Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 236/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 302/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 11/04 BH
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Das Führen eines Dienstfahrzeuges durch einen alkoholabhängigen Arbeitnehmer kann zu einer Fürsorgepflichtverletzung des Arbeitgebers führen und seinen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz erhalten.
2. Zur Abgrenzung der Begriffe Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit.
3. Der Versicherungsschutz eines alkoholisierten Kraftfahrers bleibt nicht deswegen erhalten, weil die zum Unfallgeschehen führende Unaufmerksamkeit auch einem nicht alkoholisierten Kraftfahrer hätte unterlaufen können (vgl BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 10).
2. Zur Abgrenzung der Begriffe Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit.
3. Der Versicherungsschutz eines alkoholisierten Kraftfahrers bleibt nicht deswegen erhalten, weil die zum Unfallgeschehen führende Unaufmerksamkeit auch einem nicht alkoholisierten Kraftfahrer hätte unterlaufen können (vgl BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 10).
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.07.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Klägerin Hinterbliebenenrente im Wege einer Zugunstenentscheidung zusteht.
Die Klägerin ist die Witwe des 1942 geborenen und am 13.12.1991 tödlich verunfallten Versicherten S. (S). S. war seit August 1969 bei der Gemeinde E. (E) bei C. als Wasserwart beschäftigt. Zur Ausübung seiner Tätigkeit stellte ihm die Gemeinde einen Kleinbus zur Verfügung. S war bei der Führung seiner Dienstgeschäfte eine weitgehende Dispositionsfreiheit eingeräumt. Mit Schreiben vom 09.07.1991 wurde S von der Gemeinde dahingehend abgemahnt, dass bei Alkoholgenuss am Steuer des Dienstfahrzeuges, der Nichterstellung von Hausanschlüssen und der Nichtablieferung von nachvollziehbaren Arbeitsaufzeichnungen der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Frage gestellt sei. Am 04.12.1991 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde in nichtöffentlicher Sitzung eine außerordentliche Änderungskündigung des S zum 31.12.1991 wegen beharrlicher Leistungsverweigerung (Entwurf eines Kündigungsschreibens vom 28.11.1991). In diesem Entwurf bot die Gemeinde dem S einen Einsatz als Arbeiter im Bauhof ab 01.01.1992 an. In dem Entwurf eines Kündigungsschreibens vom 25.11.1991 wurde ausgeführt, dass S das Ansehen der Gemeinde beschädigt habe. Bereits mehrfach hätten Ortsbürger die Gemeinde davon in Kenntnis gesetzt, dass er im Zustand der Trunkenheit mit dem PKW im Ortsbereich unterwegs gewesen sei und in einem Fall zu nächtlicher Stunde nur knapp ein Unfall mit Personenschaden habe verhindert werden können. Der Bürgermeister der Gemeinde wollte am 13.12.1991 im Lauf des Vormittags ein persönliches Gespräch mit S führen.
Am 13.12.1991 um 10.00 Uhr befuhr S mit dem Dienstfahrzeug einen Flurbereinigungsfeldweg und versuchte, die von S. in Richtung E führende Bundesstraße 303 zu überqueren. Der Flurbereinigungsweg ist der Bundesstraße durch ein Stoppschild untergeordnet. S rollte mit dem Kleinbus langsam auf die Einmündung zu, hielt jedoch nicht an, sondern fuhr unmittelbar vor einem von links aus Richtung C. kommenden LKW mit Hänger auf die Bundesstraße ein und stieß mit diesem zusammen. S erlitt dabei tödliche Verletzungen. Die Gemeinde mutmaßte, dass S von der Kontrolle eines gemeindlichen Tiefbrunnens gekommen sei. Der LKW war nach den Feststellungen der Polizei von der Wegeeinmündung aus einer Entfernung von ca. 150 m erstmals erkennbar gewesen, wobei er nach dem Fahrtenschreiber mit einer Geschwindigkeit von 60 kmh fuhr, so dass er für die Strecke ab Erkennbarkeit bis zum Zusammenstoß ca. 9 Sekunden benötigte. Nach den von der Polizei gefertigten Lichtbildern bestand für S nach links in Richtung des herankommenden LKW freie, durch keine Bäume, Büsche, Hecken, Sträucher oder Bauwerke verdeckte Sicht. Sichtbehinderungen in Form von Nebel, Dämmerung usw. lagen laut Auskunft der Verkehrspolizeiinspektion C. zum Unfallzeitpunkt ebenfalls nicht vor. Das Leichenblut des S wies nach dem Gutachten des Prof. Dr.W. vom Institut für Gerichtsmedizin der Universität E. vom 16.01.1992 im Mittelwert eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,8 Promille auf. Das Ermittlungsverfahren gegen den Lenker des LKW wurde von der Staatsanwaltschaft mit der Begründung eingestellt, S habe den Unfall durch Vorfahrtsmissachtung ausschließlich selbst verursacht.
Mit Bescheid vom 25.06.1992 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Sie nahm an, dass S sich auf einer Dienstfahrt befunden habe, er aber alkoholbedingt relativ fahruntüchtig gewesen sei und dieser Umstand die rechtlich allein wesentliche Unfallursache darstelle. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (Az: S 8 U 10/93) hörte das Sozialgericht die Klägerin zum Trinkverhalten ihres Ehemannes an. Sie gab u.a. an, sich Anfang des Jahres 1991 von ihrem Ehemann getrennt zu haben und aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen zu sein. Die meisten Leute hätten nicht gewusst, dass ihr Ehemann so viel trinke. In den Sommermonaten habe er bis zu 10 Bier täglich getrunken. Er habe den ganzen Tag über getrunken. Abends habe er dann öfters noch zu einer Versammlung als Kreisbrandinspektor gemusst. Es sei anzunehmen, dass er dort weitergetrunken habe. Wenn er früh aufgestanden sei, sei er topfit gewesen. Wie das am Unfalltag gewesen sei, wisse sie nicht. Sie machte geltend, der Unfall des S sei nicht auf den Alkoholgenuss zurückzuführen gewesen sondern beruhe auf einer Unaufmerksamkeit, die auch einem nichtalkoholisierten Fahrer hätte passieren können. Da ihr Ehemann alkoholabhängig gewesen sei, hätte ihn erst die BAK von 0,8 Promille tatsächlich in die Lage versetzt, ein Fahrzeug "verkehrstüchtig" zu lenken.
Das Sozialgericht holte einen Krankenkassenauszug der Allgemeinen Ortskrankenkasse C. vom 08.03.1993 ein. Danach war der Versicherte von 1981 bis 1990 wegen akuter Mandelentzündung, akuter Infektion der oberen Luftwege, Gicht, Arthritis urica, Kniegelenksarthritis, Tracheobronchitis akut, Seitenstrangangina, Ellenbogenwunde und im Jahr 1991 wegen Gastroenteritis in Behandlung gewesen. Das Sozialgericht holte desweiteren eine Auskunft des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr.S. vom 21.04.1993/11.05.1993 ein. Dieser teilte mit, dass sich der Kläger in der Zeit vom 03.04.1991 bis 11.11.1991 in seiner hausärztlichen Behandlung befunden habe. Über einen möglichen Alkoholkonsum und dessen Ausmaß sei ihm persönlich nichts bekannt. Im Behandlungszeitraum seien keine Sehstörungen geäußert worden. Augenärztliche Befunde lägen nicht vor. Begründete Anhaltspunkte dafür, dass Gesundheitsstörungen vorgelegen hätten, die die Vorfahrtsverletzung des S hätten hervorrufen können, ergaben sich nicht.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 29.09.1993 ab. Es ging davon aus, dass S über den ganzen Tag verteilt - auch während der Arbeit - 10 bis 12 halbe Bier zu sich genommen habe. Es hat den Unfall des S mit einer Selbstmordabsicht (wegen der unmittelbar bevorstehenden Kündigung) oder einer alkoholbedingten relativen Fahruntüchtigkeit bzw. einer alkoholkrankheitsbedingten Fahruntüchtigkeit erklärt. In all diesen Fällen habe jedoch ein sogenanntes eigenwirtschaftliches Verhalten vorgelegen.
