Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 834/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 16. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2015 wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.412,89 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist eine Nachforderung aufgrund einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV).
Im September 2014 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt, Prüfungszeitraum war dabei vom 01.01.2010 bis 31.12.2013. Bei der Prüfung wurde festgestellt, dass der Mindestlohn in der Abfallwirtschaft gemäß dem einschlägigen allgemein verbindlichen Tarifvertrag nicht beachtet wurde. Aufgrund dessen ergab sich eine Nachforderung an Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträgen in Höhe von 1.147,89 EUR sowie 265 EUR Säumniszuschläge.
Mit Bescheid vom 16.09.2014 wurde diese Nachforderung von der Beklagten geltend gemacht. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Die Beklagte sei von einer zu hohen Anzahl der Beschäftigten ausgegangen, außerdem sei wie im Steuerrecht das Zuflussprinzip anzuwenden. Des Weiteren sei die Muttergesellschaft der Klägerin im Rahmen der letzten Betriebsprüfung im Jahr 2010 nicht auf den Sachverhalt der Mindestlöhne hingewiesen worden und der Tarifvertrag sei auch nicht öffentlich publiziert. Daher sei hier von einer unverschuldeten Unkenntnis auszugehen. Außerdem hätten die Beschäftigten die Differenzlöhne nicht geltend gemacht. Schließlich wurde Verjährung und Verwirkung geltend gemacht. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Gehaltsabrechnung nicht von einer gewerbsmäßig tätigen Abrechnungsstelle vorgenommen worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2015 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Vorliegend gelte nicht das Zuflussprinzip sondern des Entstehungsprinzip. Aufgrund der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfasse der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Bei Beanstandungen wegen des Verstoßes gegen das Entstehungsprinzip in der Sozialversicherung werde ein Vertrauensschutz nicht gewährt. Der Mindestlohn in der Abfallwirtschaft bedeutet für die betroffenen Arbeitgeber, dass sie verpflichtet sind, diesen Mindestlohn als Untergrenze zu zahlen. Eine vertragliche Vereinbarung dahingehend, dass ein geringerer Betrag gezahlt wird, sei unwirksam. Finde auf Unternehmen weder unmittelbar noch mittelbar ein Tarifvertrag Anwendung, müssten diese prüfen, ob es für ihre Branche einen allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag nach dem Tarifvertragsgesetz (TVG) gibt. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass im Rahmen der letzten Sozialversicherungsprüfung kein Hinweis auf die Problematik Mindestlohn gegeben worden sei. Ein Vertrauensschutz könne es insoweit nicht geben. Nach ständiger Rechtsprechung hätten Betriebsprüfungen den Sinn und Zweck, im Interesse des Versicherungsträgers und aller Versicherten die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern, aber nicht den Arbeitgeber von einer Beitragsschuld freizustellen. Die Nachforderung sei daher insgesamt berechtigt und nachvollziehbar in den Bescheiden dargelegt. Die Behauptung, die Beklagte sei von einer falschen Anzahl der Arbeitnehmer ausgegangen, sei nicht nachvollziehbar. Das Entstehungsprinzip des Beitragsanspruchs ergebe sich aus § 22 SGB IV. Hinsichtlich der Säumniszuschläge bestehe kein Ermessensspielraum der Beklagten. Vorliegend sei nicht von einer unverschuldeten Unkenntnis auszugehen. Unverschuldet im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV handle nur, wer weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Ob und in welcher Höhe ein Mindestlohn für das jeweilige Unternehmen gelte, müssten die Arbeitgeber grundsätzlich selbst in Erfahrung bringen. Hierzu hätten verschiedene Informationsmöglichkeiten bestanden, so dass keine unverschuldete Unkenntnis vorlag.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage. Die Klagebegründung entsprach im Wesentlichen der Widerspruchsbegründung. Es sei von einer zu hohen Anzahl von Arbeitnehmern ausgegangen worden, weshalb die Berechnung bereits unwirksam und unrichtig sei. Entsprechend den steuerrechtlichen Vorschriften gehe die Widerspruchsführerin davon aus, dass auch im Sozialversicherungsrecht das Zuflussprinzip gelte. Die Mitarbeiter hätten den Anspruch nicht geltend gemacht und ohne Geltendmachung sei die Klägerin auch nicht verpflichtet, von sich aus den Lohn auszubezahlen. Insgesamt sei die Berechnung der Nachforderung auch nicht nachvollziehbar. Außerdem sei in der letzten Betriebsprüfung kein Hinweis auf den Sachverhalt bezüglich des Mindestlohns erfolgt. Keiner der Mitarbeiter und Personalverantwortlichen hätte Kenntnis von dem Tarifvertrag gehabt, schließlich sei die Klägerin auch nicht Verbandsmitglied. Die Abrechnung sei nicht von einem externen Unternehmen gemacht worden, sondern von einer Mitarbeiterin der Klägerin, die diese Umstände ebenfalls nicht gekannt habe. Bei dem Tarifvertrag handele es sich nicht um einen Tarifvertrag einer Großbranche, weshalb diese auch nicht die Publizität erfahren habe wie die jüngst ergangene gesetzliche Regelung für den Mindestlohn. Es sei daher von einer unverschuldeten Unkenntnis auszugehen. Im Widerspruchsbescheid sei keine Auseinandersetzung mit diesen Argumenten erfolgt.
