Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 69/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 394/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.11.2003 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 18.12.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2002 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Wirbelsäulenleiden des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Der 1955 geborene Kläger führt die Erkrankung auf seine beruflichen Belastungen zurück. Er war nach einer Ausbildung zum Landwirtschaftsgehilfen (1970 bis 1973) bis 1976 im Lehrberuf in der elterlichen Landwirtschaft tätig. Während dieser Zeit arbeitete er im Winter aushilfsweise als Maurer bei der Bauunternehmung seines Cousins, der Fa. H. S. , bei der er dann vom 01.09.1976 bis 18.01.1984 in Vollzeit als Maurer beschäftigt war. Nach kurzer Arbeitslosigkeit verrichtete er vom 02.04.1984 bis 04.01.1985 Maurerarbeiten bei der Fa.S ... Aus den im Verlauf des Rechtsstreites beigezogenen Unterlagen der LVA Schwaben ergibt sich, dass nur bis 04.01.1985 Pflichtbeiträge und ab 01.11.1985 freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet wurden. Nach eigenen Angaben betrieb der Kläger bereits ab 1983 zunächst nebenher, später ausschließlich Handel mit Bauelementen; zudem übernahm er deren Einbau. Erst seit dem 01.04.1993 war er als selbstständiger Unternehmer mit dem vorgenannten Handel sowie dem Aus- und Einbau von Fenstern und Türen in Neu- und Altbauten bei der Beklagten versichert. Er trägt vor, er habe schon 1996 seinen Betrieb reduziert und ab Oktober 1999 bzw. ab 2000 seine Betriebstätigkeit verändert. Seither führe er die Ein- und Ausbauarbeiten nicht mehr selbst durch und handle nur noch mit Bauelementen. Diese berufliche Einschränkung sei durch die Folgen einer Bandscheibenoperation bei L5/S1 im Jahre 1987 notwendig gewesen.
Nach den von der Beklagten eingeholten Auskünften der behandelnden Ärzte war der Bandscheibenoperation eine längere Zeit behandlungsbedürftiger Wirbelsäulenbeschwerden vorangegangen. Dr. K. berichtete über die Behandlung von Lumbalgien seit 1986, Dr. M. über einen am 04.01.1985 diagnostizierten Pseudowurzelreiz L5/S1, wobei er erwähnte, aus der Vorgeschichte seien seit zwei Jahren tiefe Kreuzschmerzen bekannt. Dr. N. erklärte, er habe den Kläger seit 1981 und am 14.02.1984 erstmals wegen starker Rückenschmerzen behandelt. Die Ärzte des Bezirkskrankenhauses G. berichteten, der Kläger habe bei einer Untersuchung am 28.04.1987 angegeben, bei ihm bestünden seit ca. zehn Jahren rezidivierende Schmerzen von der Lendenwirbelsäule (LWS) ausgehend ins linke Bein. Die Beklagte zog ferner den Operationsbericht vom 17.09.1987 nebst Computertomogramm (CT) sowie Befunde aus 1988 und ab 1996, darunter CT`s und Magnetresonanztomographien (MRT) bei.
Sie ließ durch ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) den Umfang der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ermitteln. Der TAD bejahte eine Belastung der LWS zu 40 % der Arbeitszeit als Maurer in abhängiger Stellung zwischen 1976 und dem 04.01.1985 sowie zu 35 % während der selbstständigen Tätigkeit vom 01.11.1985 bis 1999.
In dem im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachten vom 26.09.2001 befürwortete der Chirurg Dr. B. die Anerkennung einer BK nach der Nr. 2108 der BKV und Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH. Er ging davon aus, der Kläger habe sowohl in der Zeit von 1973 bis 04.01.1985 als auch ab 01.11.1985 bis zur Reduzierung der Einbauarbeiten im Jahre 1996 wirbelsäulenschädigend gearbeitet. Danach habe er solche Tätigkeiten praktisch nicht mehr verrichten können, was einer Berufsaufgabe gleich komme. Konkurrierende Ursachen kämen nicht in Betracht.
Dieser Auffassung widersprach der Beratungsarzt Dr. K. am 21.11.2001. Er meinte, der frühe Beginn der LWS-Beschwerden knapp vor dem 30. Lebensjahr, der monosegmentale Befall ausschließlich in Höhe L5/S1, der sich seither nicht wesentlich verändert hatte, obwohl der Kläger nach der Operation 1987 weiter - nach eigenem Vortrag zumindest bis 1996 - Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen verrichtete, sprächen gegen eine berufliche Verursachung.
Mit Bescheid vom 18.12.2001 lehnte die Beklagte Leistungen ab, weil die LWS-Erkrankung keine Berufskrankheit darstelle. Sie stützte sich auf die Ausführungen des Dr. K ... Den Widerspruch wies die Beklagte am 21.02.2002 zurück.
Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben und vorgetragen, er habe während seiner langjährigen Tätigkeit schwerste Lasten heben und in gebückter Haltung arbeiten müssen.
Das SG hat die vorhandenen Röntgenaufnahmen beigezogen und den Orthopäden Dr. B. zum Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 28.11.2002 hat dieser die Auffassung vertreten, das Übergangssegment von der LWS zum Kreuzbein sei am stärksten von Hebe- und Tragebelastungen betroffen. Ein Bandscheibenvorfall in jüngeren Jahren, wie beim Kläger, sei geradezu ein Indiz für eine berufliche Schädigung. Andere Ursachen ließen sich nicht eruieren. Aus medizinischer Sicht habe ein Unterlassungszwang bestanden. Er folge im Übrigen der MdE-Einschätzung des Dr. B.
