Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 10 RJ 47/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 157/05
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten.
Der am 16.06.1924 in Slonim (Weißrussland) geborene Kläger ist jüdischen Glaubens und Verfolgter des Nationalsozialismus. Während der Verfolgung hielt er sich u.a. im Ghetto Slonim auf.
Im Jahre 1993 beantragte er bei der Claims Conference die Gewährung einer Beihilfe nach dem Härtefallfonds. Er gab an, im Juni 1941 mit seinen Eltern in das Ghetto Slonim gebracht worden zu sein. Nach zwei Monaten sei er von seinen Eltern getrennt worden und in das Lager Slonim-Boitev verbracht worden. Seine Eltern und seine Schwester seien im November 1941 in den Wäldern von Slonim ermordet worden. Er sei bis zu seiner Flucht im August 1942 im Lager geblieben.
Am 07.11.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten. Er sei von Juli 1941 bis Januar 1942 im Ghetto Slonim gewesen und habe innerhalb und außerhalb des Ghettos "Reinigungsarbeiten" verrichtet. Er habe Leichen innerhalb und außerhalb des Ghettos gesammelt und sie beerdigt. Hierbei sei er durch Polizisten bewacht worden, soweit die Arbeit außerhalb des Ghettos stattgefunden habe. Die Tätigkeit habe er durch Vermittlung des Judenrates erhalten. Er habe täglich neun bis zehn Stunden gearbeitet und hierfür Essen und zusätzliche Produkte für zu Hause (Hirse und Pferdefleisch) erhalten.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2003 ab. Die geltend gemachte Tätigkeit des Klägers sei auf Grund seiner widersprüchlichen Angaben bezüglich des Aufenthaltsortes nicht glaubhaft. Während er jetzt behaupte, von Juli 1941 bis Januar 1942 im Ghetto Slonim gewesen zu sein, habe er gegenüber der Claims Conference geschildert, ab Juni 1941 für zwei Monate im Ghetto Slonim gewesen zu sein, um danach in das Lager Slonim-Boitev überführt zu werden.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er habe von Juli 1941 bis Januar 1942 im Ghetto Slonim durch den Judenrat vermittelt eine Tätigkeit als Leichenbestatter gefunden und hierfür Lohn in Form von zusätzlichem Essen und Lebensmitteln erhalten. Soweit aus der Akte der Claims Conference folge, er habe sich lediglich für zwei Monate im Ghetto Slonim aufgehalten, müsse dies auf einem Missverständnis des seinen Antrag aufnehmenden Beamten beruhen. Er vermute, er habe damals gesagt, dass er im Juli/August 1941 in das Ghetto Slonim eingewiesen worden sei, so dass der Beamte den Einweisungszeitraum mit der Aufenthaltsdauer im Ghetto verwechselt haben müsse. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2004 zurück. Die vom Kläger geltend gemachte Beschäftigung im Ghetto Slonim begründe keine Beitragszeit zur Rentenversicherung, weil der Kläger kein Entgelt erhalten habe.
Dagegen hat der Kläger am 10.02.2004 Klage erhoben.
Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, die Zeit von Juli 1941 bis Januar 1942 sei als Ghetto-Beitragszeit anzuerkennen. Hierfür habe er Unterkunft und wöchentlich zusätzliche Lebensmittel erhalten: Brot, Kartoffeln, Gemüse, Pferdefleisch und Hirse.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2004 zu verurteilen, ihm ab 01.07.1997 Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten für die Zeit von Juli 1941 bis Januar 1942 sowie unter weiterer Berück- sichtigung von Ersatzzeiten - ggf. nach Entrichtung frei- williger Beiträge - nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die getroffene Entscheidung für zutreffend.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichts- und beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegen- stand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt hatten, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 07.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2004 beschwert den Kläger nicht nach § 54 Abs. 2 SGG. Diese Bescheide sind rechtmäßig, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente hat.
