L 9 SO 428/17 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 29 SO 323/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 428/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Mutwillige Erhebung einer Untätigkeitsklage
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 07.09.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere fristgerecht am 19.09.2017 eingelegte Beschwerde des Klägers gegen den ihm am 13.09.2017 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 07.09.2017 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger für die Untätigkeitsklage mit dem Ziel der Bescheidung des Widerspruchs vom 31.03.2017 gegen leistungsrechtliche Entscheidungen der Beklagten für die Monate März und April 2017 Prozesskostenhilfe zu gewähren.

1.) Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - (SGG) i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung - (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann gegeben, wenn - bei summarischer Prüfung - eine gewisse Möglichkeit des Obsiegens in der Hauptsache - auch im Sinne eines Teilerfolges - besteht (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 73a Rn. 7 ff., m.w.N.). Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 114 Abs. 2 ZPO).

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht wegen Mutwilligkeit der Klageerhebung (Untätigkeitsklage) am 24.07.2017 abgelehnt. Zur Begründung sowie Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat nach eigener Prüfung auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Das Beschwerdevorbringen des Klägers ist nicht geeignet, eine ihm günstigere Entscheidung herbeizuführen. Ein verständiger Beteiligter, der für die außergerichtlichen Kosten hätte selber aufkommen müssen, hätte in der Situation des Klägers nach Zugang des Schreibens der Beklagten vom 11.07.2017, wonach die Widerspruchsbescheide vorbereitet seien und angesichts der turnusgemäß am 23.08.2017 stattfindenden Beratung unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter (§ 116 Abs. 2 SGB XII) noch um Geduld bis zum Erlass der Entscheidung gebeten werde, auf die Erhebung der Untätigkeitsklage am 24.07.2017 verzichtet, weil mit der o.a. Ankündigung ein Rechtsschutzbedürfnis hierfür trotz Ablaufs der Drei-Monats-Frist (§ 88 Abs. 2 SGG) offensichtlich nicht mehr bestanden und insbesondere hierdurch ein einfacherer und kostengünstiger Weg für die Erreichung des Rechtsschutzzieles zur Verfügung gestanden hat (vgl. hierzu auch B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 73a Rn. 8 m.w.N.).

Soweit die Bevollmächtigte des Klägers die Beschwerde damit begründet, dass das Schreiben der Beklagten vom 11.07.2017 bei ihr erst am 25.07.2017 durch Entnahme aus ihrem Gerichtsfach eingegangen und der Beklagten auch bekannt sei, dass dieses Fach nicht täglich beliefert oder entleert werde, kann sie hiermit nicht gehört werden. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 06.10.2017 nachvollziehbar und von der Bevollmächtigten insoweit unwidersprochen ausgeführt, dass das Gerichtsfach von ihr täglich beliefert werde, in dem der Kurierdienst des Anwaltsvereins L GmbH täglich die Post beim Post-Service der Beklagten abhole und die städtischen Sendungen noch am selben Tag an die Poststellen der beteiligten Gerichte und Justizbehörden bzw. die Postfächer der Rechtsanwälte bei den Gerichten verteile. Da das Schreiben der Beklagten vom 11.07.2017 an diesem Tag zur Versendung aufgegeben wurde, dürfte dieses, wie von der Beklagten nachvollziehbar ausgeführt, spätestens am 13.07.2017 im Gerichtsfach K 1011 der Bevollmächtigten des Klägers und damit 11 Tage vor der Erhebung der Untätigkeitsklage eingegangen sein. Ausweislich der dem o.a. Schriftsatz der Beklagten beigefügten Verfahrenshinweise über den Schriftverkehr zu Gerichten, Justizbehörden und Rechtsanwälten im Landgerichtsbezirk Köln dürfte diese Vorgehensweise auch der Bevollmächtigten des Klägers bekannt sein. Hiergegen kann sie auch nicht einwenden, dass Anwälte frei seien, wann und wie oft sie das Gerichtsfach leeren. Auch wenn im gesamten Raum, wo die Gerichtsfächer installiert sind, Schilder mit der Aufschrift: "Bitte keine Fristsachen einwerfen", hängen, entbindet sie dies nicht, ihr Gerichtsfach in Kenntnis der Vorgehensweise der Beklagten in weitaus kürzeren Abständen als von ihr zumindest in diesem Fall offensichtlich praktiziert, zu leeren. Denn dass dort auch Unterlagen zu Fristsachen enthalten sein könnten, die einen übergroßen Teil der anwaltlichen Tätigkeit ausmachen, ist im betreffenden Verkehrskreis alles andere als unwahrscheinlich. Allgemein gilt, dass Personen, die kraft ihrer Berufsstellung verpflichtet sind, für Dritte Rechtsangelegenheiten wahrzunehmen wie z.B. Rechtsanwälte, regelmäßig mit dem Eingang fristgebundener Erklärungen rechnen müssen. Von ihnen wird deshalb erwartet, dass sie sämtliche ihren Mandanten betreffende Schriftstücke abholen, sofern und insbesondere sobald dies möglich ist. Unterlassen sie dies, handeln sie auf eigenes Risiko (s. OVG NRW, Beschl. v. 07.03.2001 - 19 A 4216/99 -, juris Rn. 33; Reichold, in: juris-PK BGB, § 130 Rn. 14 m.w.N.). Dies gilt im vorliegenden Fall auch und gerade in Ansehung der von dem Sozialgericht ausführlich dargestellten vorprozessualen Korrespondenz zwischen der Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten. So wurde sie von der Beklagten im Anschluss an die dortigen Schreiben vom 26.04.2017 und 17.05.2017 sowie als Reaktion auf die (weiteren) Schreiben der Bevollmächtigten vom 02.06.2017 und 21.06.2017 mit einem weiteren Schreiben vom 26.06.2017 über die Abgabe des Vorverfahrens an die Widerspruchsstelle informiert. Da die Bevollmächtigte nunmehr wusste, dass die Beklagte jedenfalls nicht untätig geblieben ist und offensichtlich eine unmittelbare Entscheidung über den Widerspruch bevorstand, musste sie mit weiterer Korrespondenz seitens der Beklagten rechnen und damit jede Möglichkeit ausschöpfen, zeitnah von weiterem Schriftverkehr Kenntnis zu erlangen. Aus diesem Grund kann es nicht auf die vom jeweiligen "Leerungsintervall" abhängige tatsächliche Kenntnisnahme der Bevollmächtigten vom Eingang dieses Schreibens ankommen, wenn ein Gerichtsfach besteht und von der Beklagten auf dem beschriebenen Weg beliefert zu werden pflegt. In diesem Fall tritt der Zugang solcher Schreiben mit deren Einlegung in das Gerichtsfach ein.

2.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

3.) Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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