L 11 KR 2175/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 3989/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2175/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.05.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin macht die Kostenerstattung für zwei ambulante Apherese-Behandlungen iHv 3.648,85 EUR geltend.

Die Klägerin ist 1961 geboren und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet seit einer Chemotherapie eines rechtsseitigen Mammakarzinoms 2012 an rezidivierenden Schmerzen in beiden Unterarmen, dem Daumen, im Bereich der HWS, im Hüftbereich rechts, und im rechten Kniegelenk.

Sie beantragte mit Schreiben vom 27.05.2015 bei der Beklagten eine Kostenübernahme für eine ambulante therapeutische Apherese und führte aus, dies sei die letzte Alternative, um nach Chemotherapie und Bestrahlung die Giftstoffe aus dem Blut zu waschen. Sie legte dazu einen Kostenvoranschlag des I. Kompetenzzentrums Medizin und Therapie, Tagesklinikum F. im W., vor, wonach es sich bei der therapeutischen Apherese um eine IGeL-Leistung handle und der Gesamtbetrag für das Leistungspaket therapeutische Apherese (erste Behandlung) ca. 1.900 EUR betrage. Mit Bescheid vom 03.06.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Kostenerstattung nicht möglich sei. Bei der therapeutischen Apherese handle es sich um sogenannte individuelle Gesundheitsleistung (IGeL). Hierunter stelle die Kassenärztliche Bundesvereinigung zusammen mit den ärztlichen Berufsverbänden einen Katalog von ärztlichen Leistungen vor, die aus ihrer Sicht zwar sinnvoll bzw. nützlich seien, aber nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden könnten. Der Vertragsarzt habe in diesem Zusammenhang ua zwingend den Hinweis zu erteilen, dass die Privatbehandlung im Vergleich zur vertragsärztlichen Versorgung medizinisch nicht notwendig sei.

Hiergegen erhob die Klägerin am 09.06.2015 Widerspruch und übersandte einige ärztliche Unterlagen. Insbesondere war ein Befundbericht der Radiologie Sch. vom 29.06.2015 beigefügt. Dort stellte sich die Klägerin am 29.06.2015 vor, um zu berichten, dass sie nach einem MRT am 19.06.2015 Hautausschläge und Kopfschmerzen bekommen habe. Dr. B. war der Ansicht, dass diese Symptome zumindest zum Teil auf eine allergische Reaktion auf das verwendete Kontrastmittel zurückgeführt werden könne. Die Klägerin stellte sich am 25.06.2015 im A. Rheumazentrum B.-B. prästationär vor. Die Ärzte dieser Klinik waren der Ansicht, dass die Symptomatik bei der Klägerin am ehesten mit einem Fibromyalgie-Syndrom zu vereinbaren sei. Diesbezüglich werde die Fortsetzung der konservativen Therapiemaßnahmen im Sinne von Krankengymnastik, Eigenübungen sowie die weitere Teilnahme an der krankengymnastischen Behandlung im Bewegungsbad empfohlen. Hilfreich sei die weitere Teilnahme am Rehasport. Bedarfsadaptiert könne zusätzlich ein Analgetikum eingenommen werden. Bezüglich der vorliegenden Fingerpolyarthrose könne ergänzend ein steroidales Antirheumatika bedarfsweise eingenommen werden. Zum derzeitigen Zeitpunkt bestehe keine Indikation zur stationären Behandlung der Symptome.

Im weiteren Verlauf übersandte die Klägerin eine Rechnung des I. Tagesklinikums C. vom 08.07.2015 über die therapeutische Apherese am 08.07.2015 und 09.07.2015 iHv 1.926,89 EUR sowie eine Expertise der Klinik vom selben Tag. Die Klägerin führte aus, dass die therapeutische Apherese in C. mit vollem Erfolg durchgeführt worden sei. Die Indikation als Heil- und Behandlungsversuch im Sinne einer ultima ratio habe bestanden, da keine andere Möglichkeit der Schulmedizin und/oder der Naturheilverfahren gegriffen habe. Sie habe an schweren nicht mehr verantwortbaren systemischen Nebenwirkungen der Chemotherapie und der mehrfach durchgeführten Magnetresonanztherapien (MRT) mit dem Kontrastmittel Gadolinium gelitten. Aufgrund einer bei ihr vorhandenen Stoffwechselerkrankung bestehe nicht die Möglichkeit, die Giftstoffe aus dem Blut zu bekommen. Nach einer lebensbedrohenden systemischen Erkrankung sollte die Apherese eine Kassenleistung sein. Ihre klinische Situation sei mit den vom Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) für die Apherese zugelassenen Indikationen vergleichbar.

