Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 19 R 896/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 235/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 10/14 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 28.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2011 und des Berichtigungsbescheides vom 12.06.2012 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger seit dem 01.03.2007 nicht sozialversicherungspflichtig in der Rentenversicherung und Arbeitsförderung ist.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger in der Zeit ab dem 16.01.2007 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu der Beigeladenen zu 1. steht und der Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegt oder ob er selbstständig und versicherungsfrei ist.
Der 1958 geborene Kläger ist ehemaliger TV-Journalist und war vor seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen etwa sechs Jahre bei der E. und im Anschluss jahrelang als selbstständiger Politik- und Medienberater tätig. Seit 2005 arbeitete der Kläger gemeinsam mit dem späteren Mitgesellschafter der Beigeladenen in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts auf dem Gebiet der Unternehmensberatung.
Am 11.09.2006 gründeten der Kläger und der Mitgesellschafter per Gesellschaftsvertrag die Beigeladene D. & A. Consult Unternehmensberatung GmbH. Das Stammkapital betrug 100.000 EUR. Der Kläger übernahm eine Stammeinlage von 30.000 EUR, der Mitgesellschafter 70.000 EUR. Am 16.01.2007 schlossen die Beigeladene und der Kläger einen Geschäftsführeranstellungsvertrag. Nach § 1 des Vertrages ist der Kläger einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Er vertritt die Gesellschaft in allen Angelegenheiten gerichtlich wie außergerichtlich. Nach § 2 des Vertrages hat der Kläger ein Veto-Recht bei der Bestimmung weiterer Geschäftsführer als die beiden Geschäftsführer-Gesellschafter. Weiter ist der Kläger wegen seiner fachlichen Kompetenz für die weitere Entwicklung und den Bestand der Gesellschaft von enormer Bedeutung und erhält daher ein Veto-Recht bei grundsätzlichen Entscheidungen welche die Geschäfte der GmbH, insbesondere Änderungen und Geschäftserweiterungen betreffen. Der Kläger ist nach § 3 des Anstellungsvertrages an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden. Nach § 4 des Anstellungsvertrages ist der Kläger berechtigt, seine Tätigkeit als Einzelunternehmer im Bereich der Medienberatung fortzuführen. Der Kläger erhält nach dem Anstellungsvertrag eine monatliche Vergütung von 12.000 EUR, welche bei Krankheit für die Dauer von einem Jahr weitergezahlt wird. Der Kläger haftet für fahrlässige oder grob fahrlässige Schäden bis zu einem Betrag von 50.000 EUR. Nach § 8 Abs. 6 des Anstellungsvertrages verzichtet der Kläger bis zum 01.03.2007 auf sein Gehalt und stundet sein Gehalt bis zu einem Umsatz von 500.000EUR, längstens jedoch bis zum 31.12.2007. Es wurde ein Jahresurlaub von 30 Tagen vereinbart. Der Mitgesellschafter schloss ebenso mit der Beigeladenen einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag.
Das Geschäftsmodell der Beigeladenen besteht darin, den Kunden der Beigeladenen mit Hilfe einer Verknüpfung wirtschaftlicher und kommunikativer Know-hows eine konfliktfreie Umsetzung von notwendigen Personalmaßnahmen zu ermöglichen. Hierbei steht die Beratung von natürlichen Personen, Unternehmen und öffentlichen Institutionen im Vordergrund. Die unternehmerische Tätigkeit des Klägers und des Mitgesellschafter änderte sich hierbei nicht. Entsprechend wurden der Kläger und der Mitgesellschafter jeweils als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Beigeladenen im Handelsregister eingetragen. Die Beschlüsse der Gesellschaft schlossen die Gesellschafter in der Folge immer einstimmig.
Am 03.09.2010 beantragte der Kläger die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Beklagten. Nachdem das Verfahren zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status zunächst wegen fehlender Mitwirkung eingestellt wurde, mündete es schließlich in den Bescheid der Beklagten vom 28.04.2011. Darin stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seine Tätigkeit als Gesellschafts-Geschäftsführer bei der Beigeladenen seit dem 16.01.2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt. Die Versicherungspflicht bestehe in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Aufgrund des Kapitaleinsatzes von 30 % des Gesamtkapitals und dem daraus resultierenden Stimmanteils, sei es dem Kläger nicht möglich die Geschicke der Beigeladenen maßgeblich zu beeinflussen. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage der Kläger kein Unternehmerrisiko. Hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Ausübung der Tätigkeit sei dem Kläger weitgehende Gestaltungsfreiheit belassen. Trotzdem bleibe die Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie sich in einer der Gesellschafterversammlung vorgegebene Ordnung des Betriebes eingliedere. Die Weisungsgebundenheit verfeinere sich, wie bei Diensten höherer Art üblich, zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Die Versicherungspflicht beginne mit dem Tag der Zahlung des ersten Monatsgehaltes am 01.03.2007.