Die Beklagte verwies auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Die Beitragsberechnungsgrundlagen seien im Prüfbescheid bzw. den Beitragsberechnungsanlagen dargestellt worden. Daraus ergebe sich jeweils die Differenz der tatsächlich gezahlten Stundenlöhne zu den laut den maßgeblichen Tarifverträgen zu zahlenden Mindestlöhnen. Die Größe "Anzahl der Beschäftigten" auf dem internen Statistikblatt der Betriebsprüfung fließe nicht direkt in die Berechnung ein, sondern bilde lediglich die Anzahl von sämtlichen gemeldeten abgeschlossenen sowie laufenden Beschäftigungsverhältnissen im kompletten Prüfzeitraum ab. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Prüfbehörden bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet seien. Dies gelte gleichermaßen für die beitragsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 16.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorliegenden Akten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 16.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Nachforderung wurde zu Recht erhoben und ist auch in der Höhe rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für den Erlass des Bescheides ist § 28p SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Nach § 28e SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu entrichten.
I.
Vorliegend ist zunächst festzustellen, dass der Bescheid hinsichtlich der Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträge in Höhe von 1.147,89 EUR rechtmäßig ist. Auch nicht gezahltes Arbeitsentgelt unterliegt der Beitragspflicht, wenn der Arbeitgeber dieses Entgelt aufgrund eines Tarifvertrags schuldet. Vorliegend wurde der maßgebliche Tarifvertrag für allgemein verbindlich erklärt und findet daher für den streitigen Zeitraum Anwendung auf die Klägerin. Die Klägerin schuldete daher eine Entlohnung entsprechend dieses allgemein verbindlichen Tarifvertrages, sodass die Beklagte zu Recht Beiträge erhebt für die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und dem geschuldeten Lohn nach dem Tarifvertrag. Insoweit gilt nach § 22 SGB IV das Entstehungsprinzip im Sozialversicherungsrecht für laufend zu zahlendes Entgelt, d.h. es gilt entgegen des klägerischen Vortrags nicht das Zuflussprinzip. Auch bei allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen kommt es daher auf das geschuldete Entgelt für die Beitragserhebung an (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, 11.09.2008,1 BVR 2007/05; BSG vom 14.07.2004, B 12 KR 1/04 R, Landessozialgericht (LSG) Sachsen vom 27.01.2003, L 3 B 31/02 RJ ER, LSG Bayern vom 24.11.2009, L 5 R 952/08). Es kommt daher nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer den Lohnanspruch tatsächlich geltend machen oder überhaupt noch ein durchsetzbarer Lohnzahlungsanspruch besteht. Maßgeblich ist allein, dass nach dem allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag das höhere Entgelt geschuldet ist.
