Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 172/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 7/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf eine rückwirkende Genehmigung der Verlegung seines Vertragsarztsitzes hat.
Der Kläger ist Arzt für Neurologie und Psychiatrie und seit dem 01.04.1986 als Vertragsarzt zugelassen. Der Praxissitz war seit 13.11.1986 in der E1straße 1 in E2.
Im Februar 2004 unterrichtete der Insolvenzverwalter die Beigeladene zu 8) davon, dass er als vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen des Klägers bestellt worden sei. Dem Schreiben war im Betreff die Praxisanschrift E3 Str. 00, E2 zu entnehmen. Nachdem die Beigeladene zu 8) den Zulassungsausschuss für Ärzte, E2, hierauf aufmerksam gemacht hatte, wandte sich dieser an den Insolvenzverwalter und bat um Übersendung eines Antrages zur Verlegung des Vertragsarztsitzes. Mit Schreiben vom 23.03.2004 teilte der Insolvenzverwalter dem Zulassungsausschuss mit, dass der Kläger seine Praxis in die E3 Str. 000 in 00000 E2 verlegt und den Praxisbetrieb dort am 23.11.2003 aufgenommen habe. Der Zulassungsausschuss genehmigte mit Bescheid vom 15.04.2004 die Verlegung des Vertragsarztsitzes zum 30.03.2004. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und beantragte zugleich, ihm die Verlegung bereits mit Wirkung zum 23.11.2003 zu gestatten, da dies für ihn in finanzieller Hinsicht sehr wichtig sei. Den Widerspruch nahm der Kläger anschließend zurück. Es solle nur noch der Antrag auf Genehmigung der Praxisverlegung zum 23.11.2003 weiter verfolgt werden. Der Zulassungsausschuss lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 19.05.2004 mit der Begründung ab, dass Genehmigungen, die den Praxisstatus beträfen, von ihm nicht rückwirkend getroffen werden könnten. Die Praxissitzverlegung stelle eine Veränderung des Praxisstatus dar. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 14.07.2004 zurück. Der Verlegung des Praxissitzes stünden zwar keine Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegen. Der rückwirkenden Genehmigung stünden allerdings rechtliche Bedenken -entgegen. Der Vertragsarztsitz sei untrennbar mit der Zulassung als Vertragsarzt verbunden; denn er sei unabdingbare Voraussetzung für die "Ausübung" der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, die ohne einen Vertragsarztsitz nicht möglich sei. Die Zulassung dürfe im Hinblick darauf, dass für die Versicherten und auch die gesetzlichen Krankenkassen Klarheit darüber bestehen müsse, welche Ärzte den Status eines Vertragsarztes haben, nicht rückwirkend erteilt werden. Das gleiche müsse dann aber auch für die Verlegung des mit der Zulassung "untrennbar verbundenen Vertragsarztsitzes" gelten. Ein Vertragsarzt sei nicht befugt, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung an einem Ort außerhalb seines Vertragsarztsitzes Sprechstunden anzubieten und abzuhalten, sofern ihm nicht die Führung einer Zweitpraxis genehmigt worden sei. Ein diese Rechtslage außer acht lassendes – und damit rechtswidriges – Verhalten dürfe aus den dargelegten Gründen nicht durch eine - unzulässige – rückwirkend erteilte Genehmigung zur Praxisverlegung sanktioniert werden. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides des Beklagten Bezug genommen.
Der Kläger hat am 00.00.0000 hiergegen Klage erhoben. Der Verlegung des Vertragsarztsitzes stünden unstreitig keine Bedenken entgegen. Die Verlegung sei mit der Zulassung nicht vergleichbar. Auch eine nachträgliche Zustimmung sei eine Genehmigung, weswegen die Rückwirkung nicht bereits aufgrund der Terminologie ausscheide. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, seinem Begehren zu entsprechen. Seine Existenz sei durch die Entscheidung bedroht, weil ihm das Honorar für Teile des Quartals IV/03 und für das gesamte Quartal I/04 von der Beigeladenen zu 8) nicht zugestanden werde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 14.07.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Verlegung des Vertragsarztsitzes zum 23.11.2003 rückwirkend zu genehmigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Die Beigeladene zu 8) schließt sich dem Antrag des Beklagten an.
