L 1 U 936/17

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 10 U 2673/13
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 936/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beteiligten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. Mai 2017 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Verfahrens an das Sozialgericht zurückverwiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Bestehen weiterer Unfallfolgen aufgrund eines von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannten Ereignisses vom 2. März 2011 und die Höhe einer zu gewährenden Verletztenrente.

Der 1971 geborene Kläger geriet am Unfalltag mit dem rechten Arm in eine Maschine und wurde aufgrund einer Fehlbedienung mit der rechten Hand einschließlich des Unterarmes in die Maschine gezogen. Ausweislich des Durchgangsarztberichtes erlitt er einen Zustand nach Quetschverletzung, großer Weichteilverletzung rechter Unterarm und Radiusfraktur im mittleren Drittel des rechten Unterarmes. Deshalb befand sich der Kläger vom 2. bis 19. März 2011 in stationärer Behandlung im Klinikum B. S. Ein operativer Eingriff erfolgte am 2. März 2011. In einem ersten Rentengutachten vom 21. November 2011 bezifferte der Chirurg Dipl.-Med. Sch. die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bis zum 9. November 2012 auf 30 v.H. und für die Zeit danach auf voraussichtlich noch 20 v.H. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. M. bezifferte die MdE in einer Stellungnahme vom 9. Dezember 2011 bis zum 8. November 2011 auf 30 v.H. und für die Zeit danach auf 20 v.H. Für September 2012 empfahl er eine Nachuntersuchung.

Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Januar 2012 sinngemäß das Ereignis vom 2. März 2011 als Arbeitsunfall mit folgenden Unfallfolgen an:

"Am rechten Unterarm:

Einschränkung der Beweglichkeit im Hand- und Ellenbogengelenk bei knöchern durchbautem Bruch der Speiche mit noch einliegendem OP Material nach Quetschverletzung. Einschränkung der Beweglichkeit des Daumens bei Ausfall der Funktion der langen Daumenstrecksehne. Verminderung der Handspanne. Störung der Sensibilität am Handrücken und der Streckseite des Unterarms nach sensibler Schädigung der Endäste des Speichennerven. Abriss des Griffelfortsatzes der Elle. Kraftminderung der Hand. Muskelminderung."

Sie gewährte vorläufig eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. vom 12. September bis 9. November 2011 und für die Zeit danach nach einer MdE von 20 v.H.

Nach Anhörung des Klägers erstattete der Chirurg Dr. D. am 23. Oktober 2012 ein zweites Rentengutachten. Die MdE wurde mit 20 v.H. auf Dauer bewertet. Der Beratungsarzt Dr. M. bezifferte in einer Stellungnahme vom 19. Dezember 2012 die MdE auf Dauer mit unter 20 v.H.; ab 11. Oktober 2012 sei sie mit 10 v.H. einzuschätzen. Daraufhin hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 22. Januar 2013 hinsichtlich einer beabsichtigten Entziehung der Rente an. Mit Schreiben vom 6. Februar 2013 widersprach dieser und verwies auf seine Beschwerden insbesondere im Bereich der rechten Hand. Es bestehe nach wie vor eine Schwellung des rechten Unterarmes mit Handgelenk. Schmerzempfindungen und Taubheitsgefühle würden seine Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Mit Bescheid vom 15. Februar 2013 entzog die Beklagte dem Kläger die gewährte Verletztenrente ab dem 1. März 2013. Eine Dauerrente wurde abgelehnt. Der Bewertung der Gutachter Dr. D. und B. werde nicht gefolgt. Bei deren Einschätzung seien auch unfallfremde Befunde mitbewertet worden. Die sensiblen Störungen des 4. und 5. Fingers rechts seien Folge eines bereits vor dem Unfall am 2. März 2011 operativ versorgten Sulcus-nervi-ulnaris-Syndroms. Das Maß der Bewegungseinschränkung im Handgelenk und Ellenbogen erreiche keinen rentenberechtigenden Grad. Einen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2013 zurück. Die Bewegungseinschränkungen im Bereich der rechten Hand und des Armes rechtfertigten keine MdE in rentenberechtigendem Grade.