Eine Rechtswidrigkeit des Bescheides ergibt sich auch nicht daraus, dass bei der letzten Betriebsprüfung 2010 die Problematik eines Mindestlohnes aufgrund Tarifvertrages nicht erörtert wurde und von der Beklagten insoweit kein Hinweis erfolgt war. Insoweit besteht für die Klägerin kein Vertrauensschutz. Nach der Rechtsprechung des BSG (18.11.2015, B 12 R 7/14 R) bezwecken Betriebsprüfungen und Prüfberichte nicht Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihnen Entlastung zu erteilen, sondern dienen allein der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung. Aus den Vorschriften über die Betriebsprüfung und der Rechtsprechung des BSG kann nicht gefolgert werden, dass bei Erlass eines personenbezogenen Verwaltungsaktes im Rahmen einer Betriebsprüfung zugleich die Regelung getroffen werde, dass im Prüfzeitraum ansonsten alles in Ordnung gewesen sei, im Beitragsrecht fände sich keine dem § 173 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) entsprechende Regelung über eine Änderungssperre (BSG vom 18.11.2015, B 12 R 7/14 R).
Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte sei von einer falschen Anzahl von Arbeitnehmern ausgegangen, ergibt sich auch nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheides. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die genannte Größe "Anzahl der Beschäftigten" nicht in die Berechnung mit einfließt und sich die konkrete Zahl von 33 auf die Anzahl sämtlicher gemeldeter Beschäftigungsverhältnisse insgesamt im kompletten Prüfzeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 bezieht. Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Beschäftigungszahlen im streitgegenständlichen Zeitraum bei durchschnittlich ca. 11 Arbeitnehmern lag, ist darauf hinzuweisen, dass es für die Berechnung nicht auf die durchschnittliche Anzahl von Arbeitnehmern ankam. Vielmehr ist entscheidend, für wie viele Arbeitnehmer im streitgegenständlichen Zeitraum der Mindestlohn nicht beachtet wurde und sich insoweit Nachforderungen ergeben.
Der Einwand, die Beklagte sei daher von einer falschen Anzahl von Arbeitnehmern ausgegangen, ist daher nicht nachvollziehbar.
Der Bescheid erscheint auch insgesamt ausreichend bestimmt und nachvollziehbar. In den Anlagen zum Bescheid wird im Einzelnen detailliert für jeden Arbeitnehmer und für den jeweiligen Zeitraum angegeben und berechnet, inwieweit Beiträge nachzufordern sind. Die Nachforderung ergibt sich dabei jeweils aus der Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Stundenlohn und dem tariflich zustehenden Mindestlohn, wobei diese Differenz multipliziert mit den Arbeitsstunden die Beitragsberechnungsgrundlage ergibt.
Darüber hinaus ist auch keine Verjährung eingetreten. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind.
Auch eine Verwirkung der Beitragsforderung liegt nicht vor. Eine Verwirkung gilt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung und beruht auf dem Grundsatz von Treu und Glauben. Voraussetzung für eine Verwirkung ist jedoch, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während längerer Zeit unterlassen hat und weitere besondere Umstände des Einzelfalls die verspätete Geltendmachung als illoyal erscheinen lassen. Solche Umstände liegen insbesondere vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde und wenn der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, weshalb ihm eine verspätete Durchsetzung des Rechts nun einen unzumutbaren Nachteil bringen würde. Bloßes Nichtstun ist insoweit nicht ausreichend, vielmehr muss ein konkretes Verhalten hinzukommen, welches bei dem Verpflichteten die berechtigte Erwartung hervorruft, dass eine Beitragsforderung nicht geltend gemacht werde. Nur ausnahmsweise kann ein Unterlassen ein schutzwürdiges Vertrauen begründen (LSG Sachsen-Anhalt, 27.01.2003, L 3b 31/02 RJ ER). Ein solches Verwirkungsverhalten der Beklagten liegt nicht vor. Wie bereits ausgeführt, haben Betriebsprüfungen nicht den Zweck, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm Entlastung zu erteilen. Aus einem unterbliebenen Hinweis bei der letzten Betriebsprüfung im Jahr 2010 folgt daher nicht, dass die Beklagte die Forderung verwirkt hätte. Auch ein sonstiges aktives Verwirkungsverhalten der Beklagten ist nicht erkennbar.
II.
Auch die Säumniszuschläge in Höhe von 265 EUR nach § 24 SGB IV wurden zu Recht erhoben. Nach § 24 SGB IV gilt Folgendes:
Absatz 1: Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen auf 50 EUR nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Bei einem rückständigen Betrag unter 100 EUR ist der Säumniszuschlag nicht zu erheben, wenn dieser gesondert schriftlich einzufordern wäre.
Absatz 2: Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, sobald der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.
