Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 RA 132/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RA 54/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 29/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für den Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung einer Zeit der Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung der technischen Intelligenz der ehemaligen DDR zusteht.
Der am 00.00.1953 geborene Kläger absolvierte an der F-Universität H das Studium der Physik und erhielt am 07.08.1975 den akademischen Grad Diplom-Physiker verliehen. Nach Beendigung seines Studiums war der Kläger vom 01.10.1975 bis zum 30.11.1990 bei dem volkseigenen Kombinat Kernkraftwerke H / Energiewerke O GmbH tätig. Dort arbeitete er vom 01.10.1975 bis zum 31.08.1979 als Reaktoroperator, vom 01.09.1979 bis zum 31.07.1984 als Blockleiter, vom 01.08.1984 bis zum 31.12.1985 als Doppelblockleiter und vom 01.01.1986 bis zum 30.11.1990 als Blockleiter. Zur Ausübung dieser Tätigkeiten war ein kernkraftspezifischer Fachkundenachweis erforderlich. Die Energiewerke O GmbH teilten hierzu mit, dass sich die Fachkundeausbildung für die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten nach vom Staatlichen Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS) erlassenen Richtlinien geregelt habe. In Übereinstimmung mit diesen Richtlinien habe sich das Personal aus Diplom-Physikern, Diplom-Ingenieuren und Ingenieuren verschiedenster technischer Fachrichtungen zusammengesetzt (Auskunft vom 17.08.2004).
Der Kläger beantragte am 20.08.2001 die Überführung seiner bis zum 30.06.1990 in den neuen Bundesländern erworbenen Zusatzversorgungsanwartschaften aus der DDR in die Rentenversicherung. Er berief sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.03.1998 - B 4 RA 27/97 R -. Durch Bescheid vom 25.09.2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Zeitraumes vom 01.10.1975 bis 30.06.1990 als nachgewiesene Zeit der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz ab. Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne des Anspruchs- und Anwartschaftsüberleitungsgesetzes (AAÜG) sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage zur Zeit der DDR vorgelegen, noch habe am 30.06.1990 eine Beschäftigung vorgelegen, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorischen Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre.
Hiergegen legte der Kläger am 22.10.2001 Widerspruch ein. Er führte aus, es sei zwar richtig, dass er den Titel "Ingenieur" nicht führe. Dies liege aber an den Besonderheiten des Bereichs der Kernenergie. Ursprünglich seien Stellen von der Art der von ihm verrichteten Tätigkeiten nur mit Ingenieuren besetzt worden, bis in den 70er Jahren dann im Ausnahmefall auch Diplom-Physiker eingestellt worden seien. Sowohl Ingenieure als auch Diplom-Physiker hätten ihr Fachwissen noch durch eine mehrjährige kernkraftwerksspezifische Zusatzausbildung nachweisen müssen. Auch er habe diese Prüfung absolviert. Er sei daher genau so zu stellen, wie seine Kollegen aus dem Bereich der Kernenergie, die den Titel "Ingenieur" führten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen. Hiergegen hat der Kläger am 21.10.2002 Klage bei dem Sozialgericht Detmold erhoben.
Der Kläger hat vorgetragen, die Rechtsprechung des BSG zur Nichteinbeziehung u.a. eines Diplom-Chemikers und eines Diplom-Physikers in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz berücksichtige nicht die bei ihm bestehenden Besonderheiten. Als Kernenergie-Spezialist falle er in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 3 der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24.05.1951 (2. DBAVItech). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass alle Spezialgebiete der Technik in den Anwendungsbereich der vorgenannten Durchführungsbestimmungen einbezogen gewesen seien, habe sich der Ermessensspielraum des Werkdirektors zur Einbeziehung des in Satz 3 genannten Personenkreises auf Null reduziert.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
den Bescheid vom 25.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeiten vom 01.10.1975 bis zum 30.06.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz sowie entsprechende Verdienste festzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 28.07.2004 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe die begehrte Anwartschaftsüberführung in die gesetzliche Rentenversicherung nicht zu. Es fehle bereits an einem Recht, dass den Anwendungsbereich des AAÜG nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG eröffne. Denn der Kläger sei weder zu DDR-Zeiten Berechtigter einer Zusatzversorgungsanwartschaft geworden noch habe er darauf einen Anspruch bei In-Kraft-Treten des AAÜG zum 01.08.1991 gehabt. Eine Anwartschaft aus einer ausdrücklichen Versorgungszusage liege nicht vor. Eine Versorgungszusage, die als bindender Verwaltungsakt zu beachten wäre, sei dem Kläger zu DDR-Zeiten unstreitig nicht gemacht worden. Ebenso wenig habe der Kläger einen Anspruch auf fiktive Erteilung einer Versorgungszusage. Unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG sei festzustellen, dass der Kläger die persönlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Zusatzversorgungsverordnung nicht erfüllt habe. Dabei sei § 1 der VO AVItech vom 17.08.1950 und der 2. DB AVItech als konkret ausgestaltende Norm als justiziables Bundesrecht zu beachten. Dabei sei im Gegensatz zur ursprünglichen Anwendung in der DDR die 2. Durchführungsbestimmung als abstrakte Norm anzuwenden. Danach sei das System generell eingerichtet worden für
1. Personen, die berechtigt gewesen seien, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und
2. die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar
3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens.
Denn als Angehörige der technischen Intelligenz seien gemäß § 1 VO AVtech vom 17.08.1950 Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete, wie Ingenieure und Techniker des Bergbaus, der Metallurgie, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, der Feinmechanik und Optik, der Chemie, des Bauwesens und Statiker zu sehen. Zu diesem Kreis gehörten ferner Werkdirektoren und Lehrer technischer Fächer an den Fach- und Hochschulen. Der Kläger verfüge eindeutig über keinen entsprechenden Titel. Insbesondere sei er kein "Ingenieur", auch wenn die von ihm verrichtete Tätigkeit im Kernkraftwerk noch so qualifiziert gewesen sei. Es fehle an der persönlichen Voraussetzung (Titel), auch wenn die sachliche Voraussetzung von der Qualität und Schwierigkeit der Arbeit her erfüllt gewesen wäre (sachliche Voraussetzung) und der Kläger auch in einem volkseigenen Produktionsbetrieb gearbeitet habe. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der abstrakten Norm der 2. DB AVltech seien nicht erfüllt. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, im Wege der Auslegung oder Analogiebildung den Kreis der Berechtigten aus den Sonderversorgungssystemen in irgend einer Form sachgerecht abzurunden. Der Kreis der Berechtigten sollte keinesfalls noch erweitert werden.
Gegen den am 02.08.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.09.2004 Berufung eingelegt. Der Kläger macht geltend, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts seien die persönlichen Voraussetzungen für seine Einbeziehung in den berechtigten Kreis des AAÜG erfüllt; ihm habe im Sinne der Rechtsprechung des BSG aus der Sicht des am 01.08.1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage ein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage zugestanden. Insbesondere sei er in den Anwendungsbereich der Zusatzversorgung für den Bereich der technischen Intelligenz gefallen, denn er sei als Ingenieur im Sinne der 2. DB AVItech anzusehen. Die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen, ergebe sich nicht auf der Grundlage seines abgeschlossenen Hochschulstudiums der Physik, sondern auf der Grundlage einer weiteren staatlich anerkannten, in der Kernenergie erworbenen Zweit-Fachausbildung. Der Kläger habe die in den Richtlinien über die Anforderungen an die Qualifikation sowie Aus- und Weiterbildung des Personals von Kernkraftwerken zur Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz erforderliche Fachkunde-Ausbildung an der hierfür staatlich autorisierten Kernkraftschule Rheinberg durchlaufen. Der in der Kernkraftschule absolvierte Teil der Fachkundeausbildung habe etwa 700 Ausbildungsstunden, Vorlesungen, Seminare einschließlich Abschlussprüfung umfasst. Der überwiegende Teil habe mit 1.900 Ausbildungsstunden zur Stufe Reaktoroperator und weiteren 30 Monaten zum Reaktorblockleiter in der Kernkraftanlage selbst vollzogen werden müssen. Die Kernenergie-Fachkundeausbildung sei als technisches Fachstudium anzusehen und berechtige nach § 1 Abs. 1 c der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12.04.1962 (Ingenieurverordnung) dazu, den Berufstitel "Ingenieur" zu führen. Der von der Beklagten hierzu geforderte Nachweis eines Ingenieurzeugnisses einer staatlichen Fach- bzw. Hochschule gelte nach dem Wortlaut der Verordnung nur für Diplom-Ingenieure und beschreibe lediglich den Regelfall.
Ob der Kläger zusätzlich die Kriterien für die Berufsbezeichnung "Techniker" erfülle, könne dahingestellt bleiben. Vor Unterstellung unter die Bestimmungen des Atomrechts sei der Kläger als Diplom-Physiker bereits vom Anwendungsbereich der Zusatzversorgung für die wissenschaftliche Intelligenz erfasst gewesen. Dieser Besitzstand sei ihm unter Geltung der atomrechtlichen Bestimmungen verfassungswidrig entschädigungslos enteignet worden. Diese Rechtsverletzung berechtige durchaus zu einer sachgerechten, rechtsstaatlich anzuerkennenden Erweiterung der Auslegung der maßgeblichen DDR-Vorschriften, z.B. des § 1 Abs. 1 Satz 3 der 2. DB-AVItech. Nach dieser Vorschrift gehörten Spezialisten ohne Ingenieurtitel mit bedeutendem Einfluss auf den Produktionsprozess zum Kreis der potenziell Begünstigten. Die fehlende Beantragung durch Werksdirektor und/oder andere staatliche Stellen sei im Falle der Fachkunde für Kernenergieanlagen gegenstandslos. Eine differenzierte Behandlung der Fachkunde-Absolventen nach ihrer Ausgangsausbildung stelle für den Kläger eine verfassungswidrige Beschwer im Sinne des Art. 3 Grundgesetz dar. Nach der Fachkundeausbildung hätten Ingenieure und Physiker genau die gleichen Tätigkeiten ausgeübt; es sei daher sachlich nicht zu rechtfertigen, wenn Ingenieurskollegen in die AVItech eingezogen würden, der Personenkreis mit physikalischer Vorbildung demgegenüber nicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.09.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2002 zu verpflichten, den Zeitraum vom 01.10.1975 bis 30.06.1990 als Zugehörigkeitszeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (Anlage 1 Nr. 1 AAÜG), die in diesem Zeitraum erzielten Entgelte sowie das Bestehen einer Versorgungsanwartschaft zum 30.06.1990 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, der Kläger sei nicht, wie gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 2. DB-AVItech gefordert werde, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zuerkannt worden. Ebenso wenig sei der Kläger berechtigt, die Berufsbezeichnung "Techniker" zu führen. Denn er verfüge weder über eine entsprechende Abschlussprüfung bzw. eine staatliche Anerkennung. Die Titel "Diplom-Physiker" und "Ausbildung zum Reaktoroperator" seien nicht in § 1 Abs. 1 Satz 2 2. DB-AVItech aufgeführt. Die persönlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz seien daher nicht gegeben. Die Beklagte sehe sich in der Auslegung der 2. DB-AVItech in Übereinstimmung mit der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung von Beschäftigungszeiten der Zugehörigkeit zur AVItech für die Zeiten vom 01.10.1975 bis 30.06.1990 nicht zu. Denn der Kläger fällt bereits nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich der zum Anwartschafts-Übergang maßgeblichen Anspruchsgrundlage des § 1 AAÜG.
Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim In-Kraft-Treten des Gesetzes am 01.08.1991 bestanden haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). War ein Verlust der Versorgungsanwartschaft deswegen eingetreten, weil die Regelungen der Versorgungssysteme ihm bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust als nicht eingetreten (§ 1 Satz 1 Abs. 2 AAÜG).
Der Kläger war nicht Inhaber einer bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 01.08.1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm zum 01.08.1991 eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden ist, liegt nicht vor. Weder hatte er eine positive Statusentscheidung der Beklagten erlangt noch hatte er eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts. Der Kläger war auch nicht aufgrund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in ein Versorgungssystem, wobei hier allein die AVItech in Betracht zu ziehen ist, einbezogen worden. Für den Kläger greift auch nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, denn er hatte vor dem 30.06.1990 keine Rechtsposition inne, die er hätte verlieren können. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG fingiert (vgl. BSG, Urteil vom 27.07.2004 - B 4 RA 13/04 R - mit weiteren Nachweisen).
In verfassungskonformer Auslegung gilt das AAÜG aber auch in den Fällen, in denen aus der am 01.08.1991 allein maßgeblichen bundesrechtlichen Sicht nach den am 30.06.1990 gegebenen Umständen ein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage bestanden hätte (BSG, Urteil vom 09.04.2002, SozR 3 - 8570, § 1 Nr. 2 und 7). Dabei hängt der fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer solchen Zusage im Bereich der hier in Betracht zu ziehenden AVItech gemäß § 1 der VO-AVItech vom 17.08.1950 (Gesetzesblatt Seite 844) und § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB-AVItech vom 24.05.1951 (Gesetzesblatt Seite 487) von drei persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen ab, und zwar
- der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung)
- die tatsächlichen Ausübung der entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung)
- und war in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betriebe; betriebliche Voraussetzung).
Weder mit dem Titel "Diplom-Physiker" noch mit der Ausbildung zu den spezifischen Kernkraftwerk-Funktionen sowie der Ausübung dieser Funktionen erfüllte der Kläger am 30.06.1990 die persönlichen Voraussetzungen für einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Zusage nach der AVItech; denn die von ihm erworbenen Qualifikationen werden von der AVItech nicht erfasst.
Der Kläger war nach dem staatlichen Sprachgebrauch der DDR vom 30.06.1990, an den das Bundesrecht anknüpft, nicht berechtigt, den für eine Zugehörigkeit zur AVItech erforderlichen "Berufstitel" (vgl. § 1 Abs. 1 2. DB-AVItech) eines Ingenieurs oder eines Technikers zu führen. Ihm ist allein die Berufsbezeichnung und der akademische Grad "Diplom-Physiker" verliehen worden.
Insbesondere kann der Kläger nicht aufgrund der absolvierten kerntechnischen Vorausbildung zur Erfüllung der nach dem Atomenergiegesetz der DDR geforderten Qualifikation des Personals von Kernkraftwerken zur Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz als ein Ingenieur im Sinne der Ingenieurverordnung vom 12.12.1962 (Gesetzesblatt II Seite 278) angesehen werden. Nach § 1 Abs. 1 Ingenieurverordnung sind zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur berechtigt,
I.
in der Wortverbindung "Dr. Ing." und "Dr. Ing.-habil" Personen, denen dieser akademische Grad von einer deutschen Hochschule oder Universität vor 1945 oder den Hochschulen, Universitäten und Akademien der Deutschen Demokratischen Republik nach diesem Zeitpunkt verliehen wurde;
II.
in der Wortverbindung "Dipl.-Ing." Personen, die den Nachweis eines ordnungsgemäß abgelegten technischen Abschlussexamen an einer deutschen Berufsschule oder Universität vor 1945 oder den Hochschulen bzw. Universitäten der Deutschen Demokratischen Republik nach diesem Zeitpunkt erbringen können und denen das entsprechende Diplom verliehen wurde;
III.
Personen, die den Nachweis eines abgeschlossenen technischen Studiums bzw. einer erfolgreich abgelegten Prüfung durch das Ingenieurzeugnis einer staatlich anerkannten deutschen Fachschule vor 1945 oder einer Fachschule der Deutschen Demokratischen Republik nach diesem Zeitpunkt erbringen können;
IV.
Personen, denen die Berufsbezeichnung "Ingenieur" aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen zuerkannt wurde.
Eine Zuerkennung/Verleihung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" liegt nicht vor und wird vom Kläger auch nicht behauptet (Alternativen a, b und d). Der kernkraftspezfische Befähigungsnachweis nach den Richtlinien über die Anforderungen an die Qualifikation sowie die Aus- und Weiterbildung des Personals von Kernkraftwerken zur Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS-Richtlinien) erfüllt, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht die Voraussetzung nach § 1 Abs. 1 c Ingenieurverordnung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Zusatzausbildung inhaltlich einem technischen Ingenieurstudium gleichzusetzen ist oder eine Zusatzqualifikation eigener Art unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Kernkraftbetrieben darstellt. Für das Vorliegen der letztgenannten Alternative könnte sprechen, dass die von dem Kläger ausgeübten Funktionen unabhängig von dem jeweiligen beruflichen Werdegang, also auch für die bereits anerkannten Ingenieure, der Funktion entsprechende Fachkundenachweise voraussetzten. Dieser Fachkundenachweis stellt kein - wie nach der Alternative c gefordert - Ingenieurzeugnis über ein absolviertes technisches Studium einer Fachschule der DDR dar. Der vom Kläger vertretenen Lesart der Alternative c der Ingenieurverordnung, eine Öffnungsklausel betreffend für die "einfachen" Ingenieure zu schaffen und den Nachweis eines abgeschlossenen Studiums durch ein Ingenieurzeugnis nur als Regelfall vorzusehen, folgt der Senat nicht. Sowohl die Regelungssystematik des § 1 Ingenieurverordnung als auch der Wortlaut der Alternative c sprechen für eine engere Auslegung.
Die in § 1 Abs. 1 geregelten Alternativen a bis c folgen dem jeweiligen Zugang zum Ingenieurberuf, der einer gewissen akademischen Hierarchie folgend mit dem an einer Hochschule/Universität promovierten Ingenieur beginnt (a), mit dem Diplom-Ingenieur-Absolventen einer Hochschule/Universität fortgesetzt wird (b) und schließlich die "einfachen" Ingenieure erfasst. Der von der Verordnung geforderte Nachweis steht in Übereinstimmung mit der Besonderheit des jeweiligen Zugangs, wobei der Nachweis eines erfolgreich abgeschlossenen technischen Hochschulstudiums bei promovierten Ingenieuren (a) unterstellt wird. Diplom-Ingenieure haben neben der Verleihung des Diploms ein ordnungsgemäß abgelegtes technisches Abschlussexamen an einer Hochschule/Universität (b) und einfache das Ingenieurzeugnis über ein abgeschlossenes technisches Studium/Prüfung einer Fachschule nachzuweisen (c). Für eine Aufspaltung der Alternative c in einen Regelfall (Nachweis durch Ingenieurzeugnis) und eine Öffnungsklausel ergibt sich kein Anhalt. Die dargelegte Systematik lässt vielmehr das Ziel erkennen, eine eindeutige Regelung der Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" durch einen klaren Staatsakt zu schaffen. Eine Öffnungsklausel bei den "einfachen" Ingenieuren schöffe Unsicherheiten in der Anwendung, die dem vorgenannten Ziel entgegenwirkten. Wer - wie der Kläger - kein Ingenieurzeugnis vorlegen kann, kann grundsätzlich nur über die Alternative d in den Berufsbereich der Ingenieure einbezogen werden, wenn er zu den Personen gehört, denen die Berufsbezeichnung "Ingenieur" aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen zuerkannt wurde bzw. zum gleichgestellten Personenkreis des § 2 der Ingenieurverordnung gehörte. Eine solche gesetzliche Regelung (§ 1 Abs. 1 d) bzw. Fall einer Gleichstellung gemäß § 2 der Ingenieurverordnung ist aber bezogen auf den beruflichen Werdegang des Klägers nicht ersichtlich. Das Vorliegen einer solchen Fallkonstellation wird von ihm auch nicht behauptet.
Der Kläger war auch nicht berechtigt, die Berufsbezeichnung Techniker zu führen. Er hat nicht den Nachweis eines Abschlusszeugnisses mit entsprechender Berufsbezeichnung einer anerkannten Fachschule der DDR erbracht.
Ausgehend von den Gegebenheiten am 30.06.1990 hatte der Kläger somit bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 01.08.1991 keine fiktive Versorgungsanwartschaft in der AVItech erworben. Insbesondere ergeben sich aus der Nichteinbeziehung keine hinreichenden Gründe für die Annahme eines Verfassungsverstoßes. Die dargelegte Auslegung der VO-AVItech, 2. DB-AVItech und der Ingenieurverordnung folgt der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 08.06.2004 - B 4 RA 56/03 R - mit weiteren Nachweisen; BSG, Urteil vom 12.06.2001 - B 4 RA 107/00 R -), die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 04.08.2004 - 1 BvR 1557/01 - mit weiteren Nachweisen).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Frage, ob § 1 Abs. 1 Alternative c der Ingenieurverordnung vom 12.04.1962 auch Fachschulabsolventen ohne Ingenieurzeugnis erfasst (hier Zusatzqualifikation für den Kernkraftwerkbetrieb), grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung einer Zeit der Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung der technischen Intelligenz der ehemaligen DDR zusteht.
Der am 00.00.1953 geborene Kläger absolvierte an der F-Universität H das Studium der Physik und erhielt am 07.08.1975 den akademischen Grad Diplom-Physiker verliehen. Nach Beendigung seines Studiums war der Kläger vom 01.10.1975 bis zum 30.11.1990 bei dem volkseigenen Kombinat Kernkraftwerke H / Energiewerke O GmbH tätig. Dort arbeitete er vom 01.10.1975 bis zum 31.08.1979 als Reaktoroperator, vom 01.09.1979 bis zum 31.07.1984 als Blockleiter, vom 01.08.1984 bis zum 31.12.1985 als Doppelblockleiter und vom 01.01.1986 bis zum 30.11.1990 als Blockleiter. Zur Ausübung dieser Tätigkeiten war ein kernkraftspezifischer Fachkundenachweis erforderlich. Die Energiewerke O GmbH teilten hierzu mit, dass sich die Fachkundeausbildung für die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten nach vom Staatlichen Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS) erlassenen Richtlinien geregelt habe. In Übereinstimmung mit diesen Richtlinien habe sich das Personal aus Diplom-Physikern, Diplom-Ingenieuren und Ingenieuren verschiedenster technischer Fachrichtungen zusammengesetzt (Auskunft vom 17.08.2004).
Der Kläger beantragte am 20.08.2001 die Überführung seiner bis zum 30.06.1990 in den neuen Bundesländern erworbenen Zusatzversorgungsanwartschaften aus der DDR in die Rentenversicherung. Er berief sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.03.1998 - B 4 RA 27/97 R -. Durch Bescheid vom 25.09.2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Zeitraumes vom 01.10.1975 bis 30.06.1990 als nachgewiesene Zeit der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz ab. Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne des Anspruchs- und Anwartschaftsüberleitungsgesetzes (AAÜG) sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage zur Zeit der DDR vorgelegen, noch habe am 30.06.1990 eine Beschäftigung vorgelegen, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorischen Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre.
Hiergegen legte der Kläger am 22.10.2001 Widerspruch ein. Er führte aus, es sei zwar richtig, dass er den Titel "Ingenieur" nicht führe. Dies liege aber an den Besonderheiten des Bereichs der Kernenergie. Ursprünglich seien Stellen von der Art der von ihm verrichteten Tätigkeiten nur mit Ingenieuren besetzt worden, bis in den 70er Jahren dann im Ausnahmefall auch Diplom-Physiker eingestellt worden seien. Sowohl Ingenieure als auch Diplom-Physiker hätten ihr Fachwissen noch durch eine mehrjährige kernkraftwerksspezifische Zusatzausbildung nachweisen müssen. Auch er habe diese Prüfung absolviert. Er sei daher genau so zu stellen, wie seine Kollegen aus dem Bereich der Kernenergie, die den Titel "Ingenieur" führten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen. Hiergegen hat der Kläger am 21.10.2002 Klage bei dem Sozialgericht Detmold erhoben.
Der Kläger hat vorgetragen, die Rechtsprechung des BSG zur Nichteinbeziehung u.a. eines Diplom-Chemikers und eines Diplom-Physikers in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz berücksichtige nicht die bei ihm bestehenden Besonderheiten. Als Kernenergie-Spezialist falle er in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 3 der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24.05.1951 (2. DBAVItech). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass alle Spezialgebiete der Technik in den Anwendungsbereich der vorgenannten Durchführungsbestimmungen einbezogen gewesen seien, habe sich der Ermessensspielraum des Werkdirektors zur Einbeziehung des in Satz 3 genannten Personenkreises auf Null reduziert.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
den Bescheid vom 25.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeiten vom 01.10.1975 bis zum 30.06.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz sowie entsprechende Verdienste festzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 28.07.2004 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe die begehrte Anwartschaftsüberführung in die gesetzliche Rentenversicherung nicht zu. Es fehle bereits an einem Recht, dass den Anwendungsbereich des AAÜG nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG eröffne. Denn der Kläger sei weder zu DDR-Zeiten Berechtigter einer Zusatzversorgungsanwartschaft geworden noch habe er darauf einen Anspruch bei In-Kraft-Treten des AAÜG zum 01.08.1991 gehabt. Eine Anwartschaft aus einer ausdrücklichen Versorgungszusage liege nicht vor. Eine Versorgungszusage, die als bindender Verwaltungsakt zu beachten wäre, sei dem Kläger zu DDR-Zeiten unstreitig nicht gemacht worden. Ebenso wenig habe der Kläger einen Anspruch auf fiktive Erteilung einer Versorgungszusage. Unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG sei festzustellen, dass der Kläger die persönlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Zusatzversorgungsverordnung nicht erfüllt habe. Dabei sei § 1 der VO AVItech vom 17.08.1950 und der 2. DB AVItech als konkret ausgestaltende Norm als justiziables Bundesrecht zu beachten. Dabei sei im Gegensatz zur ursprünglichen Anwendung in der DDR die 2. Durchführungsbestimmung als abstrakte Norm anzuwenden. Danach sei das System generell eingerichtet worden für
1. Personen, die berechtigt gewesen seien, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und
2. die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar
3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens.
Denn als Angehörige der technischen Intelligenz seien gemäß § 1 VO AVtech vom 17.08.1950 Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete, wie Ingenieure und Techniker des Bergbaus, der Metallurgie, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, der Feinmechanik und Optik, der Chemie, des Bauwesens und Statiker zu sehen. Zu diesem Kreis gehörten ferner Werkdirektoren und Lehrer technischer Fächer an den Fach- und Hochschulen. Der Kläger verfüge eindeutig über keinen entsprechenden Titel. Insbesondere sei er kein "Ingenieur", auch wenn die von ihm verrichtete Tätigkeit im Kernkraftwerk noch so qualifiziert gewesen sei. Es fehle an der persönlichen Voraussetzung (Titel), auch wenn die sachliche Voraussetzung von der Qualität und Schwierigkeit der Arbeit her erfüllt gewesen wäre (sachliche Voraussetzung) und der Kläger auch in einem volkseigenen Produktionsbetrieb gearbeitet habe. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der abstrakten Norm der 2. DB AVltech seien nicht erfüllt. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, im Wege der Auslegung oder Analogiebildung den Kreis der Berechtigten aus den Sonderversorgungssystemen in irgend einer Form sachgerecht abzurunden. Der Kreis der Berechtigten sollte keinesfalls noch erweitert werden.
Gegen den am 02.08.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.09.2004 Berufung eingelegt. Der Kläger macht geltend, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts seien die persönlichen Voraussetzungen für seine Einbeziehung in den berechtigten Kreis des AAÜG erfüllt; ihm habe im Sinne der Rechtsprechung des BSG aus der Sicht des am 01.08.1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage ein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage zugestanden. Insbesondere sei er in den Anwendungsbereich der Zusatzversorgung für den Bereich der technischen Intelligenz gefallen, denn er sei als Ingenieur im Sinne der 2. DB AVItech anzusehen. Die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen, ergebe sich nicht auf der Grundlage seines abgeschlossenen Hochschulstudiums der Physik, sondern auf der Grundlage einer weiteren staatlich anerkannten, in der Kernenergie erworbenen Zweit-Fachausbildung. Der Kläger habe die in den Richtlinien über die Anforderungen an die Qualifikation sowie Aus- und Weiterbildung des Personals von Kernkraftwerken zur Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz erforderliche Fachkunde-Ausbildung an der hierfür staatlich autorisierten Kernkraftschule Rheinberg durchlaufen. Der in der Kernkraftschule absolvierte Teil der Fachkundeausbildung habe etwa 700 Ausbildungsstunden, Vorlesungen, Seminare einschließlich Abschlussprüfung umfasst. Der überwiegende Teil habe mit 1.900 Ausbildungsstunden zur Stufe Reaktoroperator und weiteren 30 Monaten zum Reaktorblockleiter in der Kernkraftanlage selbst vollzogen werden müssen. Die Kernenergie-Fachkundeausbildung sei als technisches Fachstudium anzusehen und berechtige nach § 1 Abs. 1 c der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12.04.1962 (Ingenieurverordnung) dazu, den Berufstitel "Ingenieur" zu führen. Der von der Beklagten hierzu geforderte Nachweis eines Ingenieurzeugnisses einer staatlichen Fach- bzw. Hochschule gelte nach dem Wortlaut der Verordnung nur für Diplom-Ingenieure und beschreibe lediglich den Regelfall.
Ob der Kläger zusätzlich die Kriterien für die Berufsbezeichnung "Techniker" erfülle, könne dahingestellt bleiben. Vor Unterstellung unter die Bestimmungen des Atomrechts sei der Kläger als Diplom-Physiker bereits vom Anwendungsbereich der Zusatzversorgung für die wissenschaftliche Intelligenz erfasst gewesen. Dieser Besitzstand sei ihm unter Geltung der atomrechtlichen Bestimmungen verfassungswidrig entschädigungslos enteignet worden. Diese Rechtsverletzung berechtige durchaus zu einer sachgerechten, rechtsstaatlich anzuerkennenden Erweiterung der Auslegung der maßgeblichen DDR-Vorschriften, z.B. des § 1 Abs. 1 Satz 3 der 2. DB-AVItech. Nach dieser Vorschrift gehörten Spezialisten ohne Ingenieurtitel mit bedeutendem Einfluss auf den Produktionsprozess zum Kreis der potenziell Begünstigten. Die fehlende Beantragung durch Werksdirektor und/oder andere staatliche Stellen sei im Falle der Fachkunde für Kernenergieanlagen gegenstandslos. Eine differenzierte Behandlung der Fachkunde-Absolventen nach ihrer Ausgangsausbildung stelle für den Kläger eine verfassungswidrige Beschwer im Sinne des Art. 3 Grundgesetz dar. Nach der Fachkundeausbildung hätten Ingenieure und Physiker genau die gleichen Tätigkeiten ausgeübt; es sei daher sachlich nicht zu rechtfertigen, wenn Ingenieurskollegen in die AVItech eingezogen würden, der Personenkreis mit physikalischer Vorbildung demgegenüber nicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.09.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2002 zu verpflichten, den Zeitraum vom 01.10.1975 bis 30.06.1990 als Zugehörigkeitszeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (Anlage 1 Nr. 1 AAÜG), die in diesem Zeitraum erzielten Entgelte sowie das Bestehen einer Versorgungsanwartschaft zum 30.06.1990 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, der Kläger sei nicht, wie gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 2. DB-AVItech gefordert werde, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zuerkannt worden. Ebenso wenig sei der Kläger berechtigt, die Berufsbezeichnung "Techniker" zu führen. Denn er verfüge weder über eine entsprechende Abschlussprüfung bzw. eine staatliche Anerkennung. Die Titel "Diplom-Physiker" und "Ausbildung zum Reaktoroperator" seien nicht in § 1 Abs. 1 Satz 2 2. DB-AVItech aufgeführt. Die persönlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz seien daher nicht gegeben. Die Beklagte sehe sich in der Auslegung der 2. DB-AVItech in Übereinstimmung mit der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung von Beschäftigungszeiten der Zugehörigkeit zur AVItech für die Zeiten vom 01.10.1975 bis 30.06.1990 nicht zu. Denn der Kläger fällt bereits nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich der zum Anwartschafts-Übergang maßgeblichen Anspruchsgrundlage des § 1 AAÜG.
Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim In-Kraft-Treten des Gesetzes am 01.08.1991 bestanden haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). War ein Verlust der Versorgungsanwartschaft deswegen eingetreten, weil die Regelungen der Versorgungssysteme ihm bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust als nicht eingetreten (§ 1 Satz 1 Abs. 2 AAÜG).
Der Kläger war nicht Inhaber einer bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 01.08.1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm zum 01.08.1991 eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden ist, liegt nicht vor. Weder hatte er eine positive Statusentscheidung der Beklagten erlangt noch hatte er eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts. Der Kläger war auch nicht aufgrund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in ein Versorgungssystem, wobei hier allein die AVItech in Betracht zu ziehen ist, einbezogen worden. Für den Kläger greift auch nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, denn er hatte vor dem 30.06.1990 keine Rechtsposition inne, die er hätte verlieren können. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG fingiert (vgl. BSG, Urteil vom 27.07.2004 - B 4 RA 13/04 R - mit weiteren Nachweisen).
In verfassungskonformer Auslegung gilt das AAÜG aber auch in den Fällen, in denen aus der am 01.08.1991 allein maßgeblichen bundesrechtlichen Sicht nach den am 30.06.1990 gegebenen Umständen ein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage bestanden hätte (BSG, Urteil vom 09.04.2002, SozR 3 - 8570, § 1 Nr. 2 und 7). Dabei hängt der fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer solchen Zusage im Bereich der hier in Betracht zu ziehenden AVItech gemäß § 1 der VO-AVItech vom 17.08.1950 (Gesetzesblatt Seite 844) und § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB-AVItech vom 24.05.1951 (Gesetzesblatt Seite 487) von drei persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen ab, und zwar
- der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung)
- die tatsächlichen Ausübung der entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung)
- und war in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betriebe; betriebliche Voraussetzung).
Weder mit dem Titel "Diplom-Physiker" noch mit der Ausbildung zu den spezifischen Kernkraftwerk-Funktionen sowie der Ausübung dieser Funktionen erfüllte der Kläger am 30.06.1990 die persönlichen Voraussetzungen für einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Zusage nach der AVItech; denn die von ihm erworbenen Qualifikationen werden von der AVItech nicht erfasst.
Der Kläger war nach dem staatlichen Sprachgebrauch der DDR vom 30.06.1990, an den das Bundesrecht anknüpft, nicht berechtigt, den für eine Zugehörigkeit zur AVItech erforderlichen "Berufstitel" (vgl. § 1 Abs. 1 2. DB-AVItech) eines Ingenieurs oder eines Technikers zu führen. Ihm ist allein die Berufsbezeichnung und der akademische Grad "Diplom-Physiker" verliehen worden.
Insbesondere kann der Kläger nicht aufgrund der absolvierten kerntechnischen Vorausbildung zur Erfüllung der nach dem Atomenergiegesetz der DDR geforderten Qualifikation des Personals von Kernkraftwerken zur Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz als ein Ingenieur im Sinne der Ingenieurverordnung vom 12.12.1962 (Gesetzesblatt II Seite 278) angesehen werden. Nach § 1 Abs. 1 Ingenieurverordnung sind zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur berechtigt,
I.
in der Wortverbindung "Dr. Ing." und "Dr. Ing.-habil" Personen, denen dieser akademische Grad von einer deutschen Hochschule oder Universität vor 1945 oder den Hochschulen, Universitäten und Akademien der Deutschen Demokratischen Republik nach diesem Zeitpunkt verliehen wurde;
II.
in der Wortverbindung "Dipl.-Ing." Personen, die den Nachweis eines ordnungsgemäß abgelegten technischen Abschlussexamen an einer deutschen Berufsschule oder Universität vor 1945 oder den Hochschulen bzw. Universitäten der Deutschen Demokratischen Republik nach diesem Zeitpunkt erbringen können und denen das entsprechende Diplom verliehen wurde;
III.
Personen, die den Nachweis eines abgeschlossenen technischen Studiums bzw. einer erfolgreich abgelegten Prüfung durch das Ingenieurzeugnis einer staatlich anerkannten deutschen Fachschule vor 1945 oder einer Fachschule der Deutschen Demokratischen Republik nach diesem Zeitpunkt erbringen können;
IV.
Personen, denen die Berufsbezeichnung "Ingenieur" aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen zuerkannt wurde.
Eine Zuerkennung/Verleihung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" liegt nicht vor und wird vom Kläger auch nicht behauptet (Alternativen a, b und d). Der kernkraftspezfische Befähigungsnachweis nach den Richtlinien über die Anforderungen an die Qualifikation sowie die Aus- und Weiterbildung des Personals von Kernkraftwerken zur Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS-Richtlinien) erfüllt, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht die Voraussetzung nach § 1 Abs. 1 c Ingenieurverordnung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Zusatzausbildung inhaltlich einem technischen Ingenieurstudium gleichzusetzen ist oder eine Zusatzqualifikation eigener Art unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Kernkraftbetrieben darstellt. Für das Vorliegen der letztgenannten Alternative könnte sprechen, dass die von dem Kläger ausgeübten Funktionen unabhängig von dem jeweiligen beruflichen Werdegang, also auch für die bereits anerkannten Ingenieure, der Funktion entsprechende Fachkundenachweise voraussetzten. Dieser Fachkundenachweis stellt kein - wie nach der Alternative c gefordert - Ingenieurzeugnis über ein absolviertes technisches Studium einer Fachschule der DDR dar. Der vom Kläger vertretenen Lesart der Alternative c der Ingenieurverordnung, eine Öffnungsklausel betreffend für die "einfachen" Ingenieure zu schaffen und den Nachweis eines abgeschlossenen Studiums durch ein Ingenieurzeugnis nur als Regelfall vorzusehen, folgt der Senat nicht. Sowohl die Regelungssystematik des § 1 Ingenieurverordnung als auch der Wortlaut der Alternative c sprechen für eine engere Auslegung.
Die in § 1 Abs. 1 geregelten Alternativen a bis c folgen dem jeweiligen Zugang zum Ingenieurberuf, der einer gewissen akademischen Hierarchie folgend mit dem an einer Hochschule/Universität promovierten Ingenieur beginnt (a), mit dem Diplom-Ingenieur-Absolventen einer Hochschule/Universität fortgesetzt wird (b) und schließlich die "einfachen" Ingenieure erfasst. Der von der Verordnung geforderte Nachweis steht in Übereinstimmung mit der Besonderheit des jeweiligen Zugangs, wobei der Nachweis eines erfolgreich abgeschlossenen technischen Hochschulstudiums bei promovierten Ingenieuren (a) unterstellt wird. Diplom-Ingenieure haben neben der Verleihung des Diploms ein ordnungsgemäß abgelegtes technisches Abschlussexamen an einer Hochschule/Universität (b) und einfache das Ingenieurzeugnis über ein abgeschlossenes technisches Studium/Prüfung einer Fachschule nachzuweisen (c). Für eine Aufspaltung der Alternative c in einen Regelfall (Nachweis durch Ingenieurzeugnis) und eine Öffnungsklausel ergibt sich kein Anhalt. Die dargelegte Systematik lässt vielmehr das Ziel erkennen, eine eindeutige Regelung der Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" durch einen klaren Staatsakt zu schaffen. Eine Öffnungsklausel bei den "einfachen" Ingenieuren schöffe Unsicherheiten in der Anwendung, die dem vorgenannten Ziel entgegenwirkten. Wer - wie der Kläger - kein Ingenieurzeugnis vorlegen kann, kann grundsätzlich nur über die Alternative d in den Berufsbereich der Ingenieure einbezogen werden, wenn er zu den Personen gehört, denen die Berufsbezeichnung "Ingenieur" aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen zuerkannt wurde bzw. zum gleichgestellten Personenkreis des § 2 der Ingenieurverordnung gehörte. Eine solche gesetzliche Regelung (§ 1 Abs. 1 d) bzw. Fall einer Gleichstellung gemäß § 2 der Ingenieurverordnung ist aber bezogen auf den beruflichen Werdegang des Klägers nicht ersichtlich. Das Vorliegen einer solchen Fallkonstellation wird von ihm auch nicht behauptet.
Der Kläger war auch nicht berechtigt, die Berufsbezeichnung Techniker zu führen. Er hat nicht den Nachweis eines Abschlusszeugnisses mit entsprechender Berufsbezeichnung einer anerkannten Fachschule der DDR erbracht.
Ausgehend von den Gegebenheiten am 30.06.1990 hatte der Kläger somit bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 01.08.1991 keine fiktive Versorgungsanwartschaft in der AVItech erworben. Insbesondere ergeben sich aus der Nichteinbeziehung keine hinreichenden Gründe für die Annahme eines Verfassungsverstoßes. Die dargelegte Auslegung der VO-AVItech, 2. DB-AVItech und der Ingenieurverordnung folgt der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 08.06.2004 - B 4 RA 56/03 R - mit weiteren Nachweisen; BSG, Urteil vom 12.06.2001 - B 4 RA 107/00 R -), die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 04.08.2004 - 1 BvR 1557/01 - mit weiteren Nachweisen).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Frage, ob § 1 Abs. 1 Alternative c der Ingenieurverordnung vom 12.04.1962 auch Fachschulabsolventen ohne Ingenieurzeugnis erfasst (hier Zusatzqualifikation für den Kernkraftwerkbetrieb), grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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