Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 1272/04
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Solange eine Behandlungsmethode gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 und § 138 SGB V als ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung oder als Heilmittel mangels Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist, kann die gleiche Behandlungsmethode, vom Versicherten mittels Hilfsmitteln zur Krankenbehandlung selbst angewandt, nicht als wirksam, notwendig und wirtschaftlich angesehen werden und deshalb die Versorgung mit dem Therapiehilfsmittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht rechtfertigen (hier: an Stelle ambulanter Neuropsychologie empfohlene Software für ein computergestütztes neuropsychologisches Trainingsprogramm).
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versorgung des Klägers mit der Software für ein computergestütztes neuropsychologisches Trainingsprogramm.
Der 1981 geborene Kläger leidet als Folge einer Herpesencephalitis mit epileptischen Anfällen an einer kognitiven Störung mittleren Schweregrades. Er ist anerkannt als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie den Merkzeichen G, B und RF.
Vom 17.02.2004 bis zum 13.03.2004 unterzog sich der Kläger einer medizinischen Maßnahme der Rehabilitation in den Kliniken S., einem neurologischen Fach- und Rehabilitationskrankenhaus, wo er unter Anderem an einer neuropsychologischen Trainingsgruppe mit computergestütztem Einzeltraining teilnahm.
Am 16.03.2004 beantragte der Kläger die Versorgung mit der Software "C." der Fa. M. zur Fortsetzung des computergestützten neuropsychologischen Trainingsprogramms zu Hause. Dem Antrag fügte er ein Attest des Neuropsychologen Dipl.-Psych. Z. und der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. M. von den Kliniken S. vom 08.03.2004 bei. Diese bescheinigten dem Kläger, während der Rehabilitationsmaßnahme die computergestützte neuropsychologische Therapie zum Training der visuellen Wahrnehmung, der Reaktionsfähigkeit und des visuellen Gedächtnisses kennen gelernt zu haben, und empfahlen ihm, das Training mit dem Programm "C." daheim fortzusetzen.
Mit Bescheid vom 07.04.2004 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Die Verordnung von Hilfsmitteln sei für den Arzt verbindlich in den Heil- und Hilfsmittelrichtlinien geregelt. Computerprogramme seien im Leistungskatalog nicht enthalten. Mit seinem am 19.04.2004 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch bat der Kläger sinngemäß darum, zu prüfen, ob nicht eine Versorgung mit dem Trainingsprogramm als Ermessenleistung in Betracht komme. Die Beklagte bestätigte jedoch mit Bescheid vom 27.04.2004 ihre ablehnende Entscheidung. Auch hiergegen erhob der Kläger am 06.05.2004 Widerspruch. Das Computerprogramm stelle ein "anderes Hilfsmittel" im Sinne von § 33 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - dar. Nach ärztlicher Auskunft benötige er das Programm, um eine Verschlimmerung der Krankheitsfolgen zu verhindern.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2004 zurück. Eine Pflicht zur Versorgung des Klägers mit dem Computerprogramm ergebe sich nicht aus § 27 Abs. 1 SGB V, weil das Training weder unter Aufsicht eines Arztes erfolge noch von einer ärztlich beauftragten Person durchgeführt oder beaufsichtigt werde. Zudem stünden dem Kläger Leistungen der Ergotherapie zur Verfügung. Personalcomputer und Zubehör seien Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und vom Leistungsumfang der Hilfsmittelversorgung selbst dann nicht umfasst, wenn sie krankheits- oder behinderungsbedingt erforderlich sind.
Hiergegen richtet sich die am 03.11.2004 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage. Der Kläger macht geltend, das beantragte Computerprogramm sei als Heilmittel in Gestalt einer Sachleistung zu gewähren. Wenn die Beklagte nicht bereit sei, ihm eine neuropsychologische Behandlung zu gewähren, sei sie zur Versorgung mit dem Programm verpflichtet.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 07.04.2004 in der Fassung des Bescheids vom 27.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit der Software "C." - Klientversion des neurologischen Trainingsprogrammpakets "C ..." der Fa. M., L., für zu Hause (Version Deutsch) - zu versorgen.
