Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 2/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 37/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 23/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.12.2002 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2001 verurteilt, den Unfall des Klägers vom 26.10.1999 als Arbeitsunfall zu entschädigen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten dieses Rechtsstreits zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seines Verkehrsunfalls vom 26.10.1999 als Arbeitsunfall.
Der 1975 geborene Kläger, Produktionskraft bei der Firma H. Präzisionsdrehteile, GBR, erlitt am 26.10.1999 auf dem Heimweg von der Spätschicht gegen 22.50 Uhr einen Unfall. Er kam mit seinem Pkw Renault, Baujahr 1984 oder 1987 auf der Landstraße zwischen H. und B. in einer Rechtskurve mit 2 % Gefälle nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr in einen Acker und überschlug sich mehrmals. Die Straße war 6 m breit, gut ausgebaut und zum Unfallzeitpunkt trocken. Ca. 550 m vor der Unfallstelle war die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt durch das Vorschriftzeichen 274 StVO und 500 m vorher war mit dem Gefahrzeichen 114 StVO auf Schleudergefahr bei Nässe oder Schmutz mit dem Zusatzschild Spurrinnen hingewiesen. Die Länge der Gefahrstrecke betrug 1,5 km. Der Kläger zog sich ein schweres Polytrauma zu und ist seit dem Unfall querschnittsgelähmt.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die einschlägigen medizinischen Unterlagen, ein Leistungsverzeichnis der BKK V. , die Akten der Staatsanwaltschaft E./Landratsamt H./Bußgeldstelle bei. Sie hörte den Arbeitskollegen D. K. , den Bruder H. G. an, holte einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr.W. vom 06.08.2000 sowie Gutachten des Prof.Dr.E.M. (Direktor der Abteilung Rechtsmedizin im Universitätsklinikum U.) vom 13.11.2000 und Prof.Dr.W.E. (Institut für Rechtsmedizin der Universität M.) vom 12.01.2001 ein. Die durchgeführte immunologische Analyse der um 0.25 Uhr entnommenen Blutprobe ergab einen positiven Befund für Cannabis und einen Blutalkoholmittelwert von 0,44 °/oo. Sie holte weiter ein Gutachten des Deutschen Wetterdienstes über die Wetterverhältnisse am 25./26.10.1999 vom 17.08.2000 ein.
Mit Bescheid vom 28.05.2000 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsansprüchen aus Anlass des Unfalls ab. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht zu erbringen, da die zum Unfallzeitpunkt bestehende alkohol- bzw. drogenbedingte relative Fahruntüchtigkeit als rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall zu werten sei.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei aufgrund eines die Fahrbahn überquerenden Rehs auf der nassen Fahrbahn ins Schleudern geraten. Cannabis habe er zuletzt vier Tage vor dem Unfall genommen. Straf- und Bußgeldverfahren seien eingestellt worden. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2001 den Widerspruch zurück mit der Begründung, der Cannabisgenuss sei in Verbindung mit Alkohol allein wesentliche Ursache für den Unfall gewesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 26.10.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Er hat vorgetragen, der vier Tage zurückliegende Cannabiskonsum habe nicht zu einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit geführt. Er sei bei Fahrtantritt durchaus fahrtüchtig gewesen wie sein Arbeitskollege K. , den er nach Hause gefahren habe, bezeugen könne. Wegen eines auf der Fahrbahn stehenden Rehs sei ein Ausweichmanöver erforderlich gewesen. Bei gleicher Sachlage wäre auch ein nüchterner Verkehrsteilnehmer verunglückt.
Das SG hat die Akten der Staatsanwaltschaft E. sowie das Notarzteinsatzprotokoll beigezogen und den Zeugen M. J. , der den Unfallverletzten aufgefunden hatte, am 21.04. 2002 schriftlich gehört.
Mit Urteil vom 16.12.2002 hat das SG - dem Antrag der Beklagten entsprechend - die Klage abgewiesen. Die Fahruntüchtigket infolge der Kombinationswirkung von Alkohol und Betäubungsmitteln sei die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall gewesen. Für ein durch ein Reh verursachtes Ausweichmanöver gebe es keinen Nachweis.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er hat darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Blutentnahme die Verwendung von Alkohol im Bereich der Einstichstelle zur Verfälschung der BAK geführt habe.