Die Beigeladenen zu 1) bis 7) haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten sowie des Zulassungsausschusses Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht dadurch entfallen, dass der Kläger den Praxissitz im Sommer 2004 erneut verlegt hat. Aufgrund des Umstandes, dass die Beigeladene zu 8) das vertragsärztliche Honorar des Klägers für die Quartale IV/03 und I/04 unter Hinweis auf die fehlende Genehmigung der Verlegung des Praxissitzes für diesen Zeitraum einbehält, ist ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage gegeben.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig. Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Verlegung des Praxissitzes rückwirkend zum 23.11.2003 zu genehmigen.
Nach § 24 Abs. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) erfolgt die Zulassung für den Ort der Niederlassung als Arzt, den Vertragsarztsitz. Der Zulassungsausschuss hat den Antrag des Vertragsarztes auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes nach § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen.
Für die Frage der Verlegung eines Vertragsarztsitzes ist nicht auf den Ort der Niederlassung als Planbereich oder als politische Gemeinde abzustellen, sondern vielmehr auf die konkrete Praxisanschrift (vgl. BSG Urteil vom 20.12.1995 – B 6 RKa 55/94 – SozR 3-2500 § 75 Nr. 7; Urteil vom 10.05.2000 – B 6 KA 67/98 R – SozR 3-5520 § 24 Nr. 4; LSG NRW Urteil vom 07.10.1998 – L 11 KA 62/98 – MedR 1999, 333-339). Dies folgt daraus, dass der Ort der Niederlassung, für den der Vertragsarzt die Zulassung beantragt, hinreichend bestimmt sein muss, weil er hier z.B. gem. § 24 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV seine Sprechstunde abhalten muss. Diese notwendige Konkretisierung des Niederlassungsortes kann nur über die Praxisanschrift erfolgen (Hess in KassKomm, § 95 SGB V Rz. 53; BSG Urteil vom 20.12.1995 a.a.O.). Verdeutlicht wird dies am Beispiel des Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Dieses Verfahren führt zu einem Ineinandergreifen der öffentlich-rechtlichen Zulassung und der privatrechtlich übertragbaren Praxis. Die Nachbesetzung setzt das Vorhandensein einer konkreten Praxis voraus, was wiederum nur unter einer bestimmten Anschrift bestehen kann (vgl. BSG Urteil vom 10.05.2000 a.a.O.). Soll mithin die Praxis an anderer Stelle und damit unter einer anderen Praxisanschrift fortgeführt werden, stellt sich das als genehmigungsbedürftige Verlegung des Vertragsarztsitzes dar. Denn verlegt der Vertragsarzt seine Praxis, kann dies dazu führen, dass Patienten seines bisherigen Praxisbereichs nicht mehr hinreichend versorgt werden. Um einer solchen partiellen Unterversorgung vorzubeugen, ist es ausnahmsweise zulässig, die Verlegung ganz oder zeitlich begrenzt zu versagen. Dem trägt § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV Rechnung, indem rechtstechnisch ein Genehmigungsanspruch mit einem Versagensgrund als Ausnahmetatbestand kombiniert wird (vgl. LSG NRW Urteil vom 07.10.1998 a.a.O.).
Stellt mithin die Verlegung der Praxis von der E1straße in die E3 Straße eine Verlegung des Vertragsarztsitzes im Sinne des § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV dar, ist hierfür die Genehmigung des Zulassungsausschusses erforderlich. Für die Zeit ab 30.03.2004 hat der Zulassungsausschuss die Genehmigung erteilt, da Gründe der vertragsärztlichen Versorgung der Verlegung des Vertragsarztsitzes nicht entgegenstanden. Für die Zeit vorher (ab 23.11.2003) hat der Zulassungsausschuss und ihm folgend der Beklagte eine Genehmigung mit der Begründung abgelehnt, dass diese rückwirkend nicht erteilt werden könne. Da der Praxisstatus betroffen sei, könne eine Genehmigung nur Wirkung für die Zukunft entfalten.