Die Beklagte beantragt die Klageabweisung. Sie nimmt auf die angefochtenen Entscheidungen Bezug und weist ergänzend darauf hin, dass die ambulante Neuropsychologie nicht vom Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sei.
Das Gericht hat eine Auskunft der den Kläger behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. Z. eingeholt. Diese bestätigte die Diagnose einer deutlichen kognitiven Störung mittleren Schweregrades nach nach Herpesencephalitis und gehäuften epileptischen Anfällen im Jahr 1999. Das von der Rehabilitationsklinik empfohlene Trainingsprogramm sei bei täglichem Training sicher effektiv. Ziel sei der Erhalt bestehender kognitiver Fähigkeiten und die Verbesserung des Reaktions- und Auffassungsvermögens. Zur Verlaufskontrolle komme eine ambulante Hirnleistungsdiagnostik in Betracht. Normale Computerprogramme und Spiele seien weniger Erfolg versprechend. Der Einsatz von Computerprogrammen sei zur Stabilisierung der kognitiven Leistungen sicher notwendig. Wegen spezieller Auskünfte verwies sie das Gericht an die empfehlende Rehabilitationseinrichtung.
Auf Anfrage des Gerichts teilte der den Kläger während der medizinischen Maßnahme der Rehabilitation vom 17.02.2004 bis 13.03.2004 behandelnde Neuropsychologe Dipl.-Psych. Z. mit, die Ausstattung des Klägers mit dem Programm werde weiterhin ärztlich befürwortet. Es solle möglichst täglich angewandt werden, wenn keine neuropsychologische Anwendung vor Ort möglich ist. In der Regel erfolgt keine Kontrolle, sondern Eigenregie. Eine Anleitung erfolge im günstigsten Fall durch einen Neuropsychologen, anderenfalls in Eigenregie. Als Alternative komme eine neuropsychologische Behandlung in Betracht. Spiele seien zu unspezifisch. Mit neuropsychologischer Behandlung könne, wenn die Therapiefrequenz hoch und der Ergotherapeut entsprechend ausgebildet ist, ein ausreichender oder vergleichbarer Behandlungserfolg erzielt werden. Bei dem häuslichen Training handele es sich nicht um einen Teil des ärztlich verantworteten Behandlungsprogramms, sondern um eine sinnvolle Ergänzung. Eine neuropsychologische Therapie sei vorzuziehen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 06.04.2006 und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die beantragte Trainingssoftware darf nicht durch die Krankenkassen bereit gestellt werden. Die Bereitstellung des Hilfsmittels zur Sicherung der Krankenbehandlung ist entweder, wenn statt dessen eine neuropsychologische Behandlung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden kann, neben dieser nicht erforderlich, oder, wenn eine neuropsychologische Behandlung nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht kommt, als deren Surrogat ebenfalls aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.
1. Als Anspruchsgrundlage für die Versorgung des Kläger mit dem Computerprogramm kommt allein § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Betracht.
Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung, soweit sie nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben gemäß § 2 Abs. 4 SGB V darauf zu achten, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden. Die Leistungen müssen gemäß § 12 Abs. 1 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Nach § 1 Satz 2 SGB V sind die Versicherten für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden.
Das Computerprogramm ist ein Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung. Es ist kein Heilmittel. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst der Begriff des Heilmittels (§ 32 SGB V) alle persönlichen medizinischen Dienstleistungen, während der Begriff des Hilfsmittels (§ 33 SGB V) alle sächlichen medizinischen Mittel umfasst, darunter auch nichtkörperliche Sachleistungen wie Computerprogramme. So hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 28.06.2001, Az. B 3 KR 3/00 R, anerkannt, dass die Zusatzausstattung eines Personalcomputers mit Software für ein häusliches Hirnleistungstraining selbst dann ein Hilfsmittel darstellt, wenn es dazu dient, ein Training durchzuführen, das als Heilmittel gelten würde, wenn es von niedergelassenen Ergotherapeuten angeboten wird, oder als ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, wenn es von Neurologen oder Psychotherapeuten angeboten wird. Das gilt auch hier.