Der Senat hat die Akte des Landratsamtes Heidenheim beigezogen und eine ergänzende Stellungnahme des Prof.Dr.E. vom 15.06.2004 eingeholt. Danach sei eine Verfälschung der BAK durch die Desinfektion nicht anzunehmen. Das Auffinden von THC (Tetrahydrocannabinol) in der Blutprobe beweise, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter der Wirkung von Cannabis gestanden habe, so dass der Unfallablauf auf die kombinierte Wirkung von Alkohol und THC zurückgeführt werden könne.
In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass die Landstraße zwischen H. und B. inzwischen neu gestaltet sei. Es gebe dort jetzt eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h und ein durchgehendes Überholverbot. Die Fahrbahndecke sei erneuert worden. Der Straßenverlauf sei derselbe geblieben.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 16.12.2002 und des Bescheides vom 28.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2001 zu verurteilen, ihm aus Anlass des Unfalls vom 26.10.1999 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.12.2002 zurückzuweisen, hilfsweise ein verkehrstechnisches Gutachten insbesondere zur Frage der durch Spurrinnen zu erwartenden Verkehrsgefahren einzuholen sowie die Originalaufnahmen vom Unfallort beizuziehen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten und der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der beigezogenen OWI-Akte des Landratsamtes H. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.
Sie ist auch begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Entschädigung wegen der Folgen seines Unfalls vom 26.10.1999 gemäß §§ 8 Abs.1 und 2, 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Gemäß § 8 Abs.1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer die den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs.2 Nr.1 SGB VII). Der Kläger befand sich im Unfallzeitpunkt am 26.10.1999 auf dem Heimweg von der Arbeit (Spätschicht) auf der Landstraße zwischen H. und B. , also auf einem unfallversicherungsrechtlich geschützten Weg im Sinne der vorgenannten Vorschrift. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger von seiner betrieblichen Tätigkeit gelöst hatte oder dass sich der Unfall auf einem unversicherten Umweg ereignete, liegen nicht vor. Der Kläger stand, weil der Fahrtweg mit der versicherten Tätigkeit im inneren Zusammenhang stand, daher grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der Versicherungsschutz ist entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG nicht entfallen, weil der Kläger auf dem Heimweg unter Alkohol- und Drogeneinfluss stand. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seit 30.06.1960 (BSGE 12, 242), schließt die auf Alkoholgenuss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht aus, sondern nur dann, wenn sie die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund drängt, dass sie als rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen ist. Ob alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Unfallursache war, hängt somit zunächst davon ab, ob Fahruntüchtigkeit vorlag. Diese muss unter Außerachtlassung von nur denkbaren Möglichkeiten nachgewiesen sein. Ebenso wie die sonstigen positiven Tatbestandsmerkmale in der Unfallversicherung des vollen Beweises bedürfen, wie z.B. die versicherte Tätigkeit, das Vorliegen einer Krankheit, gilt dies auch für das sog. "negative Tatbestandsmerkmal" der Fahruntüchtigkeit (BSGE 43, 111; 45, 283; Bereiter-Hahn/Mehrtens § 8 Anm.12.43). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung vom Vorliegen der Tatsache zu begründen (Bereiter-Hahn/Mehrtens § 8 Anm.10). Geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts sind ausnahmsweise beim ursächlichen Zusammenhang deshalb zugelassen, weil Letzterer zu den Tatsachen gehört, für die ein strenger Beweis kaum zu führen sein wird. Es werden deshalb Beweiserleichterungen dahin eingeräumt, dass lediglich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Kausalität bestehen muss.
Im vorliegenden Fall ist alkohol- bzw. drogenbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls nicht nachgewiesen.
