L 8 RA 15/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 2 RA 90/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RA 15/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 RA 14/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Nach Revision Zurückverweisung an LSG
Neues Az. = L 8 R 175/05, dieses erledigt durch Rücknahme!
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.02.2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind zwischen den Beteiligten nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin als Aerobic-Trainerin der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterliegt.

Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 01.11.2001 in drei bis fünf verschiedenen Studios als Aerobic-Trainerin tätig. Ihre fachliche Kompetenz erwarb die Klägerin auf autodidaktische Weise und in Wochenendseminaren. Aufgrund ihres Antrags auf Feststellung des Versicherungsstatus bestimmte die Beklagte mit Bescheid vom 04.11.2002 die Versicherungspflicht gem. § 2 S. 1 Ziff. 1 des sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI).

Die Klägerin legte Widerspruch ein, mit dem sie vortrug, sie entwerfe kein individuelles Trainingsprogramm für die bis zu 30 Teilnehmer, es sei nur ihre Aufgabe, das Training zu überwachen.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2003 den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, es handele sich bei der Klägerin nicht um eine Fitnesstrainerin, sondern um eine Aerobic-Trainerin. Dieser Personenkreis unterliege wie ein Tanzlehrer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Hiergegen hat die Klägerin am 17.07.2003 Klage erhoben. Sie hat zur Begründung vorgetragen, sie sei nicht Lehrerin im Sinne des Gesetzes. Ihre beruflichen Tätigkeiten ließen sich in drei überschneidende Bereiche aufgliedern, nämlich musikgestütztes Bewegungstraining, Fitness- und Krafttraining sowie Training der Ausdauer und Schnellkraft. Bei der Durchführung der Kurse beschränke sie sich auf deren Organisation und begleite die Übungsstunden mit allgemeinen Anweisungen an die jeweils betreute Gruppe. Eine pädagogisch orientierte Vorbereitung und Durchführung der Trainingsstunden, eine mentale Unterstützung oder Motivation sei nicht ihr Auftrag; dies könne sie auch nicht bieten, weil sie dafür nicht ausgebildet sei. Es liege keine Wissens- und Kenntnisvermittlung im Sinne des Gesetzes vor.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 04. November 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2003 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, Aufgabe eines Aerobic-Trainers sei es, eine bestimmte Reihenfolge von Bewegungsabläufen vorzubereiten, eine passende Musik auszuwählen und die Bewegungsabläufe und Schrittfolgen den Teilnehmern vorzuführen. Letztlich sei bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung nicht auf die Tätigkeitsbezeichnung, sondern allein auf die Tätigkeitsmerkmale und Inhalte abzustellen. Die Klägerin gehöre zu dem versicherungspflichtigen Personenkreis nach § 2 Abs. 1 Ziff. 1 SGB VI.

Die Klägerin hat dem Gericht zur Stützung ihres Vortrages mehrere Programme der Fitnesscenter überreicht, in denen sie tätig ist (für die Einzelheiten wird auf Bl. 15 - 26 der Prozessakte verwiesen). Danach hat sie z. B. Kurse in Callanetics, Dance-Aerobic und Wirbelsäulen-Gymnastik gegeben und einen Stundenlohn von zumindest 25,60 Euro erzielt.

Mit Urteil vom 26.02.2004 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin gehöre zu dem Personenkreis der Lehrer nach § 2 S. 1 Ziff. 1 SGB VI. Sie mache sich zumindest Grundgedanken über das, was sie in den jeweiligen Kursen an Bewegungsabläufen anbiete. Bei Kursgebühren von zumindest 25 Euro pro Monat sei es selbstverständlich, wenn sie die Bewegungsabläufe im groben überwache. Dies ergebe sich auch aus den Anpreisungen der Kurse. Es spiele dabei keine Rolle, dass die Teilnehmer die Kurse freiwillig besuchten und keine Zertifikate erhielten.

Gegen das ihr am 09.03.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.03.2004 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, die von ihr geleiteten Fitness-Kurse hätten nur das Ziel des gemeinsamen Sporttreibens. Der Kunde bezahle nur für ein motivierendes Umfeld, es müsse nicht erst eine besondere Sportart erlernt werden. Es werde nur motiviert, sich zu bewegen, kein Wissen vermittelt. Selbst wenn der Kursleiter Anweisungen im Hinblick auf die Bewegung gebe, so diene dies nur der schon aus den allgemeinen Vertragsverpflichtungen folgenden Verantwortung, Verletzungen zu vermeiden, oder aber es handele sich um die Anweisung, synchron zur Musik oder zu anderen Teilnehmern Bewegungen auszuführen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.02.2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 04. November 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass ihre Bescheid rechtmäßig seien.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten und der Prozessakten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht haben die Beklagte und das Sozialgericht die Versicherungspflicht der Klägerin als selbständige Lehrerin im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten festgestellt, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt.