Falls das Training mit dem Hilfsmittel die gleiche Eignung und Wirtschaftlichkeit aufweist wie das Training mit einem niedergelassenen Therapeuten, wäre deshalb ein Anspruch auf Hilfsmittelversorgung begründet, weil dem Kläger dann das Wahlrecht nach § 33 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - zustünde. Die unterbliebene Erwähnung von Softwareprogrammen in Anlage 3 zu Nr. 8.2 der Hilfsmittel-Richtlinien - Arztinformation zum Hilfsmittelverzeichnis - schränkt dabei den nach § 33 Abs. 1 SGB V von der Krankenkasse geschuldeten Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht ein, weil dem Hilfsmittelverzeichnis nicht die Aufgabe zukommt, den Anspruch der Versicherten auf Hilfsmittelversorgung im Sinne eines Ausschließlichkeitskatalogs abschließend zu bestimmen.
2. Die Versorgung des Klägers mit dem Hilfsmittel ist nicht von vorn herein deshalb ausgeschlossen, weil das empfohlene Training weder unter Aufsicht eines Arztes erfolgen noch von einer ärztlich beauftragten Person durchgeführt oder beaufsichtigt werden soll. Als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung kommen auch solche Mittel in Betracht, die den Erfolg einer Heilbehandlung bei einer Anwendung durch den Versicherten selbst sicher stellen sollen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.2001, Az. B 3 KR 6/00 R).
Die Kammer lässt offen, ob die Ablehnung der Hilfsmittelversorgung deshalb gerechtfertigt ist, weil das selbständige Training mit dem Computerprogramm nicht hinreichend in das unter ärztlicher Verantwortung stehende Behandlungskonzepts integriert ist und die Anwendung deshalb in den Bereich der Eigenverantwortung fällt. Die Kammer geht dabei davon aus, dass der Kläger an einer Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne mit wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen in Gestalt einer mittelgradigen kognitiven Leistungsminderung als Folge einer Encephalitis leidet, die zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern vom Anspruch des Klägers auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V umfasst ist.
Allerdings ist, auch wenn die Bereitstellung von Hilfsmitteln durch die gesetzliche Krankenversicherung - anders als die Erbringung von Arznei- und Heilmitteln - nicht zwingend eine kassenärztliche Verordnung voraussetzt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28.06.2001, Az. B 3 KR 3/00 R), doch zu unterscheiden, ob die Anwendung eines konkreten Hilfsmittels, das nicht dem Behinderungsausgleich, sondern der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dienen soll, einen Bestandteil des ärztlich verantworteten Behandlungskonzepts darstellt oder ob sie der förderlichen Betätigung im Rahmen der Eigenverantwortung zuzurechnen ist. Nur im ersten Fall besteht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V ein Anspruch auf Verschaffung des Hilfsmittels durch die gesetzliche Krankenversicherung. Es ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend, dass die Anwendung eines Hilfsmittels - einen therapeutischen Effekt unterstellt - in Eigenregie sinnvoll und geeignet ist, um die Behandlung zu unterstützen und den Behandlungserfolg beschleunigen. Das allein rechtfertigt es nicht, den Behandlungsaufwand zu maximieren, indem neben den anerkannten und bereits zu Lasten der Krankenversicherung gewährten Behandlungen zusätzlich Hilfsmittel zu Verfügung gestellt werden, sofern deren konkrete Anwendung sowie die Kontrolle von Ausführung und Erfolg der häuslichen Trainingseinheiten letztlich dem Versicherten in eigener Verantwortung überlassen bleiben. Dass Versicherte "überobligationsmäßige" Aufwendungen unternehmen, um funktionelle Defizite auszugleichen, bedeutet nicht, dass die Krankenkasse die dafür aufgewandten Kosten zu erstatten hat. Wenn § 1 Satz 2 SGB V davon spricht, dass die Versicherten für ihre Gesundheit mitverantwortlich sind und durch aktive Mitwirkung an der Krankenbehandlung dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden, so heißt das nicht, dass eigene, auch finanziell aufwändige, Beiträge zur Gesunderhaltung und Genesung lediglich den Krankenkassen eine originär ihnen obliegende Aufgabe abnehmen würden und deshalb von ihnen auszugleichen seien. Vielmehr handelt es sich um Betätigungen, die unmittelbar im eigenen Interesse jedes Versicherten liegen und für die er deshalb primär selbst einzustehen hat.