Von alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit ist ohne besondere Beweisanzeichen nach der neuen Rechtsprechung des BSG in Übereinstimmung mit dem Strafrecht ab einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,1 °/oo auszugehen (vgl. BSG vom 25.11. 1992, 2 RU 40/91 = MESO B 330/63 mit Hinweis auf BGH, NJW 19, 190, 2393). Dieser Wert wird vom Kläger nicht erreicht. Es ist vielmehr von einer BAK von 0,44 °/oo auszugehen - wie die Sachverständigen darlegen - da beim Kläger die genaue Trinkmenge, das am Unfalltag eingenommene Essen und das Trinkende nicht exakt festgestellt werden konnten. Der Senat nimmt bezüglich der Rückrechnung der BAK zum Unfallzeitpunkt die nach medizinischen Erkenntnissen gegebenen Mindestvoraussetzungen an, wie sie sich aus den Gutachten des Prof.Dr.M. und Prof.Dr.E. ergeben. Die nachgewiesene Einnahme von Cannabis führt nicht zur absoluten Fahruntüchtigkeit, denn es gibt derzeit noch keinen wissenschaftlich allgemein anerkannten absoluten Grenzwert nach Drogengenuss (Bereiter-Hahn/Mehrtens § 8 Anm.12.45). Auch legt Prof.Dr.E. dar, dass selbst nach Drogenaufnahme von hohen und sehr hohen Konzentrationen nur relative Fahruntüchtigkeit zu diskutieren ist. Das Gleiche gilt, wenn - wie hier - die Konzentration am unteren Rand des Bereichs liegt, in dem von einer Wirkung ausgegangen werden kann und ein Konzentrations/Wirkungskorrelat nicht festzustellen ist.
Der Kläger war auch nicht nachweisbar relativ fahruntüchtig. Relative Fahruntüchtigkeit liegt vor, wenn die BAK unterhalb des Grenzwertes von 1,1 °/oo liegt, aber aufgrund sonstiger Beweisanzeichen sog. alkoholtypischer Ausfallserscheinungen der Nachweis von Fahruntüchtigkeit geführt werden kann (BSGE 45, 285; Ricke, KassKomm § 8 SGB VII Rdnr.117). Auch für eine rauschbedingte relative Fahruntüchtigkeit nach Drogengenuss sind Beweisanzeichen im Einzelfall entscheidend (Bereiter-Hahn/ Mehrtens § 8 Anm.12.45). Als alkoholtypisch sind grundsätzlich (nur) solche Verhaltensweisen zu bewerten, die sich nur durch den Alkohol/Drogengenuss erklären lassen, die bei unter Alkoholeinfluss fahrenden Personen wesentlich öfter vorkommen als gewöhnlich. Allein ein Fehlverhalten, ein Fahrfehler oder Verstöße gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung lassen den zwingenden Schluss auf alkohol/drogenbedingte Fahruntüchtigkeit nicht zu. Nicht alkoholtypisch sind Verhaltensweisen, die, wenn auch objektiv fehlerhaft, bei einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern in vergleichbaren Situationen vorkommen können. Als alkoholtypische Beweisanzeichen hat das BSG angesehen die Fahrweise des Betroffenen wie überhöhte Geschwindigkeit, Fahren in Schlangenlinien, plötzliches Bremsen oder wie das LSG Berlin im Urteil vom 18.01.2001 - Az.: L 3 U 121/99 - ausführt: Missachten von Vorfahrtszeichen oder roter Ampel oder das Überqueren einer größeren Kreuzung ohne Reduzierung der Geschwindigkeit.
Die typischen Ausfallserscheinungen müssen zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen. Annahmen und Vermutungen reichen ebenso wie die bloße Wahrscheinlichkeit nicht aus (BSGE 35, 216, 218; BSG SozR 2200 § 550 Nr.29). Damit ist durch die Ausführungen von Prof.Dr.E. und Prof.Dr.M. , die beim Zusammenwirken von Alkohol und Rauschgift grundsätzlich falsche Sinneseindrücke, gestörte Konzentration und Aufmerksamkeit konstatieren, noch nicht nachgewiesen, dass im konkreten Einzelfall relative Fahruntüchtigkeit vorgelegen hat. Es kommt auch hier entscheidend auf den Nachweis charakteristischer Ausfallserscheinungen an.