Gemäß § 2 S. 1 Ziff. 1 SGB VI sind u. a. versicherungspflichtig Lehrer, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.

Mit der herrschenden Auffassung in der Literatur (KassKomm-Gärtner § 2 Rdnr. 8 SGB VI; Verbandskommentar Anm. 3 zu § 2 SGB VI) und der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (vgl. zuletzt Urteil vom 12. Oktober 2000 B 12 RA 2/99 R in SozR 3-2600 § 2 Nr. 5) geht der erkennende Senat davon aus, dass nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI die Begriffe des Lehrers und Erziehers im weiten Sinne zu verstehen sind. Die Tätigkeit des Lehrers umfasst danach jede Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten des Lehrers, gleich auf welchem Gebiet. Besondere Anforderungen sind weder an die Vorkenntnisse und Fähigkeiten oder die Art der Vermittlung noch an die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten zu stellen. Vermittelt werden können sowohl Kenntnisse auf dem Gebiet der Wissenschaft und Theorie als auch Fähigkeiten auf praktischem Gebiet im beruflichen wie im privaten Bereich (Sport, Freizeitgestaltung jeder Art). Auch knüpft die Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI nicht an ein durch eine Ausbildungsordnung geregeltes Berufsbild an.

Unter Würdigung aller vorliegender Unterlagen und Aussagen gehört die Klägerin zum Kreis der versicherungspflichtigen Lehrer. Sie hat durch Kopien der Programme der von ihr durchgeführten Kurse der verschiedenen Studios dies selbst belegt. So bietet das Wellness-Gesundheitsstudio in L u.a. eine Betreuung durch den Diplomsportlehrer und seine ausgebildeten Trainer, die gelenk- und wirbelsäulenschonendes Training garantieren, an. Das Studio P-sports preist alle angebotenen Kurse mit dem Leitsatz "Schluss mit Rückenproblemen" an. Das Kursangebot des GoFit vom Freizeit- und Breitensport der TSV Bayer 04 Leverkusen hat eine Kursbeschreibung für Aerobic so zusammengefasst: "Schrittkombination zur Förderung der Kondition und Bewegungsdynamik." Unter Dance Aerobic ist ausgeführt: "Klassische Aerobicschritte werden mit verschiedenen Tanztechniken verbunden."

Gerade Kurse wie Callanetics, Dance-Aerobic und auch Rückentraining sind mit Übungen verbunden, die sauber ausgeführte Bewegungsabläufe nötig machen, ansonsten verlieren sie ihre Wirkung. Es ist senatsbekannt, dass ein Rückentraining ein unangeleiteter Fitnesscenterbesucher nicht verrichten könnte, wenn er nicht dazu Anleitung und Hilfe erfährt. Würde die Klägerin nicht zumindest erklären und anweisen, möglicherweise auch eingreifen, hätte der Kurs keinen Sinn. Dies setzt zwangsweise voraus, dass die Klägerin über die reine Einweisung im Bereich eines Fitnessstudios hinaus eine im weitesten Sinne lehrende Funktion hat. Die Klägerin muss sich zumindest Grundgedanken darüber machen, was sie in ihren jeweiligen Kursen an Bewegungsabläufen anbietet; sie führt die Übungen vor und organisiert die Kurse.

Dafür, dass in den einzelnen Kursen nicht nur Begleitung, sondern Anweisung gesucht wird, sprechen auch die Kosten von zumindest 25 Euro der jeweiligen Kurse.

Es spielt dabei keine Rolle, dass die Kursteilnehmer freiwillig am Unterricht teilnehmen und keinerlei Prüfungen abzulegen haben oder Zertifikate erhalten. Ausschlaggebend ist allein die pauschale Wissensvermittlung. Und dies geschieht durch eine Kursleitung.

Die entgegenstehende Auffassung, wonach ein selbstständiger AerobicTrainer nicht Lehrer im Sinne des § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI sei (vgl. SG Berlin vom 20. Oktober 2003 -S 18 RA 6860/02), hält der Senat nicht für überzeugend. Die Aufgabe eines Aerobic-Trainers beschränkt sich gerade nicht auf das Vorführen von Bewegungsabläufen und die Aufforderung der Kursteilnehmer zur Nachahmung. Vielmehr erlernen die Kursteilnehmer gezielt Schrittkombinationen und Bewegungsabläufe und werden in die Lage versetzt, ihre Muskelpartien systematisch zu trainieren.

Auf Grund der Ausführungen des BSG im Urteil vom 12. Oktober 2000 (a.a.O.) hat der Senat auch keine Bedenken, dass die Einbeziehung der selbstständigen Lehrer in die gesetzliche Rentenversicherung verfassungsgemäß ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Regelung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtstreits.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision gegen dieses Urteil zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Es bedarf der höchstrichterlichen Klärung, ob ein Aerobic-Trainer Lehrer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ist.
Rechtskraft
Aus
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