L 13 R 4215/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RA 5/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 4215/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 42/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 9. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Verrechnung von Ansprüchen auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge mit einem Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente.

Die Beklagte bewilligte dem 1935 geborenen Kläger auf dessen Antrag vom 23. Januar 2001 Regelaltersrente ab 1. November 2000. Sie setzte die laufende monatliche Zahlung der Rente ab 1. April 2001 auf 1.517,39 DM sowie die Nachzahlung für die Zeit vom 1. November 2000 bis 31. März 2001 auf 7.586,95 DM fest und behielt die Nachzahlung wegen möglicher Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger ein (Bescheid vom 16. Februar 2000).

Am 7. Oktober 1999 ging der Beklagten ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts W. , Zweigstelle V. , vom 21. September 1999 über eine Forderung der Vereinigten Sparkassen E. , N. , V. in Höhe von 40.523,63 DM zuzüglich Zinsen und Kosten sowie am 1. September 2001 eine Ermächtigung der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK) zur Verrechnung einer Forderung auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu.

Mit Schreiben vom 7. März 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die DAK habe sie ermächtigt, eine einziehbare und nicht verjährte Forderung für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 31. März 1998 in Höhe von 2.620,40 DM zuzüglich Säumniszuschlägen nach § 52 i.V.m. § 51 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) mit dem Anspruch auf laufende Rentenzahlung zu verrechnen. Laufende Geldleistungen - zum Beispiel Rente - könnten nach § 51 Abs. 2 SGB I bis zu deren Hälfte verrechnet werden, soweit es sich bei den Ansprüchen gegen den Berechtigten um zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen oder Beitragsansprüche handle. Es sei beabsichtigt, für die Verrechnung von der Rentennachzahlung den Forderungsbetrag zuzüglich Säumniszuschlägen einzubehalten. Über die Verrechnung sei in pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Der Kläger erhalte nach § 24 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) Gelegenheit, sich zu der vorgesehenen Verrechnung zu äußern und dabei alle Umstände zu schildern, die für die Verrechnung bedeutsam sein könnten.

Den Vereinigten Sparkassen teilte die Beklagte auf Anfrage mit, dass wegen der Unterhaltspflicht des Klägers für seine Ehefrau der monatliche Zahlbetrag der Rente unterhalb der Pfändungsfreigrenze liege, so dass pfändbare Beträge nicht zur Verfügung stünden (Schreiben vom 12. März 2001).

Der Kläger ließ mitteilen, mit einer Verrechnung bestehe kein Einverständnis. Er benötige seine Altersrente zum Lebensunterhalt und zur Sicherung des Unterhalts seiner Ehefrau und zweier Kinder, die noch unterhaltsberechtigt seien. Unter Berücksichtigung der Pfändungsfreibeträge habe ein monatliches Einkommen bis zu 2.379,99 DM pfandfrei zu bleiben (Schreiben vom 19. März 2001).

Die Beklagte leistete auf die Rentennachzahlung eine Abschlagszahlung in Höhe von 3.793,47 DM (Schreiben vom 4. April 2001) und erklärte nach Bekanntgabe der aktuellen Forderungshöhe durch die DAK (2.962,40 DM zum 15. März 2001) die Verrechnung der Rentennachzahlung aus dem Bescheid vom 16. Februar 2001 in Höhe von 2.962,40 DM zur Tilgung der Forderung der DAK (Bescheid vom 24. April 2001). Die Rentennachzahlung gehöre zu den laufenden Geldleistungen im Sinne der §§ 51, 52 SGB I. Daher könne eine Aufrechnung beziehungsweise Verrechnung gegen Ansprüche auf Rentennachzahlungen ebenso vorgenommen werden wie bei bereits laufenden Rentenzahlungen. Für den Nachzahlungszeitraum brauche die Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht geprüft zu werden, da diese nicht rückwirkend eintreten könne. Die Verrechnung werde nach eingehender Prüfung für angemessen gehalten. Die Einwände des Klägers könnten nicht berücksichtigt werden, weil die Pfändungsfreigrenzen nur bei einer Verrechnung gemäß § 52 i.V.m. § 51 Abs. 1 SGB I, nicht jedoch in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I zu beachten seien.

Dagegen ließ der Kläger Widerspruch einlegen mit der Begründung, die Verrechnung sei unzulässig. Der notwendige Lebensunterhalt und die Unterhaltspflichten des Klägers seien nicht angemessen berücksichtigt worden. Nach Abzug von Krankenversicherungsbeiträgen und Unterhaltsbeträgen verbleibe dem Kläger nach der Verrechnung nicht einmal eine monatliche Summe, die dem Sozialhilfesatz entspreche. Die Grenze der Hilfebedürftigkeit sei auch bei der Verrechnung mit Rentennachzahlungen zu berücksichtigen.

Die Beklagte zahlte unter Berücksichtigung der Abschlagszahlung in Höhe von 3.793,47 DM und des Verrechnungsbetrages in Höhe von 2.962,40 DM einen Restbetrag von 831,08 DM an den Kläger aus (Schreiben vom 23. Oktober 2001) und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 30. November 2001). Die Verrechnung von Ansprüchen der DAK als Sozialleistungsträger im Sinne von §§ 12 ff. SGB I mit Rentenansprüchen des Klägers sei grundsätzlich auch bei Rentennachzahlungen zulässig. Eine Hilfebedürftigkeit im Sinne des BSHG sei im Falle der Rentennachzahlung jedoch nicht zu prüfen, da der Kläger im Nachzahlungszeitraum nicht sozialhilfebedürftig gewesen und rückwirkend der Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit ausgeschlossen sei.

Mit der am 4. Januar 2002 (Eingang bei Gericht) zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhobenen Klage haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemacht, eine Verrechnung sei nur mit dem pfändbaren Teil der Altersrente zulässig. Der Rentennachzahlungsbetrag sei aber unpfändbar. § 51 Abs. 2 SGB I komme hier nicht zur Anwendung, da die Rentennachzahlung keine laufende Geldleistung sei.

Das SG hat die Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Bescheides abgewiesen (Urteil vom 9. Juli 2003). Die Beklagte habe die Verrechnung zu Gunsten der DAK gemäß §§ 52, 51 Abs. 2 SGB 1 bezüglich der Rentennachzahlung so wie durchgeführt vornehmen dürfen.

Gegen das am 4. September 2003 zugestellte Urteil haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers am Montag, - 6. Oktober 2003 (Eingang beim SG) Berufung eingelegt. Sie tragen weiterhin vor, eine Verrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I sei nicht zulässig, da die Rentennachzahlung keine laufende Geldleistung im Sinne dieser Vorschrift sei. Andernfalls werde die gesetzliche Diktion bezüglich der Hilfsbedürftigkeit nach dem BSHG in ihr Gegenteil verkehrt. Der Kläger habe erst durch den angefochtenen Bescheid erfahren, dass seine Regelaltersrente ab 1. November 2000 nicht in voller Höhe zur Auszahlung gelange. Bis dahin habe er davon ausgehen können, dass Sozialhilfebedürftigkeit für den Nachzahlungszeitraum nicht eintreten werde. Er sei deshalb nicht gehalten gewesen, Sozialhilfe zu beantragen. Andernfalls hätte er Sozialhilfe beantragt. Der Kläger sei damals vermögenslos gewesen und habe einen Offenbarungseid geleistet. Er habe seinen Lebensunterhalt nur dadurch fristen können, dass ihm ein Sohn ein Darlehen gewährt habe. Unter diesen Bedingungen sei von Sozialhilfebedürftigkeit auszugehen.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 9. Juli 2003 sowie den Bescheid vom 24. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.514,65 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 15. Mai 2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen. Zu einem Erörterungstermin am 4. Mai 2005 sind der Kläger und seine Prozessbevollmächtigten nicht erschienen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und teilweise begründet.

Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG).

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2001, mit dem die Beklagte einen Teilbetrag der Rentennachzahlung für die Zeit vom 1. November 2000 bis 31. März 2001 in Höhe von 2.962,40 DM (= 1.514,65 EUR ) mit einer Forderung der DAK auf vom Kläger geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 31. März 1998 zzgl. Säumniszuschlägen und Kosten verrechnet hat. Das SG hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 9. Juli 2003 zu Recht abgewiesen. Die durchgeführte Verrechnung ist formell und materiell nicht zu beanstanden.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung des streit- igen Nachzahlungsbetrages, da sein Zahlungsanspruch durch Verrechnung erloschen ist

Gemäß § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist.

Nach § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Danach käme hier eine Aufrechnung (und Verrechnung) nicht in Betracht, da der monatliche Zahlbetrag der Altersrente die Pfändungsfreigrenze nach zutreffender Ansicht der Beteiligten unterschreitet.

Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach dem SGG gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (§ 51 Abs. 2 SGB I). Seit 1. Januar 2005 ist der Nachweis einer Hilfebedürftigkeit nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) oder dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende - SGB II) erforderlich (§ 52 Abs. 2 SGB I n.F.). Bei dieser Aufrechnung ist der zuständige Träger nicht an die Pfändungsgrenzen des § 54 Abs. 2 und 4 SGB I gebunden.

Die Beklagte war von der DAK schriftlich ermächtigt, deren in der Verrechnungserklärung gegenüber dem Kläger hinreichend bestimmte, einziehbare und nicht verjährte Ansprüche gegen den Kläger auf Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen einschließlich Säumniszuschlägen und Kosten mit der von der Beklagten gewährten Altersrente zu verrechnen. Gemäß § 51 Abs. 2 SGB I ist bei Beitragsansprüchen die Verrechnung bis zur Hälfte des monatlichen Zahlbetrags zulässig. Dies gilt auch für Rentennachzahlungen, denn der Charakter der Altersrente als laufende Geldleistung wird durch die Tatsache, dass die Rente bei rückwirkender Gewährung nicht (mehr) in monatlichen Abständen, sondern in einem Betrag zur Auszahlung kommt, nicht berührt. Die (Nach)Zahlung erfolgte zur Erfüllung der im Nachzahlungszeitraum monatlich entstandenen Zahlungsansprüche (§§ 40 Abs. 1, 41 SGB I, § 118 Abs.1 SGB VI i.d. bis zum 29. Februar 2004 geltenden Fassung) auf laufende Altersrente.

Allerdings kann, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, für bereits abgelaufene Rentenzahlungszeiträume, für die noch keine Rentenzahlung erfolgt ist, eine Sozialhilfebedürftigkeit rückwirkend nicht mehr eintreten. Dies ist unabhängig davon, ob der Kläger mit einer Rentennachzahlung gerechnet hat. Hat der Versicherte - wie hier - im Nachzahlungszeitraum seinen Lebensunterhalt bestritten, ohne laufende Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne des BSHG in Anspruch zu nehmen, so standen ihm tatsächlich ausreichende Mittel zur Finanzierung seines Lebensunterhalts zur Verfügung. Anders als in den Fällen, in denen der Versicherte seinen Lebensunterhalt aus einer Sozialleistung bestritten hat, durch deren rückwirkenden Entzug eine (fiktive) Sozialhilfebedürftigkeit eintreten würde, kann der Einbehalt einer Rentennachzahlung, die dem Versicherten noch nicht für seinen laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung stand, seine Sozialhilfebedürftigkeit für die Vergangenheit nicht berühren. Es bedarf daher keiner Prüfung, ob beim Kläger im Falle einer laufenden monatlichen Rentenzahlung aufgrund seiner angegebenen Vermögenslosigkeit und der von ihm angegebenen Unterhaltspflichten durch eine Verrechnung in Höhe des halben monatlichen Zahlbetrags der Rente eine Sozialhilfebedürftigkeit eingetreten wäre.

Mit der Verrechnungserklärung der Beklagten (vgl. § 388 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) sind die fällige Forderung des Klägers auf Rentennachzahlung und die zur Verrechnung gestellte, fällige und nicht mit Einreden behaftete Beitragsforderung der DAK (§§ 387, 390 BGB) in Höhe des streitigen Nachzahlungsbetrages erloschen (§ 389 BGB).

2. Die Beklagte hat die Verrechnung auch zulässig in der Form eines Verwaltungsaktes erklärt. Der Senat schließt sich damit der Rechtsprechung des 7., 10. und 13. Senats sowie der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht an (vgl. BSGE 64, 17; BSGE 53, 208 und SozR 3-1200 § 52 Nr. 3; KassKomm-Seewald § 52 Rdnr. 14 jeweils m.w.N.) und hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (zuletzt Urteil vom 8. Juni 2005 Az.: L 13 R 4045/04).

Die Ansicht des 4. Senats des BSG, die Verrechnungserklärung dürfe als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung nicht im Wege eines Verwaltungsakt erfolgen (SozR 4-1200 § 52 Nr. 1), teilt der Senat nicht. Die Verrechnungserklärung greift mit dem kraft Gesetzes eintretenden Erlöschen der wechselseitigen Forderungen unmittelbar in die durch Verwaltungsakt begründete Rechtsstellung des Klägers ein, indem seine aus der Rentenbewilligung ohne weiteren Rechtsakt der Beklagten monatlich erwachsenden Zahlungsansprüche zum Erlöschen gebracht werden. In welchem Umfang die Beklagte eine anspruchsvernichtende Verrechnung erklärt, obliegt indessen ihrer in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu treffenden Entscheidung. Der im Verhältnis zum Versicherten als Kann-Vorschrift i.S.e. "Ermessens-Kann" ausgebildete § 52 SGB I verpflichtet die Beklagte nicht dazu, den auch für die Verrechnung durch § 51 SGB I gesetzten Rahmen der Höhe nach in jedem Einzelfall auszuschöpfen. Soweit Gründe dafür sprechen, den Versicherten nicht bis zur Höchstgrenze (insb. bis zur Sozialhilfebedürftigkeit) zu belasten - z.B. weil die Gegenforderung aufgrund einer verzögerten Bearbeitung seitens des ermächtigenden Sozialleistungsträgers entstanden ist -, kann eine Verrechnung unterhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen in Betracht kommen. Auf die danach im Einzelfall erforderliche pflichtgemäße Ausübung des Ermessens hat der Versicherte gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht nur in Fällen der Leistungsbewilligung einen Rechtsanspruch, sondern auch bei Eingriffen in bestehende Ansprüche auf Leistungen unabhängig davon, ob der Eingriff das Stammrecht oder den Auszahlungsanspruch betrifft. Die Verlautbarung der Ermessensentscheidung stellt sich damit nicht als (Teil einer) öffentlich-rechtliche(n) Willenserklärung, sondern als hoheitliche Regelung über einen sozialrechtlichen Anspruch des Versicherten und somit als Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) dar. Diese Auffassung trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte im Gegensatz zur rein zivilrechtlichen Aufrechnung bei Anwendung der §§ 51, 52 SGB I dafür Sorge zu tragen hat, die sozialen Rechte des Versicherten möglichst weitgehend zu verwirklichen (§ 2 Abs. 2 SGB I).

Die Frage der Zulässigkeit einer Entscheidung durch Verwaltungsakt hat im vorliegenden Fall für den vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch allerdings keine Bedeutung. Dass die Beklagte sich zur Verlautbarung der Verrechnungserklärung eines förmlichen Verwaltungsaktes bedient hat, hindert die Wirksamkeit der darin enthaltenen, auf die Herbeiführung der materiellen Rechtsfolgen einer Verrechnung (Erlöschen des Zahlungsanspruchs des Klägers) gerichteten Willenserklärung auch nach der vom 4. Senat des BSG vertretenen Ansicht nicht. Die aus der fehlerhaften Form der Verlautbarung erwachsende Beschwer des Klägers beschränkt sich auf das mit der Existenz eines förmlichen Verwaltungsaktes verbundene Risiko, dass seinem Zahlungsanspruch zukünftig ein bestandskräftiger Verwaltungsakt entgegengehalten werden könnte (vgl. BSG SozR 4-1200 § 52 Nr. 1).

Die Kostenentscheidung § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil zu der Frage, ob die Beklagte befugt war, die Verrechnung im Wege eines Verwaltungsakts zu erklären, keine einheitliche Rechtsprechung des BSG vorliegt und der Senat von der Rechtsprechung des für die Angestelltenversicherung zuständigen 4. Senats (SozR 4-1200 § 52 Nr. 1) abweicht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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