Mit Schreiben vom 06.11.1998 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 25.06.1992 und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung im Wege eines Zugunstenbescheides. Zur Begründung gab sie an, es sei im sozialgerichtlichen Verfahren nicht ausreichend gewürdigt worden, dass der Arbeitgeber ihren Mann trotz der aktenkundigen massiven Alkoholprobleme nicht davon abgehalten habe, weiterhin mit dem Dienstfahrzeug Kontrollfahrten zu unternehmen. Ohne Verletzung der Aufsichts- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hätte sich der Unfall nicht ereignet. Die Beklagte lehnte die Rücknahme mit Bescheid vom 27.01.1999 ab, weil allein ursächlich für den eingetretenen Unfall der Alkoholgenuss gewesen sei. Dadurch sei eine eigenverantwortliche Lösung vom Versicherungsschutz eingetreten. Die bloße Duldung des Verhaltens des S durch die Vorgesetzten habe den entfallenen Versicherungsschutz nicht wieder herstellen können. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, die Beklagte habe seit geraumer Zeit die massiven Alkoholprobleme des S gekannt und hätte aus dem Gesichtspunkt der Ablösung der Unternehmerhaftung S die Benutzung des Fahrzeugs verbieten müssen. Es habe ferner keine Volltrunkenheit in dem Sinne vorgelegen, dass S nicht mehr in der Lage gewesen sei, Arbeiten von wirtschaftlich messbarem Wert zu verrichten. S habe sich somit im Unfallzeitpunkt von einer versicherten Tätigkeit nicht gänzlich gelöst gehabt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.1999 zurück.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth hat die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.01.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.09.1999 zur Rücknahme des Bescheides vom 25.06.1992 sowie zur Anerkennung des Ereignisses vom 13.12.1991 als Arbeitsunfall und zur Gewährung der gesetzlich zustehenden Leistungen zu verurteilen. Sie hat geltend gemacht, der Arbeitgeber sei seiner Aufsichts- und Fürsorgepflicht nicht nachgekommen, weil er S die Benutzung des Dienstfahrzeuges nicht untersagt habe. Nach dem Prinzip der Ablösung der Unternehmerhaftpflicht stünden ihr deshalb Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.07.2002 abgewiesen. Es ist - wie schon im Urteil von 1993 - davon ausgegangen, dass S täglich 10 bis 12 Flaschen Bier getrunken habe und hat allein die Alkoholeinwirkung im Unfallzeitpunkt für den erlittenen Verkehrsunfall als ursächlich angesehen. Es hat keine Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gesehen, da eine solche sich nicht auf die Verhinderung eigenverantwortlicher Schädigungen erstrecke.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt: Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass S im nüchternen Zustand bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre, weshalb der leichten Alkoholbeeinflussung nicht die Bedeutung der rechtlich allein wesentlichen Ursache zukomme. Außerdem sei seinen Vorgesetzten seit langem hinlänglich bekannt gewesen, dass er alkoholkrank gewesen sei und es hätten ihm spätestens mit der Abmahnung vom 09.07.1991 keine mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges verbundenen Arbeiten mehr übertragen werden dürfen.
Der Senat hat von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr.S. einen Befundbericht vom 03.04.2003 beigezogen. Danach befand sich S seit 30.04.1991 bei ihm in hausärztlicher Behandlung wegen Hals- und Infektbeschwerden, Reizhusten, Hämorrhoidalbeschwerden, rezidivierenden Schmerzen im linken Fuß, Durchfällen und Entzündungszeichen der Nase. An Diagnosen habe er gestellt: Rezidivierende Arthritis urica, Tracheobronchitis, Seitenstrangangina, rezidivierende prolabierende innere Hämorrhoiden, Zellgewebsentzündung der Nase, Gastroenteritis.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.07.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.01.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.09.1999 zur Rücknahme des Bescheides vom 25.06.1992 sowie zur Anerkennung des Ereignisses vom 13.12.1991 als Arbeitsunfall und zur Gewährung der gesetzlich zustehenden Leistungen zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.07.2002 zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Unfallakte der Beklagten, die Akte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht C. Az: 4 Js 1049/92, die Personalakte des S der Gemeinde E, die Akten der ersten und zweiten Instanz sowie auf die Archivakte des Sozialgerichts Bayreuth S 8 U 10/93 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entschädigung gegen die Beklagte auf Grund des Todes ihres Ehemannes. Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 25.06.1992 liegen nicht vor. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Todes des Ehemannes der Klägerin abgelehnt, weil dieser nicht infolge eines Arbeitsunfalls ums Leben gekommen ist (§§ 589, 590 Reichsversicherungsordnung [RVO]).
Nach § 44 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt zurückzunehmen, wenn bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht wurden. Die durch eine gerichtliche Entscheidung erfolgte Bestätigung des Verwaltungsaktes steht der erneuten Überprüfung nicht entgegen (vgl BSG SozR 1500 § 141 Nr 2).
Die Beklagte ist bei ihrer Entscheidung vom 25.06.1992 nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen und hat das Recht nicht unrichtig angewandt. Nach der zur Zeit des Unfalls und des Todes des S noch geltenden RVO (vgl das Übergangsrecht des am 01.01.1997 in Kraft getretenen Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, §§ 212 ff) ist bei Tod durch Arbeitsunfall Sterbegeld, Überführungskosten und Hinterbliebenenrente zu gewähren (§ 589 Abs 1 RVO).
"Tod durch Arbeitsunfall" setzt voraus, dass der Tod durch den Arbeitsunfall verursacht wurde. Nach der im Sozialrecht geltenden Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung genügt im Gegensatz zu der z.B. im Strafrecht geltenden naturwissenschaftlichen Bedingungs- oder Äquivalenztheorie ("conditio sine qua non") nicht jedes Glied in einer Ursachenkette, um die Verursachung zu bejahen. Als kausal und rechtserheblich werden vielmehr nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSGE, 1, 72, 76; 1, 150, 156 f). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76). Haben mehrere Ursachen zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie rechtlich nur dann nebeneinander stehende (wesentliche) Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs annähernd gleichwertig sind; kommt einer der Ursachen gegenüber der anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist die überragende Ursache allein Ursache im Sinne des Sozialrechts (BSGE 1, 150, 156).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSGE 12, 242; 48, 228) ist davon auszugehen, dass die auf Alkoholgenuss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ausschließt, wenn sie die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund drängt, dass sie als die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalles anzusehen ist (vgl Brackmann/Krasney SGB VII, § 8 RdNr 345 mwN). Der Begriff der rechtlich wesentlichen Ursache ist ein Wertbegriff. Die Frage, ob eine Mitursache für den Erfolg rechtlich wesentlich gewesen ist, beurteilt sich nach dem Wert und der Bedeutung, die hier die Auffassung des täglichen Lebens für das Zustandekommen des Erfolges gibt. Danach ist eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit, die bei der Entstehung des Unfalls mitgewirkt hat, gegenüber den betriebsbedingten Umständen als rechtlich allein wesentliche Ursache zu werten, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens davon auszugehen ist, dass der Versicherte, hätte er nicht unter Alkoholeinfluss gestanden, bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre. Er ist dann nicht einer Betriebsgefahr erlegen, sondern nur "bei Gelegenheit" einer versicherten Tätigkeit verunglückt (BSGE 48, 228; BSG, Urteil vom 25.01.1983 - 2 RU 35/82 - HVGBG Rundschreiben VB 41/93). Es muss vergleichend gewertet werden, welcher Umstand gegenüber der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit etwa gleichwertig und welcher demgegenüber derart unbedeutend ist, dass er außer Betracht bleiben muss. Zu den unternehmensbezogenen Umständen (Mitursachen) gehören auch die mit der Teilnahme am Verkehr verbundenen Gefahren (BSGE 43, 110). Ein Unfall ist dann auf die Alkoholbeeinflussung zurückzuführen, wenn Anzeichen vorhanden sind, die auf ein alkoholtypisches Fehlverhalten hindeuten und andere betriebsbedingte Umstände, die für den Unfall ursächlich sein könnten, nicht vorlagen. Lässt sich ein klares Beweisergebnis über die Ursache des Unfalls, der einen unter Alkoholeinfluss stehenden Verkehrsteilnehmer betroffen hat, nicht erzielen, sind also sonstige Unfallursachen nicht erwiesen, so spricht die Lebenserfahrung dafür, dass die auf die Alkoholbeeinflussung beruhende Fahruntüchtigkeit den Unfall verursacht hat - Beweis des ersten Anscheins (BSGE 36, 35).
Der Kläger war alkoholbedingt fahruntüchtig. Der Senat geht von der von Prof. Dr.W. festgestellten BAK von 0,8 Promille zum Zeitpunkt des Unfalls aus. Prof. Dr.W. hat bei der Bestimmung des BAK das bei Leichenblut obligatorische Untersuchungsverfahren der Gaschromatographie angewandt (Praxis der Rechtsmedizin, Forster, 1986, Der Alkoholnachweis S 439). Beim Kläger lag mit einer BAK von 0,8 Promille nur eine sogenannte relative Fahruntüchtigkeit vor, d.h. die BAK lag unter dem von der Rechtsprechung entwickelten Grenz-Grad für die absolute Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille (vgl BGHSt 37, 89 und BSG NZV 1998, 114 = SGb 1998, 600). Es ist aber schon bei Blutalkoholspiegeln zwischen 0,6 und 0,7 Promille mit einer dreifachen Fehlerzahl je Zeiteinheit zu rechnen, so dass dann Konstellationen wahrscheinlich werden, dass bei rund 20 optischen Eindrücken, die je Sekunde verarbeitet werden können, nicht nur die absolute Zahl der verarbeitbaren optischen Eindrücke sinkt, sondern es auch zunehmend wahrscheinlicher wird, dass sich zwei Fehler nacheinander ereignen, also dass ein auch beim Nüchternen jederzeit möglicher Fehler nicht mehr rechtzeitig korrigiert werden kann (so LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1986, 850). Bei einer BAK von 0,8 ist davon auszugehen, dass der Unfall auf einem alkoholbedingten Fahrfehler beruht und ein Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ausscheidet, wenn nach einer Prüfung aller fallbezogenen Umstände auf das Gewicht ihres Ursachenbeitrages zu einem Verkehrsunfall hin nichts anderes ersichtlich ist, was sich als bessere Erklärung für eine unvorsichtige Fahrweise oder unterlassene Reaktion anbietet (LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1985, 116; ebenso BayLSG, Urteil vom 14.11.2001 Az: L 2 U 140/01 bei einer BAK von 0,88; BayLSG, Urteil vom 10.06.1997, Az: L 17 U 358/94 bei einer BAK von 0,41).