Hiergegen hat der Kläger am 29. Mai 2013 Klage erhoben. Das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten gebe die bestehenden Unfallfolgen und Beschwerden nicht vollständig wieder. Die verminderte Einsatzfähigkeit des Unterarmes und das Einschlafgefühl zwischen dem 4. und 5. Finger seien Unfallfolgen.

Das Sozialgericht hat diverse Unterlagen beigezogen und den Unfallchirurgen Prof. Dr. M. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Nach seinem Gutachten vom 4. August 2015 leidet der Kläger unter einer im Seitenvergleich endgradig eingeschränkten Funktion des rechten Handgelenks in Handrücken- und Hohlhandwärtsbewegung. Eine Sensibilitätsstörung liege vor. Zusätzlich bestünden seit dem Unfall Angstzustände. Aufgrund dessen sei zum Auschluss eines posttraumatischen Belastungssyndroms eine Zusatzbegutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet erforderlich. Die MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet betrage vom 12. September 2011 bis auf Dauer 30 v.H. Beigefügt war ein Messblatt für obere Gliedmaßen. Dieser Einschätzung hat die Beklagte unter Berufung auf eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. Müller vom 12. Februar 2016 widersprochen. Dieser hat sich der MdE-Einschätzung des Sachverständigen nicht angeschlossen und gerügt, nach den Untersuchungsbefunden fehle der positive Nachweis von Sekundärzeichen eines Mindergebrauchs des rechten Armes und der rechten Hand. Die festgestellten Bewegungseinschränkungen rechtfertigten eine MdE von 10 v.H. Der Sachverständige habe seine Einschätzung der MdE nicht begründet. Die vorgeschlagene MdE von 30 v.H. werde z. B. für die völlige Lähmung im oberen Teil des Speichennerven, was eine völlige Lähmung der Streckmuskeln für den Ellenbogen, das Handgelenk und alle Finger bedeute, vergeben. Im Vergleich dazu sei der Kläger deutlich besser gestellt. Des Weiteren hat die Beklagte eine Zusatzbegutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet angeregt. Daraufhin hat das Sozialgericht den Facharzt für Psychiatrie Dr. B. mit der Erstattung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (Zusatzbegutachtung auf psychologisch/psychiatrischem Fachgebiet) beauftragt. Nach seinem nervenärztlichen Gutachten vom 23. Januar 2017 finden sich nach Aktenlage Hinweise auf psychische Störungen im Fall des Klägers erstmals im Gutachten von Prof. Dr. M. vom 4. August 2015. Eine psychiatrische Behandlung sei vorher nicht erfolgt. Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sei als Unfallfolge anzusehen. Sie erreiche nur einen relativ moderaten Schweregrad. Dafür spreche das in engerem Zeitraum nach dem Unfallgeschehen fehlende Vermeidungsverhalten. Dieses habe sich in der baldigen Wiederaufnahme der ständigen Konfrontation mit der Unfallsituation durch Rückkehr an den alten Arbeitsplatz gezeigt. Zusätzlich liege eine ängstlich-dissoziative Funktionsstörung des rechten Armes (ICD-10F44.4) vor. Bis Oktober sei die MdE mit 30 v.H., für die Zeit danach mit 20 v.H. zu bewerten.