Vorliegend ist die häusliche Anwendung des Programms ärztlicherseits nicht in einer Weise ausgestaltet, dass sie als Teil der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 SGB V, zu deren Sicherung die Krankenkassen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Hilfsmittel bereit zu stellen haben, angesehen werden kann. Nach Auskunft von Dipl.-Psych. Z. soll der Kläger das Programm "möglichst" täglich in Eigenregie anwenden, eine Kontrolle finde in der Regel nicht statt. Ein Behandlungsregime ist ebenso wenig verbindlich vorgegeben wie eine Kontrolle des Therapieerfolgs sichergestellt ist. Der Psychologe selbst bezeichnet das häusliche Training auch nicht als notwendigen Bestandteil des Therapiekonzepts, sondern als sinnvolle eigenverantwortliche Ergänzung des selben.
Jedoch steht diese Auskunft unter dem Vorbehalt, dass dem Kläger vorrangig Leistungen der ambulanten Neuropsychologie erbracht werden können. Der Formulierung entnimmt die Kammer, dass der behandelnde Neuropsychologe, sofern dies nicht sicher gestellt ist, seine unverbindliche Empfehlung eines täglichen Trainings als verbindliches Therapieregime verstanden wissen will. Die behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. Z. hat mitgeteilt, dass der Therapieerfolg durch Hirnleistungsdiagnostik kontrolliert werden könne. Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass die Integration in die ärztliche Behandlung in Abgrenzung zur eigenverantwortlichen Betätigung, wenn sie nicht schon aus der Hilfsmittelverordnung hervorgeht, gegebenenfalls durch die Beklagte selbst, zum Beispiel durch Nebenbestimmungen, im Rahmen der Hilfsmittelbewilligung sichergestellt werden könnte. Letztlich kann dies dahingestellt bleiben.
3. Die Versorgung des Klägers mit dem beantragten Hilfsmittel scheitert im Ergebnis daran, dass das Trainingsprogramm zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung nicht als erforderlich im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 SGB V angesehen werden kann, weil entweder (a) eine ambulante neuropsychologische Behandlung als Heilmittel durch Ergotherapeuten oder als psychotherapeutische oder ärztliche Behandlung durch ambulant tätige Neuropsychologen effektiver ist, oder weil (b) das beantragte Hilfsmittel als Surrogat einer vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossenen Behandlungsmethode von den Wirkungen des Leistungsausschlusses mittelbar mit umfasst ist.
a) Nach der Auskunft von Dipl.-Psych. Z. stellt sich die Versorgung mit dem beantragten Trainingsprogramm nur als Ergänzung, hilfsweise als Ersatz für eine gebotene neuropsychologische Behandlung dar.
Wenn die neuropsychologische Behandlung zum Leistungsumfang der Krankenkassen gehört, ist sie nach den Maßstäben des § 12 SGB V als die effektivere Behandlungsmethode vorrangig anzuwenden. Die ergänzende Anwendung des Computerprogramms im Rahmen der Krankenbehandlung fällt daneben in den Bereich der Eigenverantwortung.
b) Wenn die neuropsychologische Behandlung als neue Behandlungsmethode nicht zum Leistungsumfang der Krankenkassen gehört, kann das Programm nicht als Hilfsmittel zur Sicherung der Krankenbehandlung bereit gestellt werden, weil die Krankenbehandlung, in die es integriert werden soll, selbst keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt. Der in § 135 Abs. 1 Satz 1 und § 138 SGB V gesetzlich geregelte Leistungsausschluss erstreckt sich in diesem Fall in Verbindung mit den in § 2 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 SGB V verankerten Maßstäben der Wirksamkeit, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit auch auf die Beurteilung, ob die Versorgung mit dem beantragten Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderlich ist.