Der Versicherungsschutz des S ist nicht etwa deshalb erhalten geblieben, weil die Unaufmerksamkeit auch einem nicht alkoholisierten Kraftfahrer hätte passieren können. Bei einem Vergleich alkoholbedingter Unfälle mit Unfällen aus innerer Ursache ist für die Wertentscheidung auch der Schutzzweck der anzuwendenden Norm zu beachten. Dieser Schutzzweck rechtfertigt es, Unfälle unter Alkoholeinfluss im Rahmen der Wertentscheidung der wesentlichen Bedingung eines Unfalles anders zu bewerten als sonst Unfälle aus innerer Ursache (Brackmann/Krasney aaO RdNrn 312 und 346 mwN). So wird der Unfallversicherungsschutz nach der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 19.12.2000 SozR 2200 § 550 Nr 21 und Urteil vom 04.06.2002 SozR 3-2700 § 8 Nr 10) nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Versicherte auf Grund seiner Fahrweise wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung bestraft wird, auch wenn der Unfall auf dieser Verhaltensweise beruht (Abgrenzung zu BSG vom 11.10.1994 SozR 3-3200 § 81 Nr 12). Denn auf eine Abwägung zwischen dem betrieblichen Interesse und der Sicherheit des Straßenverkehrs kommt es aus unfallversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht an. Eine durch grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fahrweise fahrlässig begangene Gefährdung des Straßenverkehrs ist hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens des inneren Zusammenhangs mit der betrieblichen Tätigkeit nicht mit einer durch Fahren unter Alkoholeinwirkung verursachten Verkehrsgefährdung infolge herabgesetzter Fahrtüchtigkeit gleichzusetzen. Denn während der Alkoholgenuss wegen der damit untrennbar verbundenen Herabsetzung oder Aufhebung der Fahrtüchtigkeit generell nicht betriebsdienlich ist, kann das Fahren auch bei grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Fahrweise noch betriebsdienlich sein (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 10). Es kommt also nicht darauf an, wie sich irgendein nüchterner Kraftfahrer oder durchschnittlicher Kraftfahrer ohne Alkoholeinfluss verhalten hätte, vielmehr ist allein entscheidend, ob zum Unfallzeitpunkt eine erhebliche Alkoholbeeinflussung an der Unfallentstehung derart mitgewirkt hat, dass die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die unternehmensbedingten Umstände so in den Hintergrund gedrängt hat, dass diese nicht mehr als rechtlich wesentliche Ursachen des Unfalls berücksichtigt werden können (aaO).
Nach Lage des Falles ist die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des S die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls gewesen. Es ist davon auszugehen, dass S, hätte er nicht unter Alkoholeinfluss gestanden, bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre. Denn S fuhr unter Missachtung eines Stoppschildes in eine Bundesstraße ein und übersah dabei einen von links kommenden LKW. Dieses Verhalten des S ist zur Überzeugung des Senats auf die Alkoholbeeinflussung zurückzuführen. Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Arbeitgeber und der Beklagten davon aus, dass sich S zum Unfallzeitpunkt auf dem Rückweg von der Kontrolle eines gemeindlichen Tiefbrunnens befunden hat. S waren somit auf Grund seiner Beschäftigung als Wasserwart die örtlichen Gegebenheiten der Einfahrt des Flurbereinigungsweges in die Bundesstraße bekannt. Für ein alkoholtypisches Fehlverhalten sprechen eine regelwidrige und besonders sorglose Fahrweise, nachlassende Aufmerksamkeit, verminderte Reaktionsfähigkeit und gesteigerte Risikobereitschaft (so BayLSG Urteil vom 10.06.1997 Az: L 17 U 358/94). Die Gefahrschwelle liegt bei einer BAK von 0,2 bis 0,3 Promille (vgl Alkohol und Straßenverkehr, Faktensammlung, Herausgeber Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V. Bonn 1999 S 79). Eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit ist im Einzelfall schon bei BAK-Werten von 0,2 bis 0,3 Promille möglich, jedoch um so wahrscheinlicher, je höher die Blutalkoholwerte sind (Praxis der Rechtsmedizin aaO S 457). Die Aufmerksamkeit des KFZ-Führers nimmt schon bei einer BAK von 0,3 Promille ab (Alkohol und Straßenverkehr aaO S 88). Eine BAK von 0,5 Promille bewirkt eine deutliche Erhöhung der Risikobereitschaft. Damit verbunden ist eine Steigerung des Leichtsinns, der Sorglosigkeit und Leichtfertigkeit (aaO S 90). Bei einer BAK ab 0,8 Promille sind optische Reize um 90 bis 95 % verlängert, die Fehlerzunahme beträgt 25 % und die einfache Reaktionszeit ist um 35 % verlängert (Praxis der Rechtsmedizin aaO S 456). Bei einer BAK von 0,8 Promille ist das Unfallrisiko vervierfacht (Schwerd, Rechtsmedizin, 5.Auflage 1992, S 104). Störungen der Sehleistung sind besonders gefährlich. Verschlechterungen der Sehleistung, z.B. falsches Entfernungsschätzen ist schon bei einer BAK von unter 1 Promille zu finden (aaO S 120). Im Hinblick auf die bei einer BAK von 0,8 bestehenden Ausfälle der körperlichen Leistungsfähigkeit ist der Senat der Überzeugung, dass der Unfall in nüchternem Zustand hätte vermieden werden können.
Andere betriebsbedingte Umstände, die für den Unfall ursächlich sein könnten, waren nach den Feststellungen der Polizei nicht gegeben. Es bestand keine Sichtbehinderung in Richtung des herannahenden LKW, weder durch Vegetation noch durch die Wetterverhältnisse oder Bauwerke.
Nach alledem war die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des S die rechtlich allein wesentliche Ursache mit der Folge, dass S im Unfallzeitpunkt nicht unter Versicherungsschutz nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO gestanden hat.
Der Unfallversicherungsschutz des S blieb auch nicht wegen der Verletzung einer Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erhalten. Die Gemeinde war nicht verpflichtet, das weitere Führen des Dienstfahrzeuges durch S zu unterbinden. Zwar treffen den Arbeitgeber grundsätzlich Aufsichts- und Fürsorgepflichten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, die ihn verpflichten, das jeweils Gebotene zu tun, um betriebsbedingte Schäden vom Arbeitnehmer abzuhalten. Wenn ein Arbeitgeber zu der Überzeugung gelangen muss, dass ein Versicherter wegen einer bestehenden Alkoholabhängigkeit zur Führung eines Dienstfahrzeuges nicht mehr imstande ist, gebietet es seine Fürsorgepflicht, den Versicherten mit sofortiger Wirkung das Dienstfahrzeug zu entziehen, um Schaden vom Versicherten und anderen Verkehrsteilnehmern abzuwenden. Ein wesentliches Prinzip der gesetzlichen Unfallversicherung ist das der Haftungsersetzung für Unternehmer gegenüber ihren Beschäftigten (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 41; Gitter/Nunius in Schulin, HS-UV, § 5 RdNr 28, 51, 119). Durch die Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung für Beschäftigte wurde die diesen gegenüber bestehende Haftung der Unternehmer bzw. der Arbeitgeber für schuldhaftes Verhalten auch bei der Verletzung von Schutz- oder Fürsorgepflichten sowie aus Gefährdungshaftung ersetzt (BSG aaO). Mit dem unfallrechtlichen Entschädigungsanspruch tritt zugleich eine Ersetzung der zivilrechtlichen Haftung des Unternehmers ein. Der Begriff der Fürsorgepflicht beschreibt herkömmlich die dem Arbeitgeber obliegenden Pflichten, die dieser bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitnehmer zu beachten hat. Es handelt sich dabei um eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht (vgl BAG, AP Nr 7 zu § 615 BGB Böswilligkeit). Im Falle einer schuldhaften Verletzung der Fürsorgepflicht kann der Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der Haftung für positive Vertragsverletzung Schadenersatz verlangen (so LAG Baden-Württemberg AP Nr 2 zu § 611 BGB Mobbing). Diese Unternehmerhaftung wird durch die gesetzliche Unfallversicherung abgelöst.
Eine schuldhafte, d.h. zumindest fahrlässige Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber des S liegt nach Auffassung des Senats indes nicht vor. Eine solche Verletzung der Fürsorgepflicht wäre nur dann zu besorgen, wenn S zum Zeitpunkt des Unfalles alkoholabhängig gewesen wäre und die Gemeinde hiervon hätte ausgehen müssen. Zum Einen ist eine Alkoholabhängigkeit des S nicht nachgewiesen, zum Anderen hat für die Gemeinde - über die erfolgte Abmahnung hinaus - nach den Gesamtumständen keine Verpflichtung zu weitergehenden Aufsichtspflichten bestanden. Nach Sachlage ging die Gemeinde zu Recht davon aus, dass S (lediglich) Alkoholmissbrauch betrieb. Für die Annahme einer Alkoholabhängigkeit mit einem daraus resultierenden Kontrollverlust des S bestand für die Gemeinde aber kein Anlass. Der Begriff der Alkoholabhängigkeit ist von dem des Alkoholmissbrauchs abzugrenzen (so Alkohol und Straßenverkehr, Faktensammlung, Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften aaO S 21). Danach liegt Alkoholmissbrauch vor, wenn mindestens eines der beiden folgenden Kriterien über längere Zeit besteht: - Alkohol wird fortgesetzt konsumiert, obwohl dem Konsumenten bewusst ist, dass sich bei ihm dadurch soziale, berufliche oder körperliche Probleme immer wiederholen. - Alkohol wird wiederholt in Situationen konsumiert, in denen der Alkoholkonsum eine körperliche Gefährdung darstellt, wie z.B. Alkohol am Steuer.
