen RL 1408/71 führt zu keinem anderen Ergebnis. Dabei ist insbesondere noch nicht die Verordnung der Europäischen Union 883/2004 anzuwenden (dazu unter d)).
a) Der Kläger ist Arbeitnehmer im Sinne von § 183 SGB III a. F. Dafür ist auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beschäftigung nach §§ 25 SGB III, 7 Abs. 1 SGB IV zurückzugreifen. Eine Beschäftigung setzt danach voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (BSG, Urteil vom 29. August 2012, Az.: B 12 R 14/10 R – juris – Rn. 15). Nach eigener Aussage des Klägers unterlag er einem umfassenden Weisungsrecht seines Arbeitgebers in der Schweiz und war vollständig im Betrieb in der Schweiz eingegliedert. Vor diesem Hintergrund war der Kläger unstreitig als Arbeitnehmer im Sinne der Vorschriften über das Insolvenzgeld anzusehen.
Bei dem Kläger handelt es sich aber nicht um einen im Inland beschäftigten Arbeitnehmer. Ein im Inland bestehendes Beschäftigungsverhältnis liegt vor, wenn der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses im Inland liegt. Dafür ist auf den tatsächlichen Ort der Beschäftigung, das eventuelle Vorliegen einer Vereinbarung über die anwendbare Rechtsordnung, eine Gerichtstandvereinbarung und die Frage, in welcher Währung der Arbeitslohn gezahlt wird, abzustellen (E. Schneider in jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 165 SGB III, Rn. 35). Der tatsächliche Ort der Beschäftigung lag nach den Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung in der Schweiz. Der dortige Arbeitgeber übte sein Weisungsrecht aus. Zudem war der Kläger vollständig in den dortigen Betrieb eingegliedert. Ausweislich des Arbeitsvertrags mit der D. wurde das Gehalt in Schweizer Franken ausgezahlt. Zahlungen bei Arbeitsunfähigkeit erhielt der Kläger gemäß 3.5.1 des Arbeitsvertrages von der Versicherungsanstalt und somit nicht gemäß dem deutschen Arbeitsrecht – von seinem Arbeitgeber. Nach 4.2 des Arbeitsvertrages haben die Arbeitsvertragsparteien als Gerichtsstand für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis das schweizerische Gericht am Wohnsitz oder Sitz des Arbeitgebers oder am Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, als zuständiges Gericht bestimmt. Die Frage, ob deutsches oder schweizerisches Arbeitsrecht auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung finden sollte, haben die Arbeitsvertragsparteien allerdings nicht geregelt. Zwar hat der frühere Arbeitgeber in Deutschland die Melde- und Beitragspflichten zur Sozialversicherung in Deutschland übernommen. Der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers lag jedoch anhand der weiteren Anknüpfungstatsachen in der Schweiz, sodass kein inländisches Arbeitsverhältnis vorlag.
b) Es liegt auch kein Tatbestand der Ausstrahlung eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 4 SGB IV vor. Nach § 4 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit diese eine Beschäftigung voraussetzen, auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 4 SGB IV setzt ein fortbestehendes Versicherungspflichtverhältnis zunächst voraus, dass vor Beginn der Entsendung ein Beschäftigungsverhältnis mit dem entsendenden Arbeitgeber in Deutschland bestanden hat. Erforderlich ist ferner, dass das Beschäftigungsverhältnis während der Zeit der Entsendung fortbesteht und dass es nach Beendigung der Entsendung weitergeführt werden soll, weshalb § 4 Abs. 1 SGB IV eine "im Voraus" feststehende zeitliche Begrenzung fordert (BSG, Urteil vom 05. Dezember 2006, Az.: B 11a AL 3/06 R – juris – Rn. 17). Maßgebend ist, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt. Voraussetzung ist regelmäßig, dass der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleibt und wesentliche Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) erfüllt werden und sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den inländischen Arbeitgeber richtet (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. März 2016 Az.: L 11 EG 1924/15 – juris – Rn. 31). Dabei reicht allerdings ein "Rumpfarbeitsverhältnis", das durch eine zwischen dem Arbeitgeber und dem Beschäftigten getroffene, den ursprünglichen Arbeitsvertrag abändernde Abrede über das Ruhen der Hauptpflichten auf Arbeitsleistung und Zahlung von Arbeitsentgelt und das "automatische" Wiederaufleben der Rechte und Pflichten aus dem ursprünglichen Vertrag bei Beendigung des Auslandseinsatzes gekennzeichnet ist, nicht aus (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. März 2016, Az.: L 11 EG 1924/15 – juris – Rn. 32).
