Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 9 U 35/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 104/05
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 24.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2004 verurteilt, dem Kläger ab 09.06.2000 Rente nach Maßgabe einer MdE um 20 % wegen einer Berufskrankheit nach Ziffer 2108 der Anlage zur BKV zu bewilligen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten
Tatbestand:
Streitig ist, ob beim Kläger eine Berufskrankheit (Bk) der Lendenwirbelsäule (Bk Ziffer 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung – BKV -) vorliegt.
Der Kläger ist 63 Jahre alt. Am 19.06.2002 erstattete der behandelnde Orthopäde L eine Bk-Verdachtsanzeige wegen chronischer Lumboischialgien, Bandscheibenprotrusionen L 3 – S 1, Zustand nach Spondylodese L 3 / 4 nach belastender Tätigkeit im Straßenbau. Der Kläger absolvierte ab 1955 eine Weberlehre mit anschließender Gesellentätigkeit bis 1963, war dann bis 1964 als Stahlbauarbeiter beschäftigt, 1964 bis 1976 als Hilfsarbeiter/ Kranführer im Hochbau, 1967 bis 1969 als Anlagenfahrer/Betonbauer, im Anschluss bis 1977 als Dachdecker, dann 1977 bis 1982 und 1983 bis 1996 als Bauarbeiter. Nach eigenen Angaben kam es bei ihm zu ersten Wirbelsäulenbeschwerden ca. 1979/80 nach schwerem Heben und Tragen, seitdem habe er regelmäßig wiederkehrende Beschwerden. Die belastende Tätigkeit wurde am 31.12.1996 aufgegeben, im Anschluss an eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht der Kläger derzeit Altersrente.
Die Beklagte zog Vorerkrankungsverzeichnisse der AOK Neuss, AOK Erkelenz, IKK und AOK Rheinland bei. Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Rückenbeschwerden finden sich dort ab 1972 (Lumbomyalgie), dann 1979 (Lumbargo), 1982 (Lumboischialgie) und ab 26.08.1987 wiederholt wegen Lumboischialgie und lumbaler Bandscheibenschäden.
Beratungsarzt M (Stellungnahme vom 24.03.2003) kam nach Auswertung von 4 CT-Befunden aus 1989 bis 2000, ärztlichen Berichten ab 01.06.1982 und Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule ab 24.04.1992 zu dem Ergebnis, bei dem Kläger liege ein mehrsegmentales bandscheibenbedingtes Krankheitsbild in den Segmenten L 3 – S 1 vor, während im Bereich der Brust- und Halswirbelsäule keine vorzeitigen bandscheibenbedingten Veränderungen vorhanden seien. Vorbehaltlich der noch aufzuklärenden beruflichen Belastungen seien die medizinischen Voraussetzungen einer Bk Ziffer 2108 möglicherweise gegeben.
Der Technische Aufsichtsdienst der Textil- und Bekleidungs-BG verneinte für die Tätigkeit des Klägers als Weber von April 1955 bis 14.09.1963 eine ausreichende berufliche Belastung. Der Technische Aufsichtsdienst der Bau-BG ermittelte überschlägig für die Zeit vom September 1963 bis Januar 1967 (Arbeiter im Stahlbau, Kranführer, Hilfsarbeiter im Hochbau), Februar 1967 bis August 1969 (Anlagenfahrer), August 1967 bis Mai 1977 als Dachdecker und August 1977 bis Dezember 1982 sowie April 1983 bis Oktober 1985 als Bauarbeiter eine durchschnittliche Belastungsdosis von 5,75 KNh an der Hälfte der Arbeitstage und hieraus eine Gesamtbelastungsdosis von 13,12 MNh. Die anzunehmenden Belastungen seien vergleichbar denen, die auch in der Zeit ab Oktober 1985 im Straßen- und Tiefbau aufgetreten seien. Für diese Zeit (Oktober 1985 bis Dezember 1996) ermittelte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten für 25 % der Schichten Dosen von 5550 Nh, für weitere 20 % von 6993 Nh und für weitere 25 % von 7465 Nh), insgesamt 11,98 MNh. Trotz der sich hieraus ergebenden, grundsätzlich für die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Bk Ziffer 2108 genügenden Gesamtbelastungsdosis von 25,1 MNh, empfahl der Landesgewerbearzt, keine Berufskrankheit anzuerkennen, da bei Eintritt der ersten Lendenwirbelsäulenschäden noch keine bk-relevante Exposition vorgelegen habe.
Die Beklagte verneinte das Vorliegen einer Berufskrankheit (Bescheid vom 24.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2004). Mit der hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor, aus einem parallelen Bk-Verfahren (Bk 2301) bestehe eine MdE um 10 %. Die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers sei nicht Folge körpereigener, außerberuflicher Ursachen, sondern durch die beruflichen Belastungen des Klägers bedingt. Dass beim ersten Auftreten der Erkrankung die Gesamtbelastungsdosis noch nicht erreicht gewesen sei, sei unerheblich, denn der Kläger habe zu diesem Zeitpunkt bereits 19 bis 20 Jahre belastend gearbeitet, immerhin das Doppelte dessen, was unter langjähriger Einwirkung im Sinne der Bk Ziffer 2108 zu verstehen sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2004 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nach Maßgabe einer MdE um 20 % ab 09.06.2000 zu bewilligen, hilfsweise, eine ergänzende Stellungnahme von T zu der Stellungnahme von W einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Schwerbehindertenakten des Versorgungsamts B (beginnend 1989) und durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von T (vom 28.10.2004). Hierauf hat die Beklagte unter Vorlage einer von ihr in Auftrag gegebenen orthopädischen gutachtlichen Stellungnahme von W (vom 03.02.2005 mit ergänzender Stellungnahme vom 04.04.2005) erwidert. Auf die genannten Akten und Gutachten wird inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, bei dem Kläger liegt eine Berufskrankheit nach Ziffer 2108 der Anlage zur BKV vor.
Die Feststellung einer Berufskrankheit (Bk) setzt grundsätzlich voraus, dass zum einen in der Person des Versicherten die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d. h. dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der Bk ausgesetzt gewesen ist, die nach Umfang und Intensität geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken (haftungsbegründende Kausalität). Diese Voraussetzung ist nach den auch das Gericht überzeugenden und insoweit nachvollziehbaren Ausführungen der Technischen Aufsichtsdienste beim Kläger gegeben. Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss demnach ein der Bk entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit – nicht jedoch die bloße Möglichkeit – ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität – vgl. zum Vorstehenden insgesamt Landessozialgericht – LSG – NRW, Urteil vom 03.02.2003, L 17 U 249/02 m. w. N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind im Falle des Klägers die Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung eine Bk Nr. 2108 der Anlage zur BKV erfüllt. Der Kläger leidet an einem chronischen Lumbalsyndrom bei Wurzelkompressionssyndrom L 2/L3 links, wobei ein typischer Verlauf einer degenerativen Bandscheibenerkrankung vorliegt, die bereits seit 1982 nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und des behandelnden Orthopäden S gesichert werden kann. Bildtechnisch kann ein Bandscheibenvorfall bei L 2 / L 3 gesichert werden, unabhängig davon liegt ein Zustand nach Versteifungsoperation im Segment L 3/L 4 nach Bandscheibenvorfall vor, sowie eine mehrsegmentale Bandscheibenmassenverlagerung auch in L 4/L5 und L5/S1 mit zusätzlicher Engstellung des Wirbelkanals im Rahmen einer Spondylarthrose. Es liegt damit eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der Anforderungen der Bk Ziffer 2108 vor. Dies steht für die Kammer aufgrund der überzeugenden und nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen T fest und ist im Übrigen auch nicht streitig. In Brust- und Halswirbelsäule des Klägers finden sich keine altersüberschreitenden Veränderungen.
Die Kammer folgt dem Sachverständigen auch darin, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der Arbeitsbelastung und der bandscheibenbedingten Erkrankung zu bejahen ist, weil nach den im Wesentlichen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen mehr Indizien für als gegen eine berufliche Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankungen des Klägers sprechen, so dass die beruflichen Belastungen zumindest – wie bei Wirbelsäulenerkrankungen üblicherweise – im Sinne der wesentlichen Teilursache wahrscheinlich für die Erkrankung des Klägers verantwortlich sind. Konkurrierende außerberufliche oder gesundheitliche Ursachen für die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers ließen sich nicht finden. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. u. a. Urteil vom 30.10.2003, S 9 U 27/02; Urteil vom 27.01.2005, S 9 U 88/03; im Anschluss an LSG NRW, Urteil vom 03.02.2003, L 17 U 249/02) sprechen für eine beruflich bedingte Verursachung bandscheibenbedingter LWS-Erkrankungen ein belastungskonformes Schadensbild mit von unten nach oben abnehmendem Schaden und ein Auftreten der Beschwerden nach einer beruflichen Belastung von mehr als 10 Jahren sowie eine plausible zeitliche Korrelation der Entwicklung des Schadensbildes mit den gesicherten beruflichen Belastungen und eindeutig altersvorauseilender Verschleiß. Gegen eine berufliche Verursachung sprechen eine gleichmäßig starke Veränderung der Bandscheiben über 2 oder 3 Wirbelsäulenabschnitte, ein überwiegendes Auftreten der bandscheibenbedingten Veränderungen an belastungsfernen Wirbelsäulenabschnitten, ein Auftreten der Veränderungen vor Vollendung des 3. Lebensjahrzehnts und konkurrierende Erkrankungen aus dem privaten Bereich. Da bei dem Kläger altersvorauseilender Verschleiß nur im Bereich der Lendenwirbelsäule vorliegt, bei gleichzeitig unterdurchschnittlich betroffener Hals- und Lendenwirbelsäule, altersvorauseilende bandscheibenbedingte Erkrankungen erstmals 1989 im CT gesichert wurden, also nach 26 Jahren beruflicher, belastender Tätigkeit und alternative Schadensursachen nicht bekannt wurden, erste bandscheibenbedingte Beschwerden 1982 dokumentiert sind (Lumboischialgie), also auch nach weit über 10 Jahren belastender Tätigkeit und der Kläger zu diesem Zeitpunkt über 40 Jahre alt war, spricht die Indizienlage nach Auffassung der Kammer für einen Kausalzusammenhang. Soweit T die Tatsache, dass Verschleißerscheinungen der oberen beiden Lendenwirbelsäulensegmente erst nach Aufgabe der belastenden Tätigkeit festzustellen sind, als Indiz gegen den Kausalzusammenhang wertet – ohne damit allerdings den Kausalzusammenhang insgesamt in Frage zu stellen – sieht auch die Kammer hierin keinen Anlass den Kausalzusammenhang zu verneinen. Die Kammer hat schon in früheren Entscheidungen unter Bezug auf T (Urteil vom 27.01.2005, S 9 U 88/03) die Auffassung vertreten, dass die nicht belastungskonforme Schadensvereteilung in der Lendenwirbelsäule zwar ein wichtiges Indiz gegen den Kausalzusammenhang darstellt, aber kein Ausschlusskriterium ist. Bei im Übrigen dichter Indizienkette zugunsten eines Kausalzusammenhanges, insbesondere auch fehlender Betroffenheit der oberen Wirbelsäulenabschnitte, und fehlenden Anhaltspunkten für eine alternative Verursachung sieht die Kammer den Zusammenhang dennoch als wahrscheinlich an, da sich positive Dosis-Wirkungs-Beziehungen in jüngerer Vergangenheit sogar bei entsprechend arbeitsbelasteten Probanden fanden, die bandscheibenbedingte Lendenwirbelsäulenerkrankungen ausschließlich in den oberen LWS-Segmenten aufwiesen, oder bei denen sich unauffällige Segmente unterhalb von betroffenen Segmenten fanden. Ein solcher Fall ist beim Kläger nicht gegeben, bei dem nach den Feststellungen des Sachverständigen das Schadensbild von unten nach oben abnimmt, somit grundsätzlich belastungskonform ist. Das spätere Auftreten von Schäden der oberen Lendenwirbelsäule mag für eine zusätzliche anlagebedingte Komponente der Erkrankung des Klägers sprechen, weshalb die berufliche Verursachung von der Kammer auch nur als teilursächlich angesehen wird. Auch W kommt bei einer Gesamtwertung des Schadensbildes der Lendenwirbelsäule zu dem Ergebnis, dass dieses für eine berufliche Teilursache spreche.
Allerdings will W aufgrund des zeitlichen Verlaufs und der zeitlichen Korrelation zwischen Belastung und Auftreten der Erkrankung den Ursachenzusammenhang in Frage stellen. Insoweit folgt ihm die Kammer nicht. Dabei weist auch W darauf hin, dass – insoweit entgegen der den ablehnenden Bescheiden zugrunde liegenden landesgewerbeärztlichen Stellungnahme – eine Erkrankung vor Erreichen der Gesamtlebensdosis von 25 MNh entsprechend dem kritischen Grenzwert nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) eine wesentliche berufliche Teilursache nicht ausschließe. Je früher aber nach Beginn der beruflichen Belastungen die Altersnorm übersteigende morphologische Veränderungen aufträten und je stärker diese schon frühzeitig ausgeprägt seien, umso größer sei der außerberufliche Ursachenanteil anzunehmen und umgekehrt. W will deshalb den Ursachenzusammenhang nur dann bejahen, wenn nachgewiesen sei, dass Anfang bis Mitte der 80er Jahre noch keine altersvorauseilenden röntgenmorphologischen Veränderungen sichtbar gewesen seien. Die Richtigkeit dieser Auffassung unterstellt, kann sie im vorliegenden Fall nicht zu einer Ablehnung der Anerkennung der Berufskrankheit führen, da erstmals im Computertomogramm 1989 die Altersnorm deutlich übersteigende Veränderungen der Lendenwirbelsäule dokumentiert sind. Zu diesem Zeitpunkt lag bereits eine 26-jährige überschwellige Belastung vor. Soweit die Beklagte weitere Vorschäden geltend machen will, trüge sie hierfür die Beweislast, wobei aber trotz intensiver Bemühung Röntgenbilder aus der Zeit ab 1982 nicht mehr beigezogen werden konnten. Es kommt hinzu, dass die Kammer davon ausgeht, das die bisher von der Beklagten zugrunde gelegte Gesamtlebensdosis von 25,1 MNh eher knapp gerechnet ist, denn die zugrunde liegende Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Bau-BG enthält eine erkennbar nur überschlägige Berechnung mit dem Verweis darauf, dass die Belastungen in der Anfangszeit ähnlich gewesen seien, wie die nach 1985 im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Die deutlich detailliertere Berechnung der Beklagten geht aber für diese Zeit von einer jährlichen Belastung von über 1 MNh aus (Berechnung Dipl.-Ing. C vom 18.06.2003), was Übertragen auf die im Zuständigkeitsbereich der Bau-BG zurückgelegten Tätigkeitszeiten einer Belastungsdosis bis Oktober 1985 von rund 21 MNh entspräche. Insoweit konnte aber weitere Ermittlung unterbleiben, da die Kammer mit T davon ausgeht, dass die von der Bau-BG ermittelte Belastung bereits für eine positive Beurteilung des Zusammenhangs ausreicht. Im Übrigen hat das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 1/02 R) zu der Belastungsberechnung der Beklagten nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell bereits ausgeführt, dass die Lebensbelastungsdosis von 25 MNh keinen anspruchsausschließenden Grenzwert darstelle, sondern dass lediglich bei einem Unterschreiten dieses Grenzwerts um die Hälfte keine medizinische Einzelfallbetrachtung mehr erforderlich sei, woraus im Umkehrschluss gefolgert werden kann, dass bei entsprechender Indizienlage auch bei entsprechend niedrigeren Belastungen eine Anerkennung einer Bk Nr. 2108 in Frage kommen kann. Die Belastung nach dem MDD ist demnach nur eines von mehreren Bewertungselementen.
Ab dem 09.06.2000 zwang die Erkrankung den Kläger zur Aufgabe der belastenden Tätigkeiten, wie die Kammer dem Gutachten von T entnimmt. Die beim Kläger unabhängig von beruflichen Belastungen aufgetretenen Erkrankungen rheumatische Oligarthritis und Wurzelkompressionsymptomatik im Segment L 2/L 3 sind dabei nicht als Bk-Folge anzuerkennen. Die Bk-Folgen Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule, belastungsabhängige Weichteilreizzustände mit Minderbelastbarkeit verursachen nach der auch die Kammer überzeugenden Einschätzung von T eine MdE um 20 %. Diese Einschätzung wird grundsätzlich auch von W geteilt, der allerdings im Hinblick auf die daneben bestehenden zahlreichen berufskrankheiten-unabhängigen Erkrankungen (koronare Herzerkrankung, rheumatische Polymyalgie, fortgeschrittene Handwurzelarthrose links, Psoriasisathritis), die bereits vor dem Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe die Arbeitsmöglichkeiten des Klägers erheblich eingeschränkt hätten, die MdE niedriger ansetzen will. Dem folgt die Kammer nicht, denn der Kläger war in dem Zustand versichert, in dem er sich zur Zeit des Versicherungsfalls befand. Folgt man der Einschätzung von W dass zu diesem Zeitpunkt der ihm zur Verfügung stehende Arbeitsmarkt schon erheblich eingeschränkt war, kann eine weitere Einschränkung durch die in Rede stehende Berufserkrankung eigentlich nur zu einer Anhebung, nicht zu einer Verringerung der MdE führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist, ob beim Kläger eine Berufskrankheit (Bk) der Lendenwirbelsäule (Bk Ziffer 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung – BKV -) vorliegt.
Der Kläger ist 63 Jahre alt. Am 19.06.2002 erstattete der behandelnde Orthopäde L eine Bk-Verdachtsanzeige wegen chronischer Lumboischialgien, Bandscheibenprotrusionen L 3 – S 1, Zustand nach Spondylodese L 3 / 4 nach belastender Tätigkeit im Straßenbau. Der Kläger absolvierte ab 1955 eine Weberlehre mit anschließender Gesellentätigkeit bis 1963, war dann bis 1964 als Stahlbauarbeiter beschäftigt, 1964 bis 1976 als Hilfsarbeiter/ Kranführer im Hochbau, 1967 bis 1969 als Anlagenfahrer/Betonbauer, im Anschluss bis 1977 als Dachdecker, dann 1977 bis 1982 und 1983 bis 1996 als Bauarbeiter. Nach eigenen Angaben kam es bei ihm zu ersten Wirbelsäulenbeschwerden ca. 1979/80 nach schwerem Heben und Tragen, seitdem habe er regelmäßig wiederkehrende Beschwerden. Die belastende Tätigkeit wurde am 31.12.1996 aufgegeben, im Anschluss an eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht der Kläger derzeit Altersrente.
Die Beklagte zog Vorerkrankungsverzeichnisse der AOK Neuss, AOK Erkelenz, IKK und AOK Rheinland bei. Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Rückenbeschwerden finden sich dort ab 1972 (Lumbomyalgie), dann 1979 (Lumbargo), 1982 (Lumboischialgie) und ab 26.08.1987 wiederholt wegen Lumboischialgie und lumbaler Bandscheibenschäden.
Beratungsarzt M (Stellungnahme vom 24.03.2003) kam nach Auswertung von 4 CT-Befunden aus 1989 bis 2000, ärztlichen Berichten ab 01.06.1982 und Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule ab 24.04.1992 zu dem Ergebnis, bei dem Kläger liege ein mehrsegmentales bandscheibenbedingtes Krankheitsbild in den Segmenten L 3 – S 1 vor, während im Bereich der Brust- und Halswirbelsäule keine vorzeitigen bandscheibenbedingten Veränderungen vorhanden seien. Vorbehaltlich der noch aufzuklärenden beruflichen Belastungen seien die medizinischen Voraussetzungen einer Bk Ziffer 2108 möglicherweise gegeben.
Der Technische Aufsichtsdienst der Textil- und Bekleidungs-BG verneinte für die Tätigkeit des Klägers als Weber von April 1955 bis 14.09.1963 eine ausreichende berufliche Belastung. Der Technische Aufsichtsdienst der Bau-BG ermittelte überschlägig für die Zeit vom September 1963 bis Januar 1967 (Arbeiter im Stahlbau, Kranführer, Hilfsarbeiter im Hochbau), Februar 1967 bis August 1969 (Anlagenfahrer), August 1967 bis Mai 1977 als Dachdecker und August 1977 bis Dezember 1982 sowie April 1983 bis Oktober 1985 als Bauarbeiter eine durchschnittliche Belastungsdosis von 5,75 KNh an der Hälfte der Arbeitstage und hieraus eine Gesamtbelastungsdosis von 13,12 MNh. Die anzunehmenden Belastungen seien vergleichbar denen, die auch in der Zeit ab Oktober 1985 im Straßen- und Tiefbau aufgetreten seien. Für diese Zeit (Oktober 1985 bis Dezember 1996) ermittelte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten für 25 % der Schichten Dosen von 5550 Nh, für weitere 20 % von 6993 Nh und für weitere 25 % von 7465 Nh), insgesamt 11,98 MNh. Trotz der sich hieraus ergebenden, grundsätzlich für die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Bk Ziffer 2108 genügenden Gesamtbelastungsdosis von 25,1 MNh, empfahl der Landesgewerbearzt, keine Berufskrankheit anzuerkennen, da bei Eintritt der ersten Lendenwirbelsäulenschäden noch keine bk-relevante Exposition vorgelegen habe.
Die Beklagte verneinte das Vorliegen einer Berufskrankheit (Bescheid vom 24.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2004). Mit der hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor, aus einem parallelen Bk-Verfahren (Bk 2301) bestehe eine MdE um 10 %. Die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers sei nicht Folge körpereigener, außerberuflicher Ursachen, sondern durch die beruflichen Belastungen des Klägers bedingt. Dass beim ersten Auftreten der Erkrankung die Gesamtbelastungsdosis noch nicht erreicht gewesen sei, sei unerheblich, denn der Kläger habe zu diesem Zeitpunkt bereits 19 bis 20 Jahre belastend gearbeitet, immerhin das Doppelte dessen, was unter langjähriger Einwirkung im Sinne der Bk Ziffer 2108 zu verstehen sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2004 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nach Maßgabe einer MdE um 20 % ab 09.06.2000 zu bewilligen, hilfsweise, eine ergänzende Stellungnahme von T zu der Stellungnahme von W einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Schwerbehindertenakten des Versorgungsamts B (beginnend 1989) und durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von T (vom 28.10.2004). Hierauf hat die Beklagte unter Vorlage einer von ihr in Auftrag gegebenen orthopädischen gutachtlichen Stellungnahme von W (vom 03.02.2005 mit ergänzender Stellungnahme vom 04.04.2005) erwidert. Auf die genannten Akten und Gutachten wird inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, bei dem Kläger liegt eine Berufskrankheit nach Ziffer 2108 der Anlage zur BKV vor.
Die Feststellung einer Berufskrankheit (Bk) setzt grundsätzlich voraus, dass zum einen in der Person des Versicherten die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d. h. dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der Bk ausgesetzt gewesen ist, die nach Umfang und Intensität geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken (haftungsbegründende Kausalität). Diese Voraussetzung ist nach den auch das Gericht überzeugenden und insoweit nachvollziehbaren Ausführungen der Technischen Aufsichtsdienste beim Kläger gegeben. Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss demnach ein der Bk entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit – nicht jedoch die bloße Möglichkeit – ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität – vgl. zum Vorstehenden insgesamt Landessozialgericht – LSG – NRW, Urteil vom 03.02.2003, L 17 U 249/02 m. w. N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind im Falle des Klägers die Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung eine Bk Nr. 2108 der Anlage zur BKV erfüllt. Der Kläger leidet an einem chronischen Lumbalsyndrom bei Wurzelkompressionssyndrom L 2/L3 links, wobei ein typischer Verlauf einer degenerativen Bandscheibenerkrankung vorliegt, die bereits seit 1982 nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und des behandelnden Orthopäden S gesichert werden kann. Bildtechnisch kann ein Bandscheibenvorfall bei L 2 / L 3 gesichert werden, unabhängig davon liegt ein Zustand nach Versteifungsoperation im Segment L 3/L 4 nach Bandscheibenvorfall vor, sowie eine mehrsegmentale Bandscheibenmassenverlagerung auch in L 4/L5 und L5/S1 mit zusätzlicher Engstellung des Wirbelkanals im Rahmen einer Spondylarthrose. Es liegt damit eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der Anforderungen der Bk Ziffer 2108 vor. Dies steht für die Kammer aufgrund der überzeugenden und nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen T fest und ist im Übrigen auch nicht streitig. In Brust- und Halswirbelsäule des Klägers finden sich keine altersüberschreitenden Veränderungen.
Die Kammer folgt dem Sachverständigen auch darin, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der Arbeitsbelastung und der bandscheibenbedingten Erkrankung zu bejahen ist, weil nach den im Wesentlichen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen mehr Indizien für als gegen eine berufliche Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankungen des Klägers sprechen, so dass die beruflichen Belastungen zumindest – wie bei Wirbelsäulenerkrankungen üblicherweise – im Sinne der wesentlichen Teilursache wahrscheinlich für die Erkrankung des Klägers verantwortlich sind. Konkurrierende außerberufliche oder gesundheitliche Ursachen für die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers ließen sich nicht finden. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. u. a. Urteil vom 30.10.2003, S 9 U 27/02; Urteil vom 27.01.2005, S 9 U 88/03; im Anschluss an LSG NRW, Urteil vom 03.02.2003, L 17 U 249/02) sprechen für eine beruflich bedingte Verursachung bandscheibenbedingter LWS-Erkrankungen ein belastungskonformes Schadensbild mit von unten nach oben abnehmendem Schaden und ein Auftreten der Beschwerden nach einer beruflichen Belastung von mehr als 10 Jahren sowie eine plausible zeitliche Korrelation der Entwicklung des Schadensbildes mit den gesicherten beruflichen Belastungen und eindeutig altersvorauseilender Verschleiß. Gegen eine berufliche Verursachung sprechen eine gleichmäßig starke Veränderung der Bandscheiben über 2 oder 3 Wirbelsäulenabschnitte, ein überwiegendes Auftreten der bandscheibenbedingten Veränderungen an belastungsfernen Wirbelsäulenabschnitten, ein Auftreten der Veränderungen vor Vollendung des 3. Lebensjahrzehnts und konkurrierende Erkrankungen aus dem privaten Bereich. Da bei dem Kläger altersvorauseilender Verschleiß nur im Bereich der Lendenwirbelsäule vorliegt, bei gleichzeitig unterdurchschnittlich betroffener Hals- und Lendenwirbelsäule, altersvorauseilende bandscheibenbedingte Erkrankungen erstmals 1989 im CT gesichert wurden, also nach 26 Jahren beruflicher, belastender Tätigkeit und alternative Schadensursachen nicht bekannt wurden, erste bandscheibenbedingte Beschwerden 1982 dokumentiert sind (Lumboischialgie), also auch nach weit über 10 Jahren belastender Tätigkeit und der Kläger zu diesem Zeitpunkt über 40 Jahre alt war, spricht die Indizienlage nach Auffassung der Kammer für einen Kausalzusammenhang. Soweit T die Tatsache, dass Verschleißerscheinungen der oberen beiden Lendenwirbelsäulensegmente erst nach Aufgabe der belastenden Tätigkeit festzustellen sind, als Indiz gegen den Kausalzusammenhang wertet – ohne damit allerdings den Kausalzusammenhang insgesamt in Frage zu stellen – sieht auch die Kammer hierin keinen Anlass den Kausalzusammenhang zu verneinen. Die Kammer hat schon in früheren Entscheidungen unter Bezug auf T (Urteil vom 27.01.2005, S 9 U 88/03) die Auffassung vertreten, dass die nicht belastungskonforme Schadensvereteilung in der Lendenwirbelsäule zwar ein wichtiges Indiz gegen den Kausalzusammenhang darstellt, aber kein Ausschlusskriterium ist. Bei im Übrigen dichter Indizienkette zugunsten eines Kausalzusammenhanges, insbesondere auch fehlender Betroffenheit der oberen Wirbelsäulenabschnitte, und fehlenden Anhaltspunkten für eine alternative Verursachung sieht die Kammer den Zusammenhang dennoch als wahrscheinlich an, da sich positive Dosis-Wirkungs-Beziehungen in jüngerer Vergangenheit sogar bei entsprechend arbeitsbelasteten Probanden fanden, die bandscheibenbedingte Lendenwirbelsäulenerkrankungen ausschließlich in den oberen LWS-Segmenten aufwiesen, oder bei denen sich unauffällige Segmente unterhalb von betroffenen Segmenten fanden. Ein solcher Fall ist beim Kläger nicht gegeben, bei dem nach den Feststellungen des Sachverständigen das Schadensbild von unten nach oben abnimmt, somit grundsätzlich belastungskonform ist. Das spätere Auftreten von Schäden der oberen Lendenwirbelsäule mag für eine zusätzliche anlagebedingte Komponente der Erkrankung des Klägers sprechen, weshalb die berufliche Verursachung von der Kammer auch nur als teilursächlich angesehen wird. Auch W kommt bei einer Gesamtwertung des Schadensbildes der Lendenwirbelsäule zu dem Ergebnis, dass dieses für eine berufliche Teilursache spreche.
Allerdings will W aufgrund des zeitlichen Verlaufs und der zeitlichen Korrelation zwischen Belastung und Auftreten der Erkrankung den Ursachenzusammenhang in Frage stellen. Insoweit folgt ihm die Kammer nicht. Dabei weist auch W darauf hin, dass – insoweit entgegen der den ablehnenden Bescheiden zugrunde liegenden landesgewerbeärztlichen Stellungnahme – eine Erkrankung vor Erreichen der Gesamtlebensdosis von 25 MNh entsprechend dem kritischen Grenzwert nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) eine wesentliche berufliche Teilursache nicht ausschließe. Je früher aber nach Beginn der beruflichen Belastungen die Altersnorm übersteigende morphologische Veränderungen aufträten und je stärker diese schon frühzeitig ausgeprägt seien, umso größer sei der außerberufliche Ursachenanteil anzunehmen und umgekehrt. W will deshalb den Ursachenzusammenhang nur dann bejahen, wenn nachgewiesen sei, dass Anfang bis Mitte der 80er Jahre noch keine altersvorauseilenden röntgenmorphologischen Veränderungen sichtbar gewesen seien. Die Richtigkeit dieser Auffassung unterstellt, kann sie im vorliegenden Fall nicht zu einer Ablehnung der Anerkennung der Berufskrankheit führen, da erstmals im Computertomogramm 1989 die Altersnorm deutlich übersteigende Veränderungen der Lendenwirbelsäule dokumentiert sind. Zu diesem Zeitpunkt lag bereits eine 26-jährige überschwellige Belastung vor. Soweit die Beklagte weitere Vorschäden geltend machen will, trüge sie hierfür die Beweislast, wobei aber trotz intensiver Bemühung Röntgenbilder aus der Zeit ab 1982 nicht mehr beigezogen werden konnten. Es kommt hinzu, dass die Kammer davon ausgeht, das die bisher von der Beklagten zugrunde gelegte Gesamtlebensdosis von 25,1 MNh eher knapp gerechnet ist, denn die zugrunde liegende Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Bau-BG enthält eine erkennbar nur überschlägige Berechnung mit dem Verweis darauf, dass die Belastungen in der Anfangszeit ähnlich gewesen seien, wie die nach 1985 im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Die deutlich detailliertere Berechnung der Beklagten geht aber für diese Zeit von einer jährlichen Belastung von über 1 MNh aus (Berechnung Dipl.-Ing. C vom 18.06.2003), was Übertragen auf die im Zuständigkeitsbereich der Bau-BG zurückgelegten Tätigkeitszeiten einer Belastungsdosis bis Oktober 1985 von rund 21 MNh entspräche. Insoweit konnte aber weitere Ermittlung unterbleiben, da die Kammer mit T davon ausgeht, dass die von der Bau-BG ermittelte Belastung bereits für eine positive Beurteilung des Zusammenhangs ausreicht. Im Übrigen hat das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 1/02 R) zu der Belastungsberechnung der Beklagten nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell bereits ausgeführt, dass die Lebensbelastungsdosis von 25 MNh keinen anspruchsausschließenden Grenzwert darstelle, sondern dass lediglich bei einem Unterschreiten dieses Grenzwerts um die Hälfte keine medizinische Einzelfallbetrachtung mehr erforderlich sei, woraus im Umkehrschluss gefolgert werden kann, dass bei entsprechender Indizienlage auch bei entsprechend niedrigeren Belastungen eine Anerkennung einer Bk Nr. 2108 in Frage kommen kann. Die Belastung nach dem MDD ist demnach nur eines von mehreren Bewertungselementen.
Ab dem 09.06.2000 zwang die Erkrankung den Kläger zur Aufgabe der belastenden Tätigkeiten, wie die Kammer dem Gutachten von T entnimmt. Die beim Kläger unabhängig von beruflichen Belastungen aufgetretenen Erkrankungen rheumatische Oligarthritis und Wurzelkompressionsymptomatik im Segment L 2/L 3 sind dabei nicht als Bk-Folge anzuerkennen. Die Bk-Folgen Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule, belastungsabhängige Weichteilreizzustände mit Minderbelastbarkeit verursachen nach der auch die Kammer überzeugenden Einschätzung von T eine MdE um 20 %. Diese Einschätzung wird grundsätzlich auch von W geteilt, der allerdings im Hinblick auf die daneben bestehenden zahlreichen berufskrankheiten-unabhängigen Erkrankungen (koronare Herzerkrankung, rheumatische Polymyalgie, fortgeschrittene Handwurzelarthrose links, Psoriasisathritis), die bereits vor dem Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe die Arbeitsmöglichkeiten des Klägers erheblich eingeschränkt hätten, die MdE niedriger ansetzen will. Dem folgt die Kammer nicht, denn der Kläger war in dem Zustand versichert, in dem er sich zur Zeit des Versicherungsfalls befand. Folgt man der Einschätzung von W dass zu diesem Zeitpunkt der ihm zur Verfügung stehende Arbeitsmarkt schon erheblich eingeschränkt war, kann eine weitere Einschränkung durch die in Rede stehende Berufserkrankung eigentlich nur zu einer Anhebung, nicht zu einer Verringerung der MdE führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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