Im Gegensatz zu der Regelung des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV ist der Vorschrift des § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung nicht unmittelbar zu entnehmen. Auch aus dem Rechtsbegriff "Genehmigung" lässt sich dies nicht zwingend herleiten. So ist die Genehmigung nach allgemeinem Rechtsverständnis generell auch für Sachverhalte möglich, die in der Vergangenheit liegen, wie zum Beispiel Verfahrenshandlungen eines vollmachtlosen Vertreters. Dass die Genehmigung hier nur für die Zukunft erteilt werden kann, ergibt sich vielmehr aus den Besonderheiten des Vertragsarztrechts und hier insbesondere aus der Sachnähe zwischen vertragsärztlicher Zulassung als statusbegründendem Akt und Vertragsarztsitz. Für die vertragsärztliche Zulassung ist unstreitig, dass diese nur mit Wirkung für die Zukunft erteilt werden kann (BSG Urteil vom 28.01.1998 – B 6 KA 41/96 R – SozR 3-1500 § 97 Nr. 3). Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Berechtigung zur Teilnahme an der kassen- bzw. vertragsärztlichen Versorgung, auch soweit sie sich nur auf bestimmte Bereiche oder Leistungen der ambulanten Versorgung erstreckt, nicht rückwirkend zuerkannt werden. Dies gilt sowohl für Zulassungen von Kassen- bzw. Vertragsärzten als auch für Ermächtigungen von Krankenhausärzten wie für Genehmigungen zur Anstellung von Ärzten. Auch weitere – nicht auf der Ebene des Status angesiedelte – Genehmigungen, die an persönlich-fachliche Qualifikationen anknüpfen und damit einhergehend zur Erbringung bestimmter Leistungen berechtigen, können nicht rückwirkend erteilt werden (BSG Urteil vom 28.01.1998 a.a.O.). Die Unzulässigkeit rückwirkender Statusbegründungen ergibt sich aus dem System des Kassen-/Vertragsarztrechts, das nach wie vor durch das Naturalleistungsprinzip in Verbindung mit der Beschränkung der Leistungserbringung auf einen umgrenzten Kreis dafür qualifizierter Leistungserbringer geprägt ist. Mit dieser Beschränkung ist verbunden, dass diesen die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen förmlich zuerkannt sein muss (BSG Urteil vom 28.01.1998 a.a.O.). Nichts anderes kann für die Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes gelten, für den die Zulassung einmal erfolgt ist. Dieser Auslegung steht der Wortlaut des § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV nicht entgegen. Denn es entspricht dem Wesen des die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Sachleistungssystems, dass sich Leistungen, die ohne die für sie erforderliche Zulassung bzw. Genehmigung erbracht werden, stets außerhalb des Systems vollziehen und niemals rückwirkend als innerhalb des Systems erbracht angesehen werden können (LSG NRW Beschluss vom 11.05.2004 – L 11 B 10/04 KA ER – ). Aus diesem Grund sind sie selbst dann, wenn ein Anspruch auf Erteilung der Zulassung oder Genehmigung besteht, ohne diese nicht vergütungsfähig (BSG Urteil vom 29.01.1997 – 6 Rka 24/96 – SozR 3-2500 § 85 Nr. 19; BSG Urteil vom 28.01.1998 a.a.O.). Der statusbegründende Akt ist die Zulassung für einen Vertragsarztsitz, d.h. eine konkrete Praxisanschrift. Dieser Status wird mit der Verlegung des Vertragsarztsitzes verändert, weswegen die Verlegung zwingend eine vorherige Genehmigung durch die Zulassungsgremien voraussetzt.