Vorliegend kommt es daher darauf an, ob die Klägerin unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Der Begriff unverschuldet erfasst nicht nur vorsätzliches Handeln, sondern auch fahrlässiges Verhalten (BSG vom 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, LSG Nordrhein-Westfalen 12.03.2009, L 16 R 49/08). Als Verschuldensmaßstab ist daher § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zugrunde zu legen, danach sind neben Vorsatz auch alle Grade der Fahrlässigkeit umfasst (BSG vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, Juris, Praxiskommentar § 24 SGB IV Rn. 41, andere Ansicht BSG 09.11.2011, B 12 R 18/09 R). Außerdem ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung kein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber den Begriff "unverschuldet" auf vorsätzliches Handeln beschränken wollte (LSG Nordrhein-Westfalen, 12.03.2009, L 16 R 49/08). Entgegen dem Vortrag der Klägerin in der Widerspruchsbegründung ist daher für die Erhebung von Säumniszuschlägen nicht Voraussetzung, dass die Klägerin eine positive Kenntnis von der Geltung des Tarifvertrags hatte.
Es kommt dabei auch nicht entscheidend darauf an, ob sich die Klägerin im Rahmen der Lohn- und Gehaltsabrechnung eines externen Unternehmens bedient hat.
Vorliegend ist nach Auffassung des Gerichts nicht davon auszugehen, dass eine unverschuldete Unkenntnis der Klägerin vorlag. Zwar ist glaubhaft gemacht worden, dass die Klägerin keine Kenntnis von der Geltung des allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages hatte, diese Unkenntnis ist jedoch nicht als unverschuldet anzusehen. Insoweit ist der Klägerin Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Fahrlässigkeit ist das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - BAG - (BAG, 16.08.1983, 3 AZR 206/82) ergibt, können selbst Arbeitgeber von kleineren Betrieben, die keinem Arbeitgeberverband angehören, in der Regel nicht geltend machen, sie hätten einschlägige Bestimmungen eines allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages nicht gekannt (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, 12.03.2009, L 16 R 49/08). Auch das BSG nimmt in seiner Entscheidung vom 14.07.2004 (B 12 KR 1/04 R) darauf Bezug und führt aus, dass Außenseiter sich regelmäßig nicht darauf berufen können, sie hätten einschlägige Bestimmungen des allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrags nicht gekannt.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die für die Abrechnung zuständige Mitarbeiterin, die auf 400-EUR-Basis bei der Klägerin angestellt sei, keine Kenntnis von der Geltung des Tarifvertrages hatte und daher eine unverschuldete Unkenntnis vorliegt. Die Klägerin hat dafür Sorge zu tragen, dass sie laufend über die Geltung der entsprechenden Tarifverträge informiert ist. Sie hat sich daher regelmäßig über eventuelle tarifrechtliche Änderungen zu informieren. Die Klägerin kann sich daher nicht allein darauf berufen, dass es sich um keinen Tarifvertrag einer Großbranche gehandelt habe und der Tarifvertrag in der Öffentlichkeit keine große Beachtung gefunden habe. Auch wenn die Klägerin nicht Verbandsmitglied ist, hat sie sich dennoch laufend über tarifrechtliche Änderungen zu informieren. Dies ist nach Auffassung des Gerichts einem Unternehmen in der entsprechenden Größenordnung wie der Klägerin auch zumutbar. Hierzu bestehen verschiedene Möglichkeiten, sich Informationen hinsichtlich der Geltung des Tarivertrags zu verschaffen, auf die auch die Beklagte bereits im streitgegenständlichen Bescheid hingewiesen hat. Auf die Ausführungen wird daher ausdrücklich Bezug genommen.
Eine unverschuldete Unkenntnis ergibt sich außerdem auch nicht daraus, dass die Beklagte bei der letzten Betriebsprüfung 2010 das Thema Mindestlohn nicht thematisiert hatte. Wie bereits ausgeführt, bestand insoweit keine Verpflichtung der Beklagten, entsprechende Hinweise zu geben, insoweit kann sich die Klägerin auch nicht auf einen Vertrauensschutz berufen (BSG, 18.11.2015, B 12 R 7/14 R).
