L 3 U 291/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 936/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 291/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 159/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 23.07.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beschwerden des Klägers am linken Knie auf den Vorfall vom 16.11.1999 zurückzuführen sind und ihm deshalb Verletztenrente zu gewähren ist.

Der 1948 geborene Klägers war als Kraftfahrer bei der Firma G. , Gastronomie-und Hotelbedarfsgroßhandel angestellt; das Arbeitsverhältnis wurde aus betriebsbedingten Gründen zum 31.12.1999 gekündigt. Bei der Beklagten ging eine ärztliche Unfallmeldung des Dr. T. , den der Kläger erstmals am 25.11.1999 aufsuchte, ein. Dort heißt es, der Kläger sei beim Einsteigen in den LKW mit dem linken Knie an die oberste Stufe gestoßen. Es sei zu einer Schwellung, leichten Rötung und eingeschränkten Beweglichkeit gekommen. Eine Fraktur konnte Dr.T. durch eine Röntgenkontrolle ausschließen. Seine Diagnose lautete: Kniegelenkskontusion links; Bursitis präpatellaris links. Der Kläger wurde zunächst konservativ behandelt. Eine Kernspintomografie vom 12.12.1999 deckte einen Innenmeniskusriss mit Erguss und eine Gonarthrose auf. Der Kläger wurde daraufhin in der Zeit vom 27.12.1999 bis 12.01.2000 in der Orthopädischen Klinik H. behandelt. Mittels Arthroskopie wurden am linken Kniegelenk eine Teilmeniskusentfernung und eine Chondroplastik durchgeführt. Nach dem Operationsbefund und dem histologischen Befund, so teilten die Operateure mit, habe es sich um degenerative Veränderungen gehandelt. In der von der Beklagten erbetenen Auskunft der zuständigen Krankenkasse sind wiederholte Behandlungen und Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers ab 1990 wegen Beschwerden am linken Knie bei Verdacht auf Gicht festgehalten. Der von der Beklagten beauftragte Orthopäde Dr. K. stellte in seinem Gutachten vom 26.06.2000 heraus, beim Kläger seien auf Grund der vorhandenen medizinischen Unterlagen Vorerkrankungen im Bereich des linken Kniegelenkes bewiesen. Dies hätten auch der Operationsbefund und die histologische Untersuchung bestätigt. Insbesondere habe die feingewebliche Untersuchung nur in geringem Ausmaß reparative Veränderungen gezeigt, welche mit einem frischen Meniskusriss, welcher auf das angeschuldigte Ereignis bezogen ca. 5 Wochen zurück gelegen hätte, nicht vereinbar seien. Es handle sich vielmehr um einen degenerativen Meniskusriss. Im übrigen sei auch der vom Kläger geschilderte Unfallablauf nicht geeignet, einen Meniskusriss herbeizuführen. Mit Bescheid vom 10.08.2000 lehnte die Beklagte eine Entschädigung wegen Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.11.1999 ab. Nach dem Gutachten des Dr. K. sei es bei dem Unfall nur zu einer Prellung am linken Knie mit einer Schleimbeutelentzündung gekommen. Es habe höchstens für die Dauer von zwei Wochen Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Der Widersrpuch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27.11.2000).

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) München Klage erhoben und beantragt, ihm unter Aufhebung der Bescheide vom 10.08.2000/27.11.2000 wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 16.11.1999 Verletztenrente zu gewähren. Das SG hat die einschlägigen Röntgenaufnahmen und Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen und den Orthopäden Dr. F. zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat am 18.07.2001 dargelegt, eine isolierte Meniskuszerreißung, wie sie intraoperativ gesichert worden sei, sei auf keinen Fall durch das Unfallereignis zustande gekommen. Auch hätten die dabei gesehenen Knorpelschäden nicht in so kurzer Zeit entstehen können. Diese Schäden seien als degenerativ zu werten. In einer vom Kläger vorgelegten Stellungnahme vom 19.04.2001 hat Dr. E. , Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, Oberarzt am Krankenhaus St. E. in D. die Meinung vertreten, durch den Unfall sei es zu einer richtunggebenden Verschlimmerung gekommen, die zu entschädigen sei. Degenerative Veränderungen am Meniskus seien histologisch nicht bestätigt; die Operation im Dezember 1999 habe der Klärung von Unfallfolgen gedient und ein Streckdefizit im linken Kniegelenk zurückgelassen. Die Beklagte hat der Meinung widersprochen und sich auf eine Stellungnahme des Dr. T. , Chefarzt des Zentrums für Orthopädie der Orthopädischen Klinik M. vom 05.02.2002 gestützt. Der Kläger hat beantragt, Dr. E. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu hören. Dem hat das SG entsprochen. Zu einer Beauftragung des Sachverständigen ist es nicht gekommen, weil der Kläger den hierfür erbetenen Kostenvorschuss nicht bezahlte. Nach Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23.07.2003 abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf das Gutachten des Dr.K. , welches es im Urkundenbeweis verwerten durfte und auf das Gutachten des Dr. F. gestützt.