Die Beklagte ist dieser Auffassung entgegengetreten. Sie hat sich auf eine weitere Stellungnahme des Dr.K. vom 24.06.2003 bezogen, der seine frühere Meinung bekräftigte.
Mit Urteil vom 06.11.2003 hat das SG die Beklagte verurteilt, eine BK nach der Nr. 2108 anzuerkennen und dem Kläger "ab Aufgabe der belastenden Tätigkeit" Verletztenrente nach einer MdE um 30 vH zu gewähren. Es ist dem seiner Meinung nach schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Dr. B. gefolgt. Von Bedeutung sei, dass der Kläger bis zur Bandscheibenoperation 1987 über 10 Jahre wirbelsäulenbelastend gearbeitet habe. Die seither fortbestehenden Funktionseinschränkungen hätten ihn gezwungen, seine Firma aufzugeben und in den Baustoffhandel einzutreten.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, es fehle sowohl an den arbeitstechnischen wie an den medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK nach der Nr. 2108. Nach den ärztlichen Berichten habe mindestens ab 1983 oder sogar schon ab 1977, also noch vor einer mindestens zehnjährigen Belastung, eine LWS-Symptomatik bestanden. Zudem spreche nach der herrschenden medizinischen Lehrmeinung eine Lumboischialgie vor dem 30. Lebensjahr gegen einen berufsbedingten Krankheitsprozess. Überdies fehle es an einem belastungsadaptiven Schadensbild.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Bayern/Oberpfalz und Schwaben eingeholt. Diese hat ermittelt, dass der Kläger als landwirtschaftlicher Unternehmer in der Zeit vom 04.01.1985 bis zur Betriebsübergabe an seine Ehefrau im Jahr 2000 allenfalls einer Gesamtbelastungsdosis von 41 % des nach dem Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell (MDD) als schädigend geltenden Richtwertes ausgesetzt war. In der nichtöffentlichen Sitzung am 17.11.2004 hat der Kläger seine Tätigkeiten zwischen 1983 und 1996 bzw. danach beschrieben. Auf die Sitzungsniederschrift wird gem. § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen. Die Beklagte hat daraufhin unter Einbezug der Maureraushilfstätigkeit zwischen 1970 und 1976, der abhängigen Beschäftigung als Maurer bis 04.01.1985 und der selbstständigen Tätigkeiten in der Landwirtschaft sowie im Maurerhandwerk und Bauelementehandel bis zur Bandscheibenoperation 1987 eine Berechnung nach dem MDD vorgenommen und eine Gesamtbelastungsdosis von lediglich ca. 16,9 MegaNh bei einem als bandscheibenschädigend geltenden Grenzwert von 25 MegaNh ermittelt.
Der Senat hat den Orthopäden Dr. G. beauftragt ein weiteres Gutachten zu erstatten. Der Sachverständige hat am 24.11.2005 dargelegt, beim Kläger bestehe als alleiniger pathologischer Befund ein Postnucleotomiesyndrom infolge des 1987 operierten Bandscheibenvorfalls. Somit kämen nur Tätigkeiten bis dahin als schädigend in Betracht. Die bereits von Dr. K. angeführten, gegen einen beruflichen Zusammenhang sprechenden Argumente, hat er für zutreffend und eine Berufskrankheit eher für unwahrscheinlich gehalten.
Die Beklagte hat sich durch dieses Gutachten in ihrer Meinung bestätigt gesehen. Der Kläger hat darauf hingewiesen, 1979 habe lediglich der Verdacht auf einen Bandscheibenschaden bestanden. Es sei aber zunächst zu keiner Krankschreibung gekommen, sondern erst von Dezember 1983 bis 30.03.1984. Außerdem hat er mit Schreiben vom 01.03.2006 ärztliche Befundberichte vom 01.08.2005, 21.11.2005 und 16.02.2006 vorgelegt. Im Wesentlichen wird darin eine anhaltende Schmerzsymptomatik bei neurologisch und radiologisch unveränderten Befunden beschrieben und eine erneute OP-Indikation verneint.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.11.2003 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 18.12.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2002 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Akten des SG zum Az.: S 4 RJ 305/01 und des BayLSG zum Az.: L 16 RJ 239/03 sowie auf die Gerichtsakten des anhängigen Verfahrens erster und zweiter Instanz gem. § 136 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
II.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet; sie führt zur Aufhebung des Urteils des SG vom 06.11.2003 und zur Abweisung der Klage.
Entgegen der Auffassung des SG hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung seiner LWS-Erkrankung als BK nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV i.d.F. der 2. Änderungsverordnung (ÄndVO) vom 18.12.1992 i.V.m. § 551 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 9 des zum 01.01.1997 in Kraft getretenen und die RVO ablösenden Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII).
Ob die Vorschriften der RVO oder des SGB VII anzuwenden sind, hängt davon ab, ob der Versicherungsfall vor oder nach dem 31.12.1996 eingetreten ist. Die jeweiligen Bestimmungen sind im Wesentlichen inhaltsgleich und weisen für die hier zu treffende Entscheidung keine Besonderheiten auf, so dass sich insoweit weitere Feststellungen erübrigen.