Einerseits hat der Kläger selbst bestätigt, dass das Weisungsrecht von dem schweizerischen Unternehmen ausgeübt wurde und er sich vollständig in den Betrieb in der Schweiz eingegliedert hat, sodass er bereits organisatorisch nicht in den Betrieb seines früheren inländischen Arbeitgebers eingegliedert war. Zwar erstattete sein früherer Arbeitgeber der D. das an den Kläger zu zahlende Gehalt, jedoch stand dem Kläger lediglich ein Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen seinen schweizerischen Arbeitgeber zu. Andererseits ruhte im inländischen Arbeitsverhältnis die Hauptleistungspflicht auf Arbeitsleistung und Zahlung des Nettoarbeitsentgelts, sodass auch vor diesem Hintergrund keine Ausstrahlung anzunehmen ist. Es reicht insofern nicht aus, dass der frühere Arbeitgeber des Klägers in Deutschland die Beiträge zur Sozialversicherung übernommen hat.
c) Eine erweiternde Auslegung des § 4 SGB IV ist nicht vorzunehmen, da der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses – wie bereits ausgeführt – nicht im Inland lag.
d) Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers in der Schweiz fand zudem noch die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, (im Weiteren VO (EWG) Nr. 1408/71 Anwendung. Eine Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 883/2004 findet demgegenüber nicht statt. Der Gemischte Ausschuss zum Freizügigkeitsabkommen EU-Schweiz hat mit Beschluss Nr. 1/2012 vom 31.03.2012 den Anhang II des Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit mit Wirkung ab dem 01.04.2012 ersetzt. Ab diesem Datum gilt für die Schweiz für Angehörige von Mitgliedstaaten der Union die EGV 883/2004. Daraus ist zu folgern, dass vor diesem Zeitraum immer noch die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Anwendung findet. Das Gericht muss somit in diesem Zusammenhang nicht darüber entscheiden, ob durch die geringfügige Änderung von Art. 3 Abs. 2 EGV 883/2004 im Vergleich zu Art. 4 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71 sich auch eine inhaltliche Änderung ergibt.
Aus dieser Verordnung im Zusammenspiel mit der Ausnahmevereinbarung nach Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71 kann der Kläger jedoch keinen weiteren sozialen Schutz in Form eines Anspruches auf Insolvenzgeld herleiten. Zwar sichert ihm die Ausnahmevereinbarung zu, dass die deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit angewendet werden. Diese Ausnahmevereinbarung kann aber nur soweit reichen, wie der sachliche Geltungsbereich nach dieser Verordnung reicht. Nach Art. 4 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 1408/71 gilt die Verordnung nur für Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die die dort genannten Leistungsarten betreffen. Danach gilt die Richtlinie nur für Leistungen bei Krankheit, Mutterschaft, Leistungen bei Invalidität, Leistungen bei Alter, Leistung an Hinterbliebene, Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, Sterbegeld, Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Familienleistungen. Die Gewährung von Insolvenzgeld bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gehören nicht dazu (BSG, Urteil vom 08. Februar 2001, Az.: B 11 AL 30/00 R – juris – Rn. 19; EuGH, Urteil vom 15.12.1976, Az.: 39/76). Es handelt sich insbesondere nicht um Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach Art. 4 Abs. 1 g) VO (EWG) Nr. 1408/71, da nach der Natur dieser Leistungen diese dem Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit Einkünfte gewähren sollen, die jedoch nicht solchen Leistungen entsprechen, die er im Rahmen einer Beschäftigung erbracht hat (vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1976, Az.: 39/76 – juris – Rn. 18 – 20). Dieser Rechtsprechung schließt sich das erkennende Gericht ausdrücklich an. Es handelt sich auch nicht um beitragsunabhängige Geldleistungen nach Art. 4 Abs. 2a VO (EWG) Nr. 1408/71, da das Insolvenzgeld nicht durch obligatorische Steuern zur Deckung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben finanziert wird, sondern die Finanzierung des Insolvenzgeldes durch Beiträge der Arbeitgeber erfolgt (vgl. §§ 358 – 362 SGB III). Vor diesem Hintergrund war der Kläger durch den Abschluss der Ausnahmevereinbarung und der VO (EWG) Nr. 1408/71 nicht vor der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers im Ausland geschützt. Die Ausnahmevereinbarung kann zudem gemäß Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71 nur Ausnahmen von den Art. 13 – 16 VO (EWG) Nr. 1408/71 zum Inhalt haben und damit bestimmen, welche Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates über die soziale Sicherheit auf ein Arbeitsverhältnis beim einem ausländischen Arbeitnehmer anzuwenden ist. Sie kann jedoch nicht den sachlichen Geltungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71 erweitern, sodass der Kläger bei Berücksichtigung der vorherigen Ausführungen auch nach Unionsrecht nicht als inländischer Arbeitnehmer angesehen werden kann.