Derartige typische Ausfallserscheinungen sind beim Kläger nicht nachgewiesen. Der Kläger fuhr, wie der Arbeitskollege D. K. bestätigt hat, ohne Zeichen einer Alkohol- oder Drogeneinwirkung. Welche Geschwindigkeit er gefahren ist und um wieviel km/h er die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h überschritten hat, ist nicht festgestellt. Die Verkehrsunfallbeschreibung des Polizeireviers G. (Tagebuchnummer 2573/99) sagt aus, dass der Kläger infolge überhöhter bzw. nicht angepasster Geschwindigkeit in einer leicht abschüssigen Rechtskurve ins Schleudern kam und nach rechts von der Fahrbahn abkam. Unmittelbar nach dem Unfall wurden aber von der Polizei keine Messungen vorgenommen, die Aufschluss über die Fahrgeschwindigkeit hätten geben können. Auch eine Untersuchung des Unfallfahrzeugs fand nicht statt. Das Maß der gefahrenen Geschwindigkeit ist somit nicht festgestellt und die Angabe der Polizei eine bloße Vermutung. Der Kläger selbst gab an, er sei 100 km/h gefahren. Eine nur geringe Geschwindigkeitsüberschreitung aber stellt nach Auffassung des Senats kein besonderes alkoholtypisches Verhalten dar. Denn es ist eine täglich zu beobachtende Realität, dass auf gut ausgebauten Straßen bei trockener Fahrbahn die Geschwindigkeitsbegrenzung auch bei Dunkelheit nicht eingehalten wird. Es ist somit zum einen nicht erwiesen, dass der Kläger tatsächlich mit weit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist und zum anderen kann im Vergleich mit dem gewöhnlichen Verhalten von Verkehrsteilnehmern nicht der Schluss gezogen werden, dass das Überschreiten der Geschwindigkeit (statt 80 km/h 100 km/h) typisch für einen unter Alkohol stehenden Kraftfahrer ist.
Das Abkommen von der Fahrbahn in einer Rechtskurve ist im vorliegenden Fall ebenfalls nicht als alkohol- oder drogentypisches Fehlverhalten zu würdigen. Es ist zwar ein Indiz für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit, da es bei vielen auf Alkoholgenuss beruhenden Verkehrsunfällen festzustellen ist (vgl. Ponzold, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin 3. Aufl. 1967, 213). Jedoch ist nicht auszuschließen, dass andere Gründe das Herausfahren aus der Kurve verursacht haben. Der Fehler kann durch Einschlafen, Unaufmerksamkeit oder Ablenkung verursacht worden sein (so BSGE 45, 285). Auch ist möglich, dass sich auf der Fahrbahn - wie vom Kläger behauptet - ein Tier befand. Im Unfallbereich stand ein Verkehrszeichen "Wildwechsel" (laut nicht protokollierter Aussage des Bevollmächtigten des Klägers), und der Kläger hat über Wild auf der Fahrbahn am 03.02. 2000 erstmals berichtet. Insbesondere aber geben das an der Unfallstelle bestehende 2 %-ige Gefälle und die Spurrinnen - gezeichnet durch das Schild 114 StVO - Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aufgrund der gegebenen Straßensituation verunfallt sein kann. Es handelte sich offenbar um einen nicht ungefährlichen Straßenabschnitt. Dies erhellt auch die Tatsache, dass inzwischen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h erfolgt ist.
Damit sind zusätzliche Beweisanzeichen dafür, dass der Kläger aufgrund des Zusammenwirkens von Alkohol und Cannabis fahruntüchtig war, nicht vorhanden mit der Folge, dass der Senat nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen alkohol/drogenbedingter Fahruntüchtigkeit im Zeitpunkt des Unfalls überzeugt ist. Damit besteht Versicherungsschutz und es erübrigen sich Überlegungen, ob alkohol/drogenbedingte Fahruntüchtigkeit die allein wesentliche Unfallursache war. Auch kommt es auf Feststellungen zum Wetter oder zum Straßenzustand im Unfallzeitpunkt nicht mehr an.
Den Hilfsanträgen der Beklagten brauchte der Senat daher nicht zu folgen.
Da der Kläger der allgemeinen Wegegefahr erlegen ist, war die Beklagte zu verurteilen, ihm dem Grunde nach Leistungen aus Anlass des Arbeitsunfalles vom 16.10.1999 gemäß § 56 SGB VII zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da der Senat nicht von Entscheidungen des BSG abweicht und damit die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten dieses Rechtsstreits zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seines Verkehrsunfalls vom 26.10.1999 als Arbeitsunfall.