Nach alledem war die Klage unbegründet und abzuweisen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197a SGG i.V.m. § 45 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.412,89 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist eine Nachforderung aufgrund einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV).
Im September 2014 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt, Prüfungszeitraum war dabei vom 01.01.2010 bis 31.12.2013. Bei der Prüfung wurde festgestellt, dass der Mindestlohn in der Abfallwirtschaft gemäß dem einschlägigen allgemein verbindlichen Tarifvertrag nicht beachtet wurde. Aufgrund dessen ergab sich eine Nachforderung an Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträgen in Höhe von 1.147,89 EUR sowie 265 EUR Säumniszuschläge.
Mit Bescheid vom 16.09.2014 wurde diese Nachforderung von der Beklagten geltend gemacht. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Die Beklagte sei von einer zu hohen Anzahl der Beschäftigten ausgegangen, außerdem sei wie im Steuerrecht das Zuflussprinzip anzuwenden. Des Weiteren sei die Muttergesellschaft der Klägerin im Rahmen der letzten Betriebsprüfung im Jahr 2010 nicht auf den Sachverhalt der Mindestlöhne hingewiesen worden und der Tarifvertrag sei auch nicht öffentlich publiziert. Daher sei hier von einer unverschuldeten Unkenntnis auszugehen. Außerdem hätten die Beschäftigten die Differenzlöhne nicht geltend gemacht. Schließlich wurde Verjährung und Verwirkung geltend gemacht. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Gehaltsabrechnung nicht von einer gewerbsmäßig tätigen Abrechnungsstelle vorgenommen worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2015 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Vorliegend gelte nicht das Zuflussprinzip sondern des Entstehungsprinzip. Aufgrund der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfasse der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Bei Beanstandungen wegen des Verstoßes gegen das Entstehungsprinzip in der Sozialversicherung werde ein Vertrauensschutz nicht gewährt. Der Mindestlohn in der Abfallwirtschaft bedeutet für die betroffenen Arbeitgeber, dass sie verpflichtet sind, diesen Mindestlohn als Untergrenze zu zahlen. Eine vertragliche Vereinbarung dahingehend, dass ein geringerer Betrag gezahlt wird, sei unwirksam. Finde auf Unternehmen weder unmittelbar noch mittelbar ein Tarifvertrag Anwendung, müssten diese prüfen, ob es für ihre Branche einen allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag nach dem Tarifvertragsgesetz (TVG) gibt. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass im Rahmen der letzten Sozialversicherungsprüfung kein Hinweis auf die Problematik Mindestlohn gegeben worden sei. Ein Vertrauensschutz könne es insoweit nicht geben. Nach ständiger Rechtsprechung hätten Betriebsprüfungen den Sinn und Zweck, im Interesse des Versicherungsträgers und aller Versicherten die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern, aber nicht den Arbeitgeber von einer Beitragsschuld freizustellen. Die Nachforderung sei daher insgesamt berechtigt und nachvollziehbar in den Bescheiden dargelegt. Die Behauptung, die Beklagte sei von einer falschen Anzahl der Arbeitnehmer ausgegangen, sei nicht nachvollziehbar. Das Entstehungsprinzip des Beitragsanspruchs ergebe sich aus § 22 SGB IV. Hinsichtlich der Säumniszuschläge bestehe kein Ermessensspielraum der Beklagten. Vorliegend sei nicht von einer unverschuldeten Unkenntnis auszugehen. Unverschuldet im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV handle nur, wer weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Ob und in welcher Höhe ein Mindestlohn für das jeweilige Unternehmen gelte, müssten die Arbeitgeber grundsätzlich selbst in Erfahrung bringen. Hierzu hätten verschiedene Informationsmöglichkeiten bestanden, so dass keine unverschuldete Unkenntnis vorlag.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage. Die Klagebegründung entsprach im Wesentlichen der Widerspruchsbegründung. Es sei von einer zu hohen Anzahl von Arbeitnehmern ausgegangen worden, weshalb die Berechnung bereits unwirksam und unrichtig sei. Entsprechend den steuerrechtlichen Vorschriften gehe die Widerspruchsführerin davon aus, dass auch im Sozialversicherungsrecht das Zuflussprinzip gelte. Die Mitarbeiter hätten den Anspruch nicht geltend gemacht und ohne Geltendmachung sei die Klägerin auch nicht verpflichtet, von sich aus den Lohn auszubezahlen. Insgesamt sei die Berechnung der Nachforderung auch nicht nachvollziehbar. Außerdem sei in der letzten Betriebsprüfung kein Hinweis auf den Sachverhalt bezüglich des Mindestlohns erfolgt. Keiner der Mitarbeiter und Personalverantwortlichen hätte Kenntnis von dem Tarifvertrag gehabt, schließlich sei die Klägerin auch nicht Verbandsmitglied. Die Abrechnung sei nicht von einem externen Unternehmen gemacht worden, sondern von einer Mitarbeiterin der Klägerin, die diese Umstände ebenfalls nicht gekannt habe. Bei dem Tarifvertrag handele es sich nicht um einen Tarifvertrag einer Großbranche, weshalb diese auch nicht die Publizität erfahren habe wie die jüngst ergangene gesetzliche Regelung für den Mindestlohn. Es sei daher von einer unverschuldeten Unkenntnis auszugehen. Im Widerspruchsbescheid sei keine Auseinandersetzung mit diesen Argumenten erfolgt.