Hiergegen legte der Kläger am 12.05.2011 Widerspruch ein. Dies begründete der Kläger damit, dass sich keine persönliche Abhängigkeit des Klägers gegenüber der Beigeladenen ergebe. So bestehe Einzelvertretungsbefugnis. Auch bestehe kein Direktionsrecht der Gesellschaft gegenüber dem Kläger, da er hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer und Art der Ausführung der Tätigkeit eigenständig entscheiden könne. Die Haftung des Klägers für Schäden sei höher als die Stammeinlage, weshalb er ein unternehmerisches Risiko trage. Weiter besitze der Kläger gemäß dem Anstellungsvertrag eine Sperrminorität. Zudem besitze einzig der Kläger aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit über die fachliche Kompetenz bezüglich der Umsetzung der Ziele der Beigeladenen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und verblieb dabei bei ihrer bisherigen Einschätzung.
Hiergegen hat der Kläger am 09.11.2011 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben.
Er ist der Ansicht, dass kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Beigeladenen vorliegt. Dies ergebe sich im Wesentlichen daraus, dass der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen gemeinsam mit dem Mitgesellschafter ausübe. So sei dem Kläger insbesondere in dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ein Vetorecht eingeräumt worden. Auch sei kein einziger Beschluss der Gesellschaft ohne die Zustimmung des Klägers gefällt worden. Weiter sei der Kläger weisungsfrei in Bezug auf seine Arbeitszeit und seinen Arbeitsort. Weiter trage der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten ein unternehmerisches Risiko. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Kläger zunächst auf sein Gehalt verzichtete und es dann stundete. Wenn die Beigeladene keine Umsätze generiert hätte, hätte der Kläger letztlich seine Gehaltsansprüche nicht gegenüber der Beigeladenen durchsetzen können und hätte damit den Verlust selbst tragen müssen. Zudem habe der Kläger für die Beigeladene unverzichtbare Branchenkenntnisse. Der Mitgesellschafter bringe hingegen sein betriebswirtschaftliches Fachwissen in die Beigeladene ein.
Der Kläger und die Beigeladene beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 28.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2011 und des Berichtigungsbescheides vom 12.06.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger seit dem 01.03.2007 nicht sozialversicherungspflichtig in der Rentenversicherung und Arbeitsförderung ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und hält an ihrer Rechtsauffassung fest.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die hiesige Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 29.08.2012 die Firma D. und A. Unternehmensberatung GmbH beigeladen, weil die berechtigten Interessen der Beigeladenen durch die Entscheidung berührt werden (§§ 75 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG).
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist statthaft und zulässig.
Die Klage ist in der Sache auch begründet. Der Bescheid der Beklagte vom 28.04.2011 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18.10.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Kammer ist zu der Auffassung gelangt, dass die Beurteilung der Beklagten nicht zutrifft und dass der Kläger während des gesamten streitigen Zeitraumes, also ab dem 16.01.2007, nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand und steht, vielmehr selbstständig war und ist. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist der Kläger bereits deshalb versicherungsfrei, weil er mit seinem erzielten monatlichen Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze überschreitet, § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI verweist für die soziale Pflegeversicherung auf die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Rechtsgrundlagen für die Feststellung der Versicherungspflicht treffen im Falle des Klägers nicht zu. Der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, und zwar in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 SGB III). Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. In langjähriger Rechtsprechung hat das BSG die in einem Arbeitsverhältnis ausgeübte unselbstständige Arbeit für das Sozialversicherungsrecht näher charakterisiert. Danach ist die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers von einem Arbeitgeber Ausgangspunkt der Beurteilung. Die persönliche Abhängigkeit drückt sich in der Eingliederung in einen fremden Betrieb aus und in der Bindung an ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeiten umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Weichen die Vereinbarungen zwischen den Beteiligten von den tatsächlichen Verhältnissen ab, so geben letztere den Ausschlag (vgl. BSG - Urteil vom 22. Juni 2005, Az. B 12 KR 28/03 R).
