S 14 KR 137/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 KR 137/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 215/05 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 02.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2004 wird abgewiesen
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Zuschusses durch die Beklagte für im Jahr 2003 verordnete Sehhilfen (Brillengläser), die im Jahr 2004 an den Kläger ausgeliefert worden sind.

Der am 1933 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert.

Am 16.12.2003 verordnete der Augenarzt Dr. B., W., dem Kläger mit kassenärztlicher Verordnung neue Gläser für dessen bereits vorhandene Brille. Die Sehstärke des Klägers hatte sich laut Herrn Dr. B. seit der letzten Verordnung um wenigstens eine halbe Dioptrie verändert und lag nunmehr für die Fernsicht bei - 2,75 Dioptrien bzw. + 5,0 Dioptrien (sphärisch) und - 1,0 Dioptrien (zylindrisch) (rechtes bzw. linkes Auge) sowie für die Nahsicht bei + 2,5 Dioptrien (beide Augen). Am selben Tage erteilte der Kläger der Firma F., W., den Auftrag zur Anfertigung einer neuen Bifocalbrille entsprechend der Verordnung des Herrn Dr. B. Ein Lieferdatum hierfür wurde seitens des Optikers auf der Auftragsbestätigung nicht angegeben. Die Kosten sollten sich auf 121,30 EUR für die Gläser und 49,50 EUR für die Fassung, zusammen 170,80 EUR belaufen.

Aufgrund der zum 01.01.2004 in Kraft tretenden Gesetzesänderungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl. I S. 2190) fiel zum Jahreswechsel 2003/2004 die Versorgung mit Sehhilfen bei volljährigen Versicherten grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung heraus.

Nachdem für den Kläger absehbar war, dass die Firma F. die neue Brille nicht mehr vor dem 01.01.2004 an den Kläger ausliefern würde, beantragte der Kläger mit Schreiben vom Sonntag, dem 28.12.2003, eingegangen bei der Beklagten ausweislich des Eingangsstempels am 30.12.2003, bei der Beklagten einen Zuschuss für die Kosten der neuen Brillengläser.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 02.01.2004 die Gewährung des Zuschusses ab. Sie verwies darauf, dass nach Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen für die Anwendung der gesetzlichen Neuregelungen ab 01.01.2004 der Tag maßgebend sei, an dem das Hilfsmittel an den Versicherten abgegeben werde. Diese Rechtsauffassung habe auch das Bundesgesundheitsministerium in einem Schreiben vom 16.12.2003 bestätigt. Der Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 25.03.2004, eingegangen am 29.03.2004, Widerspruch. Er trug im Wesentlichen vor, die Sehhilfen seien rechtlich als Sachleistungen zu qualifizieren. Da Ansprüche auf Sozialleistungen nach § 40 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) entstünden, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorlägen, sei mit der Auftragserteilung beim Optiker, spätestens aber mit Eingang des Antrags bei der Beklagten der Anspruch auf Kostenbezuschussung fällig geworden, § 41 SGB I. Eine davon abweichende gesetzliche Vorschrift lasse sich dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht entnehmen. Daher sei die Beklagte zur Zahlung verpflichtet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei auf den Zeitpunkt der Abgabe des Hilfsmittels abzustellen. Da diese Abgabe der Sehhilfen im Falle des Klägers unstreitig erst im Jahre 2004 erfolgt sei, bestehe kein Anspruch auf Kostenübernahme. Zudem sei seit Monaten bekannt gewesen, dass ab dem Jahreswechsel 2003/2004 Sehhilfen grundsätzlich nicht mehr zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zählen würden.

Hiergegen richtet sich die am 24.05.2004 beim Sozialgericht Würzburg eingegangene Klage vom 21.05.2004. Zu deren weiteren Begründung führte der Kläger im Wesentlichen aus, in der Vergangenheit hätten die Krankenkassen aufgrund interner Vereinbarungen mit den Leistungserbringern für die Bezuschussung auf den Zeitpunkt der augenärztlichen Verordnung abgestellt. Wenn nun seitens der Beklagten die Abgabe des Hilfsmittels als Anknüpfungspunkt gewählt werde, verstoße dies gegen das grundge- setzliche Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz - GG), den grundgesetzlichen Schutz des Eigentums (Art. 14 GG) sowie des Rechtes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG).

Der Kläger beantragt (sinngemäß), den Bescheid der Beklagten vom 02.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Zuschuss zu der Versorgung des Klägers mit neuen Brillengläsern dem Grunde nach zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält die ergangenen Verwaltungsentscheidungen für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechts- streites ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ausdrücklich Bezug genommen, § 136 Abs. 2 SGG.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, insbesondere ist das Sozialgericht Würzburg sachlich und örtlich zuständig.