5. Vor dem Hintergrund des nicht bestehenden Insolvenzgeldanspruches dem Grunde nach musste das Gericht sich nicht mit der Frage zur Höhe des Insolvenzgeldes auseinandersetzen, insbesondere nicht zu der Frage, ob vorgearbeitete Zeit außerhalb des Insolvenzgeldzeitraumes, die später als Zeitguthaben im Insolvenzgeldzeitraum verwendet, tatsächlich zum Insolvenzgeldzeitraum gehören. Dem Kläger steht ab dem 23.09.2011 bereits deswegen kein Anspruch auf Insolvenzgeld zusteht, da nach § 183 a. F. SGB III nur ein Anspruch auf Arbeitsentgelt für die dem Insolvenzereignis vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses besteht; auch darüber war jedoch keine gerichtliche Entscheidung erforderlich. Zudem dürfte der geltend gemachte Anspruch auf Ferienzeit, bei dem es nach Auskunft des Klägers um eine Entschädigung für nicht genommenen Urlaub handelt, um Urlaubsabgeltung handeln, die nach § 184 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a. F. wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, sodass auch in der Hinsicht der Anspruch auf Insolvenzgeld ausgeschlossen sein dürfte.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da der Wert des Beschwerdegegenstands mehr als 750,-EUR beträgt, ist die Berufung nach §§ 143, 144 SGG zulassungsfrei möglich.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Ablehnung von Insolvenzgeld auf Grund eines ausländischen Insolvenzereignisses bei ruhendem inländischem Arbeitsverhältnis.
Der im Jahre 1950 geborene Kläger war ursprünglich ab dem 01.08.2009 bei der Firma C GmbH in C-Stadt als Produktentwickler im Bereich Kosmetik beschäftigt gewesen. Der Kläger stellte am 04.12.2009 einen Antrag auf Weitergeltung der deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit gemäß einer Ausnahmevereinbarung nach Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Grundlage des Antrags war, dass der Kläger ab dem 01.01.2010 bis zum 31.12.2014 ausschließlich in der Schweiz bei dem Unternehmen D. in D-Stadt arbeiten wollte. Das Arbeitsverhältnis sollte mit Ausnahme der Berichtspflichten und der Fortführung der betrieblichen Altersvorsorge ruhen.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen schloss für den Kläger eine Ausnahmevereinbarung ab, damit der Kläger für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2014 vorübergehend bei der Firma D. in D-Stadt (im Weiteren D.) in der Schweiz eingesetzt werden konnte und gleichzeitig für ihn die deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit weiter gelten konnten. In seinem Schreiben vom 14.12.2009 an den ursprünglichen Arbeitgeber führte der Spitzenverband aus, dass diese Ausnahmevereinbarung für alle Bereiche der sozialen Sicherheit (gesetzliche Kranken-, Pflege-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung) gelte. Diese Ausnahmevereinbarung wurde abgeschlossen, da der ursprüngliche Arbeitgeber gegenüber dem Spitzenverband bestätigt hat, dass er die Melde- und Beitragspflichten zur Sozialversicherung so erfüllen werde, als ob die Beschäftigung insgesamt in Deutschland ausgeübt werde. Die Vereinbarung beruhe auf den geschilderten Umständen der Beschäftigung im Ausland sowie der fortdauernden arbeitsrechtlichen Anbindung in Deutschland.
Der Kläger schloss mit der D. am 29.12.2009 einen Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung ab dem 01.01.2010. Danach betrug das monatliche Grundgehalt gemäß Ziffer 3.3.2 u. a. ab dem 01.08.2010 4.891,-EUR; eine Anpassung sollte dabei einmal jährlich zu den entsprechenden Kursschwankungen (Euro – Schweizer Franken) erfolgen. Das Gehalt sollte dem Kläger in Schweizer Franken ausgezahlt werden. Der Kläger erhielt zudem von seinem Arbeitgeber einen Zuschuss von 50 % zu den Krankenkassenprämien. Nach Nr. 3.4 des Arbeitsvertrages mit der D. wurden Überstunden nicht zusätzlich entschädigt; diese Leistungen sind mit der Entschädigung gemäß Ziffer 3.3.2 abgegolten. Nach Ziffer 4.2 gelten für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis die Bestimmungen nach § 24 GestG, wonach für arbeitsrechtliche Klagen das schweizerische Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, zuständig ist. Mit Schreiben vom 27.05.2010 erhöhte der Arbeitgeber den Lohn u. a. ab dem 01.08.2010 auf 5.209,-EUR.