Der Gesellschafter einer GmbH kann zu der Gesellschaft gleichzeitig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Demgegenüber schließt ein maßgeblicher rechtlicher oder tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft ein Beschäftigungsverhältnis aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen verhindern kann. Wenn der Gesellschafter mindestens 50 % des Stammkapitals innehat, wird regelmäßig Selbstständigkeit anzunehmen sein (vgl BSG - Urteil vom 17. Mai 2001, Az. B 12 KR 34/00). Je geringer der Anteil am Stammkapital ist, desto eher wird Selbstständigkeit zu verneinen und wird das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen sein. Liegt der innegehaltene Anteil unter 50 %, so ist als gegenüber der Mehrheitsbeteiligung schwächeres Indiz für Selbstständigkeit zu prüfen, ob der Anteil wenigstens die Grenze für eine Sperrminorität bzw. ein Vetorecht erreicht, ob der Gesellschafter also in der Lage ist, ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschaft zu verhindern. Allerdings ist selbst bei Geschäftsführern ohne eigenen Gesellschaftsanteil unter besonderen Umständen das daraus für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechende Indiz widerlegbar, und es ist möglich, trotz fehlender Beteiligung am Stammkapital Selbstständigkeit anzunehmen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 5. November 2010, Az. L 1 KR 471/09 mwN aus der Rechtsprechung des BSG).
Im Falle des Klägers ist das aus der isolierten Betrachtung seiner Beteiligung am Stammkapital folgende Indiz widerlegt, denn es liegen eine Reihe von Umständen vor, die trotz des geringen und für eine Sperrminorität bzw. ein Vetorecht nicht ausreichenden Anteils am Stammkapital zur Annahme der Selbstständigkeit führen.
Zunächst handelt es sich bei der Beigeladenen nicht um einen fremden Betrieb, sondern der Kläger ist Gesellschafter gemeinsam mit einem Mitgesellschafter. Weiterhin haben die Beigeladene und der Kläger in dem Geschäftsführeranstellungsvertrag ein Vetorecht des Klägers bei der Bestimmung weiterer Geschäftsführer als die beiden Geschäftsführer-Gesellschafter bestimmt. Weiter ist der Kläger nach dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrages wegen seiner fachlichen Kompetenz für die weitere Entwicklung und den Bestand der Gesellschaft von enormer Bedeutung und erhält daher ein Veto-Recht bei grundsätzlichen Entscheidungen welche die Geschäfte der GmbH, insbesondere Änderungen und Geschäftserweiterungen betreffen. Der Kläger ist einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Somit konnte der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen ausüben. Weiterhin kann der Kläger insbesondere über die eigene Arbeitskraft verfügen und im Wesentlichen seine Tätigkeit und Arbeitszeit frei gestalteten. Er unterliegt hierbei keinen Weisungen durch die Beigeladene. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Arbeitsleistung des Klägers daher nicht fremdbestimmt. Auch trägt der Kläger ein nicht unerhebliches unternehmerisches Risiko. Dies ergibt sich zum einen aus der Regelung der Haftung in § 5 des Anstellungsvertrages und zum anderen aus dem Verzicht und die Stundung der Gehaltszahlungen in der Gründungsphase. Auch die Regelung bezüglich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist untypisch für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Sie geht wesentlich über die gesetzlich geregelte Lohnfortzahlung von 6 Wochen hinaus. Zu beachten war auch, dass der Kläger über spezielle Branchenkenntnisse verfügt und somit für die Beigeladene unverzichtbar ist.
Die Kammer verkennt bei alledem nicht die gegen eine Unternehmerstellung des Klägers sprechenden Umstände. Die bereits erwähnte geringe Beteiligung am Stammkapital sowie arbeitnehmertypische Regelungen im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, etwa Regelungen über ein festes Monatsgehalt und Urlaub, vermögen allerdings daran nichts zu ändern, dass die für Selbstständigkeit sprechenden Umstände überwiegen. Die Regelung über ein festes Monatsgehalt hat darüber hinaus steuerliche Gründe, da eine Lohnzahlung den Gewinn der Gesellschaft mindert und somit die steuerliche Belastung der Gesellschaft geringer gehalten werden kann. Alternativ käme eine Ausschüttung des Gewinns an die Gesellschafter in Betracht, welche jedoch einer höheren Besteuerung unterliegt, als es bei Zahlung von Lohnsteuer der Fall ist.