Die Beklagte verwies auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Die Beitragsberechnungsgrundlagen seien im Prüfbescheid bzw. den Beitragsberechnungsanlagen dargestellt worden. Daraus ergebe sich jeweils die Differenz der tatsächlich gezahlten Stundenlöhne zu den laut den maßgeblichen Tarifverträgen zu zahlenden Mindestlöhnen. Die Größe "Anzahl der Beschäftigten" auf dem internen Statistikblatt der Betriebsprüfung fließe nicht direkt in die Berechnung ein, sondern bilde lediglich die Anzahl von sämtlichen gemeldeten abgeschlossenen sowie laufenden Beschäftigungsverhältnissen im kompletten Prüfzeitraum ab. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Prüfbehörden bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet seien. Dies gelte gleichermaßen für die beitragsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 16.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorliegenden Akten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 16.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Nachforderung wurde zu Recht erhoben und ist auch in der Höhe rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für den Erlass des Bescheides ist § 28p SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Nach § 28e SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu entrichten.
I.
Vorliegend ist zunächst festzustellen, dass der Bescheid hinsichtlich der Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträge in Höhe von 1.147,89 EUR rechtmäßig ist. Auch nicht gezahltes Arbeitsentgelt unterliegt der Beitragspflicht, wenn der Arbeitgeber dieses Entgelt aufgrund eines Tarifvertrags schuldet. Vorliegend wurde der maßgebliche Tarifvertrag für allgemein verbindlich erklärt und findet daher für den streitigen Zeitraum Anwendung auf die Klägerin. Die Klägerin schuldete daher eine Entlohnung entsprechend dieses allgemein verbindlichen Tarifvertrages, sodass die Beklagte zu Recht Beiträge erhebt für die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und dem geschuldeten Lohn nach dem Tarifvertrag. Insoweit gilt nach § 22 SGB IV das Entstehungsprinzip im Sozialversicherungsrecht für laufend zu zahlendes Entgelt, d.h. es gilt entgegen des klägerischen Vortrags nicht das Zuflussprinzip. Auch bei allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen kommt es daher auf das geschuldete Entgelt für die Beitragserhebung an (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, 11.09.2008,1 BVR 2007/05; BSG vom 14.07.2004, B 12 KR 1/04 R, Landessozialgericht (LSG) Sachsen vom 27.01.2003, L 3 B 31/02 RJ ER, LSG Bayern vom 24.11.2009, L 5 R 952/08). Es kommt daher nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer den Lohnanspruch tatsächlich geltend machen oder überhaupt noch ein durchsetzbarer Lohnzahlungsanspruch besteht. Maßgeblich ist allein, dass nach dem allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag das höhere Entgelt geschuldet ist.