Die (sichere) Diagnose "Alkoholabhängigkeit" sollte nach den diagnostischen Leitlinien der Alkoholabhängigkeit nach dem international gebräuchlichen psychiatrischen Klassifikationssystem "International Classification of Deceases" (ICD) nur gestellt werden, wenn während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren: 1. Starker Wunsch oder eine Art Zwang psychotrope Substanzen zu konsumieren
2. Verminderung der Fähigkeit, Beginn, Beendigung und Menge des Konsums zu kontrollieren
3. Körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums
4. Nachweis einer Toleranzentwicklung
5. Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzkonsums
6. Fortsetzen des Alkoholkonsums trotz Kenntnis von Art und Ausmaß der schädlichen Folgen (aaO S 22).
Der Senat vermag für den Fall, dass bei S lediglich ein Alkoholmissbrauch der oben genannten Art vorgelegen hat, eine zumindest fahrlässige Fürsorgepflichtverletzung der Gemeinde nicht zu erkennen. Bei einem bloßen Alkoholmissbrauch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit des Versicherten bereits soweit eingeschränkt ist, dass das Fahren unter Alkoholeinfluss nicht mehr als eigenverantwortliche Schädigung gewertet werden kann. Bei einer eigenverantwortlichen Schädigung stellt - wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat - das Unterlassen des Arbeitgebers sich als eine untergeordnete Mitverursachung dar, bei der nicht mehr von einer wesentlichen Bedingung gesprochen werden kann. Es ist daher davon auszugehen, dass die Gemeinde mit der Abmahnung des S wegen des vermuteten Fahrens mit dem Dienstfahrzeug unter Alkoholeinfluss das Gebotene getan hat. Sie hat mit der Abmahnung auch ihrer Einschätzung der mit dem Alkoholgenuss verbundenen Gefährdungslage Ausdruck verliehen. S hat eigenverantwortlich trotz Abmahnung entschieden, alkoholisiert mit dem Dienstfahrzeug zu fahren. Diese eigenverantwortliche Entscheidung hat zum Verlust des Unfallversicherungsschutzes geführt. Hierfür musste die Gemeinde nicht einstehen.
Etwas anderes würde gelten, wenn die Gemeinde die Überzeugung hätte gewinnen müssen, dass S alkoholabhängig ist. In einem solchen Fall wäre die Gemeinde im Rahmen ihrer Fürsorge zum sofortigen Handeln, nämlich dem Unterbinden weiterer Dienstfahrten durch S, verpflichtet gewesen. Bei einer Alkoholabhängigkeit ist die Fähigkeit, Beginn, Beendigung und Menge des Konsums zu kontrollieren, vermindert (aaO S 22). Beim Vorliegen verminderter Einsichtsfähigkeit kann nicht mehr von einer eigenverantwortlichen Schädigung gesprochen werden. Dies hat zur Folge, dass die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebietet, Gefährdungen des Arbeitnehmers durch einen alkoholisierten Zustand zu unterbinden. Eine Fürsorgepflichtverletzung würde den Versicherungsschutz des S dann trotz Fahrens unter Alkoholeinfluss nicht ausschließen. Eine Fürsorgepflichtverletzung könnte aber nur dann vorliegen, wenn der Auslöser für die Pflichtverletzung - nämlich die Alkoholabhängigkeit - nachgewiesen wäre und die Gemeinde hiervon Kenntnis gehabt hätte. Die Beweispflicht hierfür obliegt nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast der Klägerin. Dabei geht der Senat davon aus, dass in solchen Fällen keine überzogenen Anforderungen an den Nachweis der Alkoholabhängigkeit zu stellen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG können Eigentümlichkeiten eines Sachverhalts in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass sein, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen (vgl BSGE 19, 52). Das bedeutet, dass der Unfallversicherungsträger oder das Gericht schon auf Grund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein kann (vgl BSG vom 12.06.1990 - 2 RU 58/89 = HV-INFO 1990, 2064). Eine solche Beweiserleichterung könnte der Klägerin zugute kommen, da die Feststellung bzw. der Nachweis einer Alkoholabhängigkeit bei Fehlen medizinischer Feststellungen im Hinblick auf die oben dargelegten Kriterien der Alkoholabhängigkeit schwer zu führen ist. Der Senat erachtet aber das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit im Zeitpunkt des Unfallgeschehens auch bei Anlegung verminderter Beweisanforderungen nicht für hinreichend dargetan. Die pure Möglichkeit oder die bloße Wahrscheinlichkeit der Alkoholabhängigkeit genügen als Voraussetzung für die Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung nicht. Vielmehr müssen nach Auffassung des Senats die Umstände im Einzelfall zwingend darauf schließen lassen, dass die Grenze vom Alkoholmissbrauch zur Alkoholabhängigkeit bereits überschritten ist und dieses für den Arbeitgeber erkennbar war oder hätte erkennbar sein können. Solche zwingenden Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Aus dem der Abmahnung wegen Trunkenheit beim Führen des Dienstfahrzeuges zugrundeliegenden Sachverhalt musste die Gemeinde nicht zwangsläufig auf eine Alkoholabhängigkeit des S schließen. So sind die abgemahnten Leistungsmängel nicht beweisend für das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit. Diese lassen sich auch durch fortgesetzten Alkoholmissbrauch erklären. Die Berichte von Bürgern über Beinaheunfälle mit dem Dienstfahrzeug beweisen ebenfalls nicht das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit, da solche Situationen auch durch allgemeine Unaufmerksamkeit oder überhöhte Geschwindigkeiten entstehen können. Zwar berichtete die Ehefrau des S vor dem SG am 20.09.1993 von einem jahrzehntelangen hohen Bierkonsum ihres Ehemannes. Sie äußerte aber auch, dass die meisten Leute nicht gewusst hätten, dass ihr Ehemann so viel trinke, weil man ihm nichts angemerkt habe. Auch sei ihr Ehemann topfit gewesen, wenn er aufgestanden war. Für die Frage, ob der Gemeinde eine Fürsorgepflichtverletzung vorzuwerfen ist, kommt es aber nicht auf die Kenntnis der Ehefrau vom Trinkverhalten, sondern auf die Kenntnis der Gemeinde an. Es gibt nach Lage der Akten nichts, was darauf hindeutet, dass der Gemeinde ein tägliches exzessives Trinkverhalten des S bekannt gewesen ist. S war weder längere Zeit dienstunfähig erkrankt, noch ergibt sich aus der Personalakte, dass S wegen Führens eines Dienst-KFZ unter Alkoholeinfluss polizeilich aufgefallen wäre. Selbst dem Hausarzt des S, bei dem sich dieser in der Zeit vom 03.04.1991 bis 11.11.1991 in Behandlung befunden hat, war nichts über einen Alkoholkonsum und dessen Ausmaß bekannt. Schließlich spricht auch gegen eine Kenntnis der Gemeinde von einer Alkoholabhängigkeit des S, dass sie S im Wege der Änderungskündigung im Bauhof weiterbeschäftigen wollte. Wenn die Gemeinde S für alkoholabhängig erachtet hätte, wären Rehabilitationsmaßnahmen angezeigt gewesen. Nach Sachlage kann dem Arbeitgeber somit keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis einer etwaigen Alkoholabhängigkeit des S unterstellt werden. Eine Verletzung der Aufsichts- und Fürsorgepflicht, weil die Gemeinde die Führung des Dienstfahrzeuges am Unfalltag nicht verhindert hat, hat somit nicht vorgelegen.
Die vom Sozialgericht im Urteil vom 29.09.1993 geäußerte Ansicht, dass der Unfall in suizidaler Weise von S herbeigeführt worden sein könnte, ist rein spekulativ. Es liegen weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Anknüpfungspunkte vor, die einen Arbeitsunfall auf Grund einer Selbsttötung nahe legen. Auch die Klägerin geht davon aus, dass "für eine Selbstmordabsicht jegliche konkreten Anhaltspunkte fehlen" (so im Schreiben vom 29.03.1999 an die Beklagte). Eine Selbsttötung ist dann ein Arbeitsunfall, wenn der Versicherte durch betriebsbedingte Umstände ein psychisches Trauma erleidet, dadurch in einen Zustand der wesentlichen Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Willensbildung gerät und einen Suizid begeht (BSG HV-INFO 1984, Nr 8, 33-38). Eine psychische Beeinträchtigung kommt als Unfallursache aber nur dann in Betracht, wenn es sich bei ihr um einen psychischen Schock handelt, d.h. um eine schlagartig auftretende psychische Erschütterung, die auf der Vorstellung beruht, sich in einer ausweglosen Situation zu befinden (so BSG SozR 2200 § 1252 Nr 6; HVBG-INFO 1999, 238-243). Eine schädigende, auch psychische Einwirkung erfüllt nur dann den Tatbestand eines Unfalles, wenn sie innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums, höchstens innerhalb einer Arbeitsschicht geschehen ist (BSG aaO).