Der Fall des Klägers zeigt zudem, dass es ansonsten von Zufälligkeiten abhängen kann, wann die Selbstverwaltungsgremien Kenntnis von der Verlegung des Praxissitzes erlangen. Ein funktionierendes System der vertragsärztlichen Versorgung ist nur zu gewährleisten, wenn derart grundlegende Veränderungen rechtzeitig angezeigt und vor Schaffung vollendeter Fakten genehmigt werden. Letztlich dient die vorherige Genehmigung auch dem Schutz des Vertragsarztes selbst vor finanziellen Verlusten in den Fällen, in denen eine Genehmigung auch rückwirkend aufgrund der Ver- sorgungslage nicht erteilt werden kann.
Durch diese Auslegung des § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV wird der Kläger zudem nicht in seinem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Das Recht, den Vertragsarztsitz zu verlegen, wird durch das Erfordernis der vorherigen Genehmigung nicht wesentlich beeinträchtigt, nachdem der Vertragsarzt auf sie einen Rechtsanspruch hat, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen, und er diesen Anspruch nötigenfalls auch unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe und der insoweit zur Verfügung stehenden Beschleunigungsmittel (§§ 86b, 88 SGG) durchsetzen kann (LSG NRW Beschluss vom 11.05.2004 a.a.O.).
Vertrauensgesichtspunkte können nach Ansicht der Kammer bei der Frage, ob eine Genehmigung rückwirkend erteilt werden kann, keine Berücksichtigung finden. Sie sind vielmehr im Rahmen des beanspruchten Honorars zu prüfen. Generell gibt es aber ebenso wie bei der Aufnahme der Tätigkeit vor Erteilung der Zulassung kein schützenswertes Vertrauen, bereits vor der Genehmigung geschweige denn vor der Anzeige der Verlegung des Vertragsarztsitzes unter der neuen Praxisanschrift vertragsärztlich zu arbeiten und dabei Aufwendungen zu machen, die sich nur durch spätere vertragsärztliche Honorare decken lassen (LSG NRW Beschluss vom 11.05.2004 a.a.O.).
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Kammer hat die Sprungrevision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, §§ 161 Abs. 2, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf eine rückwirkende Genehmigung der Verlegung seines Vertragsarztsitzes hat.
Der Kläger ist Arzt für Neurologie und Psychiatrie und seit dem 01.04.1986 als Vertragsarzt zugelassen. Der Praxissitz war seit 13.11.1986 in der E1straße 1 in E2.
Im Februar 2004 unterrichtete der Insolvenzverwalter die Beigeladene zu 8) davon, dass er als vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen des Klägers bestellt worden sei. Dem Schreiben war im Betreff die Praxisanschrift E3 Str. 00, E2 zu entnehmen. Nachdem die Beigeladene zu 8) den Zulassungsausschuss für Ärzte, E2, hierauf aufmerksam gemacht hatte, wandte sich dieser an den Insolvenzverwalter und bat um Übersendung eines Antrages zur Verlegung des Vertragsarztsitzes. Mit Schreiben vom 23.03.2004 teilte der Insolvenzverwalter dem Zulassungsausschuss mit, dass der Kläger seine Praxis in die E3 Str. 000 in 00000 E2 verlegt und den Praxisbetrieb dort am 23.11.2003 aufgenommen habe. Der Zulassungsausschuss genehmigte mit Bescheid vom 15.04.2004 die Verlegung des Vertragsarztsitzes zum 30.03.2004. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und beantragte zugleich, ihm die Verlegung bereits mit Wirkung zum 23.11.2003 zu gestatten, da dies für ihn in finanzieller Hinsicht sehr wichtig sei. Den Widerspruch nahm der Kläger anschließend zurück. Es solle nur noch der Antrag auf Genehmigung der Praxisverlegung zum 23.11.2003 weiter verfolgt werden. Der Zulassungsausschuss lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 19.05.2004 mit der Begründung ab, dass Genehmigungen, die den Praxisstatus beträfen, von ihm nicht rückwirkend getroffen werden könnten. Die Praxissitzverlegung stelle eine Veränderung des Praxisstatus dar. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 14.07.2004 zurück. Der Verlegung des Praxissitzes stünden zwar keine Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegen. Der rückwirkenden Genehmigung stünden allerdings rechtliche Bedenken -entgegen. Der Vertragsarztsitz sei untrennbar mit der Zulassung als Vertragsarzt verbunden; denn er sei unabdingbare Voraussetzung für die "Ausübung" der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, die ohne einen Vertragsarztsitz nicht möglich sei. Die Zulassung dürfe im Hinblick darauf, dass für die Versicherten und auch die gesetzlichen Krankenkassen Klarheit darüber bestehen müsse, welche Ärzte den Status eines Vertragsarztes haben, nicht rückwirkend erteilt werden. Das gleiche müsse dann aber auch für die Verlegung des mit der Zulassung "untrennbar verbundenen Vertragsarztsitzes" gelten. Ein Vertragsarzt sei nicht befugt, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung an einem Ort außerhalb seines Vertragsarztsitzes Sprechstunden anzubieten und abzuhalten, sofern ihm nicht die Führung einer Zweitpraxis genehmigt worden sei. Ein diese Rechtslage außer acht lassendes – und damit rechtswidriges – Verhalten dürfe aus den dargelegten Gründen nicht durch eine - unzulässige – rückwirkend erteilte Genehmigung zur Praxisverlegung sanktioniert werden. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides des Beklagten Bezug genommen.
Der Kläger hat am 00.00.0000 hiergegen Klage erhoben. Der Verlegung des Vertragsarztsitzes stünden unstreitig keine Bedenken entgegen. Die Verlegung sei mit der Zulassung nicht vergleichbar. Auch eine nachträgliche Zustimmung sei eine Genehmigung, weswegen die Rückwirkung nicht bereits aufgrund der Terminologie ausscheide. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, seinem Begehren zu entsprechen. Seine Existenz sei durch die Entscheidung bedroht, weil ihm das Honorar für Teile des Quartals IV/03 und für das gesamte Quartal I/04 von der Beigeladenen zu 8) nicht zugestanden werde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 14.07.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Verlegung des Vertragsarztsitzes zum 23.11.2003 rückwirkend zu genehmigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Die Beigeladene zu 8) schließt sich dem Antrag des Beklagten an.
Die Beigeladenen zu 1) bis 7) haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten sowie des Zulassungsausschusses Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht dadurch entfallen, dass der Kläger den Praxissitz im Sommer 2004 erneut verlegt hat. Aufgrund des Umstandes, dass die Beigeladene zu 8) das vertragsärztliche Honorar des Klägers für die Quartale IV/03 und I/04 unter Hinweis auf die fehlende Genehmigung der Verlegung des Praxissitzes für diesen Zeitraum einbehält, ist ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage gegeben.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig. Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Verlegung des Praxissitzes rückwirkend zum 23.11.2003 zu genehmigen.
Nach § 24 Abs. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) erfolgt die Zulassung für den Ort der Niederlassung als Arzt, den Vertragsarztsitz. Der Zulassungsausschuss hat den Antrag des Vertragsarztes auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes nach § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen.