Eine Rechtswidrigkeit des Bescheides ergibt sich auch nicht daraus, dass bei der letzten Betriebsprüfung 2010 die Problematik eines Mindestlohnes aufgrund Tarifvertrages nicht erörtert wurde und von der Beklagten insoweit kein Hinweis erfolgt war. Insoweit besteht für die Klägerin kein Vertrauensschutz. Nach der Rechtsprechung des BSG (18.11.2015, B 12 R 7/14 R) bezwecken Betriebsprüfungen und Prüfberichte nicht Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihnen Entlastung zu erteilen, sondern dienen allein der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung. Aus den Vorschriften über die Betriebsprüfung und der Rechtsprechung des BSG kann nicht gefolgert werden, dass bei Erlass eines personenbezogenen Verwaltungsaktes im Rahmen einer Betriebsprüfung zugleich die Regelung getroffen werde, dass im Prüfzeitraum ansonsten alles in Ordnung gewesen sei, im Beitragsrecht fände sich keine dem § 173 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) entsprechende Regelung über eine Änderungssperre (BSG vom 18.11.2015, B 12 R 7/14 R).
Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte sei von einer falschen Anzahl von Arbeitnehmern ausgegangen, ergibt sich auch nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheides. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die genannte Größe "Anzahl der Beschäftigten" nicht in die Berechnung mit einfließt und sich die konkrete Zahl von 33 auf die Anzahl sämtlicher gemeldeter Beschäftigungsverhältnisse insgesamt im kompletten Prüfzeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 bezieht. Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Beschäftigungszahlen im streitgegenständlichen Zeitraum bei durchschnittlich ca. 11 Arbeitnehmern lag, ist darauf hinzuweisen, dass es für die Berechnung nicht auf die durchschnittliche Anzahl von Arbeitnehmern ankam. Vielmehr ist entscheidend, für wie viele Arbeitnehmer im streitgegenständlichen Zeitraum der Mindestlohn nicht beachtet wurde und sich insoweit Nachforderungen ergeben.
Der Einwand, die Beklagte sei daher von einer falschen Anzahl von Arbeitnehmern ausgegangen, ist daher nicht nachvollziehbar.
Der Bescheid erscheint auch insgesamt ausreichend bestimmt und nachvollziehbar. In den Anlagen zum Bescheid wird im Einzelnen detailliert für jeden Arbeitnehmer und für den jeweiligen Zeitraum angegeben und berechnet, inwieweit Beiträge nachzufordern sind. Die Nachforderung ergibt sich dabei jeweils aus der Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Stundenlohn und dem tariflich zustehenden Mindestlohn, wobei diese Differenz multipliziert mit den Arbeitsstunden die Beitragsberechnungsgrundlage ergibt.
Darüber hinaus ist auch keine Verjährung eingetreten. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind.
Auch eine Verwirkung der Beitragsforderung liegt nicht vor. Eine Verwirkung gilt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung und beruht auf dem Grundsatz von Treu und Glauben. Voraussetzung für eine Verwirkung ist jedoch, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während längerer Zeit unterlassen hat und weitere besondere Umstände des Einzelfalls die verspätete Geltendmachung als illoyal erscheinen lassen. Solche Umstände liegen insbesondere vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde und wenn der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, weshalb ihm eine verspätete Durchsetzung des Rechts nun einen unzumutbaren Nachteil bringen würde. Bloßes Nichtstun ist insoweit nicht ausreichend, vielmehr muss ein konkretes Verhalten hinzukommen, welches bei dem Verpflichteten die berechtigte Erwartung hervorruft, dass eine Beitragsforderung nicht geltend gemacht werde. Nur ausnahmsweise kann ein Unterlassen ein schutzwürdiges Vertrauen begründen (LSG Sachsen-Anhalt, 27.01.2003, L 3b 31/02 RJ ER). Ein solches Verwirkungsverhalten der Beklagten liegt nicht vor. Wie bereits ausgeführt, haben Betriebsprüfungen nicht den Zweck, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm Entlastung zu erteilen. Aus einem unterbliebenen Hinweis bei der letzten Betriebsprüfung im Jahr 2010 folgt daher nicht, dass die Beklagte die Forderung verwirkt hätte. Auch ein sonstiges aktives Verwirkungsverhalten der Beklagten ist nicht erkennbar.
II.
Auch die Säumniszuschläge in Höhe von 265 EUR nach § 24 SGB IV wurden zu Recht erhoben. Nach § 24 SGB IV gilt Folgendes:
Absatz 1: Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen auf 50 EUR nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Bei einem rückständigen Betrag unter 100 EUR ist der Säumniszuschlag nicht zu erheben, wenn dieser gesondert schriftlich einzufordern wäre.
Absatz 2: Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, sobald der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.