Eine BK der Nr. 2108 ist deshalb nicht anzuerkennen, weil die - ohne Zweifel bandscheibenbedingte - Erkrankung der LWS nicht mit Wahrscheinlichkeit auf langjährige Belastungen im Beruf des Klägers zurückzuführen ist. Der Versicherungsfall setzt bei der BK Nr. 2108 eine bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung voraus, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Für die Anerkennung und Entschädigung einer WS-Erkrankung als BK Nr. 2108 muss demnach neben der vorbeschriebenen belastenden beruflichen Einwirkung auch der Unterlassungszwang bestehen und es müssen die gefährdenden Tätigkeiten tatsächlich aufgegeben worden sein. Ob und gegebenenfalls wann der Kläger tatsächlich die belastenden Tätigkeiten vollständig und nicht nur teilweise aufgegeben hat, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 22.08.2000- B 2 U 34/99 R und vom 19.08.2003 - B 2 U 27/02 R) nicht ausreicht, kann offen bleiben. Denn es mangelt bereits am ursächlichen Zusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und der Erkrankung.
Nach Auffassung aller Sachverständiger liegt eindeutig eine bandscheibenbedingte Erkrankung vor und zwar nachgewiesenermaßen bereits seit der Operation am 17.09.1987. Der Senat schließt sich dieser Meinung an. Zudem geht er davon aus, dass der Kläger zwischen 1970 bis zur Operation und somit langjährig WS-belastende Arbeiten verrichtete. Ob dies in einem Ausmaß geschah, dass nach biomechanisch-medizinischen Kenntnissen ein Bandscheibenschaden entstehen konnte, kann offen bleiben. Ebensowenig brauchte geklärt werden, in welchem Umfang der Kläger in dieser Zeit neben Tätigkeiten in der Landwirtschaft Maurerarbeiten verrichtete und ob die frühere Berechnung des TAD oder die erst im Laufe des Berufungsverfahrens nach dem MDD vorgenommene Berechnung der Gesamtbelastungsdosis zutreffend ist. Denn der ursächliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastungseinwirkung und der vorhandenen Gesundheitsstörung, der im konkreten Einzelfall festzustellen ist, kann nicht im Grad der Wahrscheinlichkeit bewiesen werden. Es ist hierbei die im gesamten Unfallversicherungsrecht geltende Theorie der wesentlichen Bedingung anzuwenden. Danach hat eine Abwägung der verschiedenen festgestellten Ursachen stattzufinden, wobei für die beruflichen Ursachen im Endergebnis mehr als für andere in Betracht zu ziehende Ursachen sprechen muss.
Bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS haben eine multifaktorielle Ätiologie, sind weit verbreitet und kommen in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vor (Merkblatt für die ärztliche Untersuchung; Bundesarbeitsblatt 3/1993, S 50 ). Dies zwingt zu einer sorgfältigen Abwägung zwischen Einflüssen, die von der beruflichen Belastung, und solchen, die nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von anlagebedingten oder außerberuflichen Ursachen ausgehen. Das BSG hat noch nicht abschließend entschieden, nach welchen Kriterien eine solche Wertung vorzunehmen ist. Aus der Rechtsprechung zahlreicher Landessozialgerichte (vgl. hierzu Becker in SGb 2000, 116) lassen sich anhand der von diesen Gerichten ausgewerteten medizinischen Gutachten folgende Grundsätze erkennen: es ist darauf abzustellen, ob die WS altersentsprechende oder altersvorauseilende Verschleißzeichen aufweist, ob der Beginn und der zeitliche Verlauf der Erkrankung zu den beruflichen Belastungen korreliert, ob aufgrund einer wissenschaftlich nachgewiesenen biomechanisch höheren Belastung der unteren LWS-Segmente ein sog. belastungskonformes Krankheitsbild besteht, bei dem die Bandscheiben in den unteren LWS-Segmenten stärker als in den oberen Segmenten verändert sind, und ob daran anknüpfend im Vergleich der LWS mit anderen WS-Abschnitten keine gleichmäßige Degeneration der gesamten WS oder gar eine stärkere Degeneration an der HWS oder BWS zu finden ist.