Der Kläger schloss im Anschluss mit seinem ursprünglichen Arbeitgeber am 31.12.2009 eine Vereinbarung, wonach er ab dem 01.01.2010 bei der D. eingesetzt wird und das Arbeitsverhältnis zwar weiter besteht, aber für den Zeitraum der Beschäftigung bei der D. ruht. Der deutsche Arbeitgeber entrichtete die Sozialversicherungsbeiträge und überwies das Gehalt an den Arbeitgeber in der Schweiz, welches dieses an den Kläger auszahlte.
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.08.2011 zum 31.10.2011. Er habe seinen Arbeitgeber wegen fehlender Gehaltszahlungen mit Schreiben vom 02.09.2011 gemahnt. Im Anschluss habe sein Rechtsanwalt mit Schreiben vom 09.09.2011 den Arbeitgeber gemahnt. Am 22.09.2011 sei die Firma durch den Insolvenzverwalter geschlossen worden. Am gleichen Tag sei durch das Konkursamt L-Stadt der Konkurs eröffnet worden. Die Staatsanwaltschaft L-Stadt habe zudem ein Ermittlungsverfahren wegen Konkursverschleppung eingeleitet.
Den Rechtsanwalt habe er bevollmächtigt, seine Forderungen beim Insolvenzverwalter einzuzahlen. Seine Forderungen seien jedoch abgelehnt worden, da die Sozialabgaben in Deutschland bezahlt wurden. Ihm würden zudem für den Monat Oktober 2011 die Zahlung der Sozialabgaben fehlen. Beim Konkursamt meldete der Kläger am 24.10.2011 einen Lohn i. H. v. 32.034,70 Franken an.
Ein Mitarbeiter einer anderen Agentur für Arbeit übersandte dem Kläger mit E-Mail vom 10.11.2011 den Antrag auf Insolvenzgeld und teilte ihm die Adresse der zuständigen Agentur für Arbeit in E-Stadt mit.
Das Konkursamt L-Stadt erteilte dem Kläger eine Lohnabrechnung im Konkursfall seiner Arbeitgeberin vom 05.08.2013, wonach er einen Verlust i. H. v. 26.239,85 Franken durch den Konkurs erlitten habe. Dies stelle den nicht prämienpflichtigen Bruttolohn dar.
Der Kläger meldete ausstehendes Arbeitsentgelt i. H. v. 25.685,10 Franken zur Insolvenztabelle an. Beim Arbeitsgericht Münster erwirkte er einen Vollstreckungsbescheid über einen Betrag i. H. v. 23.443,82 Franken.
Der Kläger beantragte mit E-Mail vom 18.09.2013 bei der Beklagten Insolvenzgeld. Das Konkursverfahren in der Schweiz sei abgeschlossen, sodass er nun seine Forderung geltend mache. Es könne nicht angehen, dass seine deutschen Kollegen, die ihre Abgaben in der Schweiz entrichtet haben, den ausstehenden Lohn vom Schweizer Arbeitsamt bekommen haben. Seine Sozialabgaben seien von der F. nach der Ausnahmevereinbarung gemäß Artikel 17 der VO Nr. 1408/71 in Deutschland abgeführt worden, sodass ihm auch eine gesetzliche Absicherung zustehe. In der Insolvenzbescheinigung führte der Arbeitnehmer aus, dass ein Verfahren beim Insolvenzgericht L-Stadt beantragt worden sei.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Insolvenzgeld mit Bescheid vom 26.09.2013 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch wegen der am 22.09.2011 erfolgten ausländischen Konkurseröffnung durch das Bezirksgericht G-Stadt, da er nicht im Inland beschäftigt sei. Zudem habe er Insolvenzgeld nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis beantragt. Der Antrag sei erst am 18.09.2013 und somit außerhalb der Ausschlussfrist eingegangen.