Für die Annahme, dass S wegen der bevorstehenden Änderungskündigung seines Arbeitsverhältnisses in suizidaler Weise die Vorfahrt des LKW missachtet hat, ergeben sich nach den Gesamtumständen keinerlei Hinweise. Es ist zum Einen schon nicht bekannt, ob S von der bevorstehenden Kündigung zum Zeitpunkt des Unfalles Kenntnis hatte. Zum Anderen gibt es darüberhinaus keine Hinweise dafür, dass berufsbedingte Einwirkungen gerade am Unfalltag bei S zu einem psychischen Trauma im Sinne einer schlagartig auftretenden schweren Erschütterung geführt haben. Die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalles war vielmehr die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des S.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Klägerin Hinterbliebenenrente im Wege einer Zugunstenentscheidung zusteht.
Die Klägerin ist die Witwe des 1942 geborenen und am 13.12.1991 tödlich verunfallten Versicherten S. (S). S. war seit August 1969 bei der Gemeinde E. (E) bei C. als Wasserwart beschäftigt. Zur Ausübung seiner Tätigkeit stellte ihm die Gemeinde einen Kleinbus zur Verfügung. S war bei der Führung seiner Dienstgeschäfte eine weitgehende Dispositionsfreiheit eingeräumt. Mit Schreiben vom 09.07.1991 wurde S von der Gemeinde dahingehend abgemahnt, dass bei Alkoholgenuss am Steuer des Dienstfahrzeuges, der Nichterstellung von Hausanschlüssen und der Nichtablieferung von nachvollziehbaren Arbeitsaufzeichnungen der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Frage gestellt sei. Am 04.12.1991 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde in nichtöffentlicher Sitzung eine außerordentliche Änderungskündigung des S zum 31.12.1991 wegen beharrlicher Leistungsverweigerung (Entwurf eines Kündigungsschreibens vom 28.11.1991). In diesem Entwurf bot die Gemeinde dem S einen Einsatz als Arbeiter im Bauhof ab 01.01.1992 an. In dem Entwurf eines Kündigungsschreibens vom 25.11.1991 wurde ausgeführt, dass S das Ansehen der Gemeinde beschädigt habe. Bereits mehrfach hätten Ortsbürger die Gemeinde davon in Kenntnis gesetzt, dass er im Zustand der Trunkenheit mit dem PKW im Ortsbereich unterwegs gewesen sei und in einem Fall zu nächtlicher Stunde nur knapp ein Unfall mit Personenschaden habe verhindert werden können. Der Bürgermeister der Gemeinde wollte am 13.12.1991 im Lauf des Vormittags ein persönliches Gespräch mit S führen.
Am 13.12.1991 um 10.00 Uhr befuhr S mit dem Dienstfahrzeug einen Flurbereinigungsfeldweg und versuchte, die von S. in Richtung E führende Bundesstraße 303 zu überqueren. Der Flurbereinigungsweg ist der Bundesstraße durch ein Stoppschild untergeordnet. S rollte mit dem Kleinbus langsam auf die Einmündung zu, hielt jedoch nicht an, sondern fuhr unmittelbar vor einem von links aus Richtung C. kommenden LKW mit Hänger auf die Bundesstraße ein und stieß mit diesem zusammen. S erlitt dabei tödliche Verletzungen. Die Gemeinde mutmaßte, dass S von der Kontrolle eines gemeindlichen Tiefbrunnens gekommen sei. Der LKW war nach den Feststellungen der Polizei von der Wegeeinmündung aus einer Entfernung von ca. 150 m erstmals erkennbar gewesen, wobei er nach dem Fahrtenschreiber mit einer Geschwindigkeit von 60 kmh fuhr, so dass er für die Strecke ab Erkennbarkeit bis zum Zusammenstoß ca. 9 Sekunden benötigte. Nach den von der Polizei gefertigten Lichtbildern bestand für S nach links in Richtung des herankommenden LKW freie, durch keine Bäume, Büsche, Hecken, Sträucher oder Bauwerke verdeckte Sicht. Sichtbehinderungen in Form von Nebel, Dämmerung usw. lagen laut Auskunft der Verkehrspolizeiinspektion C. zum Unfallzeitpunkt ebenfalls nicht vor. Das Leichenblut des S wies nach dem Gutachten des Prof. Dr.W. vom Institut für Gerichtsmedizin der Universität E. vom 16.01.1992 im Mittelwert eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,8 Promille auf. Das Ermittlungsverfahren gegen den Lenker des LKW wurde von der Staatsanwaltschaft mit der Begründung eingestellt, S habe den Unfall durch Vorfahrtsmissachtung ausschließlich selbst verursacht.
Mit Bescheid vom 25.06.1992 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Sie nahm an, dass S sich auf einer Dienstfahrt befunden habe, er aber alkoholbedingt relativ fahruntüchtig gewesen sei und dieser Umstand die rechtlich allein wesentliche Unfallursache darstelle. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (Az: S 8 U 10/93) hörte das Sozialgericht die Klägerin zum Trinkverhalten ihres Ehemannes an. Sie gab u.a. an, sich Anfang des Jahres 1991 von ihrem Ehemann getrennt zu haben und aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen zu sein. Die meisten Leute hätten nicht gewusst, dass ihr Ehemann so viel trinke. In den Sommermonaten habe er bis zu 10 Bier täglich getrunken. Er habe den ganzen Tag über getrunken. Abends habe er dann öfters noch zu einer Versammlung als Kreisbrandinspektor gemusst. Es sei anzunehmen, dass er dort weitergetrunken habe. Wenn er früh aufgestanden sei, sei er topfit gewesen. Wie das am Unfalltag gewesen sei, wisse sie nicht. Sie machte geltend, der Unfall des S sei nicht auf den Alkoholgenuss zurückzuführen gewesen sondern beruhe auf einer Unaufmerksamkeit, die auch einem nichtalkoholisierten Fahrer hätte passieren können. Da ihr Ehemann alkoholabhängig gewesen sei, hätte ihn erst die BAK von 0,8 Promille tatsächlich in die Lage versetzt, ein Fahrzeug "verkehrstüchtig" zu lenken.
Das Sozialgericht holte einen Krankenkassenauszug der Allgemeinen Ortskrankenkasse C. vom 08.03.1993 ein. Danach war der Versicherte von 1981 bis 1990 wegen akuter Mandelentzündung, akuter Infektion der oberen Luftwege, Gicht, Arthritis urica, Kniegelenksarthritis, Tracheobronchitis akut, Seitenstrangangina, Ellenbogenwunde und im Jahr 1991 wegen Gastroenteritis in Behandlung gewesen. Das Sozialgericht holte desweiteren eine Auskunft des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr.S. vom 21.04.1993/11.05.1993 ein. Dieser teilte mit, dass sich der Kläger in der Zeit vom 03.04.1991 bis 11.11.1991 in seiner hausärztlichen Behandlung befunden habe. Über einen möglichen Alkoholkonsum und dessen Ausmaß sei ihm persönlich nichts bekannt. Im Behandlungszeitraum seien keine Sehstörungen geäußert worden. Augenärztliche Befunde lägen nicht vor. Begründete Anhaltspunkte dafür, dass Gesundheitsstörungen vorgelegen hätten, die die Vorfahrtsverletzung des S hätten hervorrufen können, ergaben sich nicht.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 29.09.1993 ab. Es ging davon aus, dass S über den ganzen Tag verteilt - auch während der Arbeit - 10 bis 12 halbe Bier zu sich genommen habe. Es hat den Unfall des S mit einer Selbstmordabsicht (wegen der unmittelbar bevorstehenden Kündigung) oder einer alkoholbedingten relativen Fahruntüchtigkeit bzw. einer alkoholkrankheitsbedingten Fahruntüchtigkeit erklärt. In all diesen Fällen habe jedoch ein sogenanntes eigenwirtschaftliches Verhalten vorgelegen.
Mit Schreiben vom 06.11.1998 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 25.06.1992 und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung im Wege eines Zugunstenbescheides. Zur Begründung gab sie an, es sei im sozialgerichtlichen Verfahren nicht ausreichend gewürdigt worden, dass der Arbeitgeber ihren Mann trotz der aktenkundigen massiven Alkoholprobleme nicht davon abgehalten habe, weiterhin mit dem Dienstfahrzeug Kontrollfahrten zu unternehmen. Ohne Verletzung der Aufsichts- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hätte sich der Unfall nicht ereignet. Die Beklagte lehnte die Rücknahme mit Bescheid vom 27.01.1999 ab, weil allein ursächlich für den eingetretenen Unfall der Alkoholgenuss gewesen sei. Dadurch sei eine eigenverantwortliche Lösung vom Versicherungsschutz eingetreten. Die bloße Duldung des Verhaltens des S durch die Vorgesetzten habe den entfallenen Versicherungsschutz nicht wieder herstellen können. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, die Beklagte habe seit geraumer Zeit die massiven Alkoholprobleme des S gekannt und hätte aus dem Gesichtspunkt der Ablösung der Unternehmerhaftung S die Benutzung des Fahrzeugs verbieten müssen. Es habe ferner keine Volltrunkenheit in dem Sinne vorgelegen, dass S nicht mehr in der Lage gewesen sei, Arbeiten von wirtschaftlich messbarem Wert zu verrichten. S habe sich somit im Unfallzeitpunkt von einer versicherten Tätigkeit nicht gänzlich gelöst gehabt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.1999 zurück.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth hat die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.01.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.09.1999 zur Rücknahme des Bescheides vom 25.06.1992 sowie zur Anerkennung des Ereignisses vom 13.12.1991 als Arbeitsunfall und zur Gewährung der gesetzlich zustehenden Leistungen zu verurteilen. Sie hat geltend gemacht, der Arbeitgeber sei seiner Aufsichts- und Fürsorgepflicht nicht nachgekommen, weil er S die Benutzung des Dienstfahrzeuges nicht untersagt habe. Nach dem Prinzip der Ablösung der Unternehmerhaftpflicht stünden ihr deshalb Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.07.2002 abgewiesen. Es ist - wie schon im Urteil von 1993 - davon ausgegangen, dass S täglich 10 bis 12 Flaschen Bier getrunken habe und hat allein die Alkoholeinwirkung im Unfallzeitpunkt für den erlittenen Verkehrsunfall als ursächlich angesehen. Es hat keine Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gesehen, da eine solche sich nicht auf die Verhinderung eigenverantwortlicher Schädigungen erstrecke.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt: Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass S im nüchternen Zustand bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre, weshalb der leichten Alkoholbeeinflussung nicht die Bedeutung der rechtlich allein wesentlichen Ursache zukomme. Außerdem sei seinen Vorgesetzten seit langem hinlänglich bekannt gewesen, dass er alkoholkrank gewesen sei und es hätten ihm spätestens mit der Abmahnung vom 09.07.1991 keine mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges verbundenen Arbeiten mehr übertragen werden dürfen.