Das Sozialgericht hat mit Ladung vom 27. März 2017 Termin zur mündlichen Verhandlung auf Dienstag, den 23. Mai 2017, bestimmt. Mit Schriftsatz vom 4. April 2017 hat die Beklagte mitgeteilt, sie habe ihren Beratungsarzt Dr. R. gebeten, sich zu den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. kurzfristig zu äußern. Mit Schriftsatz vom 28. April 2017 hat sie nochmals beantragt, vor Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme von Prof. Dr. M. zu den Ausführungen ihres Beratungsarztes Dr. M. vom 12. Februar 2016 einzuholen und eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes, des Neurologen und Psychiaters Dr. R., vom 11. April 2017 vorgelegt, nach der den Ausführungen von Dr. B. nicht zu folgen ist. Aus seiner Beschreibung ergebe sich eine Verschiebung der Wesensgrundlage, die jedoch nicht weiter problematisiert werde. Nach den Ergebnissen einer funktionellen Testung in L. vom Juni 2014 betreffe die Sensibilitätsstörung nicht die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Klägers. Das Vorliegen einer PTBS sei zu bezweifeln. Dr. B. berücksichtige nicht die Angaben des Klägers in seinem Unfallbericht vom 19. Oktober 2011. Dort schildere er die entstandenen Verletzungen ausführlich und teilte mit, dass er die gleiche Tätigkeit wie zuvor ausübe. Es handele sich um einen ganz sachlichen Rapport im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang ohne Anhaltspunkt für eine psychische Traumatisierung. Die erforderliche psychische Initialreaktion könne daher nicht angenommen werden. Die erforderlichen Brückensymptome fehlten. Die beschriebene dissoziative Störung sei keine Schädigungsfolge. Es sei vielmehr von einer Verschiebung der Wesensgrundlage auszugehen. Ein neurologisches Zusatzgutachten sei nicht erforderlich. Die Untersuchungsergebnisse von Dr. B. seien aussagekräftig. Bereits im Jahr 2011 sei eine normale Nervenleitgeschwindigkeit durch die vorgenommene neurologische Untersuchung dokumentiert worden. Mit Verfügung vom 5. Mai 2017 hat das Sozialgericht das Gutachten von Dr. B. an den Sachverständigen Prof. Dr. M. mit der Bitte um Bildung einer Gesamt-MdE übersandt. In der mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2017 hat nach Mitteilung der Beteiligten ein Schreiben des Sachverständigen Prof. Dr. M. vom 12. Mai 2017 vorgelegen, wonach er die Gesamt-MdE vom 12. September 2011 bis Oktober 2015 auf 60 v.H. und für die Zeit danach und auf Dauer auf 50 v.H. beziffert. In der Gerichtsakte findet es sich nicht. Ausweislich des Protokolls hat die Beklagte darauf beharrt, vor einer Entscheidung Prof. Dr. M. zu seiner Einschätzung der MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet zu hören. Diese sei nicht nachvollziehbar. Die Voraussetzungen für die Feststellung einer PTBS seien nicht gegeben. Die Gutachter seien zu den jeweiligen beratungsärztlichen Stellungnahmen zu hören.

Mit Urteil vom 23. Mai 2017 hat das SG Gotha die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2013 verurteilt, dem Kläger eine Unfallrente bei Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 40 v.H. ab 1. März 2013 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet an einer seelischen Erkrankung als Unfallfolge leide. Es liege eine unfallbedingte dissoziative Funktionsstörung des rechten Armes und eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Insoweit ist es der Einschätzung des Sachverständigen Dr. B. gefolgt. Ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente ab 1. März 2013 in Höhe von 40 v.H. ergebe sich aus einem beim Kläger bestehenden psychischen Leiden, welches eine MdE von mindestens 20 v.H. bedinge. Die Bildung der Gesamt-MdE habe der chirurgische Hauptgutachter vorzunehmen. Der Einschätzung hinsichtlich der Gesamt-MdE könne die Kammer nicht in Gänze folgen. Eine Addition der Sätze scheide in der Regel aus. Dies gelte insbesondere bei sich überschneidenden Funktionseinschränkungen. Bei kritischer Betrachtung sei daher die Gesamt-MdE mit 40 v.H. anzunehmen.