Die in § 2 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 SGB V genannten Maßstäbe gelten für die Versorgung der Versicherten mit den in § 27 Abs. 1 SGB V aufgeführten Leistungen gleichermaßen (exemplarisch zum Gleichlauf der Maßstäbe für die Beurteilung neuer Behandlungsmethoden im ambulanten Bereich nach § 135 SGB V einerseits und im Krankenhaus nach § 137c SGB V andererseits: Sozialgericht Köln, Urteil vom 19.10.2005, Az. S 19 KR 76/05). Ist eine Behandlungsmethode gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1, § 138 SGB V in Verbindung mit Richtlinien nach § 92 Abs. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 6, Abs. 6 und 6a SGB V als ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung oder als Heilmittel vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil ihr therapeutischer Nutzen durch den gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannt ist, so kann - vom dem besonderen Fall eines Systemversagens abgesehen - die gleiche Behandlungsmethode, vom Versicherten mittels Hilfsmitteln zur Krankenbehandlung selbst angewandt, nicht als wirksam, notwendig und wirtschaftlich angesehen werden und deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkasse nicht rechtfertigen.
Dient vorliegend, wie aus der Auskunft von Dipl.-Psych. Z. hervorgeht, das beantragte Programm der neuropsychologischen Therapie und soll es somit lediglich an die Stelle der vorrangig gebotenen ambulanten Behandlung durch einen neuropsychologisch ausgebildeten Arzt, Psychiater oder Ergotherapeuten treten, so kann es als dienstleistungsvertretende Sachleistung nur dann zu Lasten der Beklagten gewährt werden, wenn die damit ersetzte Behandlungsleistung - die ambulante Neuropsychologie - vom Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung umfasst ist.
Ziel der klinischen Neuropsychologie ist die Diagnostik und Behandlung organisch bedingter psychischer Störungen. Sie unterscheidet sich qualitativ wesentlich vom Hirnleistungstraining und der neuropsychologisch orientierten Behandlung, die gemäß Abschnitt V Nr. 20.3 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinien) bei bestimmten Indikationen im Rahmen der Ergotherapie angewandt werden (vgl. Hübener, DÄBl. 100 [2003] S. A677). Sie ist jedoch weder in den Heilmittel- noch in den Psychotherapie-Richtlinien als Behandlungsmethode anerkannt. Zwar hat der wissenschaftliche Beirat Psychotherapie nach § 11 PschThG bereits in einem Gutachten vom 08.06.2000 die Wirksamkeit der neuropsychologischen Therapie bei Erwachsenen anerkannt (veröffentlicht unter http://www.wbpsychotherapie.de). Beim Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) waren von Seiten der gesetzlichen Krankenkassen im August 2003 zwei Anträge auf Anerkennung der neuropsychologischen Therapie eingereicht worden, einer beim Heilmittelausschuss und einer beim Ausschuss Psychotherapierichtlinien. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist daraufhin tätig geworden und hat eine Arbeitsgruppe einberufen. Am 01.02.2005 hat Gemeinsame Bundesausschuss auf eine Festsetzung des Unterausschusses Heil- und Hilfsmittel hin die Anerkennung der ambulanten Neuropsychologie als Beratungsthema beschlossen (Bekanntmachung vom 01.02.2005, BAnz. Nr. 61 Seite 4995). Das Prüfverfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
Die Kammer kann letztlich offen lassen, ob vor diesem Hintergrund ein Systemversagen wegen einer Verzögerung der Überprüfung der Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss aus willkürlichen oder sachfremden Erwägungen angenommen werden kann (bejahend: Sozialgericht Hamburg, Beschluss vom 25.07.2003, Az. S 23 KR 983/03 ER; verneinend: Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 28.02.2005, Az. L 1 B 7/05 ER KR; vgl. zu dem Problem auch Plagemann MedR 2005, S. 410 ff.). Wenn ein Systemversagen vorläge, würde sich der aus § 12, § 27 Abs. 1 SGB V resultierende Anspruch des Klägers auf Krankenbehandlung primär auf die neuropsychologische Therapie selbst richten. Denn in diesem Fall wäre die Behandlungsmethode zur Schließung der durch das Systemversagen verursachten Leistungslücke als zum Leistungsumfang gehörend zu behandeln. Für die hier allein streitgegenständliche Bereitstellung des Trainingsprogramms als Hilfsmittel wäre daneben kein Raum (siehe oben unter 3.a). Liegt dagegen kein Systemversagen vor, bleibt es beim Leistungsausschluss nach § 135 Abs. 1 Satz 1 und § 138 SGB V.
