Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 26 RA 46/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 RA 32/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 186/05 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 7. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Kontenklärungsverfahren, ob die vom Kläger in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten als deutsche Versicherungszeiten vorzumerken sind.
Der am 00.00.1946 in Polen geborene Kläger reiste am erstmals am 6.11.1987 mit seiner Ehefrau als Tourist in die Bundesrepublik ein und stellte anschließend einen Antrag nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt und die Abschiebung angedroht. Der Kläger reiste wieder aus und am 19.2.1989 erneut ein. Er hielt sich zunächst in Hamburg und seit dem 12.4.1989 in Marl auf, wo er gemeldet und ausländerbehördlich erfasst war. Er besaß keinen Aufenthaltstitel. Ausländeramtsakten über den Kläger existieren nicht mehr. Die Anerkennung als Vertriebener im Sinne des BVFG wurde abgelehnt; trotz deutscher Abstammung bestehe nicht die Vertriebeneneigenschaft im Sinne des BVFG. Auch Petitionen blieben erfolglos. 1993 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Mit Wirkung vom 18.1.1996 gab er die polnische Staatsangehörigkeit auf. Er wurde am 19.3.1996 als deutscher Staatsangehöriger eingebürgert. Am 23.5.2002 beantragte der Kläger Kontenklärung. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 3.4.2003 fest, dass Beiträge erst ab dem 8.2.1993 (Tätigkeitsaufnahme in Deutschland) anerkannt werden könnten. Für die Zeit vom 1.9.1966 bis zum 3.6.1970 wurde eine Schulausbildung berücksichtigt. Die polnischen Versicherungszeiten könnten nicht nach dem alten deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen (DPSVA) berücksichtigt werden, weil der Kläger erst am 8.2.1993 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet habe und das Fremdrentengesetz (FRG) nicht anwendbar sei, da der Kläger kein Vertriebener im Sinne des BVFG sei. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 6.8.2003) hat der Kläger am 12.9.2003 Klage zum Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Er hat vorgetragen vor, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen seine deutsche Abstammung festgestellt habe.
Seit seiner Einreise im Frühjahr 1989 in Hamburg habe er sich um die Anerkennung als Vertriebener im Sinne des BVFG bemüht. Deshalb habe nicht erst mit seiner Einbürgerung, sondern bereits seit seiner Einreise ein gewöhnlicher Aufenthalt auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland bestanden. Durch die Feststellung des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen ergebe sich zudem rückwirkend, dass keine Pflicht zur Ausreise bestanden und er sich rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe. Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Stichtages (31.12.1990) seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik gehabt habe, da er in dieser Zeit lediglich auslandsrechtlich erfasst und geduldet gewesen sei. Damit habe er keinen Daueraufenthalt begründen können. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 7.5.2004 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger könne einen Anspruch auf Anrechnung der in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten weder nach dem Fremdrentengesetz (FRG) noch aus dem DPSVA herleiten. Ein Anspruch nach dem FRG bestehr nicht, da der Kläger weder Inhaber des Vertriebenenausweises "A" sei, noch sonst zu dem danach begünstigten Personenkreis gehöre (vgl. §§ 1, 17 a FRG). Es seien auch keine Zeiten nach dem DPSVA zu berücksichtigen. Nach dem Abkommen vom 8.12.1990 (BGBI. II 1991, 741, 743, 1072), das am 1.10.1991 wirksam geworden sei, würden gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1, wenn in beiden Vertragsstaaten Versicherungszeiten vorhanden sind, für den Erwerb des Leistungsanspruchs nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates auch die Versicherungszeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates anrechnungsfähig und nicht auf dieselbe Zeit entfallen sind. Nach Art. 27 Abs. 1 DPSVA gelte dieses Abkommen unter anderem im Bereich der Rentenversicherung für alle Ansprüche aus Versicherungszeiten, die nach dem 31.12.1990 im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates zurückgelegt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift würden die vor dem 1.1.1991 aufgrund des Abkommens Polen - Rentenversicherung/Unfallversicherung RV/UV -(von 1975) von Personen in einem Vertragsstaat erworbenen Ansprüche durch das neue Abkommen nicht berührt, solange diese Personen auch nach dem 31.12.1990 ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaates beibehalten. Ansprüche und Anwartschaften nach dem Abkommen Polen RV/UV erwürben auch Personen, die vor dem 1.1.1991 in den anderen Vertragsstaat eingereist sind, bis zu diesem Zeitpunkt die Verlegung des Wohnortes in den anderen Vertragsstaat beantragt haben und sich dort seitdem ununterbrochen aufhalten, sofern sie im Zeitpunkt des Versicherungsfalles, spätestens vor dem 30.6.1991 an, in diesem Vertragsstaat wohnen.
Entscheidend sei daher, ob der Kläger zum maßgeblichen Stichtag seinen gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verlegt habe. Nach Art. 1 Nr. 2 DPSVA 1975 bedeuteten für die Anwendung dieses Abkommens die Begriffe "Wohnort" und "wohnen" für die Bundesrepublik Deutschland den Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes oder "sich gewöhnlich aufhalten". Im gesamten Vertragswerk sei keine Bestimmung darüber getroffen worden, dass der Ausdruck "gewöhnlicher Aufenthalt" oder "sich gewöhnlich aufhalten" anders als in § 30 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB l) zu verstehen sei. Nach ständiger und einheitlicher Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG), hätten die Vertragsschließenden zur Vermeidung einer Rechtsanwendungskollision erkennbar an den innerstaatlichen Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes anknüpfen wollen, der in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB l umschrieben sei (BSG, Urteil vom 14.09.1994- 5 RJ 10/94). Nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Definition sei der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen. Entscheidend sei, ob der Kläger den örtlichen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland hatte. Dauerhaft sei ein Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen sei. Hierbei sei ein Domizilwille, der mit den tatsächlichen Umständen nicht übereinstimme, rechtlich unerheblich (vgl. BSG SozR 3 - 5850 § 3 c Nr. 2). Es komme auf die Tatsachen an, die während des streitigen Zeitraums objektiv vorlagen, eine spekulative Abwägung bzw. Prognose zukünftiger Geschehnisse sei nicht zulässig (BSG, Urteil vom 14.09.1994 - Az.: 5 RJ 10/94). Es sei eine Gesamtwürdigung aller entscheidungserheblichen Tatsachen bezogen auf den maßgeblichen Stichtag vorzunehmen. Die Aufenthaltsposition eines Ausländers werde dabei wesentlich durch den Inhalt der von der Ausländerbehörde erteilten Bescheinigungen bestimmt, wie er sich nach der behördlichen Praxis und der gegebenen Rechtslage darstelle. Entscheidend sei, ob Aufenthaltsbeendende Maßnahmen getroffen oder zu erwarten seien. Der ausländerrechtliche Titel sei daher nicht entscheidend. Der Kläger habe am maßgebenden Stichtag keine befristete oder unbefristete Duldung besessen, welche allerdings zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes allein ebenfalls nicht ausgereicht hätte. Außerdem sei er zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Deutschstämmiger anerkannt gewesen. Eine Rückwirkung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen sei hierbei nicht vorzunehmen. Allein maßgeblich sei die Sicht am Stichtag.
Nach Auskunft des Ausländeramtes der Stadt Marl sei der Kläger vom 12.4.1989 bis 1994 auslandsrechtlich erfasst gewesen. Weitere Unterlagen seien nicht vorhanden. Aus den vom Kläger selbst vorgelegten Unterlagen ergäben sich ebenfalls nur kurzzeitige Duldungsverfügungen der zuständigen Ausländerbehörde. Damit habe zu dem maßgeblichen Stichtag, dem 31.12.1990, nicht einmal eine befristete Duldung durch die Ausländerbehörde vorgelegen; der Kläger sei lediglich ausländerbehördlich erfasst gewesen. Seine Aufenthaltsposition sei aus Behördensicht auf Beendigung des Aufenthalts im Inland angelegt gewesen. Dies stehe nach der Rechtssprechung des BSG der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes trotz faktisch andauerndem Verbleib und einem entsprechenden Bleibewillen entgegen (u. a. Urteil des BSG vom 25.03.1998 - B 5 RJ 22/96 R). Unerheblich sei, wie sich der Aufenthaltsstatus des Klägers nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 10.7.1992 darstelle, denn dieser Zeitpunkt liege weit nach dem maßgebenden Stichtag. Damit könnten lediglich die Beiträge ab dem 8.2.1993 als Versicherungszeiten sowie eine Schulausbildung festgestellt werden. Gegen das am 21.5.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.6.2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus: Er sei mit seiner Ehefrau ohne Rückkehrabsicht eingereist und habe bereits 1989 Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt. Entscheidend sei allein seine Willensrichtung. Auf die Behördensicht komme es nicht an, i. ü. müsse auch retrospektiv geurteilt werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 7.5.2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3.4.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.8.2003 zu verurteilen, sämtliche polnische Versicherungszeiten in seiner deutschen Rentenversicherung als Beitragszeiten vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig. Der Senat hat von der Bezirksregierung Münster die Einbürgerungsakten beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Einbürgerungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat die vom Kläger in Polen zurückgelegten Beitragszeiten nicht als oder wie deutsche Versicherungszeiten vorgemerkt. Wegen der Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs.2 SGG). Das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung. Beklagte und SG haben richtig erkannt, dass der Kläger am maßgeblichen Stichtag nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, weil es an der dafür erforderlichen Dauerhaftigkeit im Sinne der Zukunftsoffenheit fehlte. Ein Ausländer, der sich in Deutschland aufhält, wie damals der Kläger, ist unmittelbar kraft Gesetzes zur Ausreise verpflichtet (§ 42 AuslG 1990), wenn er eine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht besitzt. Der Kläger hatte aber bis zur Einbürgerung keine Aufenthaltsgenehmigung oder Aufenthaltserlaubnis besessen, sondern nur Duldungen. Duldungen bedeuten lediglich die zeitweise Aussetzung einer Abschiebung (§ 55 Abs. 1 AuslG) und damit nur die Billigung eines rechtswidrigen Zustandes (vgl. Kanein/Renner, Ausländerrecht , 6.Aufl. 1993 § 55 Rn 3) , machen also den damaligen Aufenthalt nicht zu einem (unbefristet) rechtmäßigen. Dass der Aufenthalt des Klägers rechtlich nicht gesichert war, macht auch die Abschiebungsandrohung seitens der Stadt Hamburg deutlich. Der Umstand, dass der Kläger die Anerkennung nach dem BVFG beantragt hatte, ändert hieran nichts. Denn nach ständiger Rechtsprechung besteht auch nach Art 16 Abs. 2 Satz 1 GG iVm Art. 116 Abs. 1 GG während eines Vertriebenverfahrens grundsätzlich kein Bleiberecht (vgl. z.B. BVerfG NVwZ 1985,33; InfAuslR 1992,131 f.). Im Übrigen ist im Vertriebenenverfahren seine deutsche Staatsangehörigkeit gerade nicht festgestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Kontenklärungsverfahren, ob die vom Kläger in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten als deutsche Versicherungszeiten vorzumerken sind.
Der am 00.00.1946 in Polen geborene Kläger reiste am erstmals am 6.11.1987 mit seiner Ehefrau als Tourist in die Bundesrepublik ein und stellte anschließend einen Antrag nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt und die Abschiebung angedroht. Der Kläger reiste wieder aus und am 19.2.1989 erneut ein. Er hielt sich zunächst in Hamburg und seit dem 12.4.1989 in Marl auf, wo er gemeldet und ausländerbehördlich erfasst war. Er besaß keinen Aufenthaltstitel. Ausländeramtsakten über den Kläger existieren nicht mehr. Die Anerkennung als Vertriebener im Sinne des BVFG wurde abgelehnt; trotz deutscher Abstammung bestehe nicht die Vertriebeneneigenschaft im Sinne des BVFG. Auch Petitionen blieben erfolglos. 1993 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Mit Wirkung vom 18.1.1996 gab er die polnische Staatsangehörigkeit auf. Er wurde am 19.3.1996 als deutscher Staatsangehöriger eingebürgert. Am 23.5.2002 beantragte der Kläger Kontenklärung. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 3.4.2003 fest, dass Beiträge erst ab dem 8.2.1993 (Tätigkeitsaufnahme in Deutschland) anerkannt werden könnten. Für die Zeit vom 1.9.1966 bis zum 3.6.1970 wurde eine Schulausbildung berücksichtigt. Die polnischen Versicherungszeiten könnten nicht nach dem alten deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen (DPSVA) berücksichtigt werden, weil der Kläger erst am 8.2.1993 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet habe und das Fremdrentengesetz (FRG) nicht anwendbar sei, da der Kläger kein Vertriebener im Sinne des BVFG sei. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 6.8.2003) hat der Kläger am 12.9.2003 Klage zum Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Er hat vorgetragen vor, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen seine deutsche Abstammung festgestellt habe.
Seit seiner Einreise im Frühjahr 1989 in Hamburg habe er sich um die Anerkennung als Vertriebener im Sinne des BVFG bemüht. Deshalb habe nicht erst mit seiner Einbürgerung, sondern bereits seit seiner Einreise ein gewöhnlicher Aufenthalt auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland bestanden. Durch die Feststellung des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen ergebe sich zudem rückwirkend, dass keine Pflicht zur Ausreise bestanden und er sich rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe. Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Stichtages (31.12.1990) seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik gehabt habe, da er in dieser Zeit lediglich auslandsrechtlich erfasst und geduldet gewesen sei. Damit habe er keinen Daueraufenthalt begründen können. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 7.5.2004 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger könne einen Anspruch auf Anrechnung der in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten weder nach dem Fremdrentengesetz (FRG) noch aus dem DPSVA herleiten. Ein Anspruch nach dem FRG bestehr nicht, da der Kläger weder Inhaber des Vertriebenenausweises "A" sei, noch sonst zu dem danach begünstigten Personenkreis gehöre (vgl. §§ 1, 17 a FRG). Es seien auch keine Zeiten nach dem DPSVA zu berücksichtigen. Nach dem Abkommen vom 8.12.1990 (BGBI. II 1991, 741, 743, 1072), das am 1.10.1991 wirksam geworden sei, würden gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1, wenn in beiden Vertragsstaaten Versicherungszeiten vorhanden sind, für den Erwerb des Leistungsanspruchs nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates auch die Versicherungszeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates anrechnungsfähig und nicht auf dieselbe Zeit entfallen sind. Nach Art. 27 Abs. 1 DPSVA gelte dieses Abkommen unter anderem im Bereich der Rentenversicherung für alle Ansprüche aus Versicherungszeiten, die nach dem 31.12.1990 im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates zurückgelegt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift würden die vor dem 1.1.1991 aufgrund des Abkommens Polen - Rentenversicherung/Unfallversicherung RV/UV -(von 1975) von Personen in einem Vertragsstaat erworbenen Ansprüche durch das neue Abkommen nicht berührt, solange diese Personen auch nach dem 31.12.1990 ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaates beibehalten. Ansprüche und Anwartschaften nach dem Abkommen Polen RV/UV erwürben auch Personen, die vor dem 1.1.1991 in den anderen Vertragsstaat eingereist sind, bis zu diesem Zeitpunkt die Verlegung des Wohnortes in den anderen Vertragsstaat beantragt haben und sich dort seitdem ununterbrochen aufhalten, sofern sie im Zeitpunkt des Versicherungsfalles, spätestens vor dem 30.6.1991 an, in diesem Vertragsstaat wohnen.
Entscheidend sei daher, ob der Kläger zum maßgeblichen Stichtag seinen gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verlegt habe. Nach Art. 1 Nr. 2 DPSVA 1975 bedeuteten für die Anwendung dieses Abkommens die Begriffe "Wohnort" und "wohnen" für die Bundesrepublik Deutschland den Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes oder "sich gewöhnlich aufhalten". Im gesamten Vertragswerk sei keine Bestimmung darüber getroffen worden, dass der Ausdruck "gewöhnlicher Aufenthalt" oder "sich gewöhnlich aufhalten" anders als in § 30 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB l) zu verstehen sei. Nach ständiger und einheitlicher Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG), hätten die Vertragsschließenden zur Vermeidung einer Rechtsanwendungskollision erkennbar an den innerstaatlichen Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes anknüpfen wollen, der in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB l umschrieben sei (BSG, Urteil vom 14.09.1994- 5 RJ 10/94). Nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Definition sei der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen. Entscheidend sei, ob der Kläger den örtlichen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland hatte. Dauerhaft sei ein Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen sei. Hierbei sei ein Domizilwille, der mit den tatsächlichen Umständen nicht übereinstimme, rechtlich unerheblich (vgl. BSG SozR 3 - 5850 § 3 c Nr. 2). Es komme auf die Tatsachen an, die während des streitigen Zeitraums objektiv vorlagen, eine spekulative Abwägung bzw. Prognose zukünftiger Geschehnisse sei nicht zulässig (BSG, Urteil vom 14.09.1994 - Az.: 5 RJ 10/94). Es sei eine Gesamtwürdigung aller entscheidungserheblichen Tatsachen bezogen auf den maßgeblichen Stichtag vorzunehmen. Die Aufenthaltsposition eines Ausländers werde dabei wesentlich durch den Inhalt der von der Ausländerbehörde erteilten Bescheinigungen bestimmt, wie er sich nach der behördlichen Praxis und der gegebenen Rechtslage darstelle. Entscheidend sei, ob Aufenthaltsbeendende Maßnahmen getroffen oder zu erwarten seien. Der ausländerrechtliche Titel sei daher nicht entscheidend. Der Kläger habe am maßgebenden Stichtag keine befristete oder unbefristete Duldung besessen, welche allerdings zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes allein ebenfalls nicht ausgereicht hätte. Außerdem sei er zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Deutschstämmiger anerkannt gewesen. Eine Rückwirkung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen sei hierbei nicht vorzunehmen. Allein maßgeblich sei die Sicht am Stichtag.
Nach Auskunft des Ausländeramtes der Stadt Marl sei der Kläger vom 12.4.1989 bis 1994 auslandsrechtlich erfasst gewesen. Weitere Unterlagen seien nicht vorhanden. Aus den vom Kläger selbst vorgelegten Unterlagen ergäben sich ebenfalls nur kurzzeitige Duldungsverfügungen der zuständigen Ausländerbehörde. Damit habe zu dem maßgeblichen Stichtag, dem 31.12.1990, nicht einmal eine befristete Duldung durch die Ausländerbehörde vorgelegen; der Kläger sei lediglich ausländerbehördlich erfasst gewesen. Seine Aufenthaltsposition sei aus Behördensicht auf Beendigung des Aufenthalts im Inland angelegt gewesen. Dies stehe nach der Rechtssprechung des BSG der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes trotz faktisch andauerndem Verbleib und einem entsprechenden Bleibewillen entgegen (u. a. Urteil des BSG vom 25.03.1998 - B 5 RJ 22/96 R). Unerheblich sei, wie sich der Aufenthaltsstatus des Klägers nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 10.7.1992 darstelle, denn dieser Zeitpunkt liege weit nach dem maßgebenden Stichtag. Damit könnten lediglich die Beiträge ab dem 8.2.1993 als Versicherungszeiten sowie eine Schulausbildung festgestellt werden. Gegen das am 21.5.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.6.2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus: Er sei mit seiner Ehefrau ohne Rückkehrabsicht eingereist und habe bereits 1989 Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt. Entscheidend sei allein seine Willensrichtung. Auf die Behördensicht komme es nicht an, i. ü. müsse auch retrospektiv geurteilt werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 7.5.2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3.4.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.8.2003 zu verurteilen, sämtliche polnische Versicherungszeiten in seiner deutschen Rentenversicherung als Beitragszeiten vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig. Der Senat hat von der Bezirksregierung Münster die Einbürgerungsakten beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Einbürgerungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat die vom Kläger in Polen zurückgelegten Beitragszeiten nicht als oder wie deutsche Versicherungszeiten vorgemerkt. Wegen der Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs.2 SGG). Das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung. Beklagte und SG haben richtig erkannt, dass der Kläger am maßgeblichen Stichtag nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, weil es an der dafür erforderlichen Dauerhaftigkeit im Sinne der Zukunftsoffenheit fehlte. Ein Ausländer, der sich in Deutschland aufhält, wie damals der Kläger, ist unmittelbar kraft Gesetzes zur Ausreise verpflichtet (§ 42 AuslG 1990), wenn er eine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht besitzt. Der Kläger hatte aber bis zur Einbürgerung keine Aufenthaltsgenehmigung oder Aufenthaltserlaubnis besessen, sondern nur Duldungen. Duldungen bedeuten lediglich die zeitweise Aussetzung einer Abschiebung (§ 55 Abs. 1 AuslG) und damit nur die Billigung eines rechtswidrigen Zustandes (vgl. Kanein/Renner, Ausländerrecht , 6.Aufl. 1993 § 55 Rn 3) , machen also den damaligen Aufenthalt nicht zu einem (unbefristet) rechtmäßigen. Dass der Aufenthalt des Klägers rechtlich nicht gesichert war, macht auch die Abschiebungsandrohung seitens der Stadt Hamburg deutlich. Der Umstand, dass der Kläger die Anerkennung nach dem BVFG beantragt hatte, ändert hieran nichts. Denn nach ständiger Rechtsprechung besteht auch nach Art 16 Abs. 2 Satz 1 GG iVm Art. 116 Abs. 1 GG während eines Vertriebenverfahrens grundsätzlich kein Bleiberecht (vgl. z.B. BVerfG NVwZ 1985,33; InfAuslR 1992,131 f.). Im Übrigen ist im Vertriebenenverfahren seine deutsche Staatsangehörigkeit gerade nicht festgestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
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