Dagegen hat der Kläger am 05.09.2003 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das SG habe sich zu Unrecht auf die Gutachten von Dr. F. und von Dr. K. gestützt. Er sei vor dem Unfall voll arbeitsfähig gewesen. Die Beschwerden hätten sich erst danach eingestellt. Das Gutachten des Dr. F. könne schon deshalb nicht Grundlage der Entscheidung sein, weil dieser zum einen Orthopäde sei und damit einer nicht kompetenten Fachrichtung angehöre und zum anderen seit längerem nicht mehr kurativ tätig sei. Seine Kenntnisse würden nicht dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen. Dr. E. habe bedeutsame Widersprüche aufgezeigt, denen das SG nicht nachgegangen sei. Er beziehe sich auf die Stellungnahme von Dr. E. und mache sich dessen Ausführungen zu eigen. Die Beklagte hat ihren Standpunkt aufrechterhalten und den Gerichtsbescheid für zutreffend erachtet.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 23.07.2003 und Abänderung des Bescheids vom 10.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2000 zu verurteilen, ihm aus Anlass seines Arbeitsunfalls vom 16.11.1999 Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 23.07.2003 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gem. § 136 Abs.2 SGG zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), aber unbegründet.

Dem Kläger steht wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 16.11.1999 kein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 30.11.1999 hinaus zu. Insbesondere ist ein Rentenanspruch nicht begründet, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Unfallfolgen nicht in rentenberechtigendem Ausmaß gemindert wird. Nach dem 30.11.1999 bestehen keine Ansprüche nach §§ 8, 56, 26 und 45 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Denn Sachleistungen zur Heilbehandlung nach § 26 SGB VII, Verletztengeld nach § 45 SGB VII und Rentenzahlungen nach § 56 SGB VII setzen jeweils voraus, dass die Leistungen ursächlich oder zumindest mitursächlich auf die Unfallverletzung zurückzuführen sind. Dies trifft nicht zu.

Mit dem SG geht der Senat davon aus, dass es bei dem Vorfall vom 16.11.1999 nur zu einem Anpralltrauma im vorderen Bereich des linken Knies gekommen ist. Dies entnimmt der Senat der ärztlichen Unfallmeldung des Dr. T. , dem Ergebnis der Kernspintomografie vom 12.12.1999 und den Befunden anläßlich der Arthroskopie am 29.12.1999 in der Orthopädischen Klinik M ... Bei der arthroskopischen Operation sechs Wochen nach dem Unfall wurden ein Innenmeniskus-Hinterhorneinriss, eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes und Knorpelschäden bis zum Stadium IV im Kniebinnenraum, insbesondere am Gleitlager des linken Kiegelenks festgestellt. Bei der histologischen Aufarbeitung fand sich kein Hinweis für eine traumatische Ruptur. Bei einem solchen Schaden hätte es zu einer Einblutung mit entsprechendem Eisennachweis kommen müssen. Die bei der Arthroskopie gesehene Teilruptur des vorderen Kreuzbands ist nicht durch den Unfall geschehen, sondern muss älteren Datums sein, weil die Synovia-Membrane zur Zeit des Eingriffs bereits verschwunden war, d.h. sich zurückgebildet hatte. Hinzu kommt, dass eine frische Verletzung des Kreuzbandes eine Einblutung in das Gelenk verursacht hätte, die mit Sicherheit anlässlich der Arthroskopie nicht unentdeckt geblieben wäre. Die Entwicklung von Knorpelschäden bis zum Stadium IV kann schon deshalb nicht auf das Unfallgeschehen zurückgeführt werden, weil sich derartige Schäden nicht innerhalb eines so kurzen Zeitraums zwischen dem 16.11.1999 und dem 29.12.1999 hätten entwickeln können. Die vorstehenden Ausführungen entnimmt der Senat den von der Orthopädischen Klinik M. übersandten Unterlagen und der Beurteilung des Sachverständigen Dr. F. in dessen Gutachten vom 18.07.2001.