Nach § 35 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat Anspruch auf Regelaltersrente, wer - 1. - das 65. Lebensjahr vollendet und - 2. - die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Auf die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 SGB VI) sind nach § 51 Abs. 1 und 4 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten und Kalendermonate mit Ersatzzeiten anzurechnen. Beitragszeiten sind nach § 55 Abs. 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Ferner bestimmen §§ 110 Abs. 2, 113 Abs. 1 SGB VI, dass eine Rente ins Ausland - wie hier nach Israel - nur dann zahlbar ist, wenn Bundesgebietsbeitragszeiten vorliegen. Dies berücksichtigend kann der Kläger nur nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRGB) zu (Bundesgebiets-) Beitragszeiten und einem Zahlungsanspruch ins Ausland kommen. Denn er macht geltend, in Weissrußland gearbeitet zu haben. Beitragszeiten können nach § 2 Abs. 1 ZRBG aber nur dann fingiert werden, wenn der Anwendungsbereich des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG eröffnet ist. Danach gilt dieses Gesetz für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn
1. die Beschäftigung a) aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, b) gegen Entgelt ausgeübt wurde und
2. das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war,
soweit für diese Zeit nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird. Maßgeblich ist insoweit, ob das Vorliegen der vorgenannten Umstände im Sinne von § 3 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (WGSVG) ist. Denn das ZRBG ergänzt nach § 1 Abs. 2 die rentenrechtlichen Vorschriften des WGSVG.
Dies berücksichtigend hat die Kammer bereits begründete Zweifel, ob sich der Kläger tatsächlich im geltend gemachten Zeitraum (Juli 1941 bis Januar 1942) im Ghetto Slonim aufgehalten hat. Diese Zweifel gründen sich auf die Angaben des Klägers gegenüber der Claims Conference. Dieser gegenüber hat er 1993 geschildert, im Juni 1941 in das Ghetto Slonim gebracht worden zu sein. Dort sei er nach zwei Monaten von seinen Eltern getrennt und in das Lager Slonim-Boitev verbracht worden. Diese Erklärung lässt sich mit der jetzigen Erklärung des Klägers aus dem Rentenverfahren in zeitlicher Hinsicht nicht in Einklang bringen. Soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren geltend gemacht hat, der aufnehmende Beamte müsse ihn missverstanden haben, er vermute, er habe damals gesagt, im Juli/August 1941 in das Ghetto Slonim eingewiesen worden zu sein, was der Beamte dann als Zeitangabe der Aufenthaltsdauer missverstanden haben müsse, vermag dies die Kammer nicht zu überzeugen. Aus der vom Kläger unterschriebenen Erklärung gegenüber der Claims Conference ergibt sich eindeutig, dass der Kläger erklärt hat, er sei nach zwei Monaten von seinen Eltern getrennt und in das Lager Slonim-Boitev überführt worden. Insoweit kann das vom Kläger jetzt angeführte Missverständnis des seine Erklärung aufnehmenden Beamten nicht überzeugen.
