L 12 AL 5206/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AL 2237/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5206/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Rücknahme eines sogenannten Sperrzeitbescheides im Rahmen des Zugunstenverfahrens.

Der im Dezember 1943 geborene Kläger war bei der - nicht tarifgebundenen - Fa. R. GmbH (Firma R) vom 1.7.1981 bis 28.2.1998 beschäftigt, zuletzt als Vertriebsingenieur. Er war allein für den Vertrieb von energietechnischen Produkten im süddeutschen Raum zuständig. Seine Kündigungsfrist betrug sechs Monate zum Monatsende.

Im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen fiel auch der Arbeitsplatz des Klägers im Unternehmen weg. Die Firmenleitung und der Betriebsrat vereinbarten einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Danach stand jedem Mitarbeiter, unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt oder im gegenseitigen Einvernehmen beendet wurde, eine Abfindung zu. Der Höchstbetrag der Abfindung wurde auf 200.000 DM begrenzt. Fällig wurde die Abfindung zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, im Falle einer Kündigung mit rechtskräftiger Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses. Außerdem wurde ein Ausgleich für Nachteile bei der Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages vereinbart, den der Kläger allerdings nach eigenen Angaben nicht erhielt. Der Nachteilsausgleich entsprach dem Betrag, der dem Mitarbeiter als Alg monatlich zustand, höchstens 2500 DM netto monatlich und war auf insgesamt drei Monatszahlungen begrenzt. Zu weiteren Feststellung des Inhalts von Interessenausgleich und Sozialplan wird auf Blatt 21 ff. und 30 ff. der Leistungsakte Bezug genommen.

Nach Gesprächen zwischen dem Kläger, dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien am 21.8.1997 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 28.2.1998 gegen eine Abfindung in Höhe von brutto 305.350 DM. Zur Feststellung der Regelungen im Aufhebungsvertrag im Einzelnen wird auf Blatt 6/7 der Leistungsakte verwiesen. Bei der Bemessung der Abfindung flossen neben den Berechnungskriterien gemäß dem Sozialplan auch Urlaubs- und Bonusplanabgeltungen sowie ein Ausgleich für verminderte Betriebsrentenansprüche aufgrund des vorzeitigen Ausscheidens ein. Hätte der Kläger dem Aufhebungsvertrag nicht zugestimmt, wäre er von der Firma R noch im August 1997 zum 28.2.1998 gekündigt worden.

Der Kläger meldete sich am 22.1.1998 mit Wirkung zum 1.3.1998 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. In der Zeit vom 10.3.1998 bis 3.4.1998 war er in Kur bzw. arbeitsunfähig. Am 3.4. meldete er sich mit Wirkung zum 4.4.1998 erneut arbeitslos.

Mit Bescheid vom 9.6.1998 lehnte die Beklagte ausgehend vom Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit die Gewährung von Alg für die Zeit vom 1.3. bis 23.5.1998 ab und verfügte eine Minderung der Anspruchsdauer um 242 Tage. Mit Bescheid gleichen Datums stellte sie das Ruhen des Leistungsanspruches wegen der erhaltenen Abfindung für die Zeit vom 24.5. bis 5.10.1998 sowie eine weitere Minderung der Anspruchsdauer fest. Der Widerspruch hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14.8.1998). Alg erhielt der Kläger durch Bescheid vom 7.10.1998 ab dem 6.10.1998 in Höhe von wöchentlich 758,94 DM bewilligt, das er bis zur Abmeldung aus dem Leistungsbezug wegen selbstständiger Tätigkeit mit Wirkung ab dem 9.11.1998 bezog.

Widerspruch, Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart (Urteil vom 31.3.2000, S 4 AL 4697/98) und Berufung (Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25.1.2002, L 8 AL1971/00) blieben erfolglos. Die Nichtzulassungsbeschwerde nahm der Kläger wieder zurück. Zur weiteren Feststellung des Sachverhaltes, des Beteiligtenvorbringens in den früheren Verfahren und der Begründung der Entscheidung des 8. Senats wird auf dessen Urteil vom 25.1.2002 Bezug genommen.

Am 20.11.2002 beantragte der Kläger die Rücknahme des Bescheides vom 9.6.1998 betreffend die Sperrzeit, was die Beklagte durch Bescheid vom 2.6.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.3.2004 unter Hinweis auf die früheren, auch gerichtlichen Entscheidungen ablehnte.