Der Kläger erhob mit undatierten Schreiben, bei der Beklagten am 14.10.2013 eingegangen, "Einspruch" gegen den Bescheid. Er war der Ansicht, dass es sich bei der Ausnahmevereinbarung um einen Vertrag mit völkerrechtlicher Wirkung handele. Es handele sich um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Beschäftigungsstaat. Es seien auch alle Abgaben entrichtet worden. Bei der Kranken- und Rentenversicherung habe es keine Probleme gegeben, sodass es nicht angehen könne, ob eine Vereinbarung nach Belieben greife oder nicht. Er behauptete, dass er bereits im September 2011 Kontakt zu der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau K., aufgenommen habe. Ohne Abschluss des Konkursverfahrens und somit ohne konkrete Zahlen habe jedoch keine Antragstellung erfolgen könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2013 zurück. Der Kläger sei nicht im Inland beschäftigt gewesen, sodass kein Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe. Er könne zudem auch nicht als entsandter Arbeitnehmer der Firma C. GmbH angesehen werden, da der Kläger gemäß der Vereinbarung vom 31.12.2009 ab dem 01.01.2010 bei der D. eingesetzt werde und das inländische Arbeitsverhältnis ruhe. Die Voraussetzungen für eine Entsendung lägen nicht vor.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 08.01.2014 Klage dagegen erhoben. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen. Er legte im Klageverfahren eine Bestätigung des Konkursamts L-Stadt vor, wonach der Konkurs über die D. am 22.09.2011 eröffnet wurde. Dem Kläger sei für die Monate September und Oktober 2011 ein Gehalt i. H. v. jeweils 7.865,60 Franken nicht gezahlt worden. Zudem habe ein Betrag für Überstunden i. H. v. 6.109,95 Franken ausgestanden. Der Kläger machte zudem noch Ferienguthaben für das Jahr 2010 i. H. v. 5.074,30 Franken und für das Jahr 2011 i. H. v. 5.074,30 Franken geltend. Er erhielt eine Auszahlung von 675,60 Franken. Der Kläger legte zudem eine Bestätigung des Insolvenzverwalters vor, wonach ihm für den Zeitraum vom 22.06.2011 bis 21.09.2011 kein Gehalt ausgezahlt worden sei.
Er bestreitet, dass der Lohnausfall sich nur auf den September 2011 beziehe. Er ist der Ansicht, dass es sich bei Vergütung für Überstunden um insolvenzfähiges Arbeitsentgelt handele.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 26.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2013 Insolvenzgeld dem Grunde nach zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide. Nach ihrer Ansicht bestehe ein Anspruch auf Insolvenzgeld nach den dafür maßgeblichen Vorschriften und nicht nach dem allgemeinen Sozialversicherungsrecht. Es handele sich nicht um eine von den Arbeitnehmern finanzierte Versicherung. Die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes werde vielmehr durch eine monatliche Umlage von den Arbeitgebern aufgebracht. Ein Insolvenzgeldanspruch bestehe jedoch nicht, da der Kläger weder in einem inländischen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe noch entsendeter Arbeitnehmer war. Sie bestreitet das Vorliegen eines Insolvenzereignisses, da die lohnabrechnende Stelle weiterhin die Firma C. GmbH in A-Stadt geblieben sei. Es fehle zudem ein Nachweis der ausgefallenen Lohnzahlungen. Sie ist der Ansicht, dass ein Lohnausfall nur für September 2011 vorläge. Nach ihrer Ansicht könne sich ein Anspruch nur i. H. eines Betrages von 2.229,25 EUR ergäben (21/30 der Beitragsbemessungsgrenze).
Das Gericht hat die Akte des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkasse, Abteilung Krankenversicherung – Ausland, beigezogen. Ein erster Kammertermin wurde am 04.05.2015 durchgeführt. Das Gericht hat im zweiten Kammertermin am 21.09.2017 Beweis erhoben durch Vernehmung der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau C.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem örtlich zuständigen Gericht gemäß §§ 57 Abs. 1, 78, 87 Abs. 2 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 16.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 16.12.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht nach §§ 183 ff. in der Fassung vom 02.12.2006 (im Weiteren § 183 ff. a. F.) Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) kein Anspruch auf Insolvenzgeld zu.
1. Dabei kann das Gericht offenlassen, ob die Beklagte für die Befriedigung von nicht erfüllten Ansprüchen von Arbeitnehmern örtlich zuständig ist. Nach Art. 9 Abs. 1 RL 2008/94/EG ist für zahlungsunfähige Unternehmen, das im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten tätig ist, die Einrichtung für Ansprüche von Arbeitnehmern zuständig, in dessen Hoheitsgebiete die betreffenden Arbeitnehmer gewöhnlich ihre Arbeit verrichten oder verrichtet haben. Dem Gericht entzieht sich bereits die Kenntnis, ob das Unternehmen, bei dem der Kläger grenzüberschreitend tätig war, in mindestens zwei Mitgliedsstaaten der Europäischen Union tätig gewesen ist. Es ist dem Gericht zudem nicht bekannt, ob diese Vorschrift unmittelbar oder entsprechend auch für Insolvenzfälle in einem Staat Anwendung findet, welches kein Mitglied der Europäischen Union ist. Das Gericht muss auch nicht entscheiden, ob die durch den Kläger abgeschlossene Ausnahmevereinbarung bewirkt, dass sich der gewöhnliche Verrichtungsort dennoch in Deutschland liegt, da die Klage bereits aus weiteren Gründen unbegründet ist (dazu unten).
2. Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht unbestimmt. Nach § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes (SGB X) muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmbar sein. Ausreichend für die Bestimmbarkeit eines Verwaltungsaktes ist die Bestimmbarkeit des Verfügungssatzes (Pattar in jurisPK-SGB X, § 33 SGB X, Rn. 10). Im vorliegenden Fall kann an der Bestimmtheit lediglich in der Hinsicht gezweifelt werden, da im Verfügungssatz nicht angegeben ist, für welchen Zeitraum dem Antrag auf Insolvenzgeld nicht entsprochen wird. Es ist jedoch aus dem Verfügungssatz deutlich erkennbar, dass der Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld abgelehnt werden soll. Dieser Verfügungssatz ist aus der anschließend gegebenen Begründung auch bestimmbar, da die Ablehnung der Gewährung von Insolvenzgeld sich ersichtlich auf die am 22.09.2011 erfolgte Konkurseröffnung durch das Bezirksgericht G-Stadt / Schweiz sowie den vor und durch diesen Konkurs erfolgten Ausfall von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt bezieht.
3. Der Anspruch des Klägers scheitert nach Auffassung des Gerichts nicht daran, dass der Kläger den Antrag auf Insolvenzgeld nach Ablauf der Frist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III gestellt hat. Insofern hat die Zeugin überzeugend ausgeführt, dass das Zusenden eines Antrags auf Insolvenzgeld bei ihr regelmäßig als Antragstellung von ihrer Seite gewertet würde. Insofern muss sich die Beklagte im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis auch die Zusendung eines Antrags auf Insolvenzgeld per E-Mail durch einen Mitarbeiter einer anderen Bundesagentur für Arbeit festhalten lassen. Der Kläger hat den Antrag zwar bei einer unzuständigen Sozialleistungsbehörde gestellt. Insofern wäre jedoch die unzuständige Agentur für Arbeit nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) verpflichtet gewesen, diese Antragstellung der Beklagten mitzuteilen. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer in Satz 1 genannten Stellen eingeht. Die Zeugin hat in dem Zusammenhang auch überzeugend ausgeführt, dass sie auch eine formlose Antragstellung akzeptiert hätte. Insofern kam es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Kläger sich nochmal persönlich oder telefonisch bei der Beklagten gemeldet hatte. Das maßgebliche Insolvenzereignis lag vorliegend darin, dass beim Bezirksgericht G-Stadt / Schweiz über das Vermögen der Firma D. am 22.09.2011 der Konkurs eröffnet wurde. Dies stellt unstreitig ein zu den in § 165 SGB III normierten Tatbeständen vergleichbares, ausländisches Insolvenzereignis dar. Dem Kläger wurde am 10.11.2011 der Antrag auf Insolvenzgeld zugesandt, sodass er den Antrag auf Insolvenzgeld innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III gestellt hat.
4. Der Kläger war jedoch kein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer (dazu unter a)). Bei ihm liegt auch keine Ausstrahlung nach § 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) vor (dazu unter b)). Diese Vorschrift ist auch nicht erweiternd auszulegen (dazu unter c)). Auch die Berücksichtigung der Ausnahmevereinbarung sowie der europäischen RL 1408/71 führt zu keinem anderen Ergebnis. Dabei ist insbesondere noch nicht die Verordnung der Europäischen Union 883/2004 anzuwenden (dazu unter d)).
a) Der Kläger ist Arbeitnehmer im Sinne von § 183 SGB III a. F. Dafür ist auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beschäftigung nach §§ 25 SGB III, 7 Abs. 1 SGB IV zurückzugreifen. Eine Beschäftigung setzt danach voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (BSG, Urteil vom 29. August 2012, Az.: B 12 R 14/10 R – juris – Rn. 15). Nach eigener Aussage des Klägers unterlag er einem umfassenden Weisungsrecht seines Arbeitgebers in der Schweiz und war vollständig im Betrieb in der Schweiz eingegliedert. Vor diesem Hintergrund war der Kläger unstreitig als Arbeitnehmer im Sinne der Vorschriften über das Insolvenzgeld anzusehen.
