S 8 KG 13/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KG 13/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 56/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Kinderzuschlag für Juni und Juli 2005.

Der am 00.00.1973 geborene Kläger ist verheiratet und Vater von 2 Kindern (W, geb. 00.00.2001 und K, geb. 00.00.2003). Die Familie lebt in Haushaltsgemeinschaft. Der Kläger stand vom 01.06.2004 bis zum 31.05.2005 in einem Beschäftigungsverhältnis, vom 01.06.2005 bis zum 03.08.2005 war er arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld, ab 04.08.2005 bis zum 15.11.2005 stand der Kläger wieder in einem Beschäftigungsverhältnis, seither ist er wieder arbeitslos. Die Familie bewohnt eine Mietwohnung, für die eine Nettomiete in Höhe von 510,00 EUR gezahlt wird. Es fallen Kosten für eine Zentralheizung in Höhe von 42,00 EUR an.

Der Kläger beantragte im Juni 2005 Kinderzuschlag. Mit Bescheid vom 30.06.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Für die Zeit ab Juni 2005 werde die Mindesteinkommensgrenze nicht erreicht, der Kläger habe einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II, nicht aber auf Kinderzuschlag.

Im Widerspruchsverfahren meinte der Kläger, die Ablehnung der Zahlung des Kinderzuschlags wegen des Nichterreichens der Mindesteinkommensgrenze sei verfassungswidrig. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, gerade sozial schwache Familien zu unterstützen.

Mit Bescheid vom 05.09.2005 bewilligte die Beklagte Kinderzuschlag von Januar bis Mai 2005.

Für die Zeit ab Juni 2005 wies sie den Widerspruch wegen Nichterreichens der Mindesteinkommensgrenze mit Bescheid vom 04.10.2005 zurück. Für die Zeit ab August 2005 bewilligte die Beklagte wieder den Kinderzuschlag.

Mit der am 09.10.2005 erhobenen Klage erstrebt der Kläger Kinderzuschlag für Juni und Juli 2005. Er meint, die Nichtgewährung des Kinderzuschlages wegen des Nichterreichens der Mindesteinkommensgrenze widerspräche dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes. Jedenfalls sei der Abzug von weiteren 30,00 EUR von seinem erzielten Einkommen rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 30.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Kinderzuschlag nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen, hilfsweise das Verfahren gemäß Art. 100 Grundgesetz auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Regelung des § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG. In der mündlichen Verhandlung hat sie eine Neuberechnung der Unterkunftskosten des Klägers vorgenommen. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kinderzuschlag.

Der Kinderzuschlag wird gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG nur gezahlt an Personen, die mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11, 12 SGB II mindestens in Höhe des nach Absatz 4 Satz 1 für sie maßgebenden Betrages verfügen. Gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 BKGG wird der Kinderzuschlag in voller Höhe gezahlt, wenn das nach den §§ 11 und 12 SGB II zu berücksichtigende elterliche Einkommen oder Vermögen einem Betrag in Höhe des ohne Berücksichtigung von Kindern jeweils maßgebenden Arbeitslosengeldes II nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II entspricht. Dazu sind gemäß § 6a Abs. 4 Satz 2 BKGG die Kosten für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im jeweils letzten Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Kosten für Alleinstehende, Ehepaare und Kinder ergibt.

Die Beklagte hat diese Vorschrift auch für Juni und Juli 2005 zutreffend angewandt. Der Kläger bezog in dieser Zeit Einkommen (Arbeitslosengeld) in Höhe von 985,50 EUR (Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit Aachen vom 07.06.2005). Von diesem Einkommen sind gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 der ALG-II-Verordnung 30.- EUR als Pauschbetrag für angemessene Versicherungen abzuziehen. Die Beklagte ist im Gegensatz zur Meinung des Klägers nicht verpflichtet, diesen Abzug nicht vorzunehmen. Allerdings ist dem Kläger dahingehend Recht zu geben, dass es zunächst unstimmig erscheint, das eine Vorschrift, die als Privilegierung der Bezieher von Grundsicherungsleistungen gedacht ist, sich im Bereich des Kinderzuschlags für den Betroffenen negativ auswirken kann. Dem Gesetzgeber steht jedoch bei der Ausgestaltung sozialer Rechte ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Deswegen ist er nicht wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gehindert, für das Grundsicherungsrecht und das Kinderzuschlagsrecht von einem identischen Einkommensbegriff auszugehen. Abgesehen davon würde auch der Nichtabzug der 30,00 EUR vom Einkommen des Klägers nicht dazu führen, dass die Mindesteinkommensgrenze erreicht wird. Denn die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung zutreffend errechnet, dass das Mindesteinkommen bei 1013,92 EUR liegt. Die Berechnung entspricht der Vorschrift des § 6a Abs. 4 BKGG, insbesondere die Berechnung der Unterkunftskosten der Eltern entspricht dem Existenzminimumsbericht 2005 der Bundesregierung. Der Wohnanteil für Elternpaare beträgt bei zwei Kindern hiernach 71 % der Gesamtkosten.

Die Beschränkung des Kinderzuschlags auf Personen, die über das Mindesteinkommen im Sinne des § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG verfügen, ist nicht verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hat damit weder gegen das Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG) noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen. § 6a BKGG soll verhindern, dass Familien allein wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Gleichzeitig sollte eine Regelung getroffen werden, die einen Arbeitsanreiz durch gezielte Förderung einkommensschwacher Familien schafft (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucksache 15/1516, S. 1 ff.). Diese Zielsetzung setzt zwingend voraus, die Gewährung von Kinderzuschlag von einem Mindesteinkommen abhängig zu machen. Denn nur wenn die Eltern im Stande sind, sich selbst zu unterhalten, kann durch die Gewährung des Kinderzuschlages Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II vermieden werden. Die Differenzierung zwischen Eltern, die außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten und Eltern, die immerhin ihren eigenen Bedarf gesichert haben, ist damit weder sozialstaatswidrig noch willkürlich. Ein Verfassungsverstoß ist zu verneinen, weshalb eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausscheidet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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