Der 1975 geborene Kläger, Produktionskraft bei der Firma H. Präzisionsdrehteile, GBR, erlitt am 26.10.1999 auf dem Heimweg von der Spätschicht gegen 22.50 Uhr einen Unfall. Er kam mit seinem Pkw Renault, Baujahr 1984 oder 1987 auf der Landstraße zwischen H. und B. in einer Rechtskurve mit 2 % Gefälle nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr in einen Acker und überschlug sich mehrmals. Die Straße war 6 m breit, gut ausgebaut und zum Unfallzeitpunkt trocken. Ca. 550 m vor der Unfallstelle war die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt durch das Vorschriftzeichen 274 StVO und 500 m vorher war mit dem Gefahrzeichen 114 StVO auf Schleudergefahr bei Nässe oder Schmutz mit dem Zusatzschild Spurrinnen hingewiesen. Die Länge der Gefahrstrecke betrug 1,5 km. Der Kläger zog sich ein schweres Polytrauma zu und ist seit dem Unfall querschnittsgelähmt.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die einschlägigen medizinischen Unterlagen, ein Leistungsverzeichnis der BKK V. , die Akten der Staatsanwaltschaft E./Landratsamt H./Bußgeldstelle bei. Sie hörte den Arbeitskollegen D. K. , den Bruder H. G. an, holte einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr.W. vom 06.08.2000 sowie Gutachten des Prof.Dr.E.M. (Direktor der Abteilung Rechtsmedizin im Universitätsklinikum U.) vom 13.11.2000 und Prof.Dr.W.E. (Institut für Rechtsmedizin der Universität M.) vom 12.01.2001 ein. Die durchgeführte immunologische Analyse der um 0.25 Uhr entnommenen Blutprobe ergab einen positiven Befund für Cannabis und einen Blutalkoholmittelwert von 0,44 °/oo. Sie holte weiter ein Gutachten des Deutschen Wetterdienstes über die Wetterverhältnisse am 25./26.10.1999 vom 17.08.2000 ein.
Mit Bescheid vom 28.05.2000 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsansprüchen aus Anlass des Unfalls ab. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht zu erbringen, da die zum Unfallzeitpunkt bestehende alkohol- bzw. drogenbedingte relative Fahruntüchtigkeit als rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall zu werten sei.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei aufgrund eines die Fahrbahn überquerenden Rehs auf der nassen Fahrbahn ins Schleudern geraten. Cannabis habe er zuletzt vier Tage vor dem Unfall genommen. Straf- und Bußgeldverfahren seien eingestellt worden. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2001 den Widerspruch zurück mit der Begründung, der Cannabisgenuss sei in Verbindung mit Alkohol allein wesentliche Ursache für den Unfall gewesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 26.10.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Er hat vorgetragen, der vier Tage zurückliegende Cannabiskonsum habe nicht zu einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit geführt. Er sei bei Fahrtantritt durchaus fahrtüchtig gewesen wie sein Arbeitskollege K. , den er nach Hause gefahren habe, bezeugen könne. Wegen eines auf der Fahrbahn stehenden Rehs sei ein Ausweichmanöver erforderlich gewesen. Bei gleicher Sachlage wäre auch ein nüchterner Verkehrsteilnehmer verunglückt.
Das SG hat die Akten der Staatsanwaltschaft E. sowie das Notarzteinsatzprotokoll beigezogen und den Zeugen M. J. , der den Unfallverletzten aufgefunden hatte, am 21.04. 2002 schriftlich gehört.
Mit Urteil vom 16.12.2002 hat das SG - dem Antrag der Beklagten entsprechend - die Klage abgewiesen. Die Fahruntüchtigket infolge der Kombinationswirkung von Alkohol und Betäubungsmitteln sei die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall gewesen. Für ein durch ein Reh verursachtes Ausweichmanöver gebe es keinen Nachweis.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er hat darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Blutentnahme die Verwendung von Alkohol im Bereich der Einstichstelle zur Verfälschung der BAK geführt habe.