Die Klage ist aber nicht begründet. Die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger keinen Zuschuss für eine im Jahr 2004 an diesen ausgelieferte Sehhilfe (Brillengläser) zu gewähren, trifft auf keine rechtlichen Bedenken.

Der Kläger hat die im Jahr 2003 verordnete Sehhilfe im Jahr 2004 erhalten und den hierfür geforderten Betrag in voller Höhe (also ohne dass der "Zuschussbetrag" der Beklagten in Abzug gebracht worden wäre) von 170,80 EUR gezahlt. Da die Beklagte die bis zum 31.12.2003 übliche Kostenübernahme in Höhe des für die verordneten Brillengläser vorgesehenen Zuschussbetrages nicht gewährt hat, richtet sich die Klage richtigerweise auf Kosten- erstattung in Höhe des für die Brillengläser des Klägers vorge- sehenen Zuschusses.

Nach § 13 Abs. 3, Satz 1, 2. Alt. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hat die Krankenkasse, wenn sie Leistungen zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten Kosten entstanden sind, diese in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig ist. Der Versicherte ist hierbei so zu stellen, als hätte er die geschuldete Sachleistung erhalten; Kosten, die er trotz Leistungsbewilligung der Kasse selbst hätte tragen müssen, sind nicht zu erstatten, so BSG, Urteil vom 24.09.1996, Az. 1 RK 33/95. Zugleich bedingt der Kostenerstattungsanspruch unter anderem, dass der Versicherte tatsächlich Anspruch auf die entgangenen Leistungen hatte, dass diese Leistung also rechtmäßig gewesen wäre, wie sich schon aus der Formulierung "zu Unrecht abgelehnt" des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V ergibt.

Diese Voraussetzung ist bei dem Kläger nicht erfüllt. Die Beklagte hat zu Recht die Kostenübernahme in Höhe des für die Brillengläser des Klägers vorgesehenen Zuschusses verweigert, nachdem die Sehhilfe unstreitig erst im Jahre 2004 an den Kläger übergeben worden ist.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst die Versorgung mit Hilfsmitteln, § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 4. Alt. SGB V.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der bis zum 31.12.2003 gelten- den Fassung (im Folgenden "a.F.") haben Versicherte grundsätzlich Anspruch auf Versorgung mit dem Hilfsmittel Sehhilfen. Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach § 33 Abs. 1 SGB V a.F. besteht für Versicherte, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien, § 33 Abs. 4, 1. Halbsatz SGB V a. F. Ist für ein erforderliches Hilfsmittel ein Festbetrag nach § 36 SGB V a. F. festgesetzt, dann trägt die Krankenkasse die Kosten des Hilfsmittels bis zur Höhe dieses Betrags, § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB V a. F. Für andere Hilfsmittel übernimmt die Krankenkasse die jeweils vereinbarten Preise, § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB V a. F. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfasst nicht die Kosten des Brillengestells, § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB V a.F.

Durch das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) ist § 33 SGB V mit Wirkung zum 01.01.2004 unter anderem dahingehend geändert worden, dass nunmehr Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nur dann Anspruch auf Sehhilfen haben, wenn sie auf Grund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der WHO empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung, auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen, § 33 Abs. 1 Satz 5, 1. Halbsatz SGB V n. F. Anderenfalls sind Brillengläser als Hilfsmittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung entfernt worden.

Dem Kläger wurden unstreitig am 16.12.2003 Sehhilfen wegen einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien verordnet. Die Auslieferung der Brille durch den am 16.12.2003 beauftragten Optiker erfolgte ebenso unstreitig erst im Jahre 2004.

Weder nach altem noch nach neuem Recht ist ein Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme bzw. Kostenerstattung in Höhe des hierfür vorgesehenen Zuschussbetrages erkennbar, da die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat.

Nach neuem Recht fällt der Kläger nicht unter die Ausnahmeregelung des § 33 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung, denn die hierfür notwendige schwere Sehbeeinträchtigung liegt bei dem Kläger ausweislich der vom Augenarzt Dr. Budig festgestellten Glasstärken bzw. ausweislich der Sehfähigkeit des Klägers nicht vor.

Auch ein Anspruch aus § 33 SGB V a. F. ist nicht gegeben, da die Sehhilfen erst im Jahre 2004 und damit nach Inkrafttreten der Neuregelung an den Kläger abgegeben worden sind.