Von diesen Erkenntnissen ausgehend kommt der Senat zum Ergebnis, dass es beim Kläger vor allem an einem belastungskonformen Krankheitsbild fehlt und der zeitliche Verlauf nicht mit den beruflichen Belastungen korreliert. Dies entnimmt er dem Gutachten des Dr. G. und den im Urkundenbeweis verwertbaren Stellungnahmen des Dr. K ... Dr. G. hebt hervor, dass im Bereich der LWS das Postnucleotomiesyndrom bei L5/S1 der einzige pathologische Befund ist und dieser seit 1987 nahezu unverändert besteht. Dem Sachverständigen standen hierzu Röntgenbilder vom 21.09.1987, 25.09.2001 und 24.11.2005 sowie ein MRT vom 01.08.2005 zur Verfügung. Zum Röntgenbefund von 1987 hält er fest, dass neben dem infolge der Operation entstandenen Defekt bei L5/S1 ein ansonsten altersentsprechender Normalbefund und auf den Aufnahmen von 2001 eine allenfalls beginnende Spondylarthrose, also Veränderungen der kleinen Wirbelgelenke, bei sonst altersentsprechendem Normalbefund zu erkennen sind. Da nur ein Segment altersvorauseilend verändert war und blieb, fehlt es am von oben nach unten zunehmenden belastungsadaptiven Schadensbild, bei dem sich Veränderungen unterschiedlicher Intensität an allen LWS-Segmenten hätten zeigen müssen. Allein dies macht es bereits unwahrscheinlich, dass die beruflichen Belastungen bis 1987 für den WS-Schaden ursächlich waren. Dass sich in der nachfolgenden Zeit - zumindest - bis 1996, während der der Kläger seinen eigenen Angaben zufolge noch schwere Hebe- und Tragearbeiten verrichtete, kein weiteres Fortschreiten röntgenologisch bemerkbar machte, spricht zudem gegen einen beruflichen Zusammenhang. Weiteres Indiz gegen eine BK der Nr. 2108 ist, dass Behandlungen wegen Bandscheibenbeschwerden schon ab 1983 - von Dr. M. - bzw. ab 1984 - von Dr. N. - dokumentiert sind und den anamnestischen Angaben des Klägers zufolge WS-Schmerzen zehn Jahre vor der Operation, also 1977 im Alter von 22 Jahren, aufgetreten waren. Dr. K. führt hierzu noch deutlicher aus, dass das Auftreten eines Bandscheibenschadens vor dem 30. Lebensjahr für einen schicksalshaften Prozess spricht. Bis zu diesem Lebensalter sind nach medizinischer Erkenntnis bei mechanischer Belastung die muskulären und bindegewebigen Anteile sowie knöchernen Strukturen der WS so elastisch, dass ein Großteil der von außen kommenden Schädigungen muskulär gut abgefangen werden kann.
Die Ausführungen von Dr. G. und Dr. K. stehen im Einklang mit dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand und überzeugen. Hingegen ist der Auffassung des Dr. B. ebensowenig zu folgen wie der des Dr. B ... Dr. B. verkennt die Bedeutung eines belastungsadaptiven Krankheitsbild, wenn er hervorhebt, der Bandscheibenschaden habe sich ab 1985 entwickelt und es seien weder zu diesem Zeitpunkt noch bei der Operation 1987 anlagebedingte Anomalien oder degenerative Veränderungen an der LWS festzustellen gewesen. Dass nur im Segment L5/S1 ein pathologischer Befund vorgelegen hatte, wird auch von Dr. G. und Dr. K. so gesehen. Jedoch folgt daraus nicht der Umkehrschluss, der Schaden bei L5/S1 beruhe auf beruflicher Belastung, sondern es ist nur der Schluss erlaubt, dass weder eindeutige Anzeichen für einen Belastungsschaden noch für degenerative Veränderungen an anderen Abschnitten zu finden waren. Da sich schicksalshafte Schäden röntgenologisch nicht von solchen anderer Genese unterscheiden, kann nicht im Sinne der Kausaltheorie der wesentlichen Bedingung gesagt werden, es spreche für die eine Ursache wesentlich mehr als für die andere. Auch die weitere Aussage des Dr. B. , die berufliche Belastung, der der Kläger ausgesetzt war, sei geeignet, die Bandsscheiben zu zermürben, reicht nicht aus, um die konkret individuelle Kausalität zwischen dem Bandscheibenschaden und den beruflichen Belastungen zu belegen. Dass berufliche Einwirkungen für sich genommen geeignet sind, bestimmte Krankheitsbilder zu verursachen, begründet nur die grundsätzliche Entschädigungswürdigkeit und damit die Aufnahme in den BK-Katalog. Da solche Einwirkungen nicht in jedem Fall und nicht zwangsläufig zu Bandscheibenschäden führen, ist in jedem Einzelfall darüber hinaus zu begründen, warum dies der Fall ist.
Auch das Gutachten des Dr. B. , auf das sich das SG hauptsächlich stützte, ist keine Grundlage für einen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung der LWS-Erkrankung als BK der Nr. 2108. Die apodiktische Feststellung, gerade ein Befallensein der oberen LWS-Abschnitte gelte als Indiz für ein anlagebedingtes Leiden, entbehrt einer wissenschaftlichen Untermauerung. Sie erlaubt zudem nicht den Umkehrschluss, dass dann zwangsläufig ein beruflicher Kausalverlauf vorhanden sei. Vielmehr deutet eine Zunahme der Abnutzungserscheinungen an der LWS von oben nach unten, also beginnend bei L1 und zunehmend bis L5/S1, auf eine berufliche Verursachung. Auch die Behauptung des Sachverständigen, ein Bandscheibenschaden in jüngeren Jahren sei Indiz für einen Berufsschaden, hält einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand, wie Dres. G. und K. aufzeigten. Dass sich, wie Dr. B. meint, auch sonst kein Anzeichen für eine anlagebedingte Schwäche der Bandscheiben habe entdecken lassen und er sich deshalb gezwungen sehe, eine BK zu befürworten, ist nicht stichhaltig. Das Nichtaufdecken anderer Ursachen führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast in der Weise, dass dann der ursächliche Zusammenhang inidiziert wäre. Vielmehr bedarf es positiver Anzeichen für eine berufliche Einwirkung, wie das bei einem belastungskonformen Schadensbild der Fall ist.