Vorliegend kommt es daher darauf an, ob die Klägerin unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Der Begriff unverschuldet erfasst nicht nur vorsätzliches Handeln, sondern auch fahrlässiges Verhalten (BSG vom 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, LSG Nordrhein-Westfalen 12.03.2009, L 16 R 49/08). Als Verschuldensmaßstab ist daher § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zugrunde zu legen, danach sind neben Vorsatz auch alle Grade der Fahrlässigkeit umfasst (BSG vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, Juris, Praxiskommentar § 24 SGB IV Rn. 41, andere Ansicht BSG 09.11.2011, B 12 R 18/09 R). Außerdem ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung kein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber den Begriff "unverschuldet" auf vorsätzliches Handeln beschränken wollte (LSG Nordrhein-Westfalen, 12.03.2009, L 16 R 49/08). Entgegen dem Vortrag der Klägerin in der Widerspruchsbegründung ist daher für die Erhebung von Säumniszuschlägen nicht Voraussetzung, dass die Klägerin eine positive Kenntnis von der Geltung des Tarifvertrags hatte.
Es kommt dabei auch nicht entscheidend darauf an, ob sich die Klägerin im Rahmen der Lohn- und Gehaltsabrechnung eines externen Unternehmens bedient hat.
Vorliegend ist nach Auffassung des Gerichts nicht davon auszugehen, dass eine unverschuldete Unkenntnis der Klägerin vorlag. Zwar ist glaubhaft gemacht worden, dass die Klägerin keine Kenntnis von der Geltung des allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages hatte, diese Unkenntnis ist jedoch nicht als unverschuldet anzusehen. Insoweit ist der Klägerin Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Fahrlässigkeit ist das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - BAG - (BAG, 16.08.1983, 3 AZR 206/82) ergibt, können selbst Arbeitgeber von kleineren Betrieben, die keinem Arbeitgeberverband angehören, in der Regel nicht geltend machen, sie hätten einschlägige Bestimmungen eines allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages nicht gekannt (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, 12.03.2009, L 16 R 49/08). Auch das BSG nimmt in seiner Entscheidung vom 14.07.2004 (B 12 KR 1/04 R) darauf Bezug und führt aus, dass Außenseiter sich regelmäßig nicht darauf berufen können, sie hätten einschlägige Bestimmungen des allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrags nicht gekannt.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die für die Abrechnung zuständige Mitarbeiterin, die auf 400-EUR-Basis bei der Klägerin angestellt sei, keine Kenntnis von der Geltung des Tarifvertrages hatte und daher eine unverschuldete Unkenntnis vorliegt. Die Klägerin hat dafür Sorge zu tragen, dass sie laufend über die Geltung der entsprechenden Tarifverträge informiert ist. Sie hat sich daher regelmäßig über eventuelle tarifrechtliche Änderungen zu informieren. Die Klägerin kann sich daher nicht allein darauf berufen, dass es sich um keinen Tarifvertrag einer Großbranche gehandelt habe und der Tarifvertrag in der Öffentlichkeit keine große Beachtung gefunden habe. Auch wenn die Klägerin nicht Verbandsmitglied ist, hat sie sich dennoch laufend über tarifrechtliche Änderungen zu informieren. Dies ist nach Auffassung des Gerichts einem Unternehmen in der entsprechenden Größenordnung wie der Klägerin auch zumutbar. Hierzu bestehen verschiedene Möglichkeiten, sich Informationen hinsichtlich der Geltung des Tarivertrags zu verschaffen, auf die auch die Beklagte bereits im streitgegenständlichen Bescheid hingewiesen hat. Auf die Ausführungen wird daher ausdrücklich Bezug genommen.
Eine unverschuldete Unkenntnis ergibt sich außerdem auch nicht daraus, dass die Beklagte bei der letzten Betriebsprüfung 2010 das Thema Mindestlohn nicht thematisiert hatte. Wie bereits ausgeführt, bestand insoweit keine Verpflichtung der Beklagten, entsprechende Hinweise zu geben, insoweit kann sich die Klägerin auch nicht auf einen Vertrauensschutz berufen (BSG, 18.11.2015, B 12 R 7/14 R).
Nach alledem war die Klage unbegründet und abzuweisen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197a SGG i.V.m. § 45 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
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