L 1 RJ 93/02

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 9 RJ 69/01
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 RJ 93/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 41/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Mai 2002 geändert und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Altersrente ab 1. Januar 1996 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. 2. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist der Beginn der Altersrente der Klägerin streitig.

Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Mai 2002 verwiesen. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Obwohl die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen für eine Altersrente bereits am 1. April 1989 erfüllt habe, sei ihr die Rente erst ab Antragsmonat (Januar 2000) zu gewähren, weil sie diese nicht bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt gewesen waren, beantragt habe.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zwar halte sie die Behauptung, bei Rentenantragstellung in den USA deutsche Versicherungszeiten angegeben zu haben , nicht mehr aufrecht, nach der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) stehe ihr aber dennoch auch für rückwirkende Zeit Rente zu. Sie habe die Voraussetzungen für eine Altersrente bereits nach dem Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) erfüllt. Nach den damaligen Regelungen sei für die Entstehung des Rentenanspruchs ein Antrag nicht Voraussetzung. Zumindest soweit noch keine Verjährung eingetreten sei, stünden ihr deswegen weitere Rentenbeträge zu.

Die Klägerin beantragt ausweislich ihrer Schriftsätze sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Mai 2002 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auch für die Zeit vor 2000 Altersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Rentenanspruch richte sich ausschließlich nach dem Recht des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), weswegen das Sozialgericht die Klage zutreffend abgewiesen habe. Der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG werde nicht gefolgt.

In der Senatssitzung vom 25. August 2004 hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 25. August 2004 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Trotz des Nichterscheinens der Klägerin sowie ihres Prozessbevollmächtigten zum Verhandlungstermin konnte der Senat den Rechtsstreit entscheiden, weil der Bevollmächtigte ausweislich des Zustellnachweises ordnungsgemäß vom Termin benachrichtigt und darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle des Ausbleibens entschieden werden könne (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist teilweise begründet. Zwar hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente ab 1. April 1989 (Monat nach Vollendung des 65. Lebensjahres), weil ihr in den USA gestellter Rentenantrag mangels Angabe deutscher Versicherungszeiten nicht als Antrag nach deutschem Rentenrecht gilt. Ihr Rentenanspruch ist jedoch bereits gemäß § 1248 Abs. 5 RVO am 1. April 1989 (als Stammrecht) entstanden, denn zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin alle Voraussetzungen für eine Rente erfüllt. Nach altem Recht bedurfte es hierfür keines Antrages. Die einzelnen Rentenzahlungsansprüche sind jedoch zum Teil verjährt, denn die Beklagte durfte sich auf Verjährung berufen und hat dies auch getan. Deswegen steht der Klägerin erst ab 1. Januar 1996 Altersrente zu.

Auf den Rechtsstreit sind die Vorschriften der RVO anzuwenden (§ 300 Abs. 2 SGB VI). Der Senat folgt dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 2. August 2000 (B 4 RA 54/99 R, SozR 3-2600 § 99 Nr. 5). Zwar gelten die Vorschriften des SGB VI vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auch für Sachverhalte und Ansprüche, die bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden haben (§ 300 Abs. 1 SGB VI), gemäß § 300 Abs. 4 SGB VI entfällt aber der Anspruch auf eine Leistung, der am 31. Dezember 1991 bestand, nicht allein deshalb, weil die Vorschriften, auf denen er beruht, durch Vorschriften des SGB VI ersetzt worden sind. Absatz 4 verdrängt insoweit Absatz 2, der die Geltendmachung des Anspruchs bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach Aufhebung (also bis zum 31. März 1992) der durch das SGB VI aufgehobenen Vorschriften für die Anwendung alten Rechts fordert. Diese verfassungskonforme Auslegung ist geboten, um den als Eigentum durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten, wegen der Erfüllung der Voraussetzungen bereits entstandenen Altersrentenanspruch nicht entfallen zu lassen (vgl. BSG, aaO).

Gemäß § 1248 Abs. 5 iVm Abs. 7 Satz 3 RVO erhält eine Versicherte, die das 65. Lebensjahr vollendet und eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat, das (heute Regelaltersrente) genannte Altersruhegeld. Wegen der Erfüllung dieser Voraussetzungen durch Absolvierung der Versicherungszeit und Vollendung des 65. Lebensjahres am XX.XXXXX 1989 hat die Klägerin Anspruch auf Altersrente ab 1. April 1989. Der Antragseinwand des § 99 Abs. 1 SGB VI kommt nicht zur Anwendung, weil das Recht auf Altersrente vor dem 1. Januar 1992 entstanden ist. Das eigentumsgrundrechtlich geschützte Vollrecht auf Rente ist unmittelbar kraft Gesetzes entstanden und war insoweit von keiner Antragstellung und von keiner Verwaltungsentscheidung abhängig (vgl. BSG, aaO).

Für einen Teil des streitigen Zeitraums ist der Rentenanspruch auf Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres gemäß § 1248 Abs. 5 RVO jedoch verjährt. Gemäß § 45 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (aF) verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Die Verjährung wird u.a. durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung unterbrochen (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB I aF). Für den Rentenanspruch bis Dezember 1995 begann die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 1995. Diese Einzelansprüche waren bei Antragstellung im Januar 2000 verjährt.

Einen Antrag vor dem Januar 2000 hat die Klägerin mit Wirkung für Rechte aus der deutschen Rentenversicherung nicht gestellt. Der in den USA 1986 gestellte Rentenantrag gilt nicht gemäß Art. 14 Abs. 1 deutsch-amerikanisches Sozialversicherungsabkommen (vom 7.1.76, BGBl. 1976 II, S. 1358, idF des Zweiten Zusatzabkommens vom 6.3.95, BGBl. 1996 II, S. 302, DASVA) auch als Antrag nach deutschem Recht, weil die Klägerin in diesem Antrag keine deutschen Versicherungszeiten angegeben hat, wie dies gemäß Art. 7 der Durchführungsvereinbarung zum DASVA (vom 21.6.78, BGBl. 1979 II, S. 567 idF des Zweiten Zusatzabkommens vom 6.3.95, BGBl. 1996 II, S. 302) Voraussetzung ist. Die Klägerin kann keine Behandlung nach günstigeren zwischenstaatlichen Regelungen verlangen, denn von deren persönlichem Geltungsbereich wird sie nicht erfasst. Hierin liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im sozialgerichtlichen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Beklagte war nicht gehindert, die Einrede der Verjährung zu erheben. Nach der Verjährung ist der Verpflichtete – bis zur Erbringung der Leistung, die dann nicht zurückgefordert werden kann – berechtigt, die Leistung zu verweigern (§ 222 Bürgerliches Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung i.V.m. § 45 Abs. 2 SGB I). Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung in der mündlichen Verhandlung am 25. August 2004 und damit rechtzeitig erhoben. Ermessenserwägungen brauchte sie nicht anzustellen, denn es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die gegen die Erhebung der Einrede sprechen könnten. Insbesondere hätte die Beklagte nach der ihr bekannten Datenlage auch nicht erkennen können, dass die Klägerin ab dem 65. Lebensjahr einen Anspruch auf Altersrente hatte. Ihr ist deswegen ein Beratungsfehler nicht vorzuwerfen.

Ob die Rente ab 1. Januar 2000 trotz der unzutreffenden Anwendung des SGB VI (statt der Berechnung der Rentenhöhe nach den Vorschriften der RVO) in richtiger Höhe gewährt wurde, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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