Hiergegen hat der Kläger am 6.4.2004 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und darauf verwiesen, dass - anders als der 8. Senat ausgeführt habe - die Kündigung rechtmäßig gewesen wäre, was nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.12.2003, B 11 AL 35/03 R ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und unter Darlegung der Rechtsgrundlage für die Rücknahme eines bestandskräftig gewordenen Bescheides (§ 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB X -) und der Regelungen betreffend den Eintritt einer Sperrzeit und deren Folgen (§ 144 und § 128 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB III - in der damals geltenden Fassung) ausgeführt, der Arbeitnehmer könne sich nach der Rechtsprechung des BSG im Falle eines Aufhebungsvertrages bei drohender Arbeitgeberkündigung auf einen wichtigen Grund nur berufen, wenn die angedrohte Kündigung rechtmäßig gewesen wäre und das Abwarten der Arbeitgeberkündigung nicht zumutbar gewesen sei (Verweis u.a. auf SozR 3-4100 § 144 Nr. 8). An dieser Rechtsprechung ändere das vom Kläger erwähnte Urteil nichts. Dieses übertrage die bisherige Rechtsprechung vielmehr lediglich auf den Fall des Abschlusses einer Vereinbarung nach einer bereits ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung (Abwicklungsvertrag) in der Weise, als für diese Fallkonstellation die Mitwirkung an der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses bei objektiver Rechtsmäßigkeit der Kündigung allein deshalb sanktionslos bleibe.

Hiergegen hat der Kläger am 17.11.2004 Berufung eingelegt. Er beharrt darauf, dass eine Arbeitgeberkündigung rechtmäßig gewesen wäre und das Urteil des 8. Senats deshalb nicht richtig sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.10.2004 und den Bescheid vom 2.6.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.2.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheides vom 9.6.1998 über den Eintritt einer Sperrzeit Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1.3.1998 bis 23.5.1998 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und das vom Kläger in Bezug genommene Urteil des BSG für nicht einschlägig.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zu weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die Akten des früheren Gerichtsverfahrens und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist ausschließlich der Bescheid vom 2.6.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.3.2004 und damit das Begehren des Klägers auf Rücknahme des Sperrzeitbescheides vom 9.6.1998 sowie die Gewährung von Alg für die Dauer der von der Beklagten angenommenen Sperrzeit. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist dagegen der Bescheid vom 9.6.1998 über das Ruhen des Leistungsanspruches wegen Anrechnung der erhaltenen Abfindung. Hierauf bezog sich der bei der Beklagten gestellte Antrag des Klägers nicht, hierüber enthält der angefochtene Bescheid vom 2.6.2003 und der Widerspruchsbescheid vom 11.3.2004 auch keine Regelung.

Das SG hat in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die vom Kläger begehrte Rücknahme des Sperrzeitbescheides und die maßgebenden Vorschriften über den Eintritt einer Sperrzeit und deren Folgen dargestellt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag keinen wichtigen Grund hatte. Es hat dabei zutreffend die einschlägige Rechtsprechung des BSG zitiert, wonach die Rechtmäßigkeit der fiktiven Arbeitgeberkündigung alleine für die Annahme eines wichtigen Grundes nicht ausreicht. Der Senat sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gem. § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Es bleibt daher dabei, dass kein wichtiger Grund für die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses anerkannt werden kann. Offen bleiben kann dabei die Frage der Rechtmäßigkeit der fiktiven Arbeitgeberkündigung. Neben dieser Voraussetzung ist für die Annahme eines wichtigen Grundes zusätzlich erforderlich, dass dem Arbeitslosen die Hinnahme einer rechtmäßigen Arbeitgeberkündigung nicht zuzumuten war (BSG SozR 3-4300 § 144 Nr. 8, Gliederungspunkt 1.4). Das Interesse an einer Abfindung reicht hierfür nicht aus (BSG aaO). Eine positive Auswirkung der einverständlichen Lösung des Beschäftigungsverhältnisses auf die Eingliederungsmöglichkeiten des Klägers als für die Annahme eines wichtigen Grundes relevanter Aspekt (BSG aaO) spielt hier nach dem eigenen Vortrag des Klägers im früheren Berufungsverfahren keine Rolle. Denn der Kläger hatte dort zutreffend vorgetragen, dass er bei Auflösung seines Beschäftigungsverhältnisses habe davon ausgehen müssen, dass er keine Erwerbstätigkeit mehr begründen könne. Hieran ändert auch das vom Kläger herangezogene Urteil des BSG vom 18.12.2003 (SozR 4-4300 § 144 Nr. 6) aus den vom SG genannten Gründen nichts. Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass dieses Urteil hier nicht einschlägig ist, weil gegenüber dem Kläger tatsächlich keine Kündigung erklärt wurde.

Bei dieser Sachlage erübrigen sich Ausführungen zum Zeitraum fehlender Verfügbarkeit des Klägers (10.3. bis 3.4.1998).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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