Mit Beschlüssen vom 18. September 2017 hat das SG Gotha die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2017 hinsichtlich des Klageantrages und den Tatbestand des Urteils vom 23. Mai 2017 berichtigt. Es ist hinsichtlich der beantragten Höhe der MdE jeweils von einer offensichtlichen Unrichtigkeit ausgegangen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beteiligten. Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm entsprechend der Einschätzung der Gesamt-MdE durch Prof. Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 12. Mai 2017 eine Verletztenrente nach einer MdE von 60 v.H. für die Zeit vom 12. September 2011 bis Oktober 2015 und in Höhe von 50 v.H. von Oktober 2015 bis auf Dauer zu zahlen sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Gotha vom 23. Mai 2017 und unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Februar 2013, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2013, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger aufgrund der Unfallfolgen vom 2. März 2011 eine Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 60 von Hundert für die Zeit vom 12. September 2011 bis Oktober 2015 und in Höhe von 50 von Hundert für die Zeit ab Oktober 2015 auf Dauer zu gewähren, hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23.05.2017 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidungen an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. Mai 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23.05.2017 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidungen an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der MdE-Vorschlag des Sachverständigen Prof. Dr. M. an den geltenden MdE-Erfahrungswerten gänzlich vorbeigeht. Das Sozialgericht Gotha sei dem Antrag, Prof. Dr. M. zur beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12. Februar 2016 ergänzend anzuhören, weder gefolgt, noch habe es über diesen entschieden. Auch dem Gutachten des Psychiaters Dr. B. sei nicht zu folgen. Dieser gehe in keiner Weise auf die Problematik einer Änderung der Wesensgrundlage ein. In den ersten Jahren nach dem Unfallereignis sei weder eine psychiatrische noch eine psychologische Behandlung des Klägers erforderlich gewesen. Aus allen Behandlungsberichten im Jahre 2011 ließen sich keine Hinweise auf die Entwicklung psychischer Gesundheitsschäden entnehmen. Der Abbruch einer Belastungserprobung im Juli 2014 sei im Zusammenhang mit den chirurgischen Unfallfolgen erfolgt. Das Sozialgericht habe die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. weder Dr. B. wie beantragt zur ergänzenden Stellungnahme übermittelt, noch sei es hierauf näher eingegangen.

Der Berichterstatter des Senats hat die Beteiligten mit gerichtlicher Verfügung vom 23. Januar 2018 darauf hingewiesen, dass eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG in Betracht kommt, da das SG in mehrfacher Hinsicht gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen habe. Die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. M. vom 12. Februar 2016 und von Dr. R. vom 11. April 2017 seien den Sachverständigen Prof. Dr. M. und Dr. B. nicht zur ergänzenden Stellungnahme vorgelegt worden, obwohl dies von der Beklagten ausdrücklich beantragt worden sei. Den vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen seien erhebliche Einwendungen gegen die Richtigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten zu entnehmen, sodass deshalb die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme zwingend gewesen sei. Des Weiteren sei die MdE auf chirurgischem Fachgebiet durch den Sachverständigen Prof. Dr. M. nicht annäherungsweise begründet. Auch habe das SG es unterlassen, ausdrücklich über weitere Unfallfolgen, obwohl sie Verfahrensgegenstand gewesen seien, zu entscheiden. Darüber hinaus fehle die Abweisung der Klage im Übrigen durch das SG.

Die Beteiligten haben nach der Verkündung der Entscheidung Rechtsmittelverzicht erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat nach dem von den Beteiligten erklärten Rechtsmittelverzicht in Ausübung seines Ermessens nicht auf die weitere Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe (§ 136 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) verzichtet. Denn ein solcher Verzicht scheidet im Falle einer Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG aufgrund der Bindungswirkung des § 159 Abs. 2 SGG aus (vgl. Senatsurteil vom 09. März 2017 – L 1 U 1430/16 –, juris). Nach § 159 Abs. 2 SGG ist das SG an die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts gebunden. Dies umfasst alle Gesichtspunkte, die für die Aufhebung der Entscheidung maßgebend waren. Die entsprechenden Gesichtspunkte sind daher in den Entscheidungsgründen darzulegen.

Auf die zulässige Berufung der Beklagten war das Urteil des SG vom 23. Mai 2017 aufzuheben und der Rechtsstreit nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen.