Abgesehen davon ist es aber auch nicht glaubhaft, dass die vom Kläger geltend gemachte Tätigkeit vom ZRBG erfasst wird. Wie das ZRBG durch die Tatbestandsmerkmale der Freiwilligkeit ("aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen") und Entgeltlichkeit verdeutlicht, erfasst dass Gesetz nur solche Tätigkeiten, die einen Bezug zur beitragsfinanzierten deutschen Rentenversicherung aufweisen. Dieser Bezug ist nur dann hergestellt, wenn die geltend gemachte Beschäftigung dem Grunde nach rentenversicherungspflichtig ist, was auf Zwangsarbeitsverhältnisse nicht zutrifft. Letztere haben sich vom Typus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung soweit entfernt, dass allein aus diesen Arbeiten keine Rentenzahlung gewährt werden kann. Dabei erfüllt eine Beschäftigung nur dann das Tatbestandsmerkmal der Entgeltlichkeit, wenn für die Tätigkeit eine angemessene Gegenleistung gewährt wurde. Dies ist bei der reinen Verpflegung des Beschäftigten nicht gegeben, weil Verpflegung als Teilbestandteil freier Unterhaltsgewährung - ebenso die Gewährung von Unterkunft - nach § 1227 Reichsversicherungsordnung (RVO) keine Rentenversicherungspflicht begründet. Überdies kann die Gewährung von Verpflegung auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen im Ghetto kein Entgelt im Sinne einer versicherungspflichtigen Beschäftigung begründen, weil sonst für eine Differenzierung der Ghetto-Arbeiten nach dem Typus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einerseits und der nicht versicherten Zwangsarbeit andererseits kaum noch Raum wäre. Denn auch der Zwangsarbeiter erhielt Verpflegung (zur Erhaltung seiner Arbeitskraft).
Dies berücksichtigend ist nicht glaubhaft, dass der Kläger - die Beschäftigung dem Grunde nach als glaubhaft unterstellt - entgeltlich tätig geworden ist. Denn er hat für seine Tätigkeit nach seinem Sachvortrag wöchentlich zusätzliche Lebensmittel für zu Hause bekommen (Brot, Kartoffeln, Gemüse, Pferdefleisch und Hirse). Diese Lebensmittel können unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführung Rentenversicherungspflicht dem Grunde nach nicht begründen, soweit der Kläger sie zur eigenen Verpflegung verwendet hat, da die Gewährung freien Unterhalts keine Rentenversicherungspflicht begründet. Soweit der Kläger über die eigene Verpflegung hinaus Lebensmittel erhalten haben sollte, fehlt es jedenfalls an der Angemessenheit von Arbeitsleistung (neun bis zehn Stunden täglich Leichen bestatten) und Entlohnung. Dabei können die besonderen Ghetto-Bedingungen aus den vorstehenden Gründen keine Berücksichtigung finden.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten.
Der am 16.06.1924 in Slonim (Weißrussland) geborene Kläger ist jüdischen Glaubens und Verfolgter des Nationalsozialismus. Während der Verfolgung hielt er sich u.a. im Ghetto Slonim auf.
Im Jahre 1993 beantragte er bei der Claims Conference die Gewährung einer Beihilfe nach dem Härtefallfonds. Er gab an, im Juni 1941 mit seinen Eltern in das Ghetto Slonim gebracht worden zu sein. Nach zwei Monaten sei er von seinen Eltern getrennt worden und in das Lager Slonim-Boitev verbracht worden. Seine Eltern und seine Schwester seien im November 1941 in den Wäldern von Slonim ermordet worden. Er sei bis zu seiner Flucht im August 1942 im Lager geblieben.
Am 07.11.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten. Er sei von Juli 1941 bis Januar 1942 im Ghetto Slonim gewesen und habe innerhalb und außerhalb des Ghettos "Reinigungsarbeiten" verrichtet. Er habe Leichen innerhalb und außerhalb des Ghettos gesammelt und sie beerdigt. Hierbei sei er durch Polizisten bewacht worden, soweit die Arbeit außerhalb des Ghettos stattgefunden habe. Die Tätigkeit habe er durch Vermittlung des Judenrates erhalten. Er habe täglich neun bis zehn Stunden gearbeitet und hierfür Essen und zusätzliche Produkte für zu Hause (Hirse und Pferdefleisch) erhalten.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2003 ab. Die geltend gemachte Tätigkeit des Klägers sei auf Grund seiner widersprüchlichen Angaben bezüglich des Aufenthaltsortes nicht glaubhaft. Während er jetzt behaupte, von Juli 1941 bis Januar 1942 im Ghetto Slonim gewesen zu sein, habe er gegenüber der Claims Conference geschildert, ab Juni 1941 für zwei Monate im Ghetto Slonim gewesen zu sein, um danach in das Lager Slonim-Boitev überführt zu werden.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er habe von Juli 1941 bis Januar 1942 im Ghetto Slonim durch den Judenrat vermittelt eine Tätigkeit als Leichenbestatter gefunden und hierfür Lohn in Form von zusätzlichem Essen und Lebensmitteln erhalten. Soweit aus der Akte der Claims Conference folge, er habe sich lediglich für zwei Monate im Ghetto Slonim aufgehalten, müsse dies auf einem Missverständnis des seinen Antrag aufnehmenden Beamten beruhen. Er vermute, er habe damals gesagt, dass er im Juli/August 1941 in das Ghetto Slonim eingewiesen worden sei, so dass der Beamte den Einweisungszeitraum mit der Aufenthaltsdauer im Ghetto verwechselt haben müsse. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2004 zurück. Die vom Kläger geltend gemachte Beschäftigung im Ghetto Slonim begründe keine Beitragszeit zur Rentenversicherung, weil der Kläger kein Entgelt erhalten habe.