Bei dem Kläger handelt es sich aber nicht um einen im Inland beschäftigten Arbeitnehmer. Ein im Inland bestehendes Beschäftigungsverhältnis liegt vor, wenn der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses im Inland liegt. Dafür ist auf den tatsächlichen Ort der Beschäftigung, das eventuelle Vorliegen einer Vereinbarung über die anwendbare Rechtsordnung, eine Gerichtstandvereinbarung und die Frage, in welcher Währung der Arbeitslohn gezahlt wird, abzustellen (E. Schneider in jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 165 SGB III, Rn. 35). Der tatsächliche Ort der Beschäftigung lag nach den Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung in der Schweiz. Der dortige Arbeitgeber übte sein Weisungsrecht aus. Zudem war der Kläger vollständig in den dortigen Betrieb eingegliedert. Ausweislich des Arbeitsvertrags mit der D. wurde das Gehalt in Schweizer Franken ausgezahlt. Zahlungen bei Arbeitsunfähigkeit erhielt der Kläger gemäß 3.5.1 des Arbeitsvertrages von der Versicherungsanstalt und somit nicht gemäß dem deutschen Arbeitsrecht – von seinem Arbeitgeber. Nach 4.2 des Arbeitsvertrages haben die Arbeitsvertragsparteien als Gerichtsstand für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis das schweizerische Gericht am Wohnsitz oder Sitz des Arbeitgebers oder am Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, als zuständiges Gericht bestimmt. Die Frage, ob deutsches oder schweizerisches Arbeitsrecht auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung finden sollte, haben die Arbeitsvertragsparteien allerdings nicht geregelt. Zwar hat der frühere Arbeitgeber in Deutschland die Melde- und Beitragspflichten zur Sozialversicherung in Deutschland übernommen. Der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers lag jedoch anhand der weiteren Anknüpfungstatsachen in der Schweiz, sodass kein inländisches Arbeitsverhältnis vorlag.
b) Es liegt auch kein Tatbestand der Ausstrahlung eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 4 SGB IV vor. Nach § 4 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit diese eine Beschäftigung voraussetzen, auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 4 SGB IV setzt ein fortbestehendes Versicherungspflichtverhältnis zunächst voraus, dass vor Beginn der Entsendung ein Beschäftigungsverhältnis mit dem entsendenden Arbeitgeber in Deutschland bestanden hat. Erforderlich ist ferner, dass das Beschäftigungsverhältnis während der Zeit der Entsendung fortbesteht und dass es nach Beendigung der Entsendung weitergeführt werden soll, weshalb § 4 Abs. 1 SGB IV eine "im Voraus" feststehende zeitliche Begrenzung fordert (BSG, Urteil vom 05. Dezember 2006, Az.: B 11a AL 3/06 R – juris – Rn. 17). Maßgebend ist, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt. Voraussetzung ist regelmäßig, dass der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleibt und wesentliche Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) erfüllt werden und sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den inländischen Arbeitgeber richtet (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. März 2016 Az.: L 11 EG 1924/15 – juris – Rn. 31). Dabei reicht allerdings ein "Rumpfarbeitsverhältnis", das durch eine zwischen dem Arbeitgeber und dem Beschäftigten getroffene, den ursprünglichen Arbeitsvertrag abändernde Abrede über das Ruhen der Hauptpflichten auf Arbeitsleistung und Zahlung von Arbeitsentgelt und das "automatische" Wiederaufleben der Rechte und Pflichten aus dem ursprünglichen Vertrag bei Beendigung des Auslandseinsatzes gekennzeichnet ist, nicht aus (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. März 2016, Az.: L 11 EG 1924/15 – juris – Rn. 32).
Einerseits hat der Kläger selbst bestätigt, dass das Weisungsrecht von dem schweizerischen Unternehmen ausgeübt wurde und er sich vollständig in den Betrieb in der Schweiz eingegliedert hat, sodass er bereits organisatorisch nicht in den Betrieb seines früheren inländischen Arbeitgebers eingegliedert war. Zwar erstattete sein früherer Arbeitgeber der D. das an den Kläger zu zahlende Gehalt, jedoch stand dem Kläger lediglich ein Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen seinen schweizerischen Arbeitgeber zu. Andererseits ruhte im inländischen Arbeitsverhältnis die Hauptleistungspflicht auf Arbeitsleistung und Zahlung des Nettoarbeitsentgelts, sodass auch vor diesem Hintergrund keine Ausstrahlung anzunehmen ist. Es reicht insofern nicht aus, dass der frühere Arbeitgeber des Klägers in Deutschland die Beiträge zur Sozialversicherung übernommen hat.
c) Eine erweiternde Auslegung des § 4 SGB IV ist nicht vorzunehmen, da der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses – wie bereits ausgeführt – nicht im Inland lag.
d) Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers in der Schweiz fand zudem noch die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, (im Weiteren VO (EWG) Nr. 1408/71 Anwendung. Eine Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 883/2004 findet demgegenüber nicht statt. Der Gemischte Ausschuss zum Freizügigkeitsabkommen EU-Schweiz hat mit Beschluss Nr. 1/2012 vom 31.03.2012 den Anhang II des Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit mit Wirkung ab dem 01.04.2012 ersetzt. Ab diesem Datum gilt für die Schweiz für Angehörige von Mitgliedstaaten der Union die EGV 883/2004. Daraus ist zu folgern, dass vor diesem Zeitraum immer noch die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Anwendung findet. Das Gericht muss somit in diesem Zusammenhang nicht darüber entscheiden, ob durch die geringfügige Änderung von Art. 3 Abs. 2 EGV 883/2004 im Vergleich zu Art. 4 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71 sich auch eine inhaltliche Änderung ergibt.