Der Senat hat von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr.S. einen Befundbericht vom 03.04.2003 beigezogen. Danach befand sich S seit 30.04.1991 bei ihm in hausärztlicher Behandlung wegen Hals- und Infektbeschwerden, Reizhusten, Hämorrhoidalbeschwerden, rezidivierenden Schmerzen im linken Fuß, Durchfällen und Entzündungszeichen der Nase. An Diagnosen habe er gestellt: Rezidivierende Arthritis urica, Tracheobronchitis, Seitenstrangangina, rezidivierende prolabierende innere Hämorrhoiden, Zellgewebsentzündung der Nase, Gastroenteritis.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.07.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.01.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.09.1999 zur Rücknahme des Bescheides vom 25.06.1992 sowie zur Anerkennung des Ereignisses vom 13.12.1991 als Arbeitsunfall und zur Gewährung der gesetzlich zustehenden Leistungen zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.07.2002 zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Unfallakte der Beklagten, die Akte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht C. Az: 4 Js 1049/92, die Personalakte des S der Gemeinde E, die Akten der ersten und zweiten Instanz sowie auf die Archivakte des Sozialgerichts Bayreuth S 8 U 10/93 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entschädigung gegen die Beklagte auf Grund des Todes ihres Ehemannes. Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 25.06.1992 liegen nicht vor. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Todes des Ehemannes der Klägerin abgelehnt, weil dieser nicht infolge eines Arbeitsunfalls ums Leben gekommen ist (§§ 589, 590 Reichsversicherungsordnung [RVO]).
Nach § 44 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt zurückzunehmen, wenn bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht wurden. Die durch eine gerichtliche Entscheidung erfolgte Bestätigung des Verwaltungsaktes steht der erneuten Überprüfung nicht entgegen (vgl BSG SozR 1500 § 141 Nr 2).
Die Beklagte ist bei ihrer Entscheidung vom 25.06.1992 nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen und hat das Recht nicht unrichtig angewandt. Nach der zur Zeit des Unfalls und des Todes des S noch geltenden RVO (vgl das Übergangsrecht des am 01.01.1997 in Kraft getretenen Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, §§ 212 ff) ist bei Tod durch Arbeitsunfall Sterbegeld, Überführungskosten und Hinterbliebenenrente zu gewähren (§ 589 Abs 1 RVO).
"Tod durch Arbeitsunfall" setzt voraus, dass der Tod durch den Arbeitsunfall verursacht wurde. Nach der im Sozialrecht geltenden Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung genügt im Gegensatz zu der z.B. im Strafrecht geltenden naturwissenschaftlichen Bedingungs- oder Äquivalenztheorie ("conditio sine qua non") nicht jedes Glied in einer Ursachenkette, um die Verursachung zu bejahen. Als kausal und rechtserheblich werden vielmehr nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSGE, 1, 72, 76; 1, 150, 156 f). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76). Haben mehrere Ursachen zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie rechtlich nur dann nebeneinander stehende (wesentliche) Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs annähernd gleichwertig sind; kommt einer der Ursachen gegenüber der anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist die überragende Ursache allein Ursache im Sinne des Sozialrechts (BSGE 1, 150, 156).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSGE 12, 242; 48, 228) ist davon auszugehen, dass die auf Alkoholgenuss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ausschließt, wenn sie die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund drängt, dass sie als die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalles anzusehen ist (vgl Brackmann/Krasney SGB VII, § 8 RdNr 345 mwN). Der Begriff der rechtlich wesentlichen Ursache ist ein Wertbegriff. Die Frage, ob eine Mitursache für den Erfolg rechtlich wesentlich gewesen ist, beurteilt sich nach dem Wert und der Bedeutung, die hier die Auffassung des täglichen Lebens für das Zustandekommen des Erfolges gibt. Danach ist eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit, die bei der Entstehung des Unfalls mitgewirkt hat, gegenüber den betriebsbedingten Umständen als rechtlich allein wesentliche Ursache zu werten, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens davon auszugehen ist, dass der Versicherte, hätte er nicht unter Alkoholeinfluss gestanden, bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre. Er ist dann nicht einer Betriebsgefahr erlegen, sondern nur "bei Gelegenheit" einer versicherten Tätigkeit verunglückt (BSGE 48, 228; BSG, Urteil vom 25.01.1983 - 2 RU 35/82 - HVGBG Rundschreiben VB 41/93). Es muss vergleichend gewertet werden, welcher Umstand gegenüber der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit etwa gleichwertig und welcher demgegenüber derart unbedeutend ist, dass er außer Betracht bleiben muss. Zu den unternehmensbezogenen Umständen (Mitursachen) gehören auch die mit der Teilnahme am Verkehr verbundenen Gefahren (BSGE 43, 110). Ein Unfall ist dann auf die Alkoholbeeinflussung zurückzuführen, wenn Anzeichen vorhanden sind, die auf ein alkoholtypisches Fehlverhalten hindeuten und andere betriebsbedingte Umstände, die für den Unfall ursächlich sein könnten, nicht vorlagen. Lässt sich ein klares Beweisergebnis über die Ursache des Unfalls, der einen unter Alkoholeinfluss stehenden Verkehrsteilnehmer betroffen hat, nicht erzielen, sind also sonstige Unfallursachen nicht erwiesen, so spricht die Lebenserfahrung dafür, dass die auf die Alkoholbeeinflussung beruhende Fahruntüchtigkeit den Unfall verursacht hat - Beweis des ersten Anscheins (BSGE 36, 35).
Der Kläger war alkoholbedingt fahruntüchtig. Der Senat geht von der von Prof. Dr.W. festgestellten BAK von 0,8 Promille zum Zeitpunkt des Unfalls aus. Prof. Dr.W. hat bei der Bestimmung des BAK das bei Leichenblut obligatorische Untersuchungsverfahren der Gaschromatographie angewandt (Praxis der Rechtsmedizin, Forster, 1986, Der Alkoholnachweis S 439). Beim Kläger lag mit einer BAK von 0,8 Promille nur eine sogenannte relative Fahruntüchtigkeit vor, d.h. die BAK lag unter dem von der Rechtsprechung entwickelten Grenz-Grad für die absolute Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille (vgl BGHSt 37, 89 und BSG NZV 1998, 114 = SGb 1998, 600). Es ist aber schon bei Blutalkoholspiegeln zwischen 0,6 und 0,7 Promille mit einer dreifachen Fehlerzahl je Zeiteinheit zu rechnen, so dass dann Konstellationen wahrscheinlich werden, dass bei rund 20 optischen Eindrücken, die je Sekunde verarbeitet werden können, nicht nur die absolute Zahl der verarbeitbaren optischen Eindrücke sinkt, sondern es auch zunehmend wahrscheinlicher wird, dass sich zwei Fehler nacheinander ereignen, also dass ein auch beim Nüchternen jederzeit möglicher Fehler nicht mehr rechtzeitig korrigiert werden kann (so LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1986, 850). Bei einer BAK von 0,8 ist davon auszugehen, dass der Unfall auf einem alkoholbedingten Fahrfehler beruht und ein Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ausscheidet, wenn nach einer Prüfung aller fallbezogenen Umstände auf das Gewicht ihres Ursachenbeitrages zu einem Verkehrsunfall hin nichts anderes ersichtlich ist, was sich als bessere Erklärung für eine unvorsichtige Fahrweise oder unterlassene Reaktion anbietet (LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1985, 116; ebenso BayLSG, Urteil vom 14.11.2001 Az: L 2 U 140/01 bei einer BAK von 0,88; BayLSG, Urteil vom 10.06.1997, Az: L 17 U 358/94 bei einer BAK von 0,41).