Nach alledem war dem Antrag der Klägerseite zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der Anwendung des § 193 SGG.
Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus den §§ 143 ff. SGG.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger in der Zeit ab dem 16.01.2007 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu der Beigeladenen zu 1. steht und der Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegt oder ob er selbstständig und versicherungsfrei ist.
Der 1958 geborene Kläger ist ehemaliger TV-Journalist und war vor seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen etwa sechs Jahre bei der E. und im Anschluss jahrelang als selbstständiger Politik- und Medienberater tätig. Seit 2005 arbeitete der Kläger gemeinsam mit dem späteren Mitgesellschafter der Beigeladenen in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts auf dem Gebiet der Unternehmensberatung.
Am 11.09.2006 gründeten der Kläger und der Mitgesellschafter per Gesellschaftsvertrag die Beigeladene D. & A. Consult Unternehmensberatung GmbH. Das Stammkapital betrug 100.000 EUR. Der Kläger übernahm eine Stammeinlage von 30.000 EUR, der Mitgesellschafter 70.000 EUR. Am 16.01.2007 schlossen die Beigeladene und der Kläger einen Geschäftsführeranstellungsvertrag. Nach § 1 des Vertrages ist der Kläger einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Er vertritt die Gesellschaft in allen Angelegenheiten gerichtlich wie außergerichtlich. Nach § 2 des Vertrages hat der Kläger ein Veto-Recht bei der Bestimmung weiterer Geschäftsführer als die beiden Geschäftsführer-Gesellschafter. Weiter ist der Kläger wegen seiner fachlichen Kompetenz für die weitere Entwicklung und den Bestand der Gesellschaft von enormer Bedeutung und erhält daher ein Veto-Recht bei grundsätzlichen Entscheidungen welche die Geschäfte der GmbH, insbesondere Änderungen und Geschäftserweiterungen betreffen. Der Kläger ist nach § 3 des Anstellungsvertrages an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden. Nach § 4 des Anstellungsvertrages ist der Kläger berechtigt, seine Tätigkeit als Einzelunternehmer im Bereich der Medienberatung fortzuführen. Der Kläger erhält nach dem Anstellungsvertrag eine monatliche Vergütung von 12.000 EUR, welche bei Krankheit für die Dauer von einem Jahr weitergezahlt wird. Der Kläger haftet für fahrlässige oder grob fahrlässige Schäden bis zu einem Betrag von 50.000 EUR. Nach § 8 Abs. 6 des Anstellungsvertrages verzichtet der Kläger bis zum 01.03.2007 auf sein Gehalt und stundet sein Gehalt bis zu einem Umsatz von 500.000EUR, längstens jedoch bis zum 31.12.2007. Es wurde ein Jahresurlaub von 30 Tagen vereinbart. Der Mitgesellschafter schloss ebenso mit der Beigeladenen einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag.
Das Geschäftsmodell der Beigeladenen besteht darin, den Kunden der Beigeladenen mit Hilfe einer Verknüpfung wirtschaftlicher und kommunikativer Know-hows eine konfliktfreie Umsetzung von notwendigen Personalmaßnahmen zu ermöglichen. Hierbei steht die Beratung von natürlichen Personen, Unternehmen und öffentlichen Institutionen im Vordergrund. Die unternehmerische Tätigkeit des Klägers und des Mitgesellschafter änderte sich hierbei nicht. Entsprechend wurden der Kläger und der Mitgesellschafter jeweils als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Beigeladenen im Handelsregister eingetragen. Die Beschlüsse der Gesellschaft schlossen die Gesellschafter in der Folge immer einstimmig.
Am 03.09.2010 beantragte der Kläger die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Beklagten. Nachdem das Verfahren zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status zunächst wegen fehlender Mitwirkung eingestellt wurde, mündete es schließlich in den Bescheid der Beklagten vom 28.04.2011. Darin stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seine Tätigkeit als Gesellschafts-Geschäftsführer bei der Beigeladenen seit dem 16.01.2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt. Die Versicherungspflicht bestehe in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Aufgrund des Kapitaleinsatzes von 30 % des Gesamtkapitals und dem daraus resultierenden Stimmanteils, sei es dem Kläger nicht möglich die Geschicke der Beigeladenen maßgeblich zu beeinflussen. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage der Kläger kein Unternehmerrisiko. Hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Ausübung der Tätigkeit sei dem Kläger weitgehende Gestaltungsfreiheit belassen. Trotzdem bleibe die Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie sich in einer der Gesellschafterversammlung vorgegebene Ordnung des Betriebes eingliedere. Die Weisungsgebundenheit verfeinere sich, wie bei Diensten höherer Art üblich, zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Die Versicherungspflicht beginne mit dem Tag der Zahlung des ersten Monatsgehaltes am 01.03.2007.