Anders als das SG konnte der Senat den Gutachten der Dres. B. und B. nicht folgen; sie orientieren sich nicht am derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung und Entschädigung seiner LWS-Beschwerden als BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV war nicht zu begründen. Auf die Berufung der Beklagten waren das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.11.2003 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 18.12.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2002 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Wirbelsäulenleiden des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Der 1955 geborene Kläger führt die Erkrankung auf seine beruflichen Belastungen zurück. Er war nach einer Ausbildung zum Landwirtschaftsgehilfen (1970 bis 1973) bis 1976 im Lehrberuf in der elterlichen Landwirtschaft tätig. Während dieser Zeit arbeitete er im Winter aushilfsweise als Maurer bei der Bauunternehmung seines Cousins, der Fa. H. S. , bei der er dann vom 01.09.1976 bis 18.01.1984 in Vollzeit als Maurer beschäftigt war. Nach kurzer Arbeitslosigkeit verrichtete er vom 02.04.1984 bis 04.01.1985 Maurerarbeiten bei der Fa.S ... Aus den im Verlauf des Rechtsstreites beigezogenen Unterlagen der LVA Schwaben ergibt sich, dass nur bis 04.01.1985 Pflichtbeiträge und ab 01.11.1985 freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet wurden. Nach eigenen Angaben betrieb der Kläger bereits ab 1983 zunächst nebenher, später ausschließlich Handel mit Bauelementen; zudem übernahm er deren Einbau. Erst seit dem 01.04.1993 war er als selbstständiger Unternehmer mit dem vorgenannten Handel sowie dem Aus- und Einbau von Fenstern und Türen in Neu- und Altbauten bei der Beklagten versichert. Er trägt vor, er habe schon 1996 seinen Betrieb reduziert und ab Oktober 1999 bzw. ab 2000 seine Betriebstätigkeit verändert. Seither führe er die Ein- und Ausbauarbeiten nicht mehr selbst durch und handle nur noch mit Bauelementen. Diese berufliche Einschränkung sei durch die Folgen einer Bandscheibenoperation bei L5/S1 im Jahre 1987 notwendig gewesen.
Nach den von der Beklagten eingeholten Auskünften der behandelnden Ärzte war der Bandscheibenoperation eine längere Zeit behandlungsbedürftiger Wirbelsäulenbeschwerden vorangegangen. Dr. K. berichtete über die Behandlung von Lumbalgien seit 1986, Dr. M. über einen am 04.01.1985 diagnostizierten Pseudowurzelreiz L5/S1, wobei er erwähnte, aus der Vorgeschichte seien seit zwei Jahren tiefe Kreuzschmerzen bekannt. Dr. N. erklärte, er habe den Kläger seit 1981 und am 14.02.1984 erstmals wegen starker Rückenschmerzen behandelt. Die Ärzte des Bezirkskrankenhauses G. berichteten, der Kläger habe bei einer Untersuchung am 28.04.1987 angegeben, bei ihm bestünden seit ca. zehn Jahren rezidivierende Schmerzen von der Lendenwirbelsäule (LWS) ausgehend ins linke Bein. Die Beklagte zog ferner den Operationsbericht vom 17.09.1987 nebst Computertomogramm (CT) sowie Befunde aus 1988 und ab 1996, darunter CT`s und Magnetresonanztomographien (MRT) bei.
Sie ließ durch ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) den Umfang der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ermitteln. Der TAD bejahte eine Belastung der LWS zu 40 % der Arbeitszeit als Maurer in abhängiger Stellung zwischen 1976 und dem 04.01.1985 sowie zu 35 % während der selbstständigen Tätigkeit vom 01.11.1985 bis 1999.
In dem im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachten vom 26.09.2001 befürwortete der Chirurg Dr. B. die Anerkennung einer BK nach der Nr. 2108 der BKV und Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH. Er ging davon aus, der Kläger habe sowohl in der Zeit von 1973 bis 04.01.1985 als auch ab 01.11.1985 bis zur Reduzierung der Einbauarbeiten im Jahre 1996 wirbelsäulenschädigend gearbeitet. Danach habe er solche Tätigkeiten praktisch nicht mehr verrichten können, was einer Berufsaufgabe gleich komme. Konkurrierende Ursachen kämen nicht in Betracht.
Dieser Auffassung widersprach der Beratungsarzt Dr. K. am 21.11.2001. Er meinte, der frühe Beginn der LWS-Beschwerden knapp vor dem 30. Lebensjahr, der monosegmentale Befall ausschließlich in Höhe L5/S1, der sich seither nicht wesentlich verändert hatte, obwohl der Kläger nach der Operation 1987 weiter - nach eigenem Vortrag zumindest bis 1996 - Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen verrichtete, sprächen gegen eine berufliche Verursachung.
Mit Bescheid vom 18.12.2001 lehnte die Beklagte Leistungen ab, weil die LWS-Erkrankung keine Berufskrankheit darstelle. Sie stützte sich auf die Ausführungen des Dr. K ... Den Widerspruch wies die Beklagte am 21.02.2002 zurück.
Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben und vorgetragen, er habe während seiner langjährigen Tätigkeit schwerste Lasten heben und in gebückter Haltung arbeiten müssen.
Das SG hat die vorhandenen Röntgenaufnahmen beigezogen und den Orthopäden Dr. B. zum Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 28.11.2002 hat dieser die Auffassung vertreten, das Übergangssegment von der LWS zum Kreuzbein sei am stärksten von Hebe- und Tragebelastungen betroffen. Ein Bandscheibenvorfall in jüngeren Jahren, wie beim Kläger, sei geradezu ein Indiz für eine berufliche Schädigung. Andere Ursachen ließen sich nicht eruieren. Aus medizinischer Sicht habe ein Unterlassungszwang bestanden. Er folge im Übrigen der MdE-Einschätzung des Dr. B.