Dagegen hat der Kläger am 10.02.2004 Klage erhoben.
Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, die Zeit von Juli 1941 bis Januar 1942 sei als Ghetto-Beitragszeit anzuerkennen. Hierfür habe er Unterkunft und wöchentlich zusätzliche Lebensmittel erhalten: Brot, Kartoffeln, Gemüse, Pferdefleisch und Hirse.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2004 zu verurteilen, ihm ab 01.07.1997 Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten für die Zeit von Juli 1941 bis Januar 1942 sowie unter weiterer Berück- sichtigung von Ersatzzeiten - ggf. nach Entrichtung frei- williger Beiträge - nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die getroffene Entscheidung für zutreffend.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichts- und beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegen- stand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt hatten, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 07.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2004 beschwert den Kläger nicht nach § 54 Abs. 2 SGG. Diese Bescheide sind rechtmäßig, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente hat.
Nach § 35 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat Anspruch auf Regelaltersrente, wer - 1. - das 65. Lebensjahr vollendet und - 2. - die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Auf die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 SGB VI) sind nach § 51 Abs. 1 und 4 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten und Kalendermonate mit Ersatzzeiten anzurechnen. Beitragszeiten sind nach § 55 Abs. 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Ferner bestimmen §§ 110 Abs. 2, 113 Abs. 1 SGB VI, dass eine Rente ins Ausland - wie hier nach Israel - nur dann zahlbar ist, wenn Bundesgebietsbeitragszeiten vorliegen. Dies berücksichtigend kann der Kläger nur nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRGB) zu (Bundesgebiets-) Beitragszeiten und einem Zahlungsanspruch ins Ausland kommen. Denn er macht geltend, in Weissrußland gearbeitet zu haben. Beitragszeiten können nach § 2 Abs. 1 ZRBG aber nur dann fingiert werden, wenn der Anwendungsbereich des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG eröffnet ist. Danach gilt dieses Gesetz für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn
1. die Beschäftigung a) aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, b) gegen Entgelt ausgeübt wurde und
2. das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war,
soweit für diese Zeit nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird. Maßgeblich ist insoweit, ob das Vorliegen der vorgenannten Umstände im Sinne von § 3 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (WGSVG) ist. Denn das ZRBG ergänzt nach § 1 Abs. 2 die rentenrechtlichen Vorschriften des WGSVG.
Dies berücksichtigend hat die Kammer bereits begründete Zweifel, ob sich der Kläger tatsächlich im geltend gemachten Zeitraum (Juli 1941 bis Januar 1942) im Ghetto Slonim aufgehalten hat. Diese Zweifel gründen sich auf die Angaben des Klägers gegenüber der Claims Conference. Dieser gegenüber hat er 1993 geschildert, im Juni 1941 in das Ghetto Slonim gebracht worden zu sein. Dort sei er nach zwei Monaten von seinen Eltern getrennt und in das Lager Slonim-Boitev verbracht worden. Diese Erklärung lässt sich mit der jetzigen Erklärung des Klägers aus dem Rentenverfahren in zeitlicher Hinsicht nicht in Einklang bringen. Soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren geltend gemacht hat, der aufnehmende Beamte müsse ihn missverstanden haben, er vermute, er habe damals gesagt, im Juli/August 1941 in das Ghetto Slonim eingewiesen worden zu sein, was der Beamte dann als Zeitangabe der Aufenthaltsdauer missverstanden haben müsse, vermag dies die Kammer nicht zu überzeugen. Aus der vom Kläger unterschriebenen Erklärung gegenüber der Claims Conference ergibt sich eindeutig, dass der Kläger erklärt hat, er sei nach zwei Monaten von seinen Eltern getrennt und in das Lager Slonim-Boitev überführt worden. Insoweit kann das vom Kläger jetzt angeführte Missverständnis des seine Erklärung aufnehmenden Beamten nicht überzeugen.
Abgesehen davon ist es aber auch nicht glaubhaft, dass die vom Kläger geltend gemachte Tätigkeit vom ZRBG erfasst wird. Wie das ZRBG durch die Tatbestandsmerkmale der Freiwilligkeit ("aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen") und Entgeltlichkeit verdeutlicht, erfasst dass Gesetz nur solche Tätigkeiten, die einen Bezug zur beitragsfinanzierten deutschen Rentenversicherung aufweisen. Dieser Bezug ist nur dann hergestellt, wenn die geltend gemachte Beschäftigung dem Grunde nach rentenversicherungspflichtig ist, was auf Zwangsarbeitsverhältnisse nicht zutrifft. Letztere haben sich vom Typus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung soweit entfernt, dass allein aus diesen Arbeiten keine Rentenzahlung gewährt werden kann. Dabei erfüllt eine Beschäftigung nur dann das Tatbestandsmerkmal der Entgeltlichkeit, wenn für die Tätigkeit eine angemessene Gegenleistung gewährt wurde. Dies ist bei der reinen Verpflegung des Beschäftigten nicht gegeben, weil Verpflegung als Teilbestandteil freier Unterhaltsgewährung - ebenso die Gewährung von Unterkunft - nach § 1227 Reichsversicherungsordnung (RVO) keine Rentenversicherungspflicht begründet. Überdies kann die Gewährung von Verpflegung auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen im Ghetto kein Entgelt im Sinne einer versicherungspflichtigen Beschäftigung begründen, weil sonst für eine Differenzierung der Ghetto-Arbeiten nach dem Typus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einerseits und der nicht versicherten Zwangsarbeit andererseits kaum noch Raum wäre. Denn auch der Zwangsarbeiter erhielt Verpflegung (zur Erhaltung seiner Arbeitskraft).
Dies berücksichtigend ist nicht glaubhaft, dass der Kläger - die Beschäftigung dem Grunde nach als glaubhaft unterstellt - entgeltlich tätig geworden ist. Denn er hat für seine Tätigkeit nach seinem Sachvortrag wöchentlich zusätzliche Lebensmittel für zu Hause bekommen (Brot, Kartoffeln, Gemüse, Pferdefleisch und Hirse). Diese Lebensmittel können unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführung Rentenversicherungspflicht dem Grunde nach nicht begründen, soweit der Kläger sie zur eigenen Verpflegung verwendet hat, da die Gewährung freien Unterhalts keine Rentenversicherungspflicht begründet. Soweit der Kläger über die eigene Verpflegung hinaus Lebensmittel erhalten haben sollte, fehlt es jedenfalls an der Angemessenheit von Arbeitsleistung (neun bis zehn Stunden täglich Leichen bestatten) und Entlohnung. Dabei können die besonderen Ghetto-Bedingungen aus den vorstehenden Gründen keine Berücksichtigung finden.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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