Der vom Kläger begehrte Zuschuss wird nach Auffassung der er- kennenden Kammer im Regelfall erst mit der Abgabe der Brille an den Versicherten und der detaillierten Leistungsrechnung des Optikers zur Zahlung fällig, vgl. für den Bereich des Zahnersatzes BSG, Urteil vom 20.11.2001, Az. B 1 KR 31/99 R.

Grundlage der Leistungspflicht der Krankenkasse ist § 27 Abs. 1 SGB V. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 4. Alt. SGB V umfasst der Anspruch des Versicherten auf Krankenbehandlung auch die Versorgung mit Hilfsmitteln. Mit Rücksicht auf §§ 40 Abs. 1, 41 SGB I begründet demnach die Notwendigkeit der Behandlung bzw. konkret die Versorgung mit dem Hilfsmittel einen "Anspruch" des Versicherten; damit kann jedoch noch keine Pflicht der Krankenkasse im Sinne einer konkreten Leistungszuständigkeit gemeint sein, die sich gegenüber dem Versicherten in bestimmten Sach- und Dienstleistungen und gegenüber dem Leistungserbringer in der Zahlung der Vergütung äußern müsste, so das BSG a.a.O.

Vielmehr handelt es sich bei § 27 Abs. 1 SGB V nach der Auffassung des BSG um ein "ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht", das der Konkretisierung bedarf, bevor der Versicherte daraus ein Recht im Sinne von § 194 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ableiten kann, von seiner Kasse ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu verlangen, so etwa BSG, Urteil vom 16.09.1997, Az. 1 RK 28/95.

Die Krankenkasse hat im Rahmen des § 33 SGB V dem Versicherten das verordnete Hilfsmittel in Natur zu verschaffen, was in der Regel dadurch geschieht, dass der Versicherte gegen Übergabe der die Leistungspflicht der Krankenkasse konkretisierenden vertragsärztlichen Hilfsmittelverordnung (vgl. § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V) vom zugelassenen Leistungserbringer das Hilfsmittel - gegebenenfalls gegen Zuzahlung nach § 33 Abs. 2 SGB V - erhält. In Umsetzung dieses Grundsatzes setzt eine Pflicht der Krankenkasse zur teilweisen Kostenübernahme in Höhe des Zuschusses ei- ner von dritten Leistungserbringern gefertigten Leistung neben der Behandlungsnotwendigkeit voraus, dass sich ein Versicherter mit der Sehhilfenverordnung des Arztes zum Optiker begibt und die verordnete Leistung tatsächlich auch durchgeführt und an den Versicherten abgegeben wird, dieser es also erhält.

Erst mit der Abgabe der verordneten Leistung "Sehhilfe" an den Versicherten kann daher ein durch vertragsärztliche Verordnung der Leistung begründeter Anspruch auf Kostenübernahme (zur Begründung eines Anspruchs vgl. BSG, Urteil vom 19.11.1996, Az. 1 RK 15/96) in Höhe des Zuschusses fällig werden, da zuvor nicht klar ist, ob der beauftragte Optiker tatsächlich seine geschul- dete Leistung (Anfertigung und Übergabe der Sehhilfe) erbringt. Auch kann erst von dem Zeitpunkt der Übergabe des Hilfsmittels an den Versicherten abschließend geklärt sein, welche Kosten für die Sehhilfe wirklich entstehen.

Zudem ist zu bedenken, dass die Beklagte die Sehhilfen ja nicht selbst anfertigt. Vielmehr werden hierfür Leistungserbringer wie der von dem Kläger beauftragte Optiker tätig. Tatsächlich weiß die Beklagte im Regelfall erst mit der Kostenabrechnung des Optikers, dass ein Versicherter entsprechende Leistungen überhaupt in Anspruch genommen hat. Und auch erst zu diesem Zeitpunkt kann die Beklagte eine erbrachte Leistung als den Bestimmungen des Leistungsrechtes entsprechend einordnen.

Auch hat das Bundessozialgericht in früheren, zum Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) ergangenen Entscheidungen mehrfach die tatsächliche Lieferung eines Hilfsmittels für die Erfüllung des Anspruchs des Versicherten als maßgeblich erklärt, so etwa für orthopädisches Schuhwerk im Urteil vom 27.06.1985 (Az. 8 RK 34/84). Die von § 33 Abs. 2 in Verbindung mit § 36 SGB V a.F. vorgesehene Geldleistung in Form der Kostenübernahme in Zuschusshöhe kann unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung erst dann fällig werden, wenn die Leistung durch Dritte (in diesem Fall durch den Optiker) erbracht ist.