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden.-Württemberg (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr. P. führte im Gutachten vom 16.09.2015 aus, dass eine Kostenerstattung für außervertragliche neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen ausscheide. Eine lebensbedrohliche Erkrankung liege nicht vor. Die zur Kostenübernahme beantragte Methode genieße in der vorliegenden Indikation keine breite Anerkennung durch die medizinische Fachwelt. Der MDK ging vom Vorliegen eines Chronic-Fatigue-Syndroms (CFS) bei der Klägerin aus.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass die streitige ambulante privatärztliche Behandlung nicht im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgeführt sei und damit keine Vertragsleistung sei. Die notwendige Empfehlung des GBA für die Methode liege bisher nicht vor. Insofern habe die Kasse diese nicht als Sachleistung geschuldet. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt scheide eine Übernahme von Kosten aus. Eine lebensbedrohliche Erkrankung habe nicht vorgelegen.

Hiergegen hat die Klägerin am 07.12.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Im Klageverfahren hat sie eine weitere Rechnung vom 30.09.2015 des I. Tagesklinikums C. über eine weitere Apheresebehandlung am 30.09.2015 iHv 1.721,96 EUR vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.05.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte im vorliegenden Fall die streitige Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Folglich bestehe auch kein Kostenerstattungsanspruch. Denn die Klägerin habe keinen Anspruch auf die durchgeführte ambulante therapeutische Apherese gehabt. Der GBA habe den therapeutischen Nutzen der ambulanten Apherese nur für bestimmte Indikationen anerkannt. Ein solches Krankheitsbild habe bei der Klägerin indes nicht vorgelegen. Insbesondere habe sie nicht an einer aktiven rheumatoiden Arthritis gelitten. Kurz vor der Behandlung im I. Tagesklinikum C. sei die Klägerin im A. Rheumazentrum B.-B. umfassend untersucht worden. Die dortigen Ärzte hätten keine sicheren Hinweise für eine entzündlich rheumatische Systemerkrankung finden können. Die Klägerin könne ihren Antrag auch nicht auf § 2 Abs 1a S 1 SGB V stützen. Bei der Klägerin habe im Zeitpunkt der Behandlung im I. Tagesklinikum C. keine Lebensgefahr bestanden. Ebenso wenig habe unmittelbar der Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gedroht. Die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen hätten zwar die Lebensqualität beeinträchtigt, könnten aber keine notstandsähnliche Situation begründen.