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung des SGs aufheben und die Sache an das Gericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung des SGs auf ihm beruhen kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 159 Rn. 3a). Dabei ist (nur) auf die Rechtsauffassung des SG abzustellen.

Ein zur Zurückverweisung berechtigender wesentlicher Verfahrensmangel liegt hier vor, weil das SG den entscheidungserheblichen Sachverhalt entgegen der Verpflichtung zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) nicht hinreichend aufgeklärt hat. Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Maßgeblich für die Reichweite der Amtsermittlung ist der jeweilige Gegenstand des Klageverfahrens. Zu ermitteln sind alle Tatsachen, die (ausgehend von der Rechtsauffassung des SG) für die Entscheidungsfindung in prozessualer und materieller Hinsicht wesentlich sind.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen und Gewährung einer Verletztenrente ist § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.V.m. § 56 SGB VII. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für den Arbeitsunfall ist erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalles der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, dass diese Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt hat und dass das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat. Hinsichtlich der Beweisanforderung ist zu beachten, dass für die äußerlich fassbaren und feststellbaren Voraussetzungen versicherte Tätigkeit, Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses, Unfallereignis und Gesundheits(erst)schaden eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert wird, die vorliegt, wenn kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen da ebenso wenig aus, wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist nur für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheits(erst)schaden mit dem Gesundheits(erst)schaden und weiteren Unfallfolgen im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens ausreichend. Nach § 56 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus Anspruch auf Gewährung von Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. gemindert ist.

Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögen des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer sowie sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (vgl. BSG, Urteil vom 2. Mai 2001, - B 2 U 24/00 R -, juris). Bei der Bewertung der MdE ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher maßgebend, sondern vielmehr der damit verbundene Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (vgl. BSG, Urteile vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 11/15 R und vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, beide nach juris). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerung darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit des Verletzten auswirken, sind zwar nicht verbindlich, bilden aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 1987 - 2 RU 42/86 -, juris). Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 11/15 R -, juris).

Dies zugrunde gelegt hat das SG den entscheidungserheblichen Sachverhalt unzureichend aufgeklärt. Zunächst hat die Vorinstanz es unterlassen, im Tenor ausdrücklich eine Entscheidung zur Feststellung weiterer Unfallfolgen insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet zu treffen. Mit Bescheid vom 10. Januar 2012 hat die Beklagte nur Unfallfolgen hinsichtlich des rechten Unterarms und der rechten Hand auf chirurgischem Fachgebiet anerkannt. Mit dem in diesem Verfahren angegriffenen Bescheid vom 15. Februar 2013 hat die Beklagte ebenfalls nur Unfallfolgen am rechten Handgelenk und Unterarm anerkannt und darüber hinaus ausdrücklich ein operativ versorgtes Sulcus-nervi-ulnaris-Syndrom mit sensiblen Störungen des 4. und 5. Fingers rechts als Unfallfolge ausgeschlossen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist sie dann zu ihrer Einschätzung der MdE gelangt. Insbesondere hat sie auf der Grundlage dieser Feststellungen mit Bescheid vom 15. Februar 2013 die Verletztenrente ab dem 1. März 2013 entzogen und eine MdE auf Dauer verneint. Mit seinem Widerspruch hat der Kläger sich hiergegen gewandt und insbesondere auch Einwendungen hinsichtlich der festgestellten Unfallfolgen vorgebracht. In seiner Widerspruchsbegründung hat er ausdrücklich ausgeführt, dass das Sulcus-nervi-ulnaris-Syndrom auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Das SG hat es aber unterlassen, in seinem Urteil vom 23. Mai 2017 eine Entscheidung dazu zu treffen, ob auch das Sulcus-nervi-ulnaris-Syndrom Unfallfolge ist oder nicht. Nur auf der Grundlage einer solchen Feststellung hätte eine zutreffende Einschätzung der MdE erfolgen können. Inwieweit Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet bestehen, hat das SG in seiner Entscheidung nicht ausdrücklich berücksichtigt; inhaltlich hat es sich jedoch in den Entscheidungsgründen damit auseinandergesetzt, ob auf psychiatrischem Fachgebiet Unfallfolgen bestehen. Auf der Grundlage des Gutachtens des Dr. B. hat es eine PTBS und eine ängstlich-dissoziative Funktionsstörung des rechten Armes als Unfallfolge angenommen. Insoweit wäre eine ausdrückliche Feststellung im Tenor erforderlich gewesen.