4. Dem Antrag des Bevollmächtigen des Klägers, den behandelnden Arzt um Benennung alternativer Behandlungsmöglichkeiten zu ersuchen, ggf. zu dieser Frage ein Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einzuholen, war nicht zu entsprechen, weil die Abweisung der Klage auf Rechtsgründen beruht, die einer Beweiserhebung im Wege ärztlicher Auskünfte und Gutachten nicht zugänglich sind. Die Klage war deshalb in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG. Hinsichtlich der Frage, ob der Ausschluss einer nicht anerkannten Behandlungsmethode aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 135 Abs. 1 Satz 1 und § 138 SGB V sich auch auf die Gewährung von diese Behandlung ersetzenden Therapiehilfsmitteln nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V erstreckt, hat die Kammer vorsorglich die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versorgung des Klägers mit der Software für ein computergestütztes neuropsychologisches Trainingsprogramm.
Der 1981 geborene Kläger leidet als Folge einer Herpesencephalitis mit epileptischen Anfällen an einer kognitiven Störung mittleren Schweregrades. Er ist anerkannt als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie den Merkzeichen G, B und RF.
Vom 17.02.2004 bis zum 13.03.2004 unterzog sich der Kläger einer medizinischen Maßnahme der Rehabilitation in den Kliniken S., einem neurologischen Fach- und Rehabilitationskrankenhaus, wo er unter Anderem an einer neuropsychologischen Trainingsgruppe mit computergestütztem Einzeltraining teilnahm.
Am 16.03.2004 beantragte der Kläger die Versorgung mit der Software "C." der Fa. M. zur Fortsetzung des computergestützten neuropsychologischen Trainingsprogramms zu Hause. Dem Antrag fügte er ein Attest des Neuropsychologen Dipl.-Psych. Z. und der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. M. von den Kliniken S. vom 08.03.2004 bei. Diese bescheinigten dem Kläger, während der Rehabilitationsmaßnahme die computergestützte neuropsychologische Therapie zum Training der visuellen Wahrnehmung, der Reaktionsfähigkeit und des visuellen Gedächtnisses kennen gelernt zu haben, und empfahlen ihm, das Training mit dem Programm "C." daheim fortzusetzen.
Mit Bescheid vom 07.04.2004 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Die Verordnung von Hilfsmitteln sei für den Arzt verbindlich in den Heil- und Hilfsmittelrichtlinien geregelt. Computerprogramme seien im Leistungskatalog nicht enthalten. Mit seinem am 19.04.2004 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch bat der Kläger sinngemäß darum, zu prüfen, ob nicht eine Versorgung mit dem Trainingsprogramm als Ermessenleistung in Betracht komme. Die Beklagte bestätigte jedoch mit Bescheid vom 27.04.2004 ihre ablehnende Entscheidung. Auch hiergegen erhob der Kläger am 06.05.2004 Widerspruch. Das Computerprogramm stelle ein "anderes Hilfsmittel" im Sinne von § 33 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - dar. Nach ärztlicher Auskunft benötige er das Programm, um eine Verschlimmerung der Krankheitsfolgen zu verhindern.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2004 zurück. Eine Pflicht zur Versorgung des Klägers mit dem Computerprogramm ergebe sich nicht aus § 27 Abs. 1 SGB V, weil das Training weder unter Aufsicht eines Arztes erfolge noch von einer ärztlich beauftragten Person durchgeführt oder beaufsichtigt werde. Zudem stünden dem Kläger Leistungen der Ergotherapie zur Verfügung. Personalcomputer und Zubehör seien Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und vom Leistungsumfang der Hilfsmittelversorgung selbst dann nicht umfasst, wenn sie krankheits- oder behinderungsbedingt erforderlich sind.