Aus dieser Verordnung im Zusammenspiel mit der Ausnahmevereinbarung nach Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71 kann der Kläger jedoch keinen weiteren sozialen Schutz in Form eines Anspruches auf Insolvenzgeld herleiten. Zwar sichert ihm die Ausnahmevereinbarung zu, dass die deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit angewendet werden. Diese Ausnahmevereinbarung kann aber nur soweit reichen, wie der sachliche Geltungsbereich nach dieser Verordnung reicht. Nach Art. 4 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 1408/71 gilt die Verordnung nur für Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die die dort genannten Leistungsarten betreffen. Danach gilt die Richtlinie nur für Leistungen bei Krankheit, Mutterschaft, Leistungen bei Invalidität, Leistungen bei Alter, Leistung an Hinterbliebene, Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, Sterbegeld, Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Familienleistungen. Die Gewährung von Insolvenzgeld bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gehören nicht dazu (BSG, Urteil vom 08. Februar 2001, Az.: B 11 AL 30/00 R – juris – Rn. 19; EuGH, Urteil vom 15.12.1976, Az.: 39/76). Es handelt sich insbesondere nicht um Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach Art. 4 Abs. 1 g) VO (EWG) Nr. 1408/71, da nach der Natur dieser Leistungen diese dem Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit Einkünfte gewähren sollen, die jedoch nicht solchen Leistungen entsprechen, die er im Rahmen einer Beschäftigung erbracht hat (vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1976, Az.: 39/76 – juris – Rn. 18 – 20). Dieser Rechtsprechung schließt sich das erkennende Gericht ausdrücklich an. Es handelt sich auch nicht um beitragsunabhängige Geldleistungen nach Art. 4 Abs. 2a VO (EWG) Nr. 1408/71, da das Insolvenzgeld nicht durch obligatorische Steuern zur Deckung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben finanziert wird, sondern die Finanzierung des Insolvenzgeldes durch Beiträge der Arbeitgeber erfolgt (vgl. §§ 358 – 362 SGB III). Vor diesem Hintergrund war der Kläger durch den Abschluss der Ausnahmevereinbarung und der VO (EWG) Nr. 1408/71 nicht vor der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers im Ausland geschützt. Die Ausnahmevereinbarung kann zudem gemäß Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71 nur Ausnahmen von den Art. 13 – 16 VO (EWG) Nr. 1408/71 zum Inhalt haben und damit bestimmen, welche Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates über die soziale Sicherheit auf ein Arbeitsverhältnis beim einem ausländischen Arbeitnehmer anzuwenden ist. Sie kann jedoch nicht den sachlichen Geltungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71 erweitern, sodass der Kläger bei Berücksichtigung der vorherigen Ausführungen auch nach Unionsrecht nicht als inländischer Arbeitnehmer angesehen werden kann.
5. Vor dem Hintergrund des nicht bestehenden Insolvenzgeldanspruches dem Grunde nach musste das Gericht sich nicht mit der Frage zur Höhe des Insolvenzgeldes auseinandersetzen, insbesondere nicht zu der Frage, ob vorgearbeitete Zeit außerhalb des Insolvenzgeldzeitraumes, die später als Zeitguthaben im Insolvenzgeldzeitraum verwendet, tatsächlich zum Insolvenzgeldzeitraum gehören. Dem Kläger steht ab dem 23.09.2011 bereits deswegen kein Anspruch auf Insolvenzgeld zusteht, da nach § 183 a. F. SGB III nur ein Anspruch auf Arbeitsentgelt für die dem Insolvenzereignis vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses besteht; auch darüber war jedoch keine gerichtliche Entscheidung erforderlich. Zudem dürfte der geltend gemachte Anspruch auf Ferienzeit, bei dem es nach Auskunft des Klägers um eine Entschädigung für nicht genommenen Urlaub handelt, um Urlaubsabgeltung handeln, die nach § 184 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a. F. wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, sodass auch in der Hinsicht der Anspruch auf Insolvenzgeld ausgeschlossen sein dürfte.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da der Wert des Beschwerdegegenstands mehr als 750,-EUR beträgt, ist die Berufung nach §§ 143, 144 SGG zulassungsfrei möglich.
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