Gegen den der damaligen Klägerbevollmächtigten am 13.05.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13.06.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden.-Württemberg eingelegt.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG den Internisten Dr. Ha. mit der Erstellung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung beauftragt. Der Sachverständige hat die Klägerin am 27.01.2017 untersucht. Im Gutachten vom 30.06.2017 hat er ausgeführt, dass eine eindeutige Zuordnung der von der Klägerin ab 30.01.2015 beschriebenen Beschwerden zur Kontrastmittelgabe nicht möglich sei. Bei der allgemein anerkannten Nebenwirkungsarmut des applizierten Gadoliniums müssten auch die festgestellte Fibromyalgie sowie eine Angststörung in Erwägung gezogen werden. Eine Überlagerung der Beschwerden und eine gleichzeitige Aggravierung sei anzunehmen. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Krankheiten gehörten nicht zu besonders seltenen Erkrankungen. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin auch Beschwerden durch Nebenwirkungen der Chemotherapie berichte, diese Behandlung aber zum Zeitpunkt der beschriebenen Nebenwirkungen durch die Kontrastmittelbelastung bereits seit über zwei Jahren beendet gewesen sei. Die Nebenwirkungen der Chemotherapie hätten auch bei der Indikationsstellung zur Apheresebehandlung in C. keine Rolle gespielt. 2015 habe bei der Klägerin ein Zustand nach Mammakarzinom vorgelegen, das 2012 diagnostiziert und von Juni 2012 bis April 2013 behandelt worden sei. Nach Abschluss der Primärbehandlung habe Vollremission bestanden. Diese halte bis zum heutigen Tage an. Bei bösartigen Tumoren bestehe immer das Risiko eines lebensbedrohlichen Verlaufs mit tödlichem Ausgang. Bei der Klägerin sei insgesamt eine relativ günstige Prognose zu erwarten. Die Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs konkret in absehbarer Zeit habe nicht bestanden und bestehe bis heute nicht. Reaktionen und Beschwerden nach Applikation von Kontrastmitteln bestünden im Allgemeinen in Form von allergischen Reaktionen oder Unverträglichkeitserscheinungen. Hierfür stehe ein breites Spektrum von symptomatischen Therapien, angefangen von antiallergisch wirksamen Mitteln wie Antihistaminika oder Kortisonpräparate zur Verfügung. Auch symptomatische Behandlungen mit Schmerzmitteln und Mitteln gegen Übelkeit und Erbrechen würden angewandt und seien in der Regel auch erfolgreich. Bei einzelnen Indikationen handle sich bei der Apheresebehandlung um eine anerkannte Behandlungsmethode. Für die vorgelegenen Gesundheitsstörungen der Klägerin sei der therapeutischen Nutzen der Apherese oder der Apherese allgemein vom GBA nicht anerkannt. Die vom GBA vorgesehenen Indikationen würden auf die bei der Klägerin vorgelegen Gesundheitsstörungen nicht zutreffen. Für die vorliegenden Ansätze, Gadolinium und Strontium aus dem Blut zu entfernen, seien keine Untersuchungen bekannt, die auf einen möglichen Benefit der therapeutischen Apherese hinwiesen. Wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich einer nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf seien nicht bekannt.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs 1a S 1 SGB V vorliegen. Es habe eine lebensbedrohliche oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung bestanden, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe. Auch habe eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bzw. spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden. Nach der Erkrankung an Brustkrebs hätten wiederholt MRT-Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Aufgrund einer Stoffwechselerkrankung sei sie nicht in der Lage, Giftstoffe, die in der Chemotherapie sowie den Kontrastmitteln bei den MRT-Untersuchungen enthalten gewesen seien, abzubauen. Es hätten sich massive Nebenwirkungen in Form von Muskel- und Gelenkbeschwerden, Schmerzen, Atemnot und Müdigkeit entwickelt. Schulmedizinische Behandlungen hätten nicht zu einer Besserung geführt. Nach Durchführung der therapeutischen Apherese seien die massiven Nebenwirkungen abgeklungen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.05.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 03.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die ambulanten therapeutischen Apheresen in Höhe von 3.648,85 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 03.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die durchgeführten Maßnahmen der ambulanten therapeutischen Apheresen.

Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs kommt allein § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V in Betracht, da die Klägerin nicht mit Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V versichert war. Nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war (2. Alt). Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach- und Dienstleistungsanspruchs nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen kann (Bundessozialgericht (BSG) 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15). Der Naturalleistungsanspruch des Versicherten wandelt sich um in einen Kostenerstattungsanspruch bzw soweit die Kosten tatsächlich noch nicht beglichen sind, in einen Anspruch des Versicherten auf Freistellung von den Kosten. Maßgeblich für die Beurteilung des Sach- und Rechtslage ist für den Anspruch auf Kostenerstattung der Zeitpunkt der Durchführung der Leistung.

Die medizinischen Leistungen waren nicht unaufschiebbar. Eine Unaufschiebbarkeit ergibt sich für den Senat aus keinem der vorgelegten Befundberichte. Letztlich stützt sich auch die Klägerin nicht darauf. Ein Zuwarten über einige Wochen wäre der Klägerin damit ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen. Damit liegt erst recht kein Notfall iSv § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V vor. Eine Notfallbehandlung hätte im Übrigen als Sachleistung erbracht werden müssen, so dass sich der Vergütungsanspruch nicht gegen die Klägerin, sondern allein gegen die Krankenkasse gerichtet hätte (BSG 19.10.2001, B 1 KR 6/01 R, SozR 3-2500 § 13 Nr 25). Damit scheidet ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB V aus.

Aber auch die Voraussetzungen von § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V liegen nicht vor. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG 14.12.2006, B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 8; BSG 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, juris).

Hinsichtlich der ambulant durchgeführten therapeutischen Apheresen besteht kein Leistungsanspruch. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung unterliegt nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er erfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.

Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V (ambulante Versorgung) nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nach der ständigen Rechtsprechung nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistung verbindlich festgelegt (BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190, SozR 4-2500 § 27 Nr 12). Die therapeutische Apherese ist eine neue Behandlungsmethode, weil sie nicht als abrechenbare Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßmaßstab enthalten ist. Eine positive Empfehlung des GBA besteht bislang nur für einzelne Indikationen, die jedoch bei der Klägerin nicht erfüllt sind. Auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen im Gerichtsbescheid wird vollinhaltlich verwiesen (vgl auch Urteil des Senats vom 28.09.2010, L 11 KR 5288/09, juris, in dem ein Anspruch auf Kostenübernahme für therapeutische Apheresen zur Behandlung einer Multiple Chemical Sensitivity - MCS - oder eines CFS abgelehnt wurde). Diese werden auch durch die Ausführungen im Gutachten von Dr. Ha. bestätigt. Letztlich stützt auch die Klägerin ihren vermeintlichen Anspruch ausweislich der Berufungsbegründung vom 22.07.2016 nicht mehr auf § 27 SGB V.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 2 Abs 1a SGB V, eingefügt durch Art 1 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl. I, S. 2983) mit Wirkung vom 01.01.2012, berufen. Diese Vorschrift setzt die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98 aaO) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG (zB BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R; 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R - alle in juris) zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden, die Untersuchungsmethoden einschließen würden, in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung um. Der vom BVerfG entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen GBA bisher nicht anerkannt sind, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R; 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R, aaO).

Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten Off-Label-Use formuliert ist. Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen ua nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten. Einen solchen Schweregrad erreichten die Erkrankungen der Klägerin im hier maßgeblichen Jahr 2015 offensichtlich nicht, wie sich aus den vorliegenden ärztlichen Atteste, dem Gutachten des MDK vom 16.09.2015 und letztlich auch dem Gutachten von Dr. Ha. im Berufungsverfahren ergibt. Insbesondere kann dabei nicht auf das Mammakarzinom abgestellt werden, denn diesbezüglich bestand nach der Primärbehandlung 2013 eine Vollremission. Auch kommt es nicht auf eine möglicherweise zwischenzeitlich bis heute eingetretene Verschlechterung an. Denn maßgeblich für die Prüfung des Anspruchs auf Kostenerstattung ist der Zeitpunkt der Durchführung der Behandlung. Folglich kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob konservative Therapien für die Klägerin als allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungen erfolgsversprechend zur Verfügung gestanden haben und stehen.

Offenbleiben kann bei dieser Sachlage, ob ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs 3 S 1 SGB V schon daran scheitert, dass die Klägerin möglicherweise vor Bescheiderlass auf die therapeutische Apherese in der I. Tagesklinik festgelegt war. § 13 Abs 3 S 1 SGB V normiert strenge Anforderungen an den Kausalzusammenhang zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand und dem Nachteil (Kostenlast) des Versicherten (vgl BSG 15.04.1997, 1 BK 31/96, SozR 3-2500 § 13 Nr 15; 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26, SozR 4-2500 § 13 Nr 12). Im Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung sind dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung - abgesehen von Notfällen - nur zu erstatten, wenn er die konkrete Leistung rechtzeitig vor der Beschaffung bei der Krankenkasse beantragt und deren Entscheidung abgewartet hat (vgl BSG 15.04.1997, 1 BK 31/96, SozR 3-2500 § 13 Nr 15; 20.05.2003, B 1 KR 9/03 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 1).

Die Klägerin kann sich schließlich zur Begründung ihres Anspruchs auch nicht auf die Vorschrift des § 13 Abs 3a Abs 7 SGB V stützen. Nach § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V (eingefügt mWv 26.02.2013 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013, BGBl I S 277) hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs 3a Satz 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs 3a Satz 3 SGB V). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs 3a Satz 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung gemäß § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse gemäß § 13 Abs 3a Satz 7 SGB V zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Fristen offensichtlich eingehalten. Der Antrag auf Kostenübernahme ging am 27.05.2015 bei der Beklagten ein. Der ablehnende Bescheid datiert vom 03.06.2015. Der Senat kann deshalb auch offen lassen, ob der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch für die zweite Behandlung im September 2015 überhaupt vom ersten Antrag umfasst ist. Denn bezüglich einer weiteren Behandlung liegt gar kein Antrag bei der Beklagten vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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