Hiergegen richtet sich die am 03.11.2004 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage. Der Kläger macht geltend, das beantragte Computerprogramm sei als Heilmittel in Gestalt einer Sachleistung zu gewähren. Wenn die Beklagte nicht bereit sei, ihm eine neuropsychologische Behandlung zu gewähren, sei sie zur Versorgung mit dem Programm verpflichtet.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 07.04.2004 in der Fassung des Bescheids vom 27.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit der Software "C." - Klientversion des neurologischen Trainingsprogrammpakets "C ..." der Fa. M., L., für zu Hause (Version Deutsch) - zu versorgen.
Die Beklagte beantragt die Klageabweisung. Sie nimmt auf die angefochtenen Entscheidungen Bezug und weist ergänzend darauf hin, dass die ambulante Neuropsychologie nicht vom Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sei.
Das Gericht hat eine Auskunft der den Kläger behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. Z. eingeholt. Diese bestätigte die Diagnose einer deutlichen kognitiven Störung mittleren Schweregrades nach nach Herpesencephalitis und gehäuften epileptischen Anfällen im Jahr 1999. Das von der Rehabilitationsklinik empfohlene Trainingsprogramm sei bei täglichem Training sicher effektiv. Ziel sei der Erhalt bestehender kognitiver Fähigkeiten und die Verbesserung des Reaktions- und Auffassungsvermögens. Zur Verlaufskontrolle komme eine ambulante Hirnleistungsdiagnostik in Betracht. Normale Computerprogramme und Spiele seien weniger Erfolg versprechend. Der Einsatz von Computerprogrammen sei zur Stabilisierung der kognitiven Leistungen sicher notwendig. Wegen spezieller Auskünfte verwies sie das Gericht an die empfehlende Rehabilitationseinrichtung.
Auf Anfrage des Gerichts teilte der den Kläger während der medizinischen Maßnahme der Rehabilitation vom 17.02.2004 bis 13.03.2004 behandelnde Neuropsychologe Dipl.-Psych. Z. mit, die Ausstattung des Klägers mit dem Programm werde weiterhin ärztlich befürwortet. Es solle möglichst täglich angewandt werden, wenn keine neuropsychologische Anwendung vor Ort möglich ist. In der Regel erfolgt keine Kontrolle, sondern Eigenregie. Eine Anleitung erfolge im günstigsten Fall durch einen Neuropsychologen, anderenfalls in Eigenregie. Als Alternative komme eine neuropsychologische Behandlung in Betracht. Spiele seien zu unspezifisch. Mit neuropsychologischer Behandlung könne, wenn die Therapiefrequenz hoch und der Ergotherapeut entsprechend ausgebildet ist, ein ausreichender oder vergleichbarer Behandlungserfolg erzielt werden. Bei dem häuslichen Training handele es sich nicht um einen Teil des ärztlich verantworteten Behandlungsprogramms, sondern um eine sinnvolle Ergänzung. Eine neuropsychologische Therapie sei vorzuziehen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 06.04.2006 und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die beantragte Trainingssoftware darf nicht durch die Krankenkassen bereit gestellt werden. Die Bereitstellung des Hilfsmittels zur Sicherung der Krankenbehandlung ist entweder, wenn statt dessen eine neuropsychologische Behandlung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden kann, neben dieser nicht erforderlich, oder, wenn eine neuropsychologische Behandlung nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht kommt, als deren Surrogat ebenfalls aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.
1. Als Anspruchsgrundlage für die Versorgung des Kläger mit dem Computerprogramm kommt allein § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Betracht.
Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung, soweit sie nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben gemäß § 2 Abs. 4 SGB V darauf zu achten, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden. Die Leistungen müssen gemäß § 12 Abs. 1 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Nach § 1 Satz 2 SGB V sind die Versicherten für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden.