Der Versicherungsschutz des S ist nicht etwa deshalb erhalten geblieben, weil die Unaufmerksamkeit auch einem nicht alkoholisierten Kraftfahrer hätte passieren können. Bei einem Vergleich alkoholbedingter Unfälle mit Unfällen aus innerer Ursache ist für die Wertentscheidung auch der Schutzzweck der anzuwendenden Norm zu beachten. Dieser Schutzzweck rechtfertigt es, Unfälle unter Alkoholeinfluss im Rahmen der Wertentscheidung der wesentlichen Bedingung eines Unfalles anders zu bewerten als sonst Unfälle aus innerer Ursache (Brackmann/Krasney aaO RdNrn 312 und 346 mwN). So wird der Unfallversicherungsschutz nach der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 19.12.2000 SozR 2200 § 550 Nr 21 und Urteil vom 04.06.2002 SozR 3-2700 § 8 Nr 10) nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Versicherte auf Grund seiner Fahrweise wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung bestraft wird, auch wenn der Unfall auf dieser Verhaltensweise beruht (Abgrenzung zu BSG vom 11.10.1994 SozR 3-3200 § 81 Nr 12). Denn auf eine Abwägung zwischen dem betrieblichen Interesse und der Sicherheit des Straßenverkehrs kommt es aus unfallversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht an. Eine durch grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fahrweise fahrlässig begangene Gefährdung des Straßenverkehrs ist hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens des inneren Zusammenhangs mit der betrieblichen Tätigkeit nicht mit einer durch Fahren unter Alkoholeinwirkung verursachten Verkehrsgefährdung infolge herabgesetzter Fahrtüchtigkeit gleichzusetzen. Denn während der Alkoholgenuss wegen der damit untrennbar verbundenen Herabsetzung oder Aufhebung der Fahrtüchtigkeit generell nicht betriebsdienlich ist, kann das Fahren auch bei grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Fahrweise noch betriebsdienlich sein (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 10). Es kommt also nicht darauf an, wie sich irgendein nüchterner Kraftfahrer oder durchschnittlicher Kraftfahrer ohne Alkoholeinfluss verhalten hätte, vielmehr ist allein entscheidend, ob zum Unfallzeitpunkt eine erhebliche Alkoholbeeinflussung an der Unfallentstehung derart mitgewirkt hat, dass die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die unternehmensbedingten Umstände so in den Hintergrund gedrängt hat, dass diese nicht mehr als rechtlich wesentliche Ursachen des Unfalls berücksichtigt werden können (aaO).
Nach Lage des Falles ist die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des S die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls gewesen. Es ist davon auszugehen, dass S, hätte er nicht unter Alkoholeinfluss gestanden, bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre. Denn S fuhr unter Missachtung eines Stoppschildes in eine Bundesstraße ein und übersah dabei einen von links kommenden LKW. Dieses Verhalten des S ist zur Überzeugung des Senats auf die Alkoholbeeinflussung zurückzuführen. Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Arbeitgeber und der Beklagten davon aus, dass sich S zum Unfallzeitpunkt auf dem Rückweg von der Kontrolle eines gemeindlichen Tiefbrunnens befunden hat. S waren somit auf Grund seiner Beschäftigung als Wasserwart die örtlichen Gegebenheiten der Einfahrt des Flurbereinigungsweges in die Bundesstraße bekannt. Für ein alkoholtypisches Fehlverhalten sprechen eine regelwidrige und besonders sorglose Fahrweise, nachlassende Aufmerksamkeit, verminderte Reaktionsfähigkeit und gesteigerte Risikobereitschaft (so BayLSG Urteil vom 10.06.1997 Az: L 17 U 358/94). Die Gefahrschwelle liegt bei einer BAK von 0,2 bis 0,3 Promille (vgl Alkohol und Straßenverkehr, Faktensammlung, Herausgeber Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V. Bonn 1999 S 79). Eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit ist im Einzelfall schon bei BAK-Werten von 0,2 bis 0,3 Promille möglich, jedoch um so wahrscheinlicher, je höher die Blutalkoholwerte sind (Praxis der Rechtsmedizin aaO S 457). Die Aufmerksamkeit des KFZ-Führers nimmt schon bei einer BAK von 0,3 Promille ab (Alkohol und Straßenverkehr aaO S 88). Eine BAK von 0,5 Promille bewirkt eine deutliche Erhöhung der Risikobereitschaft. Damit verbunden ist eine Steigerung des Leichtsinns, der Sorglosigkeit und Leichtfertigkeit (aaO S 90). Bei einer BAK ab 0,8 Promille sind optische Reize um 90 bis 95 % verlängert, die Fehlerzunahme beträgt 25 % und die einfache Reaktionszeit ist um 35 % verlängert (Praxis der Rechtsmedizin aaO S 456). Bei einer BAK von 0,8 Promille ist das Unfallrisiko vervierfacht (Schwerd, Rechtsmedizin, 5.Auflage 1992, S 104). Störungen der Sehleistung sind besonders gefährlich. Verschlechterungen der Sehleistung, z.B. falsches Entfernungsschätzen ist schon bei einer BAK von unter 1 Promille zu finden (aaO S 120). Im Hinblick auf die bei einer BAK von 0,8 bestehenden Ausfälle der körperlichen Leistungsfähigkeit ist der Senat der Überzeugung, dass der Unfall in nüchternem Zustand hätte vermieden werden können.
Andere betriebsbedingte Umstände, die für den Unfall ursächlich sein könnten, waren nach den Feststellungen der Polizei nicht gegeben. Es bestand keine Sichtbehinderung in Richtung des herannahenden LKW, weder durch Vegetation noch durch die Wetterverhältnisse oder Bauwerke.
Nach alledem war die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des S die rechtlich allein wesentliche Ursache mit der Folge, dass S im Unfallzeitpunkt nicht unter Versicherungsschutz nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO gestanden hat.
Der Unfallversicherungsschutz des S blieb auch nicht wegen der Verletzung einer Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erhalten. Die Gemeinde war nicht verpflichtet, das weitere Führen des Dienstfahrzeuges durch S zu unterbinden. Zwar treffen den Arbeitgeber grundsätzlich Aufsichts- und Fürsorgepflichten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, die ihn verpflichten, das jeweils Gebotene zu tun, um betriebsbedingte Schäden vom Arbeitnehmer abzuhalten. Wenn ein Arbeitgeber zu der Überzeugung gelangen muss, dass ein Versicherter wegen einer bestehenden Alkoholabhängigkeit zur Führung eines Dienstfahrzeuges nicht mehr imstande ist, gebietet es seine Fürsorgepflicht, den Versicherten mit sofortiger Wirkung das Dienstfahrzeug zu entziehen, um Schaden vom Versicherten und anderen Verkehrsteilnehmern abzuwenden. Ein wesentliches Prinzip der gesetzlichen Unfallversicherung ist das der Haftungsersetzung für Unternehmer gegenüber ihren Beschäftigten (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 41; Gitter/Nunius in Schulin, HS-UV, § 5 RdNr 28, 51, 119). Durch die Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung für Beschäftigte wurde die diesen gegenüber bestehende Haftung der Unternehmer bzw. der Arbeitgeber für schuldhaftes Verhalten auch bei der Verletzung von Schutz- oder Fürsorgepflichten sowie aus Gefährdungshaftung ersetzt (BSG aaO). Mit dem unfallrechtlichen Entschädigungsanspruch tritt zugleich eine Ersetzung der zivilrechtlichen Haftung des Unternehmers ein. Der Begriff der Fürsorgepflicht beschreibt herkömmlich die dem Arbeitgeber obliegenden Pflichten, die dieser bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitnehmer zu beachten hat. Es handelt sich dabei um eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht (vgl BAG, AP Nr 7 zu § 615 BGB Böswilligkeit). Im Falle einer schuldhaften Verletzung der Fürsorgepflicht kann der Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der Haftung für positive Vertragsverletzung Schadenersatz verlangen (so LAG Baden-Württemberg AP Nr 2 zu § 611 BGB Mobbing). Diese Unternehmerhaftung wird durch die gesetzliche Unfallversicherung abgelöst.
Eine schuldhafte, d.h. zumindest fahrlässige Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber des S liegt nach Auffassung des Senats indes nicht vor. Eine solche Verletzung der Fürsorgepflicht wäre nur dann zu besorgen, wenn S zum Zeitpunkt des Unfalles alkoholabhängig gewesen wäre und die Gemeinde hiervon hätte ausgehen müssen. Zum Einen ist eine Alkoholabhängigkeit des S nicht nachgewiesen, zum Anderen hat für die Gemeinde - über die erfolgte Abmahnung hinaus - nach den Gesamtumständen keine Verpflichtung zu weitergehenden Aufsichtspflichten bestanden. Nach Sachlage ging die Gemeinde zu Recht davon aus, dass S (lediglich) Alkoholmissbrauch betrieb. Für die Annahme einer Alkoholabhängigkeit mit einem daraus resultierenden Kontrollverlust des S bestand für die Gemeinde aber kein Anlass. Der Begriff der Alkoholabhängigkeit ist von dem des Alkoholmissbrauchs abzugrenzen (so Alkohol und Straßenverkehr, Faktensammlung, Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften aaO S 21). Danach liegt Alkoholmissbrauch vor, wenn mindestens eines der beiden folgenden Kriterien über längere Zeit besteht: - Alkohol wird fortgesetzt konsumiert, obwohl dem Konsumenten bewusst ist, dass sich bei ihm dadurch soziale, berufliche oder körperliche Probleme immer wiederholen. - Alkohol wird wiederholt in Situationen konsumiert, in denen der Alkoholkonsum eine körperliche Gefährdung darstellt, wie z.B. Alkohol am Steuer.