Es ist dem Kläger weiter entgegenzuhalten, dass bereits während des Jahres 2003 und in verstärktem Maße ab dem Herbst 2003 nach der am 17.10.2003 erfolgten Zustimmung des Bundesrates zum Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung die Streichung der Sehhilfen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist; ebenso wurde, wie dem Gericht erinnerlich ist, in der Tagespresse und den Nachrichtensendungen seit spätestens Anfang Dezember 2003 wiederholt von einem Auftragsboom bei den Optikern berichtet. Wenn ein Versicherter nunmehr am 16.12.2003 und damit kurz vor Inkrafttreten der geplanten Streichung der Sehhilfen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einen Optiker mit der Fertigung einer Sehhilfe beauf- tragt hat, für die er noch einen Zuschuss nach § 33 SGB V alter Fassung begehrte, so hätte er durch die Auswahl des Optikers oder durch eine entsprechende Sondervereinbarung mit diesem sicherstellen müssen, dass der Optiker die Brille vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung ausliefert. Anderenfalls fällt das Risiko, die Sehhilfe nicht mehr zu den im Jahre 2003 gültigen Konditionen zu erhalten, in die Risikosphäre des Versicherten.

Die vom Kläger vorgebrachte Argumentation, wonach mit Beauftragung des Optikers am 16.12.2003 bzw. spätestens mit der am Sonntag, den 28.12.2003, erfolgten Beantragung der Leistung bei der Beklagten ein fälliger Anspruch auf Kostenübernahme in Höhe des Zuschusses entstanden sei, der über die zum Jahreswechsel 2003/2004 erfolgte Gesetzesänderung nachwirken würde, kann nach alledem von der Kammer nicht nachvollzogen werden.

Die vom Kläger vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken sind für die erkennende Kammer ebenfalls nicht stichhaltig. So hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits mehrfach entschieden, dass gesetzgeberische Eingriffe in das gesetzliche Leistungsrecht der Krankenkassen nicht gegen den Schutzzweck der Art. 3 und Art. 14 GG verstoßen, sofern die das Leistungsrecht abändernden Regelungen dazu dienen, die Funktionsfähigkeit des Systems im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder geänderten wirtschaftlichen Situationen anzupassen, vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.02.1997, Az. 1 BvR 1903/96.

Vielmehr hat der Gesetzgeber nach dem BVerfG hierfür eine weite Gestaltungsfreiheit bei der Regelung sozialversicherungsrechtlicher Positionen. Hinsichtlich des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (GMG) ist ausweislich seiner Gesetzesbegründung davon auszugehen, dass die Neuregelungen des GMG dezidiert der Erhaltung und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung dienen sollten.

Auch aus einer Rahmenvereinbarung zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und den Leistungserbringerverbänden kann der Kläger keine Rechte herleiten. Selbst wenn eine Rahmenvereinbarung die Beklagte im Innenverhältnis zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer verpflichtet haben sollte, die Zuschüsse nach altem Recht bereits bei der augenärztlichen Versorgung bzw. bei der Beauftragung des Optikers mit der Herstellung einer Brille zu überweisen, so kann sich der Kläger nicht auf eine Selbstbindung der Verwaltung und eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG berufen. Die Beklagte wäre nämlich aus einer derartigen Rahmenverbindung, so sie denn existiert hat, nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber dem Leistungserbringer vertraglich gebunden. Aufgrund der Gemeinsamen Verlautbarung zur Umsetzung des GMG im Hilfsmittelbereich der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 25.11.2003, die ja ausdrücklich eine zeitliche Fixierung der Leistungspflicht auf den Abgabetag des Hilfsmittels und damit eine Limitierung bis zum 31.12.2003 vorschrieb, muss aber davon ausgegangen werden, dass spätestens nach Zugang dieser Gemeinsamen Verlautbarung bei den Krankenkassen entsprechende Rahmenvereinbarungen, so sie denn vorlagen, außer Kraft gesetzt bzw. im Einvernehmen mit den Vertragspartnern nicht mehr eingehalten worden sind.

Ab dem 01.01.2004 gab es in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich keinen Anspruch mehr auf Sachleistungserbringung des Hilfsmittels "Sehhilfe". Da der Kläger unstreitig die Sehhilfe erst im Jahre 2004 und damit nach Änderung des § 33 SGB V durch das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 erhalten hat und nicht unter die Ausnahmeregelungen des § 33 SGB V n. F. fällt, war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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