Dieser ist zudem fehlerhaft, soweit es das SG unterlassen hat, die Klage im Übrigen abzuweisen. Das SG hat mit dem angegriffenen Urteil vom 23. Mai 2017 dem Kläger ab dem 1. März 2013 eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. zugesprochen. Beantragt war jedoch ausweislich des Urteils in Verbindung mit den Berichtigungsbeschlüssen eine MdE von 60 bzw. 50 v.H.

Hinsichtlich der festgestellten Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet hat das SG es unter Verstoß gegen § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG unterlassen, im Einzelnen darzulegen, von welchem festgestellten Sachverhalt es ausgeht. Im Urteil wird lediglich festgestellt, der Kläger sei durch den Arbeitsunfall in eine lebensbedrohliche Situation geraten, in deren Folge sich eine PTBS entwickelte. Das erlittene Trauma wurde als geeignet angesehen, diese hervorzurufen. Das Nichterfolgen einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung wird als auffällig angesehen, und es wird dem Kläger bescheinigt, dass er unter Intrusionen in Form von Nachhallerinnerungen leidet. Auf welcher Grundlage das SG diese Feststellungen getroffen hat, wird nicht mitgeteilt.

Dies widerspricht dem prozessualen Grundsatz, dass das Gericht die für das Urteil in prozessualer und materieller Hinsicht wesentlichen Tatsachen zu ermitteln und im Urteil festzustellen hat. Nach § 128 Abs. 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, von welchem Sachverhalt bei der rechtlichen Beurteilung auszugehen ist. Das Ergebnis dieses Entscheidungsprozesses und die für die Überzeugungsbildung maßgebenden Gründe sind im Urteil anzugeben. Es genügt deshalb nicht auf den Akteninhalt Bezug zu nehmen. Das Gericht hat die Ausführungen des Sachverständigen zu bewerten. Die dem § 128 Abs. 1 SGG inhaltlich entsprechende Regelung in § 286 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bringt dies deutlicher zum Ausdruck, wenn es dort heißt, das Gericht habe nach freier Überzeugung "zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten" sei. Das Gericht muss sich ein Beweisergebnis "zu eigen machen"; es muss "eigene Feststellungen treffen" (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 2 U 16/04 R –, SozR 4-1500 § 163 Nr. 1). Erforderlich ist in jedem Fall, dass das Gericht die Feststellung des Sachverhalts aufgrund eigener Erkenntnis vornimmt und dies hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt. Entgegen diesen Grundsätzen ist den Entscheidungsgründen schon nicht zu entnehmen, von welchem festgestellten Sachverhalt das SG ausgegangen ist. Auch der Tatbestand hilft insoweit nicht weiter, als hinsichtlich des Vorbringens des Klägers auf die Akten und hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen wird.

Nicht ausreichend ist es, wenn das SG nur auf das Gutachten des Psychiaters Dr. B. verweist. Hier wäre eine eigenständige Würdigung des Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen.