Die Einwendungen des Klägers, der sich im Wesentlichen auf die fachärztliche Stellungnahme des Dr. E. vom 19.04.2001 stützt, sind demgegenüber nicht stichhaltig. Dr. E. geht von einem Verdrehtrauma aus. Dieses soll dadurch zustande gekommen sein, dass der Kläger nach dem Anstoss an die Trittbrettstufe des LKW s Bodenkontakt gehabt haben soll. Wie aus einem solchen Bodenkontakt ein Verdrehtrauma ablaufen soll, erklärt er nicht. Ein Drehsturz bei fixiertem Fuß und gebeugtem Knie gilt nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft als geeigneter Unfallmechanismus, einen isolierten Meniskusriss zu bewirken (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Aufl. S.691/692). Für einen solchen Ablauf finden sich keine Anhaltspunkte; auch die Schilderungen des Klägers selbst sprechen dagegen. Er betonte stets, sich beim Einsteigen in den LKW das linke, angehobene Knie an der obersten Stufe angestoßen zu haben und beim anschließenden Fahren, insbesondere beim Kuppeln, heftige Schmerzen verspürt zu haben. Die weiteren Argumente, die Dr. E. anführt, nämlich, dass der Kläger aus Angst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, weitergearbeitet habe, dass er vermute, die Histologie anlässlich der Arthroskopie im Dezember 1999 sei mangelhaft gewesen und im zweiten Kernspintomogramm vom Februar 2000 habe sich ein Einriss an der gleichen Stelle, die zuvor operiert worden sei, gezeigt, sind allenfalls geeignet, Zweifel an einer fachgerechten Behandlung zu hegen. Sie sind aber nicht geeignet, einen Hinweis auf ein stattgehabtes adäquates Trauma zu liefern. Denn solche Anzeichen wären in Einblutungen, wie Dr. F. darlegt, zu finden, die im Histologiebericht eindeutig verneint wurden. Die weitere Schlussfolgerung des Dr. E. , es sei nicht ausgeschlossen, dass es postoperativ zu einem Gelenkinfekt gekommen sei, welcher die erhöhten Werte erkläre, könnte allenfalls der Annahme einer mittelbaren Unfallfolge dienen. Dies würde aber voraussetzen, dass die Arthroskopie im Dezember 1999 der Behebung oder Klärung von Unfallfolgen gedient hätte (Bereiter-Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung § 8 Anm. 9.7.2; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.13). Beides war jedoch nicht der Fall, weil es bei dem Unfall nur zu einem Anpralltrauma gekommen war, das spätesten am 30.11.1999 abgeheilt war. Insoweit stützt sich der Senat auf die Behandlungsunterlagen und die Ausführungen des Dr. F ... Die Arthroskopie im Dezember 1999 diente der Abklärung und Behebung anlagebedingter Veränderungen im Kniebinnenbereich. Damit entfällt auch die weitere Zusammenhangskonstruktion des Dr. E. , der meint, nach der Arthroskopie sei es zu einer Gelenkinfektion gekommen. Sollte Dr. E. an die Ausführung des Dr. F. anknüpfen wollen, dass eine Schleimbeutelentzündung, zu der es nach dem Anprall gekommen war, innerhalb weniger Wochen ausheile, es sei denn es wäre zu einer infektiösen Komplikation gekommen, so ist ihm entgegenzuhalten, dass seine Beweisführung den Zeitablauf verkennt. Denn die laborchemischen Entzündungsparameter waren erst nach der Arthroskopie gefunden worden. Wären sie Ausdruck einer im unmittelbaren Gefolge des Traumas abgelaufenen Schleimbeutelentzündung, so hätten sie vor der Operation dokumentiert sein müssen, denn eine solche Entzündung heilt innerhalb weniger Wochen aus, wie Dr. F. zu Recht ausführt. Ein Zeitraum vom 16.11. bis 04.01.2000 (Datum der ersten laborchemischen Werte mit Entzündungszeichen) wäre ungewöhnlich und daher einer strengen Prüfung hinsichtlich der Kausalität zu unterziehen. Zusammenfassend kann der Senat aus den Darlegungen des Dr. E. keine Anhaltspunkte und keinesfalls einen Beweis dafür finden, dass es bei dem Ereignis am 16.11.1999 mit Wahrscheinlichkeit zu einer schwereren Verletzung als zu einem Anpralltrauma am Knie gekommen war. Dass Dr. F. als Orthopäde nicht kompetent sein soll, eine Knieverletzung beurteilen zu können, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Dem SG ist zuzustimmen, dass ein Anspruch des Klägers auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 30.11.1999 nicht zu begründen ist.

Der Senat kommt damit zum Ergebnis, dass die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 23.07.2003 zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision liegen keine Gründe im Sinne des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG vor.
Rechtskraft
Aus
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