Die Beklagte ist dieser Auffassung entgegengetreten. Sie hat sich auf eine weitere Stellungnahme des Dr.K. vom 24.06.2003 bezogen, der seine frühere Meinung bekräftigte.
Mit Urteil vom 06.11.2003 hat das SG die Beklagte verurteilt, eine BK nach der Nr. 2108 anzuerkennen und dem Kläger "ab Aufgabe der belastenden Tätigkeit" Verletztenrente nach einer MdE um 30 vH zu gewähren. Es ist dem seiner Meinung nach schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Dr. B. gefolgt. Von Bedeutung sei, dass der Kläger bis zur Bandscheibenoperation 1987 über 10 Jahre wirbelsäulenbelastend gearbeitet habe. Die seither fortbestehenden Funktionseinschränkungen hätten ihn gezwungen, seine Firma aufzugeben und in den Baustoffhandel einzutreten.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, es fehle sowohl an den arbeitstechnischen wie an den medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK nach der Nr. 2108. Nach den ärztlichen Berichten habe mindestens ab 1983 oder sogar schon ab 1977, also noch vor einer mindestens zehnjährigen Belastung, eine LWS-Symptomatik bestanden. Zudem spreche nach der herrschenden medizinischen Lehrmeinung eine Lumboischialgie vor dem 30. Lebensjahr gegen einen berufsbedingten Krankheitsprozess. Überdies fehle es an einem belastungsadaptiven Schadensbild.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Bayern/Oberpfalz und Schwaben eingeholt. Diese hat ermittelt, dass der Kläger als landwirtschaftlicher Unternehmer in der Zeit vom 04.01.1985 bis zur Betriebsübergabe an seine Ehefrau im Jahr 2000 allenfalls einer Gesamtbelastungsdosis von 41 % des nach dem Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell (MDD) als schädigend geltenden Richtwertes ausgesetzt war. In der nichtöffentlichen Sitzung am 17.11.2004 hat der Kläger seine Tätigkeiten zwischen 1983 und 1996 bzw. danach beschrieben. Auf die Sitzungsniederschrift wird gem. § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen. Die Beklagte hat daraufhin unter Einbezug der Maureraushilfstätigkeit zwischen 1970 und 1976, der abhängigen Beschäftigung als Maurer bis 04.01.1985 und der selbstständigen Tätigkeiten in der Landwirtschaft sowie im Maurerhandwerk und Bauelementehandel bis zur Bandscheibenoperation 1987 eine Berechnung nach dem MDD vorgenommen und eine Gesamtbelastungsdosis von lediglich ca. 16,9 MegaNh bei einem als bandscheibenschädigend geltenden Grenzwert von 25 MegaNh ermittelt.
Der Senat hat den Orthopäden Dr. G. beauftragt ein weiteres Gutachten zu erstatten. Der Sachverständige hat am 24.11.2005 dargelegt, beim Kläger bestehe als alleiniger pathologischer Befund ein Postnucleotomiesyndrom infolge des 1987 operierten Bandscheibenvorfalls. Somit kämen nur Tätigkeiten bis dahin als schädigend in Betracht. Die bereits von Dr. K. angeführten, gegen einen beruflichen Zusammenhang sprechenden Argumente, hat er für zutreffend und eine Berufskrankheit eher für unwahrscheinlich gehalten.
Die Beklagte hat sich durch dieses Gutachten in ihrer Meinung bestätigt gesehen. Der Kläger hat darauf hingewiesen, 1979 habe lediglich der Verdacht auf einen Bandscheibenschaden bestanden. Es sei aber zunächst zu keiner Krankschreibung gekommen, sondern erst von Dezember 1983 bis 30.03.1984. Außerdem hat er mit Schreiben vom 01.03.2006 ärztliche Befundberichte vom 01.08.2005, 21.11.2005 und 16.02.2006 vorgelegt. Im Wesentlichen wird darin eine anhaltende Schmerzsymptomatik bei neurologisch und radiologisch unveränderten Befunden beschrieben und eine erneute OP-Indikation verneint.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.11.2003 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 18.12.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2002 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Akten des SG zum Az.: S 4 RJ 305/01 und des BayLSG zum Az.: L 16 RJ 239/03 sowie auf die Gerichtsakten des anhängigen Verfahrens erster und zweiter Instanz gem. § 136 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
II.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet; sie führt zur Aufhebung des Urteils des SG vom 06.11.2003 und zur Abweisung der Klage.
Entgegen der Auffassung des SG hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung seiner LWS-Erkrankung als BK nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV i.d.F. der 2. Änderungsverordnung (ÄndVO) vom 18.12.1992 i.V.m. § 551 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 9 des zum 01.01.1997 in Kraft getretenen und die RVO ablösenden Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII).
Ob die Vorschriften der RVO oder des SGB VII anzuwenden sind, hängt davon ab, ob der Versicherungsfall vor oder nach dem 31.12.1996 eingetreten ist. Die jeweiligen Bestimmungen sind im Wesentlichen inhaltsgleich und weisen für die hier zu treffende Entscheidung keine Besonderheiten auf, so dass sich insoweit weitere Feststellungen erübrigen.