Die (sichere) Diagnose "Alkoholabhängigkeit" sollte nach den diagnostischen Leitlinien der Alkoholabhängigkeit nach dem international gebräuchlichen psychiatrischen Klassifikationssystem "International Classification of Deceases" (ICD) nur gestellt werden, wenn während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren: 1. Starker Wunsch oder eine Art Zwang psychotrope Substanzen zu konsumieren
2. Verminderung der Fähigkeit, Beginn, Beendigung und Menge des Konsums zu kontrollieren
3. Körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums
4. Nachweis einer Toleranzentwicklung
5. Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzkonsums
6. Fortsetzen des Alkoholkonsums trotz Kenntnis von Art und Ausmaß der schädlichen Folgen (aaO S 22).
Der Senat vermag für den Fall, dass bei S lediglich ein Alkoholmissbrauch der oben genannten Art vorgelegen hat, eine zumindest fahrlässige Fürsorgepflichtverletzung der Gemeinde nicht zu erkennen. Bei einem bloßen Alkoholmissbrauch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit des Versicherten bereits soweit eingeschränkt ist, dass das Fahren unter Alkoholeinfluss nicht mehr als eigenverantwortliche Schädigung gewertet werden kann. Bei einer eigenverantwortlichen Schädigung stellt - wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat - das Unterlassen des Arbeitgebers sich als eine untergeordnete Mitverursachung dar, bei der nicht mehr von einer wesentlichen Bedingung gesprochen werden kann. Es ist daher davon auszugehen, dass die Gemeinde mit der Abmahnung des S wegen des vermuteten Fahrens mit dem Dienstfahrzeug unter Alkoholeinfluss das Gebotene getan hat. Sie hat mit der Abmahnung auch ihrer Einschätzung der mit dem Alkoholgenuss verbundenen Gefährdungslage Ausdruck verliehen. S hat eigenverantwortlich trotz Abmahnung entschieden, alkoholisiert mit dem Dienstfahrzeug zu fahren. Diese eigenverantwortliche Entscheidung hat zum Verlust des Unfallversicherungsschutzes geführt. Hierfür musste die Gemeinde nicht einstehen.
Etwas anderes würde gelten, wenn die Gemeinde die Überzeugung hätte gewinnen müssen, dass S alkoholabhängig ist. In einem solchen Fall wäre die Gemeinde im Rahmen ihrer Fürsorge zum sofortigen Handeln, nämlich dem Unterbinden weiterer Dienstfahrten durch S, verpflichtet gewesen. Bei einer Alkoholabhängigkeit ist die Fähigkeit, Beginn, Beendigung und Menge des Konsums zu kontrollieren, vermindert (aaO S 22). Beim Vorliegen verminderter Einsichtsfähigkeit kann nicht mehr von einer eigenverantwortlichen Schädigung gesprochen werden. Dies hat zur Folge, dass die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebietet, Gefährdungen des Arbeitnehmers durch einen alkoholisierten Zustand zu unterbinden. Eine Fürsorgepflichtverletzung würde den Versicherungsschutz des S dann trotz Fahrens unter Alkoholeinfluss nicht ausschließen. Eine Fürsorgepflichtverletzung könnte aber nur dann vorliegen, wenn der Auslöser für die Pflichtverletzung - nämlich die Alkoholabhängigkeit - nachgewiesen wäre und die Gemeinde hiervon Kenntnis gehabt hätte. Die Beweispflicht hierfür obliegt nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast der Klägerin. Dabei geht der Senat davon aus, dass in solchen Fällen keine überzogenen Anforderungen an den Nachweis der Alkoholabhängigkeit zu stellen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG können Eigentümlichkeiten eines Sachverhalts in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass sein, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen (vgl BSGE 19, 52). Das bedeutet, dass der Unfallversicherungsträger oder das Gericht schon auf Grund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein kann (vgl BSG vom 12.06.1990 - 2 RU 58/89 = HV-INFO 1990, 2064). Eine solche Beweiserleichterung könnte der Klägerin zugute kommen, da die Feststellung bzw. der Nachweis einer Alkoholabhängigkeit bei Fehlen medizinischer Feststellungen im Hinblick auf die oben dargelegten Kriterien der Alkoholabhängigkeit schwer zu führen ist. Der Senat erachtet aber das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit im Zeitpunkt des Unfallgeschehens auch bei Anlegung verminderter Beweisanforderungen nicht für hinreichend dargetan. Die pure Möglichkeit oder die bloße Wahrscheinlichkeit der Alkoholabhängigkeit genügen als Voraussetzung für die Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung nicht. Vielmehr müssen nach Auffassung des Senats die Umstände im Einzelfall zwingend darauf schließen lassen, dass die Grenze vom Alkoholmissbrauch zur Alkoholabhängigkeit bereits überschritten ist und dieses für den Arbeitgeber erkennbar war oder hätte erkennbar sein können. Solche zwingenden Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Aus dem der Abmahnung wegen Trunkenheit beim Führen des Dienstfahrzeuges zugrundeliegenden Sachverhalt musste die Gemeinde nicht zwangsläufig auf eine Alkoholabhängigkeit des S schließen. So sind die abgemahnten Leistungsmängel nicht beweisend für das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit. Diese lassen sich auch durch fortgesetzten Alkoholmissbrauch erklären. Die Berichte von Bürgern über Beinaheunfälle mit dem Dienstfahrzeug beweisen ebenfalls nicht das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit, da solche Situationen auch durch allgemeine Unaufmerksamkeit oder überhöhte Geschwindigkeiten entstehen können. Zwar berichtete die Ehefrau des S vor dem SG am 20.09.1993 von einem jahrzehntelangen hohen Bierkonsum ihres Ehemannes. Sie äußerte aber auch, dass die meisten Leute nicht gewusst hätten, dass ihr Ehemann so viel trinke, weil man ihm nichts angemerkt habe. Auch sei ihr Ehemann topfit gewesen, wenn er aufgestanden war. Für die Frage, ob der Gemeinde eine Fürsorgepflichtverletzung vorzuwerfen ist, kommt es aber nicht auf die Kenntnis der Ehefrau vom Trinkverhalten, sondern auf die Kenntnis der Gemeinde an. Es gibt nach Lage der Akten nichts, was darauf hindeutet, dass der Gemeinde ein tägliches exzessives Trinkverhalten des S bekannt gewesen ist. S war weder längere Zeit dienstunfähig erkrankt, noch ergibt sich aus der Personalakte, dass S wegen Führens eines Dienst-KFZ unter Alkoholeinfluss polizeilich aufgefallen wäre. Selbst dem Hausarzt des S, bei dem sich dieser in der Zeit vom 03.04.1991 bis 11.11.1991 in Behandlung befunden hat, war nichts über einen Alkoholkonsum und dessen Ausmaß bekannt. Schließlich spricht auch gegen eine Kenntnis der Gemeinde von einer Alkoholabhängigkeit des S, dass sie S im Wege der Änderungskündigung im Bauhof weiterbeschäftigen wollte. Wenn die Gemeinde S für alkoholabhängig erachtet hätte, wären Rehabilitationsmaßnahmen angezeigt gewesen. Nach Sachlage kann dem Arbeitgeber somit keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis einer etwaigen Alkoholabhängigkeit des S unterstellt werden. Eine Verletzung der Aufsichts- und Fürsorgepflicht, weil die Gemeinde die Führung des Dienstfahrzeuges am Unfalltag nicht verhindert hat, hat somit nicht vorgelegen.
Die vom Sozialgericht im Urteil vom 29.09.1993 geäußerte Ansicht, dass der Unfall in suizidaler Weise von S herbeigeführt worden sein könnte, ist rein spekulativ. Es liegen weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Anknüpfungspunkte vor, die einen Arbeitsunfall auf Grund einer Selbsttötung nahe legen. Auch die Klägerin geht davon aus, dass "für eine Selbstmordabsicht jegliche konkreten Anhaltspunkte fehlen" (so im Schreiben vom 29.03.1999 an die Beklagte). Eine Selbsttötung ist dann ein Arbeitsunfall, wenn der Versicherte durch betriebsbedingte Umstände ein psychisches Trauma erleidet, dadurch in einen Zustand der wesentlichen Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Willensbildung gerät und einen Suizid begeht (BSG HV-INFO 1984, Nr 8, 33-38). Eine psychische Beeinträchtigung kommt als Unfallursache aber nur dann in Betracht, wenn es sich bei ihr um einen psychischen Schock handelt, d.h. um eine schlagartig auftretende psychische Erschütterung, die auf der Vorstellung beruht, sich in einer ausweglosen Situation zu befinden (so BSG SozR 2200 § 1252 Nr 6; HVBG-INFO 1999, 238-243). Eine schädigende, auch psychische Einwirkung erfüllt nur dann den Tatbestand eines Unfalles, wenn sie innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums, höchstens innerhalb einer Arbeitsschicht geschehen ist (BSG aaO).
Für die Annahme, dass S wegen der bevorstehenden Änderungskündigung seines Arbeitsverhältnisses in suizidaler Weise die Vorfahrt des LKW missachtet hat, ergeben sich nach den Gesamtumständen keinerlei Hinweise. Es ist zum Einen schon nicht bekannt, ob S von der bevorstehenden Kündigung zum Zeitpunkt des Unfalles Kenntnis hatte. Zum Anderen gibt es darüberhinaus keine Hinweise dafür, dass berufsbedingte Einwirkungen gerade am Unfalltag bei S zu einem psychischen Trauma im Sinne einer schlagartig auftretenden schweren Erschütterung geführt haben. Die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalles war vielmehr die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des S.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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