Der Senat hat die Akte des Landratsamtes Heidenheim beigezogen und eine ergänzende Stellungnahme des Prof.Dr.E. vom 15.06.2004 eingeholt. Danach sei eine Verfälschung der BAK durch die Desinfektion nicht anzunehmen. Das Auffinden von THC (Tetrahydrocannabinol) in der Blutprobe beweise, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter der Wirkung von Cannabis gestanden habe, so dass der Unfallablauf auf die kombinierte Wirkung von Alkohol und THC zurückgeführt werden könne.
In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass die Landstraße zwischen H. und B. inzwischen neu gestaltet sei. Es gebe dort jetzt eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h und ein durchgehendes Überholverbot. Die Fahrbahndecke sei erneuert worden. Der Straßenverlauf sei derselbe geblieben.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 16.12.2002 und des Bescheides vom 28.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2001 zu verurteilen, ihm aus Anlass des Unfalls vom 26.10.1999 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.12.2002 zurückzuweisen, hilfsweise ein verkehrstechnisches Gutachten insbesondere zur Frage der durch Spurrinnen zu erwartenden Verkehrsgefahren einzuholen sowie die Originalaufnahmen vom Unfallort beizuziehen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten und der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der beigezogenen OWI-Akte des Landratsamtes H. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.
Sie ist auch begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Entschädigung wegen der Folgen seines Unfalls vom 26.10.1999 gemäß §§ 8 Abs.1 und 2, 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Gemäß § 8 Abs.1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer die den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs.2 Nr.1 SGB VII). Der Kläger befand sich im Unfallzeitpunkt am 26.10.1999 auf dem Heimweg von der Arbeit (Spätschicht) auf der Landstraße zwischen H. und B. , also auf einem unfallversicherungsrechtlich geschützten Weg im Sinne der vorgenannten Vorschrift. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger von seiner betrieblichen Tätigkeit gelöst hatte oder dass sich der Unfall auf einem unversicherten Umweg ereignete, liegen nicht vor. Der Kläger stand, weil der Fahrtweg mit der versicherten Tätigkeit im inneren Zusammenhang stand, daher grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der Versicherungsschutz ist entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG nicht entfallen, weil der Kläger auf dem Heimweg unter Alkohol- und Drogeneinfluss stand. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seit 30.06.1960 (BSGE 12, 242), schließt die auf Alkoholgenuss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht aus, sondern nur dann, wenn sie die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund drängt, dass sie als rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen ist. Ob alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Unfallursache war, hängt somit zunächst davon ab, ob Fahruntüchtigkeit vorlag. Diese muss unter Außerachtlassung von nur denkbaren Möglichkeiten nachgewiesen sein. Ebenso wie die sonstigen positiven Tatbestandsmerkmale in der Unfallversicherung des vollen Beweises bedürfen, wie z.B. die versicherte Tätigkeit, das Vorliegen einer Krankheit, gilt dies auch für das sog. "negative Tatbestandsmerkmal" der Fahruntüchtigkeit (BSGE 43, 111; 45, 283; Bereiter-Hahn/Mehrtens § 8 Anm.12.43). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung vom Vorliegen der Tatsache zu begründen (Bereiter-Hahn/Mehrtens § 8 Anm.10). Geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts sind ausnahmsweise beim ursächlichen Zusammenhang deshalb zugelassen, weil Letzterer zu den Tatsachen gehört, für die ein strenger Beweis kaum zu führen sein wird. Es werden deshalb Beweiserleichterungen dahin eingeräumt, dass lediglich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Kausalität bestehen muss.
Im vorliegenden Fall ist alkohol- bzw. drogenbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls nicht nachgewiesen.