Das Computerprogramm ist ein Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung. Es ist kein Heilmittel. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst der Begriff des Heilmittels (§ 32 SGB V) alle persönlichen medizinischen Dienstleistungen, während der Begriff des Hilfsmittels (§ 33 SGB V) alle sächlichen medizinischen Mittel umfasst, darunter auch nichtkörperliche Sachleistungen wie Computerprogramme. So hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 28.06.2001, Az. B 3 KR 3/00 R, anerkannt, dass die Zusatzausstattung eines Personalcomputers mit Software für ein häusliches Hirnleistungstraining selbst dann ein Hilfsmittel darstellt, wenn es dazu dient, ein Training durchzuführen, das als Heilmittel gelten würde, wenn es von niedergelassenen Ergotherapeuten angeboten wird, oder als ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, wenn es von Neurologen oder Psychotherapeuten angeboten wird. Das gilt auch hier.
Falls das Training mit dem Hilfsmittel die gleiche Eignung und Wirtschaftlichkeit aufweist wie das Training mit einem niedergelassenen Therapeuten, wäre deshalb ein Anspruch auf Hilfsmittelversorgung begründet, weil dem Kläger dann das Wahlrecht nach § 33 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - zustünde. Die unterbliebene Erwähnung von Softwareprogrammen in Anlage 3 zu Nr. 8.2 der Hilfsmittel-Richtlinien - Arztinformation zum Hilfsmittelverzeichnis - schränkt dabei den nach § 33 Abs. 1 SGB V von der Krankenkasse geschuldeten Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht ein, weil dem Hilfsmittelverzeichnis nicht die Aufgabe zukommt, den Anspruch der Versicherten auf Hilfsmittelversorgung im Sinne eines Ausschließlichkeitskatalogs abschließend zu bestimmen.
2. Die Versorgung des Klägers mit dem Hilfsmittel ist nicht von vorn herein deshalb ausgeschlossen, weil das empfohlene Training weder unter Aufsicht eines Arztes erfolgen noch von einer ärztlich beauftragten Person durchgeführt oder beaufsichtigt werden soll. Als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung kommen auch solche Mittel in Betracht, die den Erfolg einer Heilbehandlung bei einer Anwendung durch den Versicherten selbst sicher stellen sollen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.2001, Az. B 3 KR 6/00 R).
Die Kammer lässt offen, ob die Ablehnung der Hilfsmittelversorgung deshalb gerechtfertigt ist, weil das selbständige Training mit dem Computerprogramm nicht hinreichend in das unter ärztlicher Verantwortung stehende Behandlungskonzepts integriert ist und die Anwendung deshalb in den Bereich der Eigenverantwortung fällt. Die Kammer geht dabei davon aus, dass der Kläger an einer Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne mit wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen in Gestalt einer mittelgradigen kognitiven Leistungsminderung als Folge einer Encephalitis leidet, die zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern vom Anspruch des Klägers auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V umfasst ist.
Allerdings ist, auch wenn die Bereitstellung von Hilfsmitteln durch die gesetzliche Krankenversicherung - anders als die Erbringung von Arznei- und Heilmitteln - nicht zwingend eine kassenärztliche Verordnung voraussetzt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28.06.2001, Az. B 3 KR 3/00 R), doch zu unterscheiden, ob die Anwendung eines konkreten Hilfsmittels, das nicht dem Behinderungsausgleich, sondern der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dienen soll, einen Bestandteil des ärztlich verantworteten Behandlungskonzepts darstellt oder ob sie der förderlichen Betätigung im Rahmen der Eigenverantwortung zuzurechnen ist. Nur im ersten Fall besteht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V ein Anspruch auf Verschaffung des Hilfsmittels durch die gesetzliche Krankenversicherung. Es ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend, dass die Anwendung eines Hilfsmittels - einen therapeutischen Effekt unterstellt - in Eigenregie sinnvoll und geeignet ist, um die Behandlung zu unterstützen und den Behandlungserfolg beschleunigen. Das allein rechtfertigt es nicht, den Behandlungsaufwand zu maximieren, indem neben den anerkannten und bