L 1 KR 1169/02

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 25 KR 2253/99
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 1169/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kriterien für die Beurteilung der Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit der Tätigkeit einer GmbH-Gesellschafterin in der Gesellschaft
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. September 2002 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Firma R. vom 1. März 1996 bis zum 31. Juli 1998 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.

Die 1941 geborene Klägerin ist gelernte Auslandskorrespondentin und war Inhaberin einer Firma, die im Jahre 1978 in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt worden war. Mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 20. Dezember 1978 gründete die Klägerin zusammen mit ihrem geschiedenen Ehemann I. A. die im Handelsregister beim Amtsgericht eingetragene "G.C. T. und M.-GmbH" mit Sitz in O ... Auf das Stammkapital in Höhe von zunächst 20.000,00 DM übernahm die zur allein vertretungsberechtigten Geschäftsführerin bestellte Klägerin 18.000,00 DM (90 %). Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 23. Dezember 1985 wurde das Stammkapital auf 50.000,00 DM erhöht, die Klägerin von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit und der Lebensgefährte der Klägerin, der Zeuge C., als weiterer Gesellschafter aufgenommen. Auf das Stammkapital übernahm die Klägerin nunmehr Geschäftsanteile von insgesamt 24.000,00 DM (48 %), der Gesellschafter I. A. 13.000,00 DM (26 %) und der Gesellschafter C. ebenfalls 13.000,00 DM (26 %). In § 7 Ziff. 2 bis 4 des Gesellschaftsvertrages wurde bestimmt, dass die Gesellschafterversammlung außer den im Gesetz vorgesehenen Fällen über Gegenstände wie z. B. der die Verteilung des für das abgelaufene Geschäftsjahr ergebenden Reingewinns mit einer Mehrheit von 75 % der vorhandenen Stimmen beschließt, wobei bei der Abstimmung je 500,00 DM eines Geschäftsanteils eine Stimme gewährt. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 15. April 1986 firmierte das Unternehmen in "R. GmbH" um. Durch notariell beurkundeten Gesellschafterbeschluss vom 15. August 1996 (der Gesellschafter A. wurde aufgrund mündlich erteilter Vollmacht durch die Klägerin vertreten) wurde die Klägerin als Geschäftsführerin abgerufen und der Zeuge C. zum allein vertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer bestellt. Der Zeuge C. ist gelernter Werbekaufmann und hatte diesen Beruf im Jahre 1987 nach zwei Herzinfarkten aufgegeben; zum Zeitpunkt seiner Bestellung als Geschäftsführer der R. GmbH war er Rentner.

Nachdem das Amtsgericht mit Beschlüssen vom 5. November 1998 Konkursanträge verschiedener Gläubiger vom 21. Januar 1998 (XXXXX), 17. März 1998 (YYYYY) und vom 6. April 1998 (ZZZZZ) mangels Masse zurückgewiesen hatte, wurde die Gesellschaft am 15. Februar 1999 gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934 aufgelöst und die Löschung der Firma am 9. Juni 1999 im Handelsregister eingetragen. Bereits am 30. April 1998 erfolgte die Gewerbeabmeldung beim Gewerberegister der Stadt.

Die bis zum 29. Februar 1996 bei einem privaten Versicherungsunternehmen krankenversicherte Klägerin beantragte am 13. März 1996 ihre Aufnahme als Mitglied bei der Beklagten zum 1. März 1996 und gab an, sie sei seit dem 1. März 1996 als Verkäuferin gegen ein monatliches Brutto-Arbeitsentgelt von 1.000,00 DM bei der R. GmbH beschäftigt und übe keine selbständige Tätigkeit aus. Eine Beteiligung an der Gesellschaft verneinte die Klägerin. Die Beklagte führte daraufhin die Pflichtmitgliedschaft durch. Die R. GmbH entrichtete Gesamtsozialversicherungsbeiträge indes nur bis zum 30. Juni 1996; für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum 31. Juli 1998 blieb die Firma Sozialversicherungsbeiträge und Nebenforderungen in Höhe von 15.663,80 DM schuldig. Die Beklagte hatte diesbezüglich seit August 1996 Vollstreckungsverfahren betrieben.

In einem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung gab die Klägerin am 20. November 1998 an, Gesellschafter der Gesellschaft seien inzwischen nur noch sie selber und der Zeuge C., wobei auf sie selbst von dem Stammkapital eine Einlage von 24.000,00 DM und auf den Gesellschafter C. eine Einlage von 26.000,00 DM entfallen würde. Beim Stimmrecht sei vertraglich die einfache Mehrheit vereinbart worden. Sie selbst sei in der Firma als kaufmännische Angestellte weisungsabhängig beschäftigt, wobei ihre Mitarbeit nicht in einem besonderen Arbeitsvertrag geregelt und auch keine Kündigungsfrist vereinbart sei. Ihre wöchentliche Arbeitszeit sei unterschiedlich. Sie unterliege bei ihrer Tätigkeit wie ein fremder Arbeitnehmer dem Weisungsrecht des Geschäftsführers.

Mit Bescheid vom 22. Februar 1999 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ab dem 1. März 1996 nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Die "fehlerhafte" Versicherung bei der Krankenkasse werde zum 28. Februar 1999 beendet.

Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, sie sei am 1. März 1996 offiziell zwar noch Geschäftsführerin gewesen, die Abberufung sei aber bereits beschlossen gewesen und zum 15. August 1996 entsprechend notariell protokolliert worden. Ab dem 1. März 1996 habe sie keine unternehmerischen Funktionen mehr in der Firma gehabt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 1999 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Nach den für die Beurteilung der Versicherungspflicht zur Gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie zur Sozialen Pflegeversicherung maßgeblichen Vorschriften sei Voraussetzung für das Eintreten von Versicherungs- bzw. Beitragspflicht, dass die Klägerin (gegen Entgelt) bei der R. GmbH beschäftigt gewesen sei. Eine Gesamtwürdigung der Umstände des Falles ergebe, dass die Klägerin indes auch für die Zeit nach dem 1. März 1996 (wie in der Zeit zuvor) selbständig erwerbstätig gewesen sei. Wichtiges Indiz dafür sei, dass die Klägerin vor dem 1. März 1996 fast 20 Jahre selbständig erwerbstätig gewesen sei und dass das angegebene Entgelt für ihre Tätigkeiten als Verkäuferin in zwei Boutiquen branchenunüblich niedrig sei. Untypisch sei auch, dass keine Kündigungsfrist vereinbart worden sei. Schließlich spreche der Umstand, dass sich die Firma selbst in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden habe, dafür, dass sich die Klägerin dem Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung durch die Anmeldung als vermeintlich versicherungspflichtige Beschäftigte habe unterstellen wollen.

Die Klägerin, die seit dem 1. August 2000 aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld bei der Beklagten pflichtversichert ist, hat am 23. Juni 1999 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und geltend gemacht, spätestens seit dem Widerruf ihrer Bestellung als Geschäftsführerin im August 1996 sei Versicherungspflicht aufgrund ihrer Tätigkeit als Verkäuferin bei der betreffenden Firma eingetreten. Tatsächlich habe sie indes die Firma schon seit dem 1. März 1996 als Geschäftsführerin nicht mehr vertreten, wie sich auch aus der von ihr vorgelegten Erklärung des Gesellschafters I. A. vom 8. Juli 1999 ergebe.

Das Sozialgericht hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Beigeladene zu 1.) und die Bundesanstalt für Arbeit (Beigeladene zu 2.) zum Verfahren beigeladen und nach einer persönlichen Anhörung der Klägerin sowie nach einer Vernehmung des Zeugen C. mit Urteil vom 9. September 2002 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, nach den Gesamtumständen, die sich aus den Unterlagen der Verwaltungsakte, den Aussagen der Klägerin sowie der Zeugenvernehmung ergäben, sei die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum bei der Firma R. GmbH nicht abhängig beschäftigt gewesen. Aufgrund der über 20jährigen selbständigen Tätigkeit der Klägerin in der Modebranche und auf Grund der Tatsache, dass sie weiterhin mit einem Anteil von 48 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt gewesen sei, sei anzunehmen, dass sie und ihr Lebensgefährte, der Zeuge C., die für die Firma zu treffenden Entscheidungen gemeinsam besprochen und getroffen hätten. In Anbetracht der erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten der Firma liege die Annahme nahe, dass eine abhängige Beschäftigung der Klägerin von den Beteiligten fingiert worden sei, um der Klägerin nicht nur eine beitragsgünstige Krankenversicherung, sondern auch eine Absicherung im Falle der Arbeitslosigkeit zu verschaffen.

Gegen das ihr am 2. Oktober 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 4. November 2002, Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Sie trägt vor, ihr Aufgabenbereich habe bis zu ihrer Abberufung als Geschäftsführerin die vollständige Leitung von Ladenlokalen und die Anfertigung einer eigenen Produktion von Anfang an beinhaltet. Dieser Aufgabenbereich sei ihr mit der Abberufung als Geschäftsführerin entzogen worden. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei der Zeuge C. als alleiniger Geschäftsführer daher nicht auf ihre Mithilfe angewiesen gewesen. Sie habe sich gegen ihre Abberufung als Geschäftsführerin nicht gewehrt, da sie eingesehen habe, dass ihre Geschäftsführertätigkeit die Gesellschaft in erhebliche wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten gebracht habe. Sie habe gehofft, ein neuer Geschäftsführer könne die Gesellschaft wieder aufbauen. Die Rettung der Gesellschaft sei ihr wichtiger gewesen als die Position einer Geschäftsführerin. Der monatliche Lohn von nur 1.000,00 DM bzw. 1.500,00 DM erkläre sich dadurch, dass sie nach ihrer Abberufung nur noch ca. 20 Stunden wöchentlich gearbeitet habe. Da sie weniger als 50 % des Stammkapitals innegehabt habe, sei es ihr möglich gewesen, in einem nicht selbständigen Beschäftigungsverhältnis zu stehen. "Bezeichnenderweise" sei es der Beklagten erst eingefallen, an der Versicherungspflicht zu zweifeln, als bei ihr Mitte des Jahres 1998 eine schwere Krebserkrankung diagnostiziert worden sei mit für die Beklagte erheblichen und unabsehbaren Kostenfolgen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. September 2002 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22. Februar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1999 festzustellen, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. März 1996 bis zum 31. Juli 1998 aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung versicherungspflichtig sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung beitrags- bzw. versicherungspflichtig gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen zu 1. bis 3. stellen keinen Antrag.

Der Senat hat die DAK – Pflegekasse – (Beigeladene zu 3.) zum Verfahren beigeladen und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Oktober 2005 die Klägerin persönlich angehört sowie den Zeugen C. vernommen. Hinsichtlich der persönlichen Anhörung der Klägerin wird auf die Niederschrift zur Sitzung vom 20. Oktober 2005 Bezug genommen, hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Anlage zu dieser Niederschrift.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten Band I und II sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Für die Klägerin bestand in dem streitigen Zeitraum keine Versicherungspflicht auf Grund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- und Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V; § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - SGB XI; § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI; § 168 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz - AFG - in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung, ersetzt durch § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV - in der hier maßgeblichen bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in dem Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das gesamte Bild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (BSGE 45, 199). Ist wie vorliegend die Tätigkeit eines Gesellschafters in der Gesellschaft zu bewerten, so gilt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. Juni 1994 - B 12 RK 72/92, NJW 1994, 2974), dass ein maßgeblicher rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausschließt, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte. Eine derartige Rechtsmacht haben GmbH-Gesellschafter regelmäßig dann, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft sind und zumindest 50 % des Stammkapitals innehaben (BSG, Urteil vom 20. März 1984 - 7 RAr 70/82 -, SozR 4100 § 168 Nr. 16). Aber auch dort, wo die Kapitalbeteiligung geringer ist, kann sich aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages die Rechtsmacht ergeben, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit seinem Anteil alle ihm nicht genehmen Entscheidungen verhindern kann (sog. Sperrminorität, vgl. BSG, Urteil vom 18. April 1991 - 7 RAr 32/90 -, NZA 1991, 869). Ein GmbH-Gesellschafter, der in der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, besitzt dagegen allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschaftsrechte nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994, a. a. O.). Eine insoweit gegebene rechtlich bestehende Abhängigkeit kann indes durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sein, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dennoch ausscheidet (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 - B 12 KR 34/00 R -, NZS 2001, 644).

Im vorliegenden Fall sind die Umstände, die auch nach der formalen Abberufung der Klägerin als Geschäftsführerin ab dem 15. August 1996 für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit sprechen, so gewichtig, dass die Annahme einer abhängigen und versicherungspflichtigen Beschäftigung der Klägerin ab dem 1. März 1996 bis zur Auflösung der Firma ausscheidet. Die Würdigung der Gesamtumstände durch das Sozialgericht hält der Senat auch nach der nochmaligen persönlichen Anhörung der Klägerin sowie einer nochmaligen Vernehmung des Zeugen C. für zutreffend und schließt sich dem an. Zwar erscheint das Vorbringen des Zeugen C. durchaus glaubhaft, er habe die Verantwortung als Geschäftsführer der Firma übernommen, um diese durch eine Umstrukturierung wirtschaftlich zu retten, u. a. durch eine andere Regelung des Einkaufs bei günstigeren Anbietern. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin über Jahrzehnte die Geschicke dieser - kleinen - Firma für Damenmoden selbstständig geleitet hat und über erhebliche Fachkenntnisse verfügte, ist es indes nicht glaubhaft, dass sie im streitigen Zeitraum auf die Funktion einer weisungsabhängigen Verkäuferin in Ladenlokalen und Bürgerhäusern beschränkt gewesen sein soll, zumal es sich bei dem Zeugen C. um ihren langjährigen Lebensgefährten handelt, der schon damals mit ihr zusammenlebte, und der sie schon vor dem Wechsel in der Geschäftsführerposition zehn Jahre lang bei Firmengeschäften unterstützt hat. Vielmehr entspricht es unter den gegebenen Umständen der Lebenswirklichkeit, dass die Klägerin ihre Branchenkenntnisse der Firma bzw. ihrem Mitgesellschafter und Lebensgefährten weiterhin zur Verfügung gestellt hat und auf Grund dessen auch weiterhin einen beherrschenden Einfluss auf die für das Unternehmen zu treffenden Entscheidungen gehabt hat. Diese Annahme steht im Übrigen im Einklang mit der Aussage des Zeugen C. bei seiner Vernehmung vor dem Sozialgericht, wonach er die Klägerin u. a. deswegen "eingestellt" habe, weil sie ihm als "Ratgeberin" so wichtig gewesen sei.

Ein gewichtiges Argument für die Eigenschaft der Klägerin als Unternehmerin im streitigen Zeitraum ist der Umstand, dass sie nach wie vor über einen Kapitalanteil in Höhe von 48 % des Stammkapitals verfügte und daher weiterhin ein erhebliches wirtschaftliches Interesse am Erfolg der Firma hatte. Der Umfang ihrer Kapitalbeteiligung bewirkte zudem, dass der Zeuge C. gegen ihre Stimme keine Gesellschafterbeschlüsse fassen konnte, denn in § 7 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages ist - entgegen den Angaben der Klägerin im Feststellungsbogen vom 20. November 1998 - bestimmt, dass die Gesellschafterversammlung u. a. über die Verteilung des Reingewinnes mit einer qualifizierten Mehrheit von 75 % der vorhandenen Stimmen beschließt, wobei nach § 7 Ziff. 4 des betreffenden Vertrages bei der Abstimmung je 500,00 DM eines Geschäftsanteils eine Stimme gewähren. Dabei ist es unerheblich, ob die Klägerin die ihr zustehende Rechtsmacht tatsächlich ausgeübt hat bzw. ob die Beteiligten – wie sie nunmehr vorgeben – den Gesellschaftsvertrag insoweit nicht zutreffend gewertet haben. Maßgeblich ist, dass die Klägerin über diese Rechtsmacht nach der konkreten Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages verfügte (vgl. BSG, Urteil vom 18. April 1991, a.a.O).

Die Angaben des Zeugen C. zur Art und Weise der monatlichen Gehaltzahlung sowie der wirtschaftlichen Bedeutung dieses Gehaltes für die Klägerin sprechen ebenfalls für die Eigenschaft der Klägerin als Unternehmerin und gegen die Eigenschaft als abhängig Beschäftigte. Bei seiner Vernehmung vor dem Senat hat der Zeuge zum einen angegeben, er könne sich an regelmäßige Überweisungen nicht erinnern, das Gehalt könne auch mal bar oder mit Verspätung ausgezahlt worden sein oder auch, indem er etwas für die Klägerin bezahlt habe. Andererseits trägt er vor, die Klägerin - seine Lebensgefährtin - habe von diesem Gehalt ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen und sei ansonsten auf Unterstützungsleistungen aus der eigenen Familie angewiesen gewesen. Dies lässt sich - unabhängig von der Höhe des Gehaltes - nicht in Einklang bringen mit der Aussage der Beteiligten, die Klägerin habe wie eine "fremde Kraft" in der Firma gearbeitet, und entspricht nicht den Gepflogenheiten bei einer Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn, zumal Sozialversicherungsbeiträge für die Klägerin tatsächlich seit dem 1. Juli 1996 nicht mehr entrichtet worden sind.

Auf Grund der Gesamtumstände, dem Überwiegen der tatsächlichen und rechtlichen Kriterien, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, geht der Senat davon aus, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte, der Zeuge C., im streitigen Zeitraum trotz der formalen Geschäftsführerposition des Zeugen C. ab dem 15. August 1996 die Firma gemeinsam geführt haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Rechtskraft
Aus
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