Hiergegen legte der Kläger am 12.05.2011 Widerspruch ein. Dies begründete der Kläger damit, dass sich keine persönliche Abhängigkeit des Klägers gegenüber der Beigeladenen ergebe. So bestehe Einzelvertretungsbefugnis. Auch bestehe kein Direktionsrecht der Gesellschaft gegenüber dem Kläger, da er hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer und Art der Ausführung der Tätigkeit eigenständig entscheiden könne. Die Haftung des Klägers für Schäden sei höher als die Stammeinlage, weshalb er ein unternehmerisches Risiko trage. Weiter besitze der Kläger gemäß dem Anstellungsvertrag eine Sperrminorität. Zudem besitze einzig der Kläger aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit über die fachliche Kompetenz bezüglich der Umsetzung der Ziele der Beigeladenen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und verblieb dabei bei ihrer bisherigen Einschätzung.
Hiergegen hat der Kläger am 09.11.2011 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben.
Er ist der Ansicht, dass kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Beigeladenen vorliegt. Dies ergebe sich im Wesentlichen daraus, dass der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen gemeinsam mit dem Mitgesellschafter ausübe. So sei dem Kläger insbesondere in dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ein Vetorecht eingeräumt worden. Auch sei kein einziger Beschluss der Gesellschaft ohne die Zustimmung des Klägers gefällt worden. Weiter sei der Kläger weisungsfrei in Bezug auf seine Arbeitszeit und seinen Arbeitsort. Weiter trage der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten ein unternehmerisches Risiko. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Kläger zunächst auf sein Gehalt verzichtete und es dann stundete. Wenn die Beigeladene keine Umsätze generiert hätte, hätte der Kläger letztlich seine Gehaltsansprüche nicht gegenüber der Beigeladenen durchsetzen können und hätte damit den Verlust selbst tragen müssen. Zudem habe der Kläger für die Beigeladene unverzichtbare Branchenkenntnisse. Der Mitgesellschafter bringe hingegen sein betriebswirtschaftliches Fachwissen in die Beigeladene ein.
Der Kläger und die Beigeladene beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 28.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2011 und des Berichtigungsbescheides vom 12.06.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger seit dem 01.03.2007 nicht sozialversicherungspflichtig in der Rentenversicherung und Arbeitsförderung ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und hält an ihrer Rechtsauffassung fest.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die hiesige Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 29.08.2012 die Firma D. und A. Unternehmensberatung GmbH beigeladen, weil die berechtigten Interessen der Beigeladenen durch die Entscheidung berührt werden (§§ 75 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG).
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist statthaft und zulässig.
Die Klage ist in der Sache auch begründet. Der Bescheid der Beklagte vom 28.04.2011 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18.10.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Kammer ist zu der Auffassung gelangt, dass die Beurteilung der Beklagten nicht zutrifft und dass der Kläger während des gesamten streitigen Zeitraumes, also ab dem 16.01.2007, nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand und steht, vielmehr selbstständig war und ist. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist der Kläger bereits deshalb versicherungsfrei, weil er mit seinem erzielten monatlichen Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze überschreitet, § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI verweist für die soziale Pflegeversicherung auf die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Rechtsgrundlagen für die Feststellung der Versicherungspflicht treffen im Falle des Klägers nicht zu. Der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, und zwar in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 SGB III). Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. In langjähriger Rechtsprechung hat das BSG die in einem Arbeitsverhältnis ausgeübte unselbstständige Arbeit für das Sozialversicherungsrecht näher charakterisiert. Danach ist die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers von einem Arbeitgeber Ausgangspunkt der Beurteilung. Die persönliche Abhängigkeit drückt sich in der Eingliederung in einen fremden Betrieb aus und in der Bindung an ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeiten umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Weichen die Vereinbarungen zwischen den Beteiligten von den tatsächlichen Verhältnissen ab, so geben letztere den Ausschlag (vgl. BSG - Urteil vom 22. Juni 2005, Az. B 12 KR 28/03 R).