Von alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit ist ohne besondere Beweisanzeichen nach der neuen Rechtsprechung des BSG in Übereinstimmung mit dem Strafrecht ab einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,1 °/oo auszugehen (vgl. BSG vom 25.11. 1992, 2 RU 40/91 = MESO B 330/63 mit Hinweis auf BGH, NJW 19, 190, 2393). Dieser Wert wird vom Kläger nicht erreicht. Es ist vielmehr von einer BAK von 0,44 °/oo auszugehen - wie die Sachverständigen darlegen - da beim Kläger die genaue Trinkmenge, das am Unfalltag eingenommene Essen und das Trinkende nicht exakt festgestellt werden konnten. Der Senat nimmt bezüglich der Rückrechnung der BAK zum Unfallzeitpunkt die nach medizinischen Erkenntnissen gegebenen Mindestvoraussetzungen an, wie sie sich aus den Gutachten des Prof.Dr.M. und Prof.Dr.E. ergeben. Die nachgewiesene Einnahme von Cannabis führt nicht zur absoluten Fahruntüchtigkeit, denn es gibt derzeit noch keinen wissenschaftlich allgemein anerkannten absoluten Grenzwert nach Drogengenuss (Bereiter-Hahn/Mehrtens § 8 Anm.12.45). Auch legt Prof.Dr.E. dar, dass selbst nach Drogenaufnahme von hohen und sehr hohen Konzentrationen nur relative Fahruntüchtigkeit zu diskutieren ist. Das Gleiche gilt, wenn - wie hier - die Konzentration am unteren Rand des Bereichs liegt, in dem von einer Wirkung ausgegangen werden kann und ein Konzentrations/Wirkungskorrelat nicht festzustellen ist.
Der Kläger war auch nicht nachweisbar relativ fahruntüchtig. Relative Fahruntüchtigkeit liegt vor, wenn die BAK unterhalb des Grenzwertes von 1,1 °/oo liegt, aber aufgrund sonstiger Beweisanzeichen sog. alkoholtypischer Ausfallserscheinungen der Nachweis von Fahruntüchtigkeit geführt werden kann (BSGE 45, 285; Ricke, KassKomm § 8 SGB VII Rdnr.117). Auch für eine rauschbedingte relative Fahruntüchtigkeit nach Drogengenuss sind Beweisanzeichen im Einzelfall entscheidend (Bereiter-Hahn/ Mehrtens § 8 Anm.12.45). Als alkoholtypisch sind grundsätzlich (nur) solche Verhaltensweisen zu bewerten, die sich nur durch den Alkohol/Drogengenuss erklären lassen, die bei unter Alkoholeinfluss fahrenden Personen wesentlich öfter vorkommen als gewöhnlich. Allein ein Fehlverhalten, ein Fahrfehler oder Verstöße gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung lassen den zwingenden Schluss auf alkohol/drogenbedingte Fahruntüchtigkeit nicht zu. Nicht alkoholtypisch sind Verhaltensweisen, die, wenn auch objektiv fehlerhaft, bei einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern in vergleichbaren Situationen vorkommen können. Als alkoholtypische Beweisanzeichen hat das BSG angesehen die Fahrweise des Betroffenen wie überhöhte Geschwindigkeit, Fahren in Schlangenlinien, plötzliches Bremsen oder wie das LSG Berlin im Urteil vom 18.01.2001 - Az.: L 3 U 121/99 - ausführt: Missachten von Vorfahrtszeichen oder roter Ampel oder das Überqueren einer größeren Kreuzung ohne Reduzierung der Geschwindigkeit.
Die typischen Ausfallserscheinungen müssen zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen. Annahmen und Vermutungen reichen ebenso wie die bloße Wahrscheinlichkeit nicht aus (BSGE 35, 216, 218; BSG SozR 2200 § 550 Nr.29). Damit ist durch die Ausführungen von Prof.Dr.E. und Prof.Dr.M. , die beim Zusammenwirken von Alkohol und Rauschgift grundsätzlich falsche Sinneseindrücke, gestörte Konzentration und Aufmerksamkeit konstatieren, noch nicht nachgewiesen, dass im konkreten Einzelfall relative Fahruntüchtigkeit vorgelegen hat. Es kommt auch hier entscheidend auf den Nachweis charakteristischer Ausfallserscheinungen an.