Eine BK der Nr. 2108 ist deshalb nicht anzuerkennen, weil die - ohne Zweifel bandscheibenbedingte - Erkrankung der LWS nicht mit Wahrscheinlichkeit auf langjährige Belastungen im Beruf des Klägers zurückzuführen ist. Der Versicherungsfall setzt bei der BK Nr. 2108 eine bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung voraus, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Für die Anerkennung und Entschädigung einer WS-Erkrankung als BK Nr. 2108 muss demnach neben der vorbeschriebenen belastenden beruflichen Einwirkung auch der Unterlassungszwang bestehen und es müssen die gefährdenden Tätigkeiten tatsächlich aufgegeben worden sein. Ob und gegebenenfalls wann der Kläger tatsächlich die belastenden Tätigkeiten vollständig und nicht nur teilweise aufgegeben hat, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 22.08.2000- B 2 U 34/99 R und vom 19.08.2003 - B 2 U 27/02 R) nicht ausreicht, kann offen bleiben. Denn es mangelt bereits am ursächlichen Zusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und der Erkrankung.
Nach Auffassung aller Sachverständiger liegt eindeutig eine bandscheibenbedingte Erkrankung vor und zwar nachgewiesenermaßen bereits seit der Operation am 17.09.1987. Der Senat schließt sich dieser Meinung an. Zudem geht er davon aus, dass der Kläger zwischen 1970 bis zur Operation und somit langjährig WS-belastende Arbeiten verrichtete. Ob dies in einem Ausmaß geschah, dass nach biomechanisch-medizinischen Kenntnissen ein Bandscheibenschaden entstehen konnte, kann offen bleiben. Ebensowenig brauchte geklärt werden, in welchem Umfang der Kläger in dieser Zeit neben Tätigkeiten in der Landwirtschaft Maurerarbeiten verrichtete und ob die frühere Berechnung des TAD oder die erst im Laufe des Berufungsverfahrens nach dem MDD vorgenommene Berechnung der Gesamtbelastungsdosis zutreffend ist. Denn der ursächliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastungseinwirkung und der vorhandenen Gesundheitsstörung, der im konkreten Einzelfall festzustellen ist, kann nicht im Grad der Wahrscheinlichkeit bewiesen werden. Es ist hierbei die im gesamten Unfallversicherungsrecht geltende Theorie der wesentlichen Bedingung anzuwenden. Danach hat eine Abwägung der verschiedenen festgestellten Ursachen stattzufinden, wobei für die beruflichen Ursachen im Endergebnis mehr als für andere in Betracht zu ziehende Ursachen sprechen muss.
Bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS haben eine multifaktorielle Ätiologie, sind weit verbreitet und kommen in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vor (Merkblatt für die ärztliche Untersuchung; Bundesarbeitsblatt 3/1993, S 50 ). Dies zwingt zu einer sorgfältigen Abwägung zwischen Einflüssen, die von der beruflichen Belastung, und solchen, die nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von anlagebedingten oder außerberuflichen Ursachen ausgehen. Das BSG hat noch nicht abschließend entschieden, nach welchen Kriterien eine solche Wertung vorzunehmen ist. Aus der Rechtsprechung zahlreicher Landessozialgerichte (vgl. hierzu Becker in SGb 2000, 116) lassen sich anhand der von diesen Gerichten ausgewerteten medizinischen Gutachten folgende Grundsätze erkennen: es ist darauf abzustellen, ob die WS altersentsprechende oder altersvorauseilende Verschleißzeichen aufweist, ob der Beginn und der zeitliche Verlauf der Erkrankung zu den beruflichen Belastungen korreliert, ob aufgrund einer wissenschaftlich nachgewiesenen biomechanisch höheren Belastung der unteren LWS-Segmente ein sog. belastungskonformes Krankheitsbild besteht, bei dem die Bandscheiben in den unteren LWS-Segmenten stärker als in den oberen Segmenten verändert sind, und ob daran anknüpfend im Vergleich der LWS mit anderen WS-Abschnitten keine gleichmäßige Degeneration der gesamten WS oder gar eine stärkere Degeneration an der HWS oder BWS zu finden ist.
Von diesen Erkenntnissen ausgehend kommt der Senat zum Ergebnis, dass es beim Kläger vor allem an einem belastungskonformen Krankheitsbild fehlt und der zeitliche Verlauf nicht mit den beruflichen Belastungen korreliert. Dies entnimmt er dem Gutachten des Dr. G. und den im Urkundenbeweis verwertbaren Stellungnahmen des Dr. K ... Dr. G. hebt hervor, dass im Bereich der LWS das Postnucleotomiesyndrom bei L5/S1 der einzige pathologische Befund ist und dieser seit 1987 nahezu unverändert besteht. Dem Sachverständigen standen hierzu Röntgenbilder vom 21.09.1987, 25.09.2001 und 24.11.2005 sowie ein MRT vom 01.08.2005 zur Verfügung. Zum Röntgenbefund von 1987 hält er fest, dass neben dem infolge der Operation entstandenen Defekt bei L5/S1 ein ansonsten altersentsprechender Normalbefund und auf den Aufnahmen von 2001 eine allenfalls beginnende Spondylarthrose, also Veränderungen der kleinen Wirbelgelenke, bei sonst altersentsprechendem Normalbefund zu erkennen sind. Da nur ein Segment altersvorauseilend verändert war und blieb, fehlt es am von oben nach unten zunehmenden belastungsadaptiven Schadensbild, bei dem sich Veränderungen unterschiedlicher Intensität an allen LWS-Segmenten hätten zeigen müssen. Allein dies macht es bereits unwahrscheinlich, dass die beruflichen Belastungen bis 1987 für den WS-Schaden ursächlich waren. Dass sich in der nachfolgenden Zeit - zumindest - bis 1996, während der der Kläger seinen eigenen Angaben zufolge noch schwere Hebe- und Tragearbeiten verrichtete, kein weiteres Fortschreiten röntgenologisch bemerkbar machte, spricht zudem gegen einen beruflichen Zusammenhang. Weiteres Indiz gegen eine BK der Nr. 2108 ist, dass Behandlungen wegen Bandscheibenbeschwerden schon ab 1983 - von Dr. M. - bzw. ab 1984 - von Dr. N. - dokumentiert sind und den anamnestischen Angaben des Klägers zufolge WS-Schmerzen zehn Jahre vor der Operation, also 1977 im Alter von 22 Jahren, aufgetreten waren. Dr. K. führt hierzu noch deutlicher aus, dass das Auftreten eines Bandscheibenschadens vor dem 30. Lebensjahr für einen schicksalshaften Prozess spricht. Bis zu diesem Lebensalter sind nach medizinischer Erkenntnis bei mechanischer Belastung die muskulären und bindegewebigen Anteile sowie knöchernen Strukturen der WS so elastisch, dass ein Großteil der von außen kommenden Schädigungen muskulär gut abgefangen werden kann.
Die Ausführungen von Dr. G. und Dr. K. stehen im Einklang mit dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand und überzeugen. Hingegen ist der Auffassung des Dr. B. ebensowenig zu folgen wie der des Dr. B ... Dr. B. verkennt die Bedeutung eines belastungsadaptiven Krankheitsbild, wenn er hervorhebt, der Bandscheibenschaden habe sich ab 1985 entwickelt und es seien weder zu diesem Zeitpunkt noch bei der Operation 1987 anlagebedingte Anomalien oder degenerative Veränderungen an der LWS festzustellen gewesen. Dass nur im Segment L5/S1 ein pathologischer Befund vorgelegen hatte, wird auch von Dr. G. und Dr. K. so gesehen. Jedoch folgt daraus nicht der Umkehrschluss, der Schaden bei L5/S1 beruhe auf beruflicher Belastung, sondern es ist nur der Schluss erlaubt, dass weder eindeutige Anzeichen für einen Belastungsschaden noch für degenerative Veränderungen an anderen Abschnitten zu finden waren. Da sich schicksalshafte Schäden röntgenologisch nicht von solchen anderer Genese unterscheiden, kann nicht im Sinne der Kausaltheorie der wesentlichen Bedingung gesagt werden, es spreche für die eine Ursache wesentlich mehr als für die andere. Auch die weitere Aussage des Dr. B. , die berufliche Belastung, der der Kläger ausgesetzt war, sei geeignet, die Bandsscheiben zu zermürben, reicht nicht aus, um die konkret individuelle Kausalität zwischen dem Bandscheibenschaden und den beruflichen Belastungen zu belegen. Dass berufliche Einwirkungen für sich genommen geeignet sind, bestimmte Krankheitsbilder zu verursachen, begründet nur die grundsätzliche Entschädigungswürdigkeit und damit die Aufnahme in den BK-Katalog. Da solche Einwirkungen nicht in jedem Fall und nicht zwangsläufig zu Bandscheibenschäden führen, ist in jedem Einzelfall darüber hinaus zu begründen, warum dies der Fall ist.
Auch das Gutachten des Dr. B. , auf das sich das SG hauptsächlich stützte, ist keine Grundlage für einen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung der LWS-Erkrankung als BK der Nr. 2108. Die apodiktische Feststellung, gerade ein Befallensein der oberen LWS-Abschnitte gelte als Indiz für ein anlagebedingtes Leiden, entbehrt einer wissenschaftlichen Untermauerung. Sie erlaubt zudem nicht den Umkehrschluss, dass dann zwangsläufig ein beruflicher Kausalverlauf vorhanden sei. Vielmehr deutet eine Zunahme der Abnutzungserscheinungen an der LWS von oben nach unten, also beginnend bei L1 und zunehmend bis L5/S1, auf eine berufliche Verursachung. Auch die Behauptung des Sachverständigen, ein Bandscheibenschaden in jüngeren Jahren sei Indiz für einen Berufsschaden, hält einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand, wie Dres. G. und K. aufzeigten. Dass sich, wie Dr. B. meint, auch sonst kein Anzeichen für eine anlagebedingte Schwäche der Bandscheiben habe entdecken lassen und er sich deshalb gezwungen sehe, eine BK zu befürworten, ist nicht stichhaltig. Das Nichtaufdecken anderer Ursachen führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast in der Weise, dass dann der ursächliche Zusammenhang inidiziert wäre. Vielmehr bedarf es positiver Anzeichen für eine berufliche Einwirkung, wie das bei einem belastungskonformen Schadensbild der Fall ist.
Anders als das SG konnte der Senat den Gutachten der Dres. B. und B. nicht folgen; sie orientieren sich nicht am derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung und Entschädigung seiner LWS-Beschwerden als BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV war nicht zu begründen. Auf die Berufung der Beklagten waren das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.11.2003 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 18.12.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2002 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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