L 8 SB 4021/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2749/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4021/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.10.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Kosten des gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. D. vom 09.11.2017 sowie die damit in Zusammenhang stehenden baren Auslagen der Klägerin werden nicht auf die Staatskasse übernommen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere Feststellung des Grades der Behinderung (GdB mindestens 50 statt 30 bzw. 40) seit 18.10.2013 zusteht.

Bei der 1960 geborenen Klägerin, deutsche Staatsangehörige, stellte das Landratsamt R. (LRA) mit Bescheid vom 03.08.2012 (Blatt 19/20 der Beklagtenakte) den GdB mit 20 fest (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Depression (GdB 20); degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 10); Migräne (GdB 10); Entleerungsstörung der Harnblase (GdB 10), vgl. versorgungsärztliche Stellungnahme Dr. A.-F. vom 10.07.2012, Blatt 17/18 Blatt 67/69 der Beklagtenakte).

Am 18.10.2013 beantragte die Klägerin beim LRA die höhere (Neu-)Feststellung des GdB sowie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (Blatt 22/23 der Beklagtenakte). Zu ihrem Antrag verwies sie auf eine Verschlimmerung der Beschwerden und legte ärztliche Unterlagen (Blatt 24/38 Blatt 67/69 der Beklagtenakte), u.a. einen Bericht der R.klinik, Bad W. , vom 20.09.2013 (Blatt 34/38 der Beklagtenakte), vor.

Das LRA zog Auskünfte und Befundunterlagen von der HNO-Ärztin Dr. H. (Blatt 45/46 Blatt 67/69 der Beklagtenakte) und vom Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie S. (Blatt 47 Blatt 67/69 der Beklagtenakte) bei.

Der Versorgungsarzt Dr. A.-F. schätzte in seiner Stellungnahme vom 20.12.2013 (Blatt 48/49 der Beklagtenakte) den GdB auf 20 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Depression (GdB 20); degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 10); Migräne (GdB 10); Entleerungsstörung der Harnblase (GdB 10); Ohrgeräusche (Tinnitus (GdB 10)).

Mit Bescheid vom 08.01.2014 (Blatt 50/51 der Beklagtenakte) lehnte das LRA die höhere (Neu-)Feststellung des GdB und die Zuerkennung des Merkzeichens "G" ab.

Hiergegen erhob die Klägerin am 27.01.2014 (Blatt 53 der Beklagtenakte) Widerspruch. Zu dessen Begründung (Blatt 57/58 der Beklagtenakte) führte sie u.a. aus, es liege das Vollbild eines depressiven Syndroms vor. Die Drucksituation am Arbeitsplatz wirke verstärkend. Die Bewertung des beidseitigen Tinnitus sei unzutreffend. Das Schulter-Arm-Syndrom sei nicht berücksichtigt. Es lägen auch chronische Lumbalgien und Illiosakalgien sowie Cerviokalgien und eine Hüftdysplasie vor.

Der Versorgungsarzt Dr. A.-F. sah eine Erhöhung des GdB als nicht erforderlich an (Stellungnahme vom 27.05.2014, Blatt 59 der Beklagtenakte). Die Klägerin legte daraufhin einen Bericht des Radiologen Dr. V. vom 04.04.2014 (Blatt 60 der Beklagtenakte) vor (Diagnose: mäßiggradige Spondylarthrose bei L2-S1, flache Bandscheibenprotrusion bei L4/L5 und L5/S1 ohne Kontakt zu neuralen Strukturen, deutliche Osteochondrose bei L5/S1, Steilstellung der LWS).

Nachdem der Versorgungsarzt Dr. G. in seiner Stellungnahme vom 22.07.2014 (Blatt 64/65 der Beklagtenakte) an der GdB-Einschätzung festgehalten hatte, wies der Beklagte den Widerspruch durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.10.2014, Blatt 67/69 der Beklagtenakte).

Hiergegen hat die Klägerin unter Wiederholung ihres Vorbringens aus dem Widerspruchsverfahren am 28.10.2014 beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage erhoben.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 16/28 sowie 30/36 der SG-Akte Bezug genommen. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. M. hat dem SG unter dem 06.12.2014 geschrieben, sie habe die Klägerin wegen orthopädischer Probleme behandelt, hinzu seien depressive Tendenzen gekommen. Die ihr überlassene versorgungsärztliche GdB-Bewertung sei als zutreffend zu bezeichnen, evtl. wären die Veränderungen der Wirbelsäule mit 20 zu bewerten. Der Facharzt für Orthopädie Dr. H. hat dem SG mit Schreiben vom 02.12.2014 mitgeteilt, gutachtliches zur GdB-Bewertung sei nicht dokumentiert.

Das SG hat nach § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 28.11.2015 (Blatt 54/81 der SG-Akte; Untersuchung der Klägerin am 27.10.2015) ein chronisches Wirbelsäulenleiden mit mittelgradigen funktionellem Auswirkungen in 3 Wirbelsäulenabschnitten und ausgeprägtem Schmerzsyndrom mit einem GdB von 40, ein Schulter-Arm-Syndrom beidseits mit leichtgradiger Funktionseinschränkung mit einem GdB von 10, ein Hand-Unterarm-Funktionsstörung mit Kraftschwäche beidseits und Empfindungsstörungen der Finger mit einem GdB von 20, ein Kniegelenkleiden beidseits bei retropatellaren Knorpelschäden mit Chondromalazie patellae 2. Grades beidseits und chronischer Chondropathia pathellae beidseits mit einem GdB von 20, ein chronisches Schmerzsyndrom mit und eine Depression einem GdB von 20, die Migräne mit einem GdB von 10, Entleerungsstörungen der Harnblase mit einem GdB von 10 und Ohrgeräusche (Tinnitus) mit einem GdB von 10 bewertet.

Der Beklagte hat daraufhin unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. (Blatt 82/85 der SG-Akte) angeboten, den GdB seit 18.10.2013 mit 30 und seit 27.10.2015 mit 40 festzustellen (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, chronisches Schmerzsyndrom (GdB 30); Depression (GdB 20); Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Knorpelschäden am beiden Kniegelenken (GdB 20); Migräne (GdB 10); Entleerungsstörung der Harnblase (GdB 10); Ohrgeräusche (Tinnitus) (GdB 10)).

Die Klägerin hielt das Wirbelsäulenleiden mit einem GdB von 30 für zu niedrig bewertet (Schreiben vom 26.02.2016, Blatt 87 der SG-Akte) und nahm das Vergleichsangebot nicht an (Schreiben vom 13.05.2016, Blatt 95 der SG-Akte).

Das SG hat nunmehr Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 18.07.2016 (Blatt 99/127 der SG-Akte; Untersuchung der Klägerin mit Dolmetscher am 15.07.2016) auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, funktionelle Störungen (Tinnitus, Kombinationskopfschmerz) und depressive Verstimmungen mit Anpassungsstörungen beschrieben und mit einem GdB von 20 bewertet. Den GdB hat er ab 27.10.2015 insgesamt mit 40 eingeschätzt.

Gegen die Bewertung durch den Gutachter hat die Klägerin mit Schreiben vom 28.07.2016 (Blatt 129 der SG-Akte) eingewandt, die wesentlichen Funktionsstörungen lägen auf dem Gebiet der Orthopädie und im Schmerzbereich.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.10.2016 hat das SG den Bescheid vom 08.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2014 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin unter Abänderung des Bescheids vom 03.08.2012 ab 18.10.2013 den GdB mit 30 und ab 27.10.2015 mit 40 festzustellen. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen den dem Bevollmächtigten der Klägerin am 21.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 31.10.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Die von Dr. P. mit GdB von 20 bewertete psychische Erkrankung sei zu niedrig bewertet. Hierzu werde auf die vorgelegte Bescheinigung des seit Jahren behandelnden Nervenarztes S. vom 04.11.2016 verwiesen. Dieser bestätige, dass bei ihr die seelische Erkrankung als chronisch rezidivierende depressive Störung in gegenwärtig schwerer Ausprägung zu bewerten sei. Langjährige berufliche Be- und Überlastungen und die Verletzung mit chronischen Schmerzen hätten die Krankheitssymptomatik verstärkt, seien aber nicht Auslöser der depressiven Symptomatik. Aus ärztlich-psychiatrischer Sicht sei der GdB mit 50 zu bewerten, ohne dass hier die zusätzlichen orthopädisch/internistischen Erkrankungen berücksichtigt seien. Es liege eine erhebliche Einschränkung der Gestaltungs- und Erlebnisfähigkeit vor, sie sei krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, angemessen am Leben öffentlich wie privat teilzuhaben. Aufgezeigte Rückzugsymptome, tiefe Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit mit Ängsten prägten das depressive Krankheitsbild, das bisher medikamentös und psychotherapeutisch nicht ausreichend positiv zu beeinflussen sei. Es sei von einer Chronifizierung auszugeben. Ausgehend hiervon sei die psychische Erkrankung mit einem GdB von 30 bis 40 anzusetzen und die Schwerbehinderteneigenschaft gegeben.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.10.2016 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 08.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2014 zu verurteilen, bei ihr den GdB seit 18.10.2013 mit 50 festzustellen. hilfsweise den Rechtsstreit zu vertagen und Dr. D. entsprechend dem Schriftsatz vom 11.01.2018 zu hören.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Im nichtöffentlichen Termin vom 03.02.2017 war die Klägerin angehört und Herr S. als sachverständiger Zeuge vernommen worden (zur Niederschrift vgl. Blatt 28/31 der Senatsakte). Der Zeuge S. hat u.a. angegeben, keine psychotherapeutische Behandlung durchzuführen, auch eine intensive Psychotherapie finde sonst nicht statt. Die sozialen Umstände unterhielten die depressive Erkrankung. Die Klägerin hat u.a. angegeben, Dr. P. habe falsche Tatsachen, also solche seinem Gutachten zugrunde gelegt, die sie gar nicht gesagt habe oder die falsch übersetzt worden seien.