Derartige typische Ausfallserscheinungen sind beim Kläger nicht nachgewiesen. Der Kläger fuhr, wie der Arbeitskollege D. K. bestätigt hat, ohne Zeichen einer Alkohol- oder Drogeneinwirkung. Welche Geschwindigkeit er gefahren ist und um wieviel km/h er die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h überschritten hat, ist nicht festgestellt. Die Verkehrsunfallbeschreibung des Polizeireviers G. (Tagebuchnummer 2573/99) sagt aus, dass der Kläger infolge überhöhter bzw. nicht angepasster Geschwindigkeit in einer leicht abschüssigen Rechtskurve ins Schleudern kam und nach rechts von der Fahrbahn abkam. Unmittelbar nach dem Unfall wurden aber von der Polizei keine Messungen vorgenommen, die Aufschluss über die Fahrgeschwindigkeit hätten geben können. Auch eine Untersuchung des Unfallfahrzeugs fand nicht statt. Das Maß der gefahrenen Geschwindigkeit ist somit nicht festgestellt und die Angabe der Polizei eine bloße Vermutung. Der Kläger selbst gab an, er sei 100 km/h gefahren. Eine nur geringe Geschwindigkeitsüberschreitung aber stellt nach Auffassung des Senats kein besonderes alkoholtypisches Verhalten dar. Denn es ist eine täglich zu beobachtende Realität, dass auf gut ausgebauten Straßen bei trockener Fahrbahn die Geschwindigkeitsbegrenzung auch bei Dunkelheit nicht eingehalten wird. Es ist somit zum einen nicht erwiesen, dass der Kläger tatsächlich mit weit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist und zum anderen kann im Vergleich mit dem gewöhnlichen Verhalten von Verkehrsteilnehmern nicht der Schluss gezogen werden, dass das Überschreiten der Geschwindigkeit (statt 80 km/h 100 km/h) typisch für einen unter Alkohol stehenden Kraftfahrer ist.
Das Abkommen von der Fahrbahn in einer Rechtskurve ist im vorliegenden Fall ebenfalls nicht als alkohol- oder drogentypisches Fehlverhalten zu würdigen. Es ist zwar ein Indiz für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit, da es bei vielen auf Alkoholgenuss beruhenden Verkehrsunfällen festzustellen ist (vgl. Ponzold, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin 3. Aufl. 1967, 213). Jedoch ist nicht auszuschließen, dass andere Gründe das Herausfahren aus der Kurve verursacht haben. Der Fehler kann durch Einschlafen, Unaufmerksamkeit oder Ablenkung verursacht worden sein (so BSGE 45, 285). Auch ist möglich, dass sich auf der Fahrbahn - wie vom Kläger behauptet - ein Tier befand. Im Unfallbereich stand ein Verkehrszeichen "Wildwechsel" (laut nicht protokollierter Aussage des Bevollmächtigten des Klägers), und der Kläger hat über Wild auf der Fahrbahn am 03.02. 2000 erstmals berichtet. Insbesondere aber geben das an der Unfallstelle bestehende 2 %-ige Gefälle und die Spurrinnen - gezeichnet durch das Schild 114 StVO - Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aufgrund der gegebenen Straßensituation verunfallt sein kann. Es handelte sich offenbar um einen nicht ungefährlichen Straßenabschnitt. Dies erhellt auch die Tatsache, dass inzwischen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h erfolgt ist.
Damit sind zusätzliche Beweisanzeichen dafür, dass der Kläger aufgrund des Zusammenwirkens von Alkohol und Cannabis fahruntüchtig war, nicht vorhanden mit der Folge, dass der Senat nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen alkohol/drogenbedingter Fahruntüchtigkeit im Zeitpunkt des Unfalls überzeugt ist. Damit besteht Versicherungsschutz und es erübrigen sich Überlegungen, ob alkohol/drogenbedingte Fahruntüchtigkeit die allein wesentliche Unfallursache war. Auch kommt es auf Feststellungen zum Wetter oder zum Straßenzustand im Unfallzeitpunkt nicht mehr an.
Den Hilfsanträgen der Beklagten brauchte der Senat daher nicht zu folgen.
Da der Kläger der allgemeinen Wegegefahr erlegen ist, war die Beklagte zu verurteilen, ihm dem Grunde nach Leistungen aus Anlass des Arbeitsunfalles vom 16.10.1999 gemäß § 56 SGB VII zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da der Senat nicht von Entscheidungen des BSG abweicht und damit die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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