Der Gesellschafter einer GmbH kann zu der Gesellschaft gleichzeitig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Demgegenüber schließt ein maßgeblicher rechtlicher oder tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft ein Beschäftigungsverhältnis aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen verhindern kann. Wenn der Gesellschafter mindestens 50 % des Stammkapitals innehat, wird regelmäßig Selbstständigkeit anzunehmen sein (vgl BSG - Urteil vom 17. Mai 2001, Az. B 12 KR 34/00). Je geringer der Anteil am Stammkapital ist, desto eher wird Selbstständigkeit zu verneinen und wird das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen sein. Liegt der innegehaltene Anteil unter 50 %, so ist als gegenüber der Mehrheitsbeteiligung schwächeres Indiz für Selbstständigkeit zu prüfen, ob der Anteil wenigstens die Grenze für eine Sperrminorität bzw. ein Vetorecht erreicht, ob der Gesellschafter also in der Lage ist, ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschaft zu verhindern. Allerdings ist selbst bei Geschäftsführern ohne eigenen Gesellschaftsanteil unter besonderen Umständen das daraus für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechende Indiz widerlegbar, und es ist möglich, trotz fehlender Beteiligung am Stammkapital Selbstständigkeit anzunehmen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 5. November 2010, Az. L 1 KR 471/09 mwN aus der Rechtsprechung des BSG).
Im Falle des Klägers ist das aus der isolierten Betrachtung seiner Beteiligung am Stammkapital folgende Indiz widerlegt, denn es liegen eine Reihe von Umständen vor, die trotz des geringen und für eine Sperrminorität bzw. ein Vetorecht nicht ausreichenden Anteils am Stammkapital zur Annahme der Selbstständigkeit führen.
Zunächst handelt es sich bei der Beigeladenen nicht um einen fremden Betrieb, sondern der Kläger ist Gesellschafter gemeinsam mit einem Mitgesellschafter. Weiterhin haben die Beigeladene und der Kläger in dem Geschäftsführeranstellungsvertrag ein Vetorecht des Klägers bei der Bestimmung weiterer Geschäftsführer als die beiden Geschäftsführer-Gesellschafter bestimmt. Weiter ist der Kläger nach dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrages wegen seiner fachlichen Kompetenz für die weitere Entwicklung und den Bestand der Gesellschaft von enormer Bedeutung und erhält daher ein Veto-Recht bei grundsätzlichen Entscheidungen welche die Geschäfte der GmbH, insbesondere Änderungen und Geschäftserweiterungen betreffen. Der Kläger ist einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Somit konnte der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen ausüben. Weiterhin kann der Kläger insbesondere über die eigene Arbeitskraft verfügen und im Wesentlichen seine Tätigkeit und Arbeitszeit frei gestalteten. Er unterliegt hierbei keinen Weisungen durch die Beigeladene. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Arbeitsleistung des Klägers daher nicht fremdbestimmt. Auch trägt der Kläger ein nicht unerhebliches unternehmerisches Risiko. Dies ergibt sich zum einen aus der Regelung der Haftung in § 5 des Anstellungsvertrages und zum anderen aus dem Verzicht und die Stundung der Gehaltszahlungen in der Gründungsphase. Auch die Regelung bezüglich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist untypisch für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Sie geht wesentlich über die gesetzlich geregelte Lohnfortzahlung von 6 Wochen hinaus. Zu beachten war auch, dass der Kläger über spezielle Branchenkenntnisse verfügt und somit für die Beigeladene unverzichtbar ist.
Die Kammer verkennt bei alledem nicht die gegen eine Unternehmerstellung des Klägers sprechenden Umstände. Die bereits erwähnte geringe Beteiligung am Stammkapital sowie arbeitnehmertypische Regelungen im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, etwa Regelungen über ein festes Monatsgehalt und Urlaub, vermögen allerdings daran nichts zu ändern, dass die für Selbstständigkeit sprechenden Umstände überwiegen. Die Regelung über ein festes Monatsgehalt hat darüber hinaus steuerliche Gründe, da eine Lohnzahlung den Gewinn der Gesellschaft mindert und somit die steuerliche Belastung der Gesellschaft geringer gehalten werden kann. Alternativ käme eine Ausschüttung des Gewinns an die Gesellschafter in Betracht, welche jedoch einer höheren Besteuerung unterliegt, als es bei Zahlung von Lohnsteuer der Fall ist.
Nach alledem war dem Antrag der Klägerseite zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der Anwendung des § 193 SGG.
Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus den §§ 143 ff. SGG.
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