Für die Frage der Verlegung eines Vertragsarztsitzes ist nicht auf den Ort der Niederlassung als Planbereich oder als politische Gemeinde abzustellen, sondern vielmehr auf die konkrete Praxisanschrift (vgl. BSG Urteil vom 20.12.1995 – B 6 RKa 55/94 – SozR 3-2500 § 75 Nr. 7; Urteil vom 10.05.2000 – B 6 KA 67/98 R – SozR 3-5520 § 24 Nr. 4; LSG NRW Urteil vom 07.10.1998 – L 11 KA 62/98 – MedR 1999, 333-339). Dies folgt daraus, dass der Ort der Niederlassung, für den der Vertragsarzt die Zulassung beantragt, hinreichend bestimmt sein muss, weil er hier z.B. gem. § 24 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV seine Sprechstunde abhalten muss. Diese notwendige Konkretisierung des Niederlassungsortes kann nur über die Praxisanschrift erfolgen (Hess in KassKomm, § 95 SGB V Rz. 53; BSG Urteil vom 20.12.1995 a.a.O.). Verdeutlicht wird dies am Beispiel des Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Dieses Verfahren führt zu einem Ineinandergreifen der öffentlich-rechtlichen Zulassung und der privatrechtlich übertragbaren Praxis. Die Nachbesetzung setzt das Vorhandensein einer konkreten Praxis voraus, was wiederum nur unter einer bestimmten Anschrift bestehen kann (vgl. BSG Urteil vom 10.05.2000 a.a.O.). Soll mithin die Praxis an anderer Stelle und damit unter einer anderen Praxisanschrift fortgeführt werden, stellt sich das als genehmigungsbedürftige Verlegung des Vertragsarztsitzes dar. Denn verlegt der Vertragsarzt seine Praxis, kann dies dazu führen, dass Patienten seines bisherigen Praxisbereichs nicht mehr hinreichend versorgt werden. Um einer solchen partiellen Unterversorgung vorzubeugen, ist es ausnahmsweise zulässig, die Verlegung ganz oder zeitlich begrenzt zu versagen. Dem trägt § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV Rechnung, indem rechtstechnisch ein Genehmigungsanspruch mit einem Versagensgrund als Ausnahmetatbestand kombiniert wird (vgl. LSG NRW Urteil vom 07.10.1998 a.a.O.).
Stellt mithin die Verlegung der Praxis von der E1straße in die E3 Straße eine Verlegung des Vertragsarztsitzes im Sinne des § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV dar, ist hierfür die Genehmigung des Zulassungsausschusses erforderlich. Für die Zeit ab 30.03.2004 hat der Zulassungsausschuss die Genehmigung erteilt, da Gründe der vertragsärztlichen Versorgung der Verlegung des Vertragsarztsitzes nicht entgegenstanden. Für die Zeit vorher (ab 23.11.2003) hat der Zulassungsausschuss und ihm folgend der Beklagte eine Genehmigung mit der Begründung abgelehnt, dass diese rückwirkend nicht erteilt werden könne. Da der Praxisstatus betroffen sei, könne eine Genehmigung nur Wirkung für die Zukunft entfalten.
Im Gegensatz zu der Regelung des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV ist der Vorschrift des § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung nicht unmittelbar zu entnehmen. Auch aus dem Rechtsbegriff "Genehmigung" lässt sich dies nicht zwingend herleiten. So ist die Genehmigung nach allgemeinem Rechtsverständnis generell auch für Sachverhalte möglich, die in der Vergangenheit liegen, wie zum Beispiel Verfahrenshandlungen eines vollmachtlosen Vertreters. Dass die Genehmigung hier nur für die Zukunft erteilt werden kann, ergibt sich vielmehr aus den Besonderheiten des Vertragsarztrechts und hier insbesondere aus der Sachnähe zwischen vertragsärztlicher Zulassung als statusbegründendem Akt und Vertragsarztsitz. Für die vertragsärztliche Zulassung ist unstreitig, dass diese nur mit Wirkung für die Zukunft erteilt werden kann (BSG Urteil vom 28.01.1998 – B 6 KA 41/96 R – SozR 3-1500 § 97 Nr. 3). Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Berechtigung zur Teilnahme an der kassen- bzw. vertragsärztlichen Versorgung, auch soweit sie sich nur auf bestimmte Bereiche oder Leistungen der ambulanten Versorgung erstreckt, nicht rückwirkend zuerkannt werden. Dies gilt sowohl für Zulassungen von Kassen- bzw. Vertragsärzten als auch für Ermächtigungen von Krankenhausärzten wie für Genehmigungen zur Anstellung von Ärzten. Auch weitere – nicht auf der Ebene des Status angesiedelte – Genehmigungen, die an persönlich-fachliche Qualifikationen anknüpfen und damit einhergehend zur Erbringung bestimmter Leistungen berechtigen, können nicht rückwirkend erteilt werden (BSG Urteil vom 28.01.1998 a.a.O.). Die Unzulässigkeit rückwirkender Statusbegründungen ergibt sich aus dem System des Kassen-/Vertragsarztrechts, das nach wie vor durch das Naturalleistungsprinzip in Verbindung mit der Beschränkung der Leistungserbringung auf einen umgrenzten Kreis dafür qualifizierter Leistungserbringer geprägt ist. Mit dieser Beschränkung ist verbunden, dass diesen die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen förmlich zuerkannt sein muss (BSG Urteil vom 28.01.1998 a.a.O.). Nichts anderes kann für die Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes gelten, für den die Zulassung einmal erfolgt ist. Dieser Auslegung steht der Wortlaut des § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV nicht entgegen. Denn es entspricht dem Wesen des die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Sachleistungssystems, dass sich Leistungen, die ohne die für sie erforderliche Zulassung bzw. Genehmigung erbracht werden, stets außerhalb des Systems vollziehen und niemals rückwirkend als innerhalb des Systems erbracht angesehen werden können (LSG NRW Beschluss vom 11.05.2004 – L 11 B 10/04 KA ER – ). Aus diesem Grund sind sie selbst dann, wenn ein Anspruch auf Erteilung der Zulassung oder Genehmigung besteht, ohne diese nicht vergütungsfähig (BSG Urteil vom 29.01.1997 – 6 Rka 24/96 – SozR 3-2500 § 85 Nr. 19; BSG Urteil vom 28.01.1998 a.a.O.). Der statusbegründende Akt ist die Zulassung für einen Vertragsarztsitz, d.h. eine konkrete Praxisanschrift. Dieser Status wird mit der Verlegung des Vertragsarztsitzes verändert, weswegen die Verlegung zwingend eine vorherige Genehmigung durch die Zulassungsgremien voraussetzt.
Der Fall des Klägers zeigt zudem, dass es ansonsten von Zufälligkeiten abhängen kann, wann die Selbstverwaltungsgremien Kenntnis von der Verlegung des Praxissitzes erlangen. Ein funktionierendes System der vertragsärztlichen Versorgung ist nur zu gewährleisten, wenn derart grundlegende Veränderungen rechtzeitig angezeigt und vor Schaffung vollendeter Fakten genehmigt werden. Letztlich dient die vorherige Genehmigung auch dem Schutz des Vertragsarztes selbst vor finanziellen Verlusten in den Fällen, in denen eine Genehmigung auch rückwirkend aufgrund der Ver- sorgungslage nicht erteilt werden kann.
Durch diese Auslegung des § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV wird der Kläger zudem nicht in seinem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Das Recht, den Vertragsarztsitz zu verlegen, wird durch das Erfordernis der vorherigen Genehmigung nicht wesentlich beeinträchtigt, nachdem der Vertragsarzt auf sie einen Rechtsanspruch hat, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen, und er diesen Anspruch nötigenfalls auch unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe und der insoweit zur Verfügung stehenden Beschleunigungsmittel (§§ 86b, 88 SGG) durchsetzen kann (LSG NRW Beschluss vom 11.05.2004 a.a.O.).
Vertrauensgesichtspunkte können nach Ansicht der Kammer bei der Frage, ob eine Genehmigung rückwirkend erteilt werden kann, keine Berücksichtigung finden. Sie sind vielmehr im Rahmen des beanspruchten Honorars zu prüfen. Generell gibt es aber ebenso wie bei der Aufnahme der Tätigkeit vor Erteilung der Zulassung kein schützenswertes Vertrauen, bereits vor der Genehmigung geschweige denn vor der Anzeige der Verlegung des Vertragsarztsitzes unter der neuen Praxisanschrift vertragsärztlich zu arbeiten und dabei Aufwendungen zu machen, die sich nur durch spätere vertragsärztliche Honorare decken lassen (LSG NRW Beschluss vom 11.05.2004 a.a.O.).
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Kammer hat die Sprungrevision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, §§ 161 Abs. 2, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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