Zudem hat das SG das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt, als es in seinen Entscheidungsgründen nicht auf die Ausführungen des Beratungsarztes Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 11. Mai 2017 eingegangen ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 62 SGG ist zwar erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dergleichen Umstände können insbesondere dann vorliegen, wenn das Gericht wesentliche, das Kernvorbringen eines Beteiligten darstellende Tatsachen unberücksichtigt lässt. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in der Begründung der Entscheidung nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist. Daraus ergibt sich eine Pflicht der Gerichte, die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 2 BvR 1493/11 –, juris). Das SG hat es hier aber unterlassen, die Sachverständigen Prof. Dr. M. und Dr. B. zur Abgabe einer ergänzenden Stellungnahme im Hinblick auf die Einwände der Beklagten und insbesondere die vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen aufzufordern. Anlass dafür, Prof. Dr. M. zu einer Ergänzung seines Gutachtens vom 4. August 2015 aufzufordern, bestand unabhängig von der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. M. vom 12. Februar 2016 im Übrigen bereits deshalb, weil dieser in dem genannten Gutachten die MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet mit 30 v.H. beziffert hat. Für die Annahme dieses Wertes fehlt jegliche Erläuterung. Nach dem beigefügten Messblatt für obere Gliedmaßen und der dort dokumentierten Beweglichkeit des rechten Handgelenks und Unterarmes ist die Annahme einer solchen MdE unter Bezugnahme auf die Erfahrungswerte schlechterdings nicht nachvollziehbar. Darauf hat Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 12. Februar 2016 hingewiesen. Insbesondere angesichts seiner Ausführungen dazu, dass der positive Nachweis von Sekundärzeichen eines Mindergebrauchs des rechten Armes und der rechten Hand fehlt, wäre unbedingt eine Aufforderung zur ergänzenden Stellungnahme an den Sachverständigen zu richten gewesen.

Ebenso verfahrensfehlerhaft gehandelt hat das SG im Hinblick auf das psychiatrische Sachverständigengutachten von Dr. B. vom 23. Januar 2017, das der Beratungsarzt Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 11. April 2017 mit beachtlichen Argumenten in Zweifel gezogen hat. Das SG hätte sich in seinen Entscheidungsgründen damit auseinandersetzen und Ausführungen dazu machen müssen, warum es die laut der Sitzungsniederschrift vom 23. Mai 2017 mehrfach angeregte Einholung einer ergänzenden Stellungnahme nicht für erforderlich gehalten hat. Dr. R. hält in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme Dr. B. zu Recht vor, dass dieser zwar eine Verschiebung der Wesensgrundlage problematisiert, sie jedoch nicht hinreichend im Hinblick auf die Unfallkausalität erörtert hat. Dr. R. weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass der Kläger am 19. Oktober 2011 gegenüber der Polizei sachliche Angaben zum Ablauf des Arbeitsunfalles gemacht hat. Er hat dies als erheblichen Anhaltspunkt gegen eine psychische Traumatisierung angesehen. Ferner hat er die fehlenden Brückensymptome und die fehlende Spezifität der beklagten psychischen Beschwerden beanstandet. Daher hätte Veranlassung bestanden, eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. B. zu den Ausführungen in seinem Gutachten einzuholen.

Unabhängig von der beratungsärztlichen Stellungnahme drängt sich ersichtlich auch nach den Ausführungen im Gutachten weiterer Aufklärungsbedarf auf. Dem Sachverständigengutachten von Dr. B. ist nicht zu entnehmen, von welchem wissenschaftlichen Erkenntnisstand er hinsichtlich der Diagnose der PTBS und der anschließenden Kausalitätsprüfung ausgegangen ist. Tatsächlich ist der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrunde zu legen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44). Seine Ausgangsbasis sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich, die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) sowie andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris). Dieser Erkenntnisstand ist die Basis für die Beurteilung des Sachverständigen, von der er nur wissenschaftlich begründet abweichen kann. Seine Feststellung macht das Gutachten für die Beteiligten und das Gericht transparent und nachvollziehbar (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris). Es ist Aufgabe der Sachverständigen, dem Richter den aktuellen anerkannten Stand des Wissens darüber zu vermitteln, ob es Erfahrungssätze über Ursache-Wirkung-Beziehungen der fraglichen Art gibt und ggf. welche Anwendungsbedingungen für die Anwendung dieser Sätze im Einzelfall erfüllt sein müssen. Deshalb hätte der Sachverständige seine Quellen genau zitieren und kritisch würdigen müssen (vgl. Keller in Egle, Kappis u.a. Die Begutachtung chronischer Schmerzen, 1. Auflage 2014, S. 171). Die Vorinstanz hätte diese Ausführungen wiederum eigenständig werten müssen. Sie muss nunmehr den Sachverständigen ergänzend dazu hören, welche Literatur oder Leitlinien er seiner Begutachtung zugrunde gelegt hat und diese Ausführungen dann selbst kritisch beleuchten.

Des Weiteren leidet die Entscheidung des SG darunter, dass die Festsetzung der MdE nicht in einer den Anforderungen des § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG genügenden Weise begründet wurde. Hinsichtlich der Festsetzung der MdE wird ausschließlich auf die Sachverständigengutachten Bezug genommen. Die erforderlichen eigenständigen Erwägungen lassen sich den Entscheidungsgründen nicht entnehmen. Die Bezugnahme auf die Gutachten geht hinsichtlich der unfallchirurgischen MdE bereits deshalb ins Leere, weil der Sachverständige Prof. Dr. M. bis heute keine Erläuterung zur Höhe der MdE abgegeben hat. Hinsichtlich der Bildung der Gesamt-MdE hat das SG zumindest erkannt, dass eine Addition bei sich überschneidenden Werten nicht infrage kommt.

Das SG wird daher die Akten den Sachverständigen Prof. Dr. M. und Dr. B. zur ergänzenden Stellungnahmen im Hinblick auf die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. M. und Dr. R. zu übersenden haben. Je nach Ergebnis kann sich hieraus weiterer Ermittlungsbedarf bis hin zur Notwendigkeit der Einholung weiterer Gutachten ergeben. Ferner wird das SG zu entscheiden haben, ob hinsichtlich möglicher Unfallfolgen auf neurologischem Gebiet (Sulcus-nervi-ulnaris-Syndrom = ein Nervenengpasssyndrom eines der drei wichtigen Armnerven des Nervus ulnaris) auch ein neurologisches Gutachten erforderlich ist.

Fehlt es wie hier im weiten Umfang an Ermittlungen, zu denen sich das SG im Rahmen des § 103 SGG hätte gedrängt fühlen müssen, folgt daraus zum einen, dass die angefochtene Entscheidung hierauf beruhen kann, und zum anderen, dass der Verfahrensmangel eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich macht. Letzteres ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/6746 S. 27) der Fall, wenn die Beweisaufnahme einen erheblichen Einsatz von personellen und rechtlichen Mitteln erforderlich macht. Das ergibt sich aus den vorhergehenden Ausführungen. Eine Entscheidung des Senats in der Sache würde zudem dem Gebot eines effektiven Rechtsschutzes durch die erste Instanz widersprechen. Den Beteiligten würde eine Instanz verloren gehen. Dem entspricht, dass beide Beteiligten zumindest hilfsweise eine Zurückverweisung an das Sozialgericht beantragt haben. Im Rahmen des von ihm bei der Entscheidung über die Zurückverweisung auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse der Beteiligten an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreites gegenüber den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz abgewogen und sich angesichts der erheblichen Mängel der Sachverhaltsaufklärung durch das SG für eine Zurückverweisung entschieden. Hierbei hat er berücksichtigt, dass der Rechtsstreit noch weit von einer Entscheidungsreife entfernt ist, weshalb der Verlust einer Tatsacheninstanz, wie er wegen der vom SG unterlassenen Aufklärung praktisch eingetreten ist, besonders ins Gewicht fällt. Die Rückverweisung stellt die dem gesetzlichen Modell entsprechenden zwei Tatsacheninstanzen wieder her. Auch angesichts der bisherigen Dauer des Berufungsverfahrens scheint es prozessökonomischer, dem SG zunächst Gelegenheit zur Aufklärung des Sachverhaltes in rechtskonformer Weise zu geben.

Das SG wird in seiner künftigen Kostenentscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden haben.

Die Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung ist nach § 136 Abs. 4 SGG aufgrund des Rechtsmittelverzichts durch die Beteiligten entbehrlich.
Rechtskraft
Aus
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