Hierzu hat die Klägerin mit Schreiben vom 08.02.2017 nochmals Stellung genommen (Blatt 32/34 der Senatsakte). Soweit Dr. P. angeführt habe, dass sie empfindlich sei, wenn sie im Haushalt putze, ergänze sie, dass sie nur sehr wenig putzen könne, nur wenn es ihr aufgrund ihrer aktuellen Situation möglich sei. Unrichtig sei, dass sie ihren Mann als dominanten Menschen geschildert habe. Der Gutachter habe danach überhaupt nicht gefragt. Auf jeden Fall sei ihr Mann "ganz normal, mal so, mal so". Die Schilderung, ihr Mann werde aggressiv, wenn sie nichts höre, sei mit Sicherheit eine unrichtige Übersetzung. Dies habe sie auf Türkisch keinesfalls so gesagt. Zum Ausdruck habe sie bringen wollen, dass sie unwirsch werde. Bezüglich der Dauerbehandler habe sie Dr. P. auch mitgeteilt, dass sie nicht nur bei Dr. M. , sondern auch bei Dr. S. in Behandlung sei. Unrichtig sei die Aufnahme der Aussage bezüglich der biographischen Anamnese. Dort habe Dr. P. aufgenommen, dass die letzte Stiefmutter gekommen sei, als sie 10 Jahre alt gewesen sei, diese sei sehr gut gewesen, sie habe noch guten Kontakt mit ihr. Richtig sei, dass sie ausdrücklich mitgeteilt habe, die letzte Stiefmutter sei vor 15 Jahren gestorben. Unrichtig sei auch die Darstellung bezüglich des jüngsten Bruders. Sie wisse gar nicht, was der jüngste Bruder in der Türkei mache. Richtig sei nach ihrer Erinnerung, dass er zuletzt eine kleine Firma gehabt habe. Nicht richtig aber sei, dass sie gesagt habe, er veranstalte Fahrradtouren für Touristen. Dies habe sie gar nicht gesagt, weil sie es gar nicht wisse. Hier habe offensichtlich die Dolmetscherin falsch übersetzt oder etwas dazu fantasiert. Soweit erwähnt werde, dass sie nach der Betriebsauflösung und Kündigung noch Zahlungen erhalten habe, weise sie daraufhin, dass es sich dabei um eine Abfindung gehandelt habe. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sie angebe, dass ihr Mann nicht so ein Macho sei, wie türkische Männer gemeinhin - dies stehe im Widerspruch zu der oben gerügten Aussage, dass ihr Mann ein dominanter Mensch sei. Unrichtig seien die biographischen Angaben zu ihrem Freundeskreis. Sie habe keine Freundin. Sie habe dies auch nicht dem Gutachter oder der Dolmetscherin gesagt. Richtig sei, dass sie alleine und zurückgezogen sei. Die Aussage, dass sie mit den Freundinnen spazieren gehe, Tee trinke und gute Kontakte habe, sei unwahr. Wo Dr. P. oder die Dolmetscherin diese Aussage herhätten, wisse sie nicht. Richtig sei die Aussage, dass sie vom Typ her eher etwas zurückgezogen sei. Unrichtig sei, dass sie an Hobbies Laufen und Lesen erwähnt habe. Richtig sei, dass sie früher (vor ca. sieben bis acht Jahren) gerne gelaufen sei. Richtig sei, dass sie lese, allerdings jetzt auch nur ab und zu. Nicht erinnern könne sie sich an die folgende Aussage: "Zur Zeit sei es gesundheitlich etwas schwierig wegen der Arzttermine, auch bei ihrem Mann". Die Aussage sei auch in sich logisch nicht stringent. Sie bestreite auch, die Aussage gemacht zu haben, sie gehe regelmäßig mit ihrem Mann spazieren. Der Ehemann habe Knieprobleme, Gehstrecken über 500 m vermeide er. Sie habe wiederum dem Gutachter gesagt, sie habe keine Zeit, mit ihrem Mann spazieren zu gehen. Hier habe entweder die Dolmetscherin falsch übersetzt oder der Gutachter falsch aufgenommen. Sie verstehe zwar deutsch, aber eben nicht so gut, und insbesondere dann, wenn Arzt und Dolmetscherin schnell miteinander redeten, habe sie es nicht mitbekommen. Insoweit sei ihr eine Korrektur der Aussagen nicht möglich. Sie habe auch nicht die Aussage gemacht, dass sie "zusammen Einkäufe machen würden". Richtig sei, dass während sie gearbeitet habe und ihr Mann Rentner war, er eben die Familienversorgung in Form von Einkäufen übernommen habe. Diese Rollenverteilung sei geblieben. Im Übrigen sei sie auch froh, dass ihr Mann dies so mache, da sie ja eigentlich sehr zurückgezogen sei. Man gehe ab und an, aber selten, gemeinsam einkaufen. Nicht nachvollziehbar sei die Angabe "nachmittags ebenso". Die Aussage "insgesamt würden sie alles gemeinsam machen" sei so nicht gefallen und stimme auch nicht. Das Gegenteil sei geradezu der Fall. Man nehme Mahlzeiten gemeinsam ein. Im Übrigen mache jeder, was er gerne mache. Richtig sei zwar, dass ihr Mann auch Aufgaben im Haushalt übernehme, aber eigentlich mache er relativ wenig. Richtig sei die Aussage, dass sie gerne lese, wobei sie darauf hinweise, dass ihr dies wegen der Nackenbeschwerden nur kurze Zeit möglich sei.

Vom Senat befragt hat Dr. P. mit Schreiben vom 24.04.2017 (Blatt 35/39 der Senatsakte) u.a. ausgeführt, die Klägerin habe anlässlich ihrer Begutachtung die im Gutachten ausführlich dokumentierten Angaben vorgetragen. Bemerkenswert sei, dass Herr S. die Diagnose einer schweren Depression nicht mit der Notwendigkeit weiterer zielführender, intensiver Behandlungsmaßnahmen, bei bisher frustranem Verlauf, angehe. Bei diesem Krankheitsbild sei zumindest an eine teilstationäre, sicherlich an eine vollstationäre fachspezifische Behandlung zu denken.

Der Senat hat nunmehr Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beim Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. Dieser hat in seinem Gutachten vom 01.09.2017 (Blatt 42/82 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 23.08.2017) unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin die Klägerin untersucht. Er hat eine Dysthymia sowie einen Kombinationskopfschmerz (Migräne und Spannungskopfschmerz) diagnostiziert und die Dysthymia mit einem GdB von 20, das Kopfschmerzleiden/die Migräne mit einem GdB von 10 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er mit 40 angegeben.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 27.09.2017 (Blatt 84 der Senatsakte) ausgeführt, sie sei der Auffassung, dass die Beurteilung durch Dr. S. zu stark an der Beurteilung durch Dr. P. orientiert sei und der Schwere der depressiven Erkrankung nicht gerecht werde. Sie werde jetzt einen neuen Antrag auf eine psychische Reha-Maßnahme beim Rentenversicherungsträger stellen. Gesprächstherapie sei beim ZfP R. durchgeführt worden, allerdings habe sie Probleme mit der Therapeutin gehabt, mit der sie sich nicht richtig verstanden habe. Problem sei, dass sie einen türkisch sprachigen Therapeuten benötige.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 19.10.2017 (Blatt 87/90 der Senatsakte) eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vorgelegt, der darauf hingewiesen hat, dass eine engmaschige Psychotherapie nicht stattfinde.

Der Senat hat nach § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. D ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 09.11.2017 (Blatt 91/119 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 06.11.2017) ohne Heranziehung eines Dolmetschers (Blatt 106 der Senatsakte = Seite 13 des Gutachtens: "Ihre Deutschkenntnisse sind ausreichend, ") eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine einfache Migräne und einen beidseitigen Tinnitus dargestellt. Die anhaltend somatoforme Schmerzstörung hat er mit einem GdB von 40, die Migräne und den Tinnitus jeweils mit einem GdB von 10 bewertet. Der Gesamt-GdB liege bei mindestens 50.

Der Beklagte hat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 29.11.2017 ausgeführt (Blatt 121/124 der Senatsakte), die Annahme einer somatoformen Schmerzstörung mit einem GdB von 40 sei nicht nachgewiesen. Nach der Vernehmung von Herrn S. sei keine psychotherapeutische Behandlung vorgenommen worden. Herr S. erwähne die gegenseitigen Auswirkungen der Schmerzen und der Depression. Sollten diese tatsächlich derart stark vorliegen, dass ein GdB von 40 bis 50 in Betracht komme, stelle sich die Frage, warum bei einem derart starken Leiden keine entsprechende Behandlung zur Besserung anvisiert werde, denn die medikamentöse Behandlung habe dann offensichtlich nicht den erhofften und erwarteten Erfolg.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 11.01.2018 (Blatt 125 der Senatsakte) angeregt, Dr. D. zu den Einwendungen des Beklagten zu hören. Mit Schreiben vom 17.01.2018 (Blatt 128 der Senatsakte) hat die Klägerin mitgeteilt, ihr Sohn teile mit, es sei im Gutachten Dr. S. unrichtig, dass sie nur eine Tablette nehme. Richtig sei, dass sie morgens zweimal 30 mg Duloxetin, abends zweimal 50 mg Amytriptilin sowie zum Schlafen 40 bis 50 Tropfen Promethazin einnehme. Sie sei auch weiter in ärztlicher Behandlung. Bei Dr. S. selber sei sie alle vier Wochen, manchmal auch zweiwöchentlich. Daneben sei sie im ZfP R. in gesprächstherapeutischer Behandlung, im Augenblick alle drei bis vier Monate, weil die zuständige Therapeutin wegen eigener Weiterbildung relativ wenige Termine vergebe. Sie sei seit dem 21.12.2017 in einem stationären Heilverfahren in der C. Klinik Bad-H ...

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 05.202.2018 den vorläufigen Entlassbericht der C. Klinik Bad H. vom 23.01.2018 über eine stationäre Behandlung vom 21.12.2017 bis zum 25.01.2018 (Diagnosen u.a. chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode) vorgelegt. Die Klägerin hat beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben und den Bericht der C. Klinik beizuziehen.

Zuletzt hat die Klägerin eine Stellungnahme des MDK vom 15.02.2018 und den Reha-Bericht vom 08.02.2018 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.

Der angefochtene Bescheid des LRA vom 08.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2014 Beklagten war zwar rechtswidrig und hat die Klägerin in ihren Rechten verletzt, doch hat der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 18.10.2016 die Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung beseitigt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30 seit 18.10.2013 und eines höheren GdB als 40 seit 27.10.2015. Die Berufung ist daher unbegründet.

Der Senat konnte feststellen, dass die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen der Teilhabe der Klägerin am Leben in der Gesellschaft (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) keinen GdB von mehr als 30 seit 18.10.2013 und mehr als 40 seit 27.10.2015 rechtfertigen. Eine höher zu bewertende Veränderung gegenüber der Tatsachengrundlage, die Grundlage des Bescheids des LRA vom 30.08.2012, mit dem ein GdB von 20 festgestellt worden war, konnte der Senat nicht feststellen.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.

Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen, sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-beeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 30 seit 18.10.2013 und mehr als 40 seit 27.10.2015 nicht rechtfertigen; dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX.

Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 30 anzunehmen. Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulen-abschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.

Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand des Gutachtens von Dr. S. eine komplexe LWS-BWS-Skoliose in Doppel-S-Form und zusätzlicher Torsions-Komponente, eine reaktive Thoraxdeformität, einen Hohlrundrücken, ein HWS-Syndrom mit schmerzhafter Funktionseinschränkung und Wurzelreizung HWK 5 bis 7 durch Bandscheibenvorfall und degenerativer Foramenstenose beidseits feststellen.

Dr. S. hat bei seiner Untersuchung der Wirbelsäule festgestellt, dass diese weitgehend gerade aufgebaut ist, wobei eine leichte Seitneigung nach rechts auffällt. Entsprechend steht die rechte Schulter einen Querfinger tiefer als links, die Beckenkämme stehen jedoch gleich hoch. Die Schulterblätter liegen dem Brustkorb an. Die Muskulatur ist mittelkräftig entwickelt. Die Gesäßhälften sind gleichmäßig ausgeprägt. In der seitlichen Betrachtung sind die Wirbelsäulenkrümmungen regelrecht ausgeprägt, Buckelbildungen bestehen nicht. Im Bereich der Halswirbelsäule fand Dr. S. deutliche Muskelverhärtungen i.S. von Myogelosen links-betont. Die Abtastung der Wirbelsäulenfacetten ergab beim Springingtest eine ausgeprägte Druckschmerzhaftigkeit in allen 3 Wirbelsäulenbereichen mit Schwerpunkt in der distalen LWS, dem mittleren BWS-Drittel und der HWS. Die Dornfortsätze stehen weitgehend gleichmäßig in einer Reihe, rechts zeigt sich eine angedeutete Aufwölbung der Rippenabgänge im mittleren BWS-Drittel im Sinne eines angedeuteten Rippenbuckels. Eine Buckelbildung der Dornfortsätze war nicht tastbar. Die Dornfortsatzreihe, sowie auch die Kreuzbein- und Darmbeingelenke sind ausgeprägt druckschmerzhaft beim Federtest auf die Dornfortsätze. Ebenfalls besteht eine deutliche Druckschmerzhaftigkeit über beiden Illiosakralgelenken. Das Mennell sche Zeichen ist für beide lIiosakralgelenke schmerzpositiv und führt zusätzlich zu einer ausgeprägten Schmerzauslösung im lumbosacralen Übergangsbereich. Ebenso besteht eine mäßiggradige Klopfschmerzhaftigkeit der Dornfortsätze im mittleren BWS-Drittel, geringgradig auch im übrigen Wirbelsäulenbereich. Eine Stauchungsschmerzauslösung erfolgte im distalen Lendenwirbelsäulenbereich beim Fallenlassen aus dem Zehenspitzenstand auf die Fersen, wobei der Zehenspitzenstand nur in geringem Maße ausgeführt wurde. Die Ischiasnervenaustrittspunkte im Gesäßbereich waren im Liegen beidseits deutlich stoßempfindlich, die Valleix schen Druckpunkte im Oberschenkelberich aber nicht druckschmerzhaft. In Rückenlage zeigte sich bei der Untersuchung durch Dr. S. ein Dehnungsschmerz des Ischiasnervs mit positivem Lasègue-Test bei 70° gestreckter Beinhebung beidseits. Der Bragard-Test war indifferent und nicht signifikant schmerzpositiv. Dr. S. hatte festgestellt, dass die Halswirbelsäule in alle Richtungen mittelstark und ausgeprägt schmerzhaft bewegungseingeschränkt war. Die Lendenwirbelsäule rundete sich bei der Vorneigung nur unwesentlich nach hinten aus und wird schmerzbedingt steif gehalten. Die Aufrichtung erfolgte in der Untersuchungssituation aus eigener Kraft mit Abstützung der Arme auf die Oberschenkel. Die Überstreckung nach hinten führte zu einer mäßigen Hohlrückenbildung, die untere Brustwirbelsäule faltete sich dabei geringfügig auf. Die Neigung nach rechts und links erfolgte ohne Seitenunterschiede. Bei gleichmäßigem Gehen erkannte Dr. S. keine wesentliche Wirbelsäulenbewegung und es hatte sich auch kein wesentliches Muskelspiel gezeigt. Die Wirbelsäule wird von der Klägerin eher insgesamt steif gehalten. Außerdem zeigte sich nach der gutachterlichen Untersuchung eine zunehmende schmerzbedingte Schonhaltung mit Seitneigung nach rechts und zusätzlich ein Blockadeschmerz im rechtsseitigen Halswirbelsäulenbereich.

Dr. S. hat folgende Bewegungsausmaße gemessen (Normalwerte in Klammer): Halswirbelsäule Vorneigen/Rückneigen 30-0-30 (50/70-0-40/50) Seitneigen rechts/links 20-0-20 (45-0- 45) Drehen rechts/links 50-0-50 (60/80-0-60/80) Brust- und Lendenwirbelsäule Seitneigen rechts/links 20-0-25 (30/40-0-30/40) Drehen im Sitzen rechts/links 50-0-50 (30/50-0-30/50) Ott 30:33 (30:32) Schober 10:14,5 (10:15).

Anhand dieser Feststellungen des Gutachters, die der Senat als vergleichbar zu den Befunden des behandelnden Orthopäden und des Rehaberichts 2014 ansieht, konnte der Senat bei der Klägerin ein Wirbelsäulensyndrom mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in 3 Wirbelsäulenabschnitten feststellen. Hierdurch ergibt sich für die Klägerin eine Beeinträchtigung im Alltag, sowohl bei statischer wie auch dynamischer Belastung der Wirbelsäule. Das Heben und Tragen von Lasten, sowie jede Form von Wirbelsäulenzwangshaltungen sind weitgehend eingeschränkt und mit starker Schmerzzunahme belastet.

Die radiologisch nachgewiesene dreidimensionale komplexe Wirbelsäulenverformung, mit reaktiver Verformung auch des dorsalen Brustkorbes und den im MRT nachgewiesenen pathologischen Veränderungen der Halswirbelsäule führt zu Blockierungen der Wirbelgelenke und ausgeprägten schmerzhaften Muskelverspannungen im gesamten Rückenbereich. Als Folge hat sich nach Dr. S. eine generalisierte Myotendinopatie manifestiert, welche im Stehen, Sitzen und Liegen eine Schmerzzunahme bewirkt und sich nur durch leichte Bewegungen etwas bessern lässt und die nach Dr. S. Beeinträchtigungen des Schlafvermögens erklärbar macht.

Der Senat konnte auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. S. feststellen, dass keine Versteifung von Teilen der Wirbelsäule besteht, auch keine anhaltende Ruhigstellung oder eine schwere Skoliose. Auch sonstige schwere Funktionsbeeinträchtigungen wie häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkungen oder Instabilitäten schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome konnte der Senat nicht feststellen. Die Verformung der Wirbelsäule betrifft zwar 3 Wirbelsäulenabschnitte ist auch schmerzhaft, führt aber funktionell lediglich zu mittelgradigen Einschränkungen, wie Dr. S. bestätigt und der Senat festgestellt hatte. Liegen aber in 3 Wirbelsäulenabschnitten mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen vor, ist der GdB-Rahmen von 30 bis 40 zwar eröffnet, kann aber auch unter Berücksichtigung der Schmerzen nicht bis zum oberen Rand des Bewertungsrahmens ausgeschöpft werden. Denn nach der Rechtsprechung des Senats ist die Bewertungsstufe von 40 erst erreicht, wenn schwere funktionelle Auswirkungen in mindestens 2 Wirbelsäulenabschnitten vorliegen (Senatsurteil vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Das ist aber bei durchgehend lediglich mittelgradigen funktionellen Auswirkungen nicht der Fall.

Soweit Dr. S. zur Begründung seines GdB-Vorschlags von 40 ein ausgeprägtes Schmerzsyndrom (chronisches Schmerzsyndrom im Stadium III nach Gebershagen) heranzieht, folgt ihm der Senat nicht. Zwar können Schmerzen den GdB auch an der Wirbelsäule erhöhen (B Nr. 18.9 VG); der Senat hat bei seiner Feststellung der mittelschweren Funktionsbeeinträchtigungen bereits die Schmerzen mitberücksichtigt. Eine Erhöhung in diesem Funktionssystem kommt vorliegend aber deshalb nicht in Betracht, weil bei der Klägerin nach Feststellung des Gutachters Dr. S. und Dr. D. ein chronisches Schmerzsyndrom besteht, das über ein Funktionssystem hinaus geht. Zwar erfasst das Schmerzsyndrom auch die Wirbelsäule, umfasst aber nach den Feststellungen des Gutachters Dr. S. auch die Gesundheitsstörungen im Arm- und Kniebereich. Damit geht das Schmerzsyndrom über das Funktionssystem des Rumpfes hinaus und ist nach der Rechtsprechung des Senats im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche zu bewerten. Damit verbleibt im Funktionssystem des Rumpfes ein Einzel-GdB von insgesamt 30. Mit dieser Bewertung geht der Senat sogar über die Bewertung der die Klägerin dauerhaft behandelnden Ärztin Dr. M. hinaus, die für die Wirbelsäule einen GdB von 20 vorgeschlagen hatte.

Im Funktionssystem der oberen Gliedmaßen konnte der Senat anhand des Gutachtens von Dr. S. ein funktionelles Impingement-Syndrom der Schultern beidseits sowie eine Hand-Unterarm-Kraftschwäche beidseits bei Verdacht auf Nervenkompressionssyndrom beidseits feststellen. Der Senat konnte in diesem Funktionssystem funktionelle Beeinträchtigungen feststellen, die jedoch im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 18.13 VG allenfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten waren.

Es besteht bei der Klägerin keine Versteifung eines oder beider Schultergelenke, keine Instabilität eines oder beider Schultergelenke, und auch keine Schlüsselbeinpseudarthrose. Eine GdB-relevante Bewegungseinschränkung konnte der Senat mit den von Dr. S. gemessenen Bewegungsmaßen von rechts 140/0/0o und links 130/0/0o nicht feststellen. Eine Schmerzhaftigkeit der Schulterbeweglichkeit alleine begründet ebenfalls noch keinen GdB.

Eine Nervenkompression, die Dr. S. als Verdachtsdiagnose angenommen hatte, konnte der Senat weder in den neurologisch-psychiatrischen Gutachten bestätigt finden, noch im Bericht des Dr. D. vom 30.05.2016, den die Klägerin zum Gutachter Dr. P. mitgebracht hatte, und der einen völlig unauffälligen neurologischen Befund in den Oberarmen und ein fragliches Carpaltunnelsyndrom beginnend links bei unauffälliger Elektrophysiologie beschrieben hat. Dr. P. und die weiteren neurologischen Gutachter Dr. S. und Dr. D. haben eine solche Symptomatik nicht gefunden, sodass allenfalls der Verdacht einer Erkrankung besteht, der jedoch nicht zur Annahme eines GdB herangezogen werden kann. Ein vollständiger bzw. teilweiser Ausfall von Nerven konnte der Senat nicht feststellen.

Die Kraftminderung der Bizeps- und Trizepssehnen sowie des Händedrucks beidseits hat nach Überzeugung des Senats nur geringe Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit der Klägerin. Bei seiner neurologischen Untersuchung der oberen Extremitäten hat Dr. S. keine sensiblen Defizite an den oberen Extremitäten, aber eine Kraftschwäche beim groben Händedruck beidseits und auch beim Bizeps- und Trizeps-Krafttest beidseits beschrieben, auch Kraftdefizite beim Handbefund bezüglich der Fingerkraft und Mittelhandmuskulatur rechts ausgeprägter als links. Zwar hat Dr. S. die Fingerfertigkeit der Klägerin insoweit als signifikant eingeschränkt und zu rascher Erschöpfbarkeit führend beschrieben. Dagegen waren die Bewegungen einzelner Finger bis auf eine geringfügige Funktionseinschränkung des linken Zeigefingers im Endgelenk weitgehend regelrecht. Die Streckung an allen Fingern war aktiv vollständig erreichbar und weitgehend schmerzfrei, der Fingerspitzenhohlhandabstand betrug bei der Untersuchung durch Dr. S. an allen Fingern 0 cm. Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Entlassbericht der Federseeklinik Bad Buchau vom 03.01.2014. Nach den Ausführungen dort hatte die Klägerin Komplexbewegungen wie Nacken- und Schürzengriff gezeigt, Faustschluss und Fingerstreckungen waren jeweils vollständig. Einzige Auffälligkeit war ein Flexionsdefizit des rechten Zeigefingers im Endglied. Jedoch kann der Senat der GdB-Einschätzung von Dr. S. insoweit nicht beitreten. Denn bei insgesamt nur gering ausgeprägten objektivierbaren Funktionsdefiziten konnte der Senat eine Bewertung mit einem GdB mit 20 nicht annehmen. Zwar mögen nach B Nr. 18. 13 VG Empfindungsstörungen an den Fingern, besonders an Daumen und Zeigefinger, die Gebrauchsfähigkeit der Hand wesentlich beeinträchtigen können. Dass das aber bei der Klägerin der Fall ist, konnte der Senat aufgrund der vorliegenden Unterlagen und Angaben nicht feststellen. So sprechen die Angaben der Klägerin zur Führung ihres Haushaltes schon gegen eine relevante Einschränkung der Fingerfertigkeit. Auch hatte Dr. S. weder an den Ober- noch den Unterarmen eine auf eine eingeschränkte Nutzung der Arme und Hände hindeutende Muskeldystrophie dargelegt. Vielmehr hat er eine seitengleiche und relativ gute Spannung der Muskulatur beschrieben. Damit konnte der Senat zugunsten der Klägerin insoweit allenfalls einen GdB von 10 annehmen, der mangels weiterer Teil-GdB in diesem Funktionssystem zugleich den Einzel-GdB abbildet.

Im Funktionssystem der Beine konnte der Senat anhand des Gutachtens von Dr. S. eine geringe Beckenfehlstatik bei Beinlängendefizit links von 5 mm, eine Hüftdysplasie geringer Ausprägung mit verminderter Hüftkopfüberdachung beidseits ohne Arthrosezeichen, eine Chondropatia patellae bei partieller Retropatellararthrose 2. Grades links und Patelladyplasie Wiberg 1 links, eine Chondropatia patellae bei partieller Retropatellararthrose mit Chondromalazie 2. Grades rechts, eine geringe vordere Kreuzband-Degeneration rechts sowie einen deutlichen Senk-Spreizfuß beidseits feststellen. In diesem Funktionssystem konnte der Senat den GdB allenfalls mit 20 bewerten.

An der Hüfte konnte der Senat weder eine Versteifung eines oder beider Hüftgelenke, eine Hüftgelenksresektion, eine schnappende Hüfte, eine Beinverkürzung noch Oberschenkelpseudarthrose feststellen. Eine GdB-relevante Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke liegt mit den von Dr. S. gemessenen Bewegungsausmaßen für Streckung/Beugung von rechts 20/0/110o und links 20/0/115o im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 18.14 VG nicht vor.

Die bei der Klägerin beschriebene Hüftdysplasie ist nicht mit einem GdB zu bewerten. Nach B Nr. 18.14 VG ist bei einer Hüftdysplasie für die Dauer der vollständigen Immobilisierung ein GdB von 100, danach bis zum Abschluss der Spreizbehandlung ein GdB von 50 anzunehmen, anschließend und bei unbehandelten Fällen richtet sich der GdB nach der Instabilität und der Funktionsbeeinträchtigung. Der Senat konnte mit dem Gutachten von Dr. S. weder eine vollständige Immobilisierung noch eine andauernde Spreizbehandlung feststellen. Außer einem nicht signifikanten Druckschmerz an den Hüftgelenken konnte Dr. S. bei seiner Untersuchung keine Beeinträchtigungen der Hüftgelenke finden, insbesondere keine Instabilitäten und keine Funktionsbeeinträchtigungen. Vielmehr hat er auch im Hinblick auf die Hüfte den freien Gang auf ebener Erde ohne Schuhwerk als weitgehend sicher und hinkfrei mit seitengleicher Schrittgröße und seitengleicher Belastung beschrieben; Beeinträchtigungen hat er auf die etwas steif gehaltenen Knie zurückgeführt, also nicht auf Hüftschäden. Damit konnte der Senat einen Teil-GdB für Hüftschäden nicht annehmen.

Im Bereich der Knie konnte der Senat mit Dr. S. trotz der geringen vorderen Kreuzband-Degeneration weder eine Lockerung des Kniebandapparates, einen Kniescheibenbruch oder eine habituelle Kniescheibenverrenkung feststellen. Im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 18.14 VG GdB-relevante Bewegungseinschränkungen bestehen bei der Klägerin mit den von Dr. S. gemessenen Bewegungsmaßen für Streckung/Beugung von beidseits 0/0/150o nicht.

Dagegen bedingen die Knorpelschäden der Klägerin in beiden Kniegelenken einen GdB von 20. Dr. S. konnte bei seiner Untersuchung beidseits eine partielle Retropatellararthrose mit Chondromalacia patellae 2. Grades und anhaltenden Reizerscheinungen mit Chondropathia patellae beidseits beschreiben und radiologisch nachwiesen, wobei er aber Ergusszeichen in den Knien nicht dargelegt hat. Dadurch sei vor allem das rückengerechte Anheben von Gegenständen aus Bodennähe und sonstige Tätigkeiten mit der Erfordernis zu einer Kniebeuge weitgehend eingeschränkt. Im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 18.14 VG, die bei ausgeprägten Knorpelschäden der Kniegelenke (z.B. Chondromalacia patellae Stadium II-IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen, einseitig ohne Bewegungseinschränkung einen GdB von 10 bis 30 und bei Bewegungseinschränkung einen GdB von 20 bis 40 vorsehen, vorliegend aber bei Erkrankungen im Stadium II keine Bewegungseinschränkungen vorhanden aber beide Knie betroffen sind, konnte der Senat insoweit feststellen, dass die an sich jeweils mit einem GdB von 10 für jedes Knie zu bewertenden Funktionsbehinderungen auch im Hinblick auf die geltend gemachten Schmerzen im Rahmen des auch die Knie umfassenden chronischen Schmerzsyndroms insgesamt mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten sind. Das entspricht auch der Bewertung durch Dr. S. und den Versorgungsarzt Dr. K ...

An den Füßen selbst einschließlich der Sprunggelenke konnte der Senat auf Grundlage des Gutachtens von Dr. S. keine GdB-relevanten Funktionseinschränkungen feststellen. Der deutliche Senk-Spreizfuß beidseits ist nach dem Gutachten von Dr. S. ohne wesentliche statische Auswirkungen und daher nicht mit einem GdB zu bewerten.

Damit ergibt sich im Funktionssystem der Beine der Einzel-GdB aus dem Teil-GdB beider Knie und ist mit 20 anzunehmen.

Im Funktionssystem der Harnorgane ist die Entleerungsstörung der Harnblase zu berücksichtigen und mit einem GdB von 10 zu bewerten. Eine über eine Entleerungsstörung leichten Grades hinausgehende Störung konnte der Senat nicht feststellen, eine solche ist den vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht zu entnehmen und hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Vielmehr hat die behandelnde Ärztin Dr. M. die Bewertung mit einem GdB von 10 bestätigt.

Im Funktionssystem der Ohren sind bei der Klägerin die Ohrgeräusche (Tinnitus) zu berücksichtigen. Eine im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 5.2 VG relevante Hörminderung konnte der Senat im Hinblick auf die vorliegenden Angaben der behandelnden HNO-Ärztin Dr. H. (Blatt 45/46 der Beklagtenakte) nicht feststellen. Der Tinnitus hat zu keinen psychischen Begleiterscheinungen geführt; vielmehr haben Dr. D. und die Klägerin die psychischen Beeinträchtigungen unabhängig vom Tinnitus verstanden, Dr. D. und Dr. S. haben mangels aktuellen Beschwerden im Rahmen ihrer Begutachtungen den Tinnitus überhaupt nicht mehr mit einem GdB bewertet. Der Senat schließt sich aber der versorgungsärztlichen Einschätzung sowie der des Gutachters Dr. P. an und stellt den GdB insoweit mit 10 fest, was mangels anderer Teil-GdB in diesem Funktionssystem zugleich den Einzel-GdB bedeutet.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche sind bei der Klägerin die depressive Erkrankung, das chronische Schmerzsyndrom und die Kopfschmerzproblematik (Kombinationskopfschmerz, Migräne, Spannungskopfschmerz) zu berücksichtigen. Der Senat konnte hier feststellen, dass diese Funktionsbehinderungen mit einem GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet sind. Nach den B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.

Ob es sich bei der Erkrankung der Klägerin um eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie depressive Verstimmungen mit Anpassungsstörung, so der Gutachter Dr. P. , eine mittelgradige depressive Episode sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, so der Arztbrief des Zentrums für Migrationspsychiatrie R. vom 01.06.2016, eine Dysthymia, so Dr. S. , oder eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, so Dr. D. , der eine depressive Erkrankung gar nicht diagnostiziert, sondern allenfalls als Symptom in der Schmerzstörung enthaltend beschreibt handelt, ist im Hinblick auf die GdB-Bewertung als Funktionsbewertung letztlich nicht von entscheidender Bedeutung. Denn im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 3.7 VG kommt es auf die funktionellen Auswirkungen dieser psychischen Gesundheitsstörungen an. Der Senat konnte aber jedenfalls keine schwere und dauerhaft anhaltende Depression feststellen. So hatte der Psychiater S. im Termin auf Nachfrage ausdrücklich einen schwankenden Verlauf der depressiven Erkrankung der Klägerin beschrieben. Dies spiegelt sich auch in den Berichten der verschiedenen Behandlern, zuletzt in dem vom 08.02.2018 der C. Klinik Bad H. , wieder, die regelmäßig depressive Episoden unterschiedlicher Schwere angenommen haben. Eine überdauernde bzw. durchgehende schwere Depression hat auch der Psychiater S. in der Befragung im Beweisaufnahmetermin nicht beschreiben können. Die regelmäßige Besserung unter konsequenter Behandlung zeigt sich auch in dem zuletzt vorgelegten Bericht der C. Klinik Bad H. vom 08.02.2018, die die Klägerin nach einem etwa einmonatigen stationären Aufenthalt wegen einer rezidivierenden mittelschweren depressiven Störung i.S. einer mittelgradigen Episode als arbeitsfähig in die ambulante Therapie entlassen hat. Dies zeigt nicht nur eine deutliche Besserung innerhalb eines Zeitraumes von ca. einem Monat sondern auch, dass die Klägerin nach Behandlung wieder psychisch belastbar war, was durch die Beurteilung als arbeitsfähig hinreichend belegt ist. Dieser medizinischen Beurteilung wird durch das vom Klägervertreter vorgelegte sozialmedizinische Gutachten des MDK vom 15.02.2018 nicht überzeugend widersprochen, wonach die Einstufung als arbeitsfähig nach Ende der Rehamaßnahme am 25.01.2018 nicht nachvollziehbar sei, da in der Abschlussuntersuchung eher verschlechterte Schmerzen und eine nicht gebesserte psychische Beeinträchtigung angegeben worden seien; die Reha-Ziele seien nicht erreicht worden. Diese gutachtliche Äußerung des MDK verkennt, dass es sich hierbei um die Selbsteinschätzung der Klägerin handelt, die nach den Ausführungen im Entlassungsbericht der Klinik Bad H. im Zusammenhang mit der Unzufriedenheit der sozialmedizinischen Einschätzung der Klägerin durch die Klinik stand; so hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, von der Klinik gezwungen worden zu sein, den Reha-Bericht zu unterschreiben. Die Klägerin zeigte sich während der gesamten Behandlungszeit aber kooperativ mit ambivalenter Behandlungs- und Veränderungsmotivation, weshalb sich der Behandlungsverlauf schwierig gestaltete. Die Klägerin war den therapeutischen Angeboten gegenüber skeptisch gewesen. Ihr falsches Verständnis des Sozialversicherungssystems, zitiert wird: "Ich habe genug gearbeitet, jetzt sind die anderen dran", ist danach eine der Mitursachen, weshalb die Klägerin nicht in der Lage war, eine Veränderungsperspektive einzunehmen. Andererseits war sie ausweislich des Entlassungsberichts in der produktorientierten Ergotherapie interessiert und motiviert; sie arbeitete selbstständig, sorgfältig, ruhig und konzentriert und ca. 50 Minuten ohne Pause bei konstant durchschnittlichem Arbeitstempo. In diesem Bereich waren auch keine sonstigen Beeinträchtigungen zu beobachten.

Bei dem vom Senat festgestellten schwankenden Krankheitsverlauf ist für die GdB-Bewertung nicht das äußerste Ausmaß der Schwankungen im Krankheitsverlauf von Bedeutung. Vielmehr ist nach A Nr. 2 Buchst. f) VG bei Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf der Teilhabebeeinträchtigung mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen.

Dr. S. konnte bei seiner Untersuchung der Klägerin eine nicht eingebundene Gestik und Mimik beschreiben; überwiegend hatte die Klägerin ernst geschaut. Dieses wirkte teilweise aber aufgesetzt. Spontan war es dann auch zu einem Lächeln gekommen (beim Gutachter Dr. P. sogar zu Lachen, Blatt 114 der SG-Akte = Seite 16 des Gutachtens). Der Habitus war unauffällig. In der Untersuchungssituation war die Klägerin nicht durchgehend auskunftsbereit, die Angaben oftmals vage. Bei der körperlichen Untersuchung hatten sich intermittierend Hinweise auf eine Aggravation bzw. Simulation ergeben. Im interaktionellen Verhalten zum Gutachter war die Klägerin zeitweilig distanziert. Zeitweilig war sie dann auch freundlich zugewandt. Die Interaktion zur Dolmetscherin war gut. Die Sprache war ausreichend moduliert, fest. Es bestanden keine Sprechstörungen wie Stammeln oder Stottern. Dr. S. konnte keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Auffassung und der Konzentration feststellen. Ebenso ließen sich in der Gutachtenssituation keine Gedächtnisstörungen nachweisen. Für eine hirnorganisch bedingte seelische Störung ergab sich kein Anhalt. Im Antrieb war die Klägerin bei Dr. S. angemessen. Eine signifikante Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung war nicht festzustellen. In der Grundstimmung wirkte die Klägerin allenfalls subdepressiv. Eine tiefgehende oder vitale depressive Stimmungslage lag nicht vor. Die affektive Resonanzfähigkeit war leicht eingeschränkt, die Klägerin weinte einmal. Sie konnte aber auch spontan und authentisch lächeln und angedeutet lachen. Das formale Denken war nicht verlangsamt, es war folgerichtig. Eine zeitweilige Grübelneigung hatte die Klägerin berichtet. Inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen oder Ich – Störungen oder dissoziative Störungen bestanden nicht. Es bestand auch keine endogene circadiane Rhythmik der Stimmungslage. Für eine Persönlichkeitsstörung oder für eine sozialmedizinisch relevante Suchterkrankung fand Dr. S. keine Hinweise. Suizidalität bestand nicht. Gegenüber dem Gutachten von Dr. S. hat die Klägerin keine Sprach- bzw. Verständnisstörungen eingewandt.

Dr. P. hatte in seinem Gutachten die Klägerin als wach und klar, orientiert in allen Qualitäten beschrieben. Florider Wahn, Halluzinationen wurden verneint, ebenso psychotisches Erleben. Von der Stimmungslage her war die Klägerin im Wesentlichen ausgeglichen. Sie wirkte in Teilen leicht melancholisch, jedoch ohne schwerwiegende depressive Hinweise. Die Schwingungsfähigkeit war situations- und themenadäquat. Nachvollziehbar verstimmt und auch verbittert war die Klägerin im Rahmen der Umstände der Entlassung nach jahrzehntelanger Tätigkeit. Es bestand kein besonderer Hinweis auf Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, der Aktivitäten des Alltags. Dr. P. hatte im Vordergrund die Beeinträchtigung durch die chronische Schmerzsymptomatik im Sinne einer somatoforrnen Schmerzstörung gesehen. Aufmerksamkeit und Konzentration, Einstellung und Umstellung in der Untersuchungssituation waren nicht erschwert. Die Klägerin war an sich durchgängig freundlich zugewandt, bei gutem Rapport und Kontakt über die Dolmetscherin. Im Antrieb bestanden keine besonderen Einschränkungen.

Dr. D. hatte die Klägerin ohne Dolmetscher untersucht und keine Bewusstseinsstörungen und Orientierungsstörungen festgestellt. Er hatte aber im Gegensatz zu Dr. S. und Dr. P. deutliche Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen sowie auch Konzentrationsstörungen angegeben; diese waren aber im Bericht der C. -Klinik vom 08.02.2018 nicht mehr nachweisbar sondern lediglich von der Klägerin subjektiv empfunden worden. Der formale Denkablauf war von Dr. D. als verlangsamt, umständlich angegeben und wurde von ihm als "gehemmt" erlebt, der Bericht vom 08.02.2018 konnte auch insoweit keine Antriebsminderung feststellen. Wahn, Sinnestäuschungen, Ich-Störungen hat Dr. D. verneint. Ein deutliches "Gefühl der Gefühllosigkeit", Affektverarmung, eine Störung der Vitalgefühle, deutliche Deprimiertheit, Hoffnungslosigkeit, Ängstlichkeit und zeitweise Dysphorie, Insuffizienzgefühle sowie Affektstarre hat er angegeben und eine deutliche Antriebsverarmung und erlebte Antriebshemmung ohne zirkadiane Besonderheiten dargestellt.

Dieser Einschätzung von Dr. D. kann der Senat nicht folgen, denn der Begutachtung ist nicht zu entnehmen, inwieweit die dargelegten kognitiven Beeinträchtigungen, wie Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie die beschriebene Affektlabilität mit Antriebsverarmung bzw. Antriebshemmung auf einer eigenen Befunderhebung mit ausführlicher Exploration beruhen oder aus der schlichten Wiedergabe des Beschwerdevorbringens der Klägerin resultieren, ohne dass insoweit die eigene Verhaltensbeobachtung in der Untersuchungssituation im Abgleich mit biografischen Daten, wie sie in den Gutachten von Dr. S. und Dr. P. jeweils dargestellt sind, in die Befunddarstellung eingeflossen sind. Insbesondere die unkritische Auswertung der Fremdbeurteilungsskala, die nach dem Punktwert eine mittelschwere Depression an der Grenze zu einer schweren Depression ergeben hat und insoweit zu den Vorbefunden im Widerspruch steht, ist zur Darlegung einer belastbaren Befunderhebung wenig überzeugend. Vorliegend hätte außerdem die Auseinandersetzung mit den Gutachten von Dr. S. und Dr. P. erfordert, sich mit der Zuverlässigkeit der anamnestischen und fremdanamnestischen Angaben der Klägerin und ihres Sohnes, die hinsichtlich der Gestaltung des Tagesablaufs, der Freizeitaktivitäten und der sozialen Beziehungen zu den von Dr. S. und Dr. P. erhobenen anamnestischen Daten abweichen, zu befassen. Den auch Dr. D. vorliegenden Akten war zu entnehmen, dass die Bewertung der Teilhabebeeinträchtigung infolge der anamnestisch erhobenen Befundlage der Vorgutachter zwischen den Prozessbeteiligten diskutiert worden und bezogen auf die vergleichbare Befundlage von Dr. P. auch Gegenstand des Beweis- und Erörterungstermins am 03.02.2017 war. Eine gutachtliche Auseinandersetzung, inwieweit die Beschwerdeschilderungen nunmehr dem laufenden Verfahren angepasst sind und eine nicht pathologisch relevante ambivalente Motivationslage, ähnlich dem im Entlassungsbericht der Klinik Bad H. dargelegten Befund, Ausgangspunkt der anamnestischen Angaben und der Beschwerdeschilderung sind, hat Dr. D. nicht vorgenommen. Weshalb eine fremdanamnestische Befunderhebung erforderlich gewesen wäre, wie Dr. D. meint als Kritik an den Vorgutachten äußern und diese als Erklärung seiner abweichenden Befunde heranzuziehen zu können, ist nicht verständlich. Denn die bei beiden Vorgutachtern geschilderte deutlich weitergehende und erhaltene Alltagskompetenz beruht auf den eigenen Angaben der Klägerin, deren Bestätigung durch eine Fremdanamnese es mangels Widersprüche auch gar nicht bedurfte. Sprachliche Hindernisse sind zur Überzeugung des Senats keine ausreichende Erklärung für die sich widersprechenden Angaben. Sowohl Dr. P. als auch Dr. S. haben jeweils vereidigte Dolmetscher herangezogen. Weshalb die Dolmetscher unrichtig übersetzt haben sollen ist für den Senat nicht ersichtlich (siehe unten). Hierfür werden auch seitens der Klägerin keine einleuchtenden Gründe dargelegt. Abgesehen davon hat sich der Berichterstatter im Beweisaufnahmetermin durch Anhörung der Klägerin wie auch der Senat in der mündlichen Verhandlung von den vorhandenen deutschen Sprachkenntnissen der Klägerin überzeugen können, weshalb unverständlich ist, dass die Klägerin eine angeblich falsche Übersetzung noch in der Untersuchungssituation nicht sofort gerügt hat. Zwar hat die Klägerin angegeben, ihre Sprachkenntnisse reichten nicht aus, um in Situationen des Übersetzens schnell zu widersprechen bzw. eine Richtigstellung vornehmen zu können. Jedoch hat der Senat in der mündlichen Verhandlung bei kontroverser Diskussion und Fragestellung durch ihren Bevollmächtigten und dem Senat solche sprachlichen Einschränkungen nicht erkennen können. In der mündlichen Verhandlung ist teilweise das Gespräch mit der Klägerin selbst geführt worden. Diese konnte dem Gespräch mit dem Vorsitzenden folgen, selbst dann wenn der Prozessbevollmächtigte zugleich redete. Auf die Einschätzung der Sprachkenntnisse hat der Senat im Termin hingewiesen. Im Übrigen geht auch der behandelnde Psychiater S. von für eine psychiatrische Behandlung ohne Dolmetscher ausreichenden Sprachkenntnissen aus; andernfalls wäre er auch nicht in der Lage, die Klägerin entsprechend den Regelungen des SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich (vgl. § 12 Abs. 1 SGB V), mithin ausreichend erfolgversprechend zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung zu behandeln, was auch die Klägerin nicht bestreitet.

Der Senat konnte auf Grundlage der Angaben der Klägerin und der Gutachter nicht feststellen, dass es wegen der depressiven Erkrankung und/oder der Schmerzerkrankung zu einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten wäre, gekommen ist.

Zur Annahme eines GdB von 30 fehlt schon die nach der Rechtsprechung des Senats erforderliche regelmäßige fachärztliche Behandlung. Eine solche regelmäßige adäquate psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung konnte der Senat nicht feststellen. Bei Herrn S. war die Klägerin nach dessen Angaben in achtwöchigen Abständen, eine Psychotherapie wurde nicht durchgeführt. Soweit die Klägerin dann angibt, eine Gesprächstherapie bzw. Psychotherapie durchzuführen, kann der Senat dies nicht zu seiner Überzeugung feststellen. Denn die Klägerin weiß weder, bei wem sie diese Therapie macht (vgl. Gutachten Dr. S. , Blatt 66 der Senatsakte = Seite 25 des Gutachtens) noch konnte sie mitteilen, dass diese Therapie tatsächlich regelmäßig und engmaschig durchgeführt wird. So hat sie angegeben, mit dem Therapeuten Probleme gehabt zu haben (Schreiben vom 27.09.2017), sich mit dem Therapeuten nicht verstanden zu haben (Schreiben vom 27.09.2017), die Therapeutin habe wegen Fortbildung nur selten Termine vergeben (Schreiben vom 17.01.2018), Herr S. - der die Klägerin seit Jahren ohne Dolmetscher behandelt hat angegeben, weshalb eine solche Therapie nicht durchgeführt bzw. fortgeführt werde nicht zu wissen, und im Bericht der C. Klinik Bad H. ist mitgeteilt, dass eine solche Therapie bisher nicht durchgeführt wurde (Empfehlung: "Aufnahme einer ambulanten Psychotherapie nach Richtlinienverfahren"). Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben hatte nach Ende der Reha einmal bei Herr S. und einmal in PIA/ZfP in R. gewesen zu sein, dort aber wegen des Weggangs der muttersprachlichen Therapeutin und des ihr unbekannten Amtsantritts der Nachfolgerin auf einer Warteliste zu stehen, kann der Senat weder eine regelmäßige Therapie, noch deren Beginn erkennen. Insoweit handelt es sich auch beim Besuch des PIA/ZfP um einen einmaligen Therapeutenbesuch, dessen Fortsetzung in der Zukunft liegend und auch von der Mitarbeit der Klägerin abhängig ist, ob die Klägerin aber angesichts des bisherigen Therapieverhaltens irgendwann eine weitere Sitzung in PIA abhalten wird, ist ungewiss.

Darüber hinaus konnte der Senat zwar feststellen, dass die Klägerin in gewissem Umfang aus dem Leben zurückgezogen ist. Jedoch konnte der Senat eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und des sozialen Kontakts durch Krankheitsursachen nicht zu seiner Überzeugung feststellen. Insoweit widersprechen sich die Angaben der Klägerin zum Tagesablauf, ihren sozialen Strukturen und Verhältnissen so deutlich, dass der Senat die Überzeugung einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht mit der erforderlichen Gewissheit bzw. an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit hierauf stützen kann. Während die Klägerin bei Dr. P. noch Freundinnen angegeben hatte, die zu Besuch kämen und mit denen sie Spaziergänge unternehme, findet sich davon nichts mehr im Gutachten des Dr. D ... Auch das Verhältnis zum Ehemann war in den Schilderungen der Klägerin Schwankungen unterworfen, so hatte sie bei Dr. P. von einem dominanten Ehemann, im Schreiben vom 08.02.2017 von einem ganz normalen Ehemann, dann bei Dr. D. von einem seit Jahren schlechten Verhältnis zum Ehemann berichtet, im Reha-Bericht sogar von wiederholten Gewalterfahrungen in der Ehe berichtet haben. Auch die Darstellungen zur Hausarbeit und dem Tagesablauf widersprechen sich. Während sie einerseits angegeben hatte, Haushalt und Einkäufe alleine bzw. mit dem Ehemann zu machen (Gutachten Dr. P. ), hat sie Dr. D. gesagt, sie könne den Haushalt nicht mehr richtig führen. Im Schreiben vom 08.02.2017 hat sie angegeben, sie putze nur wenig und ihr Ehemann habe während ihrer Arbeitstätigkeit den Einkauf übernommen, sie gingen aber ab und zu gemeinsam einkaufen, im Haushalt mache der Mann relativ wenig. Zutreffend fragt der Beklagte dann, wer denn den Haushalt erledigt, wenn nicht die Klägerin oder der Ehemann.

Der Senat sieht hier den von Dr. S. mitgeteilten Antrieb zu Aggravation und Simulation bestätigt. Die Klägerin hat nach ihren Aussagen bei Dr. P. jeweils diejenigen Aussagen korrigiert, die ihr in der jeweiligen Prozesssituation ungünstig erschienen. Dass Dr. P. und dessen Dolmetscherin schlecht verstanden, falsche Aussagen niedergelegt oder fantasiert hätten, wie die Klägerin meint, jedoch Herr S. und Dr. D. , die ohne Dolmetscher die Klägerin behandelt bzw. begutachtet haben, erschließt sich dem Senat nicht, zumal der Senat im Beweis- und Erörterungstermin sowie der mündlichen Verhandlung im Gespräch mit der Klägerin über Kranken- und Arbeitslosengeld ausreichende Sprachkenntnisse feststellen konnte. Vielmehr sieht der Senat hier ein prozesstaktisch getragenes Verhalten, das auch von Dr. D. , dem der Prozessverlauf mit dem jeweiligen diesbezüglichen Vorbringen der Klägerin bekannt war, nicht als krankhaft angesehen worden war. Insoweit musste der Senat ein zielgerichtetes Verhalten erkennen. Dies wird bestätigt dadurch, dass sich zuletzt der Sohn der Klägerin mit Angaben zur Richtigkeit der in seiner Abwesenheit gemachten Angaben seiner Mutter bei Dr. S. äußert und u.a. darlegt, Dr. S. habe schon die Medikation falsch beschrieben (Schreiben vom 17.01.2018); die von ihm angegebene Medikation wurde aber erst seit der Behandlung in der C. Klinik Bad H. eingenommen (vgl. Bericht vom 23.01.2018), denn auch bei Dr. D. hatte sie eine andere Medikation angegeben (vgl. Blatt 109 der Senatsakte = Seite 16 des Gutachtens), wie zuletzt vom Sohn behauptet.

Nachdem die Klägerin aber derart widersprüchliche Angaben gemacht hatte, die Widersprüche auch nicht aufklären konnte sondern diese durch ihre Erklärungen eher verstärkt hatte, konnte der Senat ihre Angaben zur sozialen Zurückgezogenheit nicht glauben und eine eingeschränkten Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht mit der im Beweismaß erforderlichen Überzeugung als nachgewiesen erachten. Eine solche wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit hatten auch die Gutachter Dr. S. und Dr. P. nicht feststellen können. Lässt sich aber eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, kann der GdB nicht den Bewertungsrahmen von 30 bis 40 erreichen. Damit war der GdB zugunsten der Klägerin mit den Gutachtern Dr. P. und Dr. S. mit 20 anzunehmen.

Die Kopfschmerzproblematik, die auch eine Migräne umfasst, ist nach B Nr. 2.3 VG je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen zu bewerten. Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass ein höherer GdB als 10 nicht anzunehmen ist. Es handelt sich um eine leichte Verlaufsform der Erkrankung. Anfälle von mehr als durchschnittlich einmal monatlich konnte der Senat den Gutachten und den Angaben der Klägerin nicht entnehmen. Es besteht eine insgesamt geringere Schmerzintensität. Dies konnte auch Dr. D. bestätigen, der ebenfalls einen Teil-GdB von 10 angenommen hatte.

Ausgehend von Teil-GdB von 20 und 10 im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche war der Einzel-GdB unter Berücksichtigung der gegenseitigen Auswirkungen und Überschneidungen mit 20 anzunehmen.

Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen, nicht für erforderlich. Soweit die Klägerin Einwendungen erhebt und sinngemäß rügt, das Gutachten von Dr. P. sei unverwertbar, weil dieser falsche Angaben seiner Bewertung zugrunde gelegt und fantasiert habe, und die Klägerin sich auch gegen das Gutachten von Dr. S. gewandt hat, war der Senat nicht gehalten, noch weiter von Amts wegen zu ermitteln; beide Gutachten waren vielmehr verwertbar. Denn die Einwendungen der Klägerin gegen die Gutachten sind verspätet. Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 3 Satz 1 ZPO haben die Parteien dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gutachten Dr. P. war der Klägerin mit Schreiben vom 21.07.2016 übermittelt worden. Die Klägerin hat sich zwar zum Gutachten mit Schreiben vom 28.07.2016 geäußert, jedoch nicht die Einwendungen vorgebracht, der Gutachter bzw. die Dolmetscherin hätten falsch verstanden bzw. übersetzt. Erst im Erörterungstermin im Berufungsverfahren am 03.02.2017 sind derartige Einwendungen gegen das Gutachten erhoben worden. Diese Einwendungen sind daher zu spät. Gleiches gilt im Hinblick auf das Gutachten von Dr. S. , das der Klägerin am 05.09.2017 übermittelt worden war, die Einwendungen hat sie erst nach Vorliegen des Gutachtens nach § 109 SGG von Dr. D. am 17.01.2018 vorgebracht. Auch insoweit ist das Vorbringen nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 3 Satz 1 ZPO zu spät. Darüber hinaus sind die Einwendungen gegen das Gutachten Dr. S. schon deshalb unbeachtlich, denn weder die Klägerin noch deren Prozessbevollmächtigter übernehmen hierfür die Verantwortung, wie sich aus der Einleitung zum Schreiben vom 17.01.2018 ergibt, wonach der Sohn der Klägerin die Einwendungen mitteilen lässt.

Auch soweit der Senat Dr. P. im Hinblick auf die Einwendungen der Klägerin befragt hatte, ergibt sich aus den Einwendungen nicht die Unverwertbarkeit des Gutachtens. Denn Dr. P. konnte für den Senat überzeugend darlegen, dass er und die Dolmetscherin die Angaben der Klägerin wahrheitsgemäß berücksichtigt hätten. Dies erscheint dem Senat auch deshalb überzeugend, als der Senat die Behauptungen der Klägerin dazu, was sie bei Dr. P. gesagt habe und was nicht, im Hinblick auf ihre widersprüchlichen und prozesstaktisch geleiteten Angaben, Korrekturen und Einlassungen nicht als überzeugend ansehen kann.

Dem Hilfsbeweisantrag der Klägerin auf Anhörung von Dr. D. zu den Einwendungen der Beklagten, die anamnestischen Angaben im Gutachten von Dr. D. seien widersprüchlich zu den Angaben im Gutachten Dr. S. und daher fehle ein Nachweis für eine psychische Erkrankung mit einem GdB von 40, war nicht stattzugeben. Dass Widersprüche in den anamnestischen Angaben bestehen, hat Dr. D. in seinem Gutachten bereits dargelegt und sich hierzu in seinem Gutachten mit den Vorgutachten auseinandergesetzt. Eine nach § 411 Abs. 3 ZPO ergänzungsbedürftige Lücke im Gutachten ist daher nicht vorgetragen. Soweit Dr. D. sich zum Nachweis der Teilhabebeeinträchtigung äußern soll, die einen GdB von 40 rechtfertigt, ist hierzu der medizinische Sachverständige nicht ergänzend zu hören, denn die Beweisfrage ist dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich. Der Beweisantrag ist daher insoweit ungeeignet. Denn die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Angaben, die einem medizinischen Befund zugrundeliegen und die hieraus folgende, damit dann auch feststehende medizinischen Befundlage obliegt der Beweiswürdigung des Senats und ist nicht Gegenstand der sachverständigen medizinischen Beurteilung. Ebenso ist bei feststehender Befundlage die rechtliche Einordnung in die GdB-Bewertungstufe der Versorgungsmedizinverordnung, hier der Verordnungsteil der VG, eine vom Senat zu klärende Rechtsfrage, die auch nicht der medizinischen Beurteilung eines Sachverständigen unterliegt. Die von der Klägerin beantragte Vertagung zur Anhörung des Sachverständigen Dr. D. von Amts wegen oder nach § 109 SGG war daher auch nicht zu veranlassen.

Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine, - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Harnorgane und - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Ohren. Nach dem bei der Klägerin vorliegend von zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 30 sowie zwei GdB-Werten von 20 auszugehen ist und kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat seit Antragstellung am 18.10.2013 einen Gesamt-GdB i.S.d. § 152 Abs. 1 SGB IX (bzw. zuvor: § 69 Abs. 1 SGB IX) von 30 und seit 27.10.2015 (Tag der Untersuchung durch Dr. S. ) von 40 feststellen, denn erst ab der Untersuchung durch Dr. S. konnte der Senat eine mit einem GdB von 30 bewertete Funktionsbehinderung der Wirbelsäule annehmen. Zuvor hatten auch die behandelnden Ärzte, z.B. Dr. M. , diese noch mit einem GdB von 20 bewertet. Die jeweils objektivierten Behinderungen und Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule und der Arme sowie der Beine beinhalten jeweils erhebliche Schmerzen, die aber auch im Funktionssystem des Gehirns einschlie0ßlich der Psyche mit bewertet wurden. Damit können aber die Schmerzen nicht doppelt berücksichtigt werden und führen selbst unter Berücksichtigung wechselseitiger Auswirkungen auf die somatischen Erkrankungen nicht zu einer weiteren Erhöhung des Gesamt-GdB.

Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei der Klägerin insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 50 bzw. die Schwerbehinderteneigenschaft vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht entsprechend schwer funktionell in ihrer Teilhabe im Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. So sind die Erkrankungen der Klägerin weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau einer mit einem GdB von 50 bewerteten schweren Störung (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten 50 i.S. von B Nr. 3.7 VG oder Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen vergleichbar.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Die Kosten des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. D. vom 09.11.2017 sowie die in diesem Zusammenhang angefallenen baren Auslagen der Klägerin, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch im Urteil entscheiden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg 16.08.2006 - L 1 U 3854/06 KO-B, juris = sozialgerichtsbarkeit.de; Senatsurteil 23.11.2012 - L 8 U 3868/11 – unveröffentlicht; Senatsurteil 30.06.2017 – L 8 U 729/16 – www.sozialgerichtsbarkeit.de), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Die Klägerin hat diese daher endgültig selbst zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel der Klägerin, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 RdNr. 11).

Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Dr. D. auf die Staatskasse zu übernehmen. Die von Dr. D. erhobenen Befunde waren nicht überzeugend, da sie ohne den erforderlichen Dolmetscher erhoben worden waren, weshalb dessen Schlussfolgerungen nicht schlüssig sind. Auch haben sich aus dem Gutachten im Übrigen weitergehende Erkenntnisse nicht ergeben. Für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte hat das Gutachten damit nicht erbracht und gemessen am Prozessziel der Klägerin den Rechtstreit auch nicht gefördert, weshalb es nicht gerechtfertigt ist, die Kosten der Begutachtung durch Dr. D. auf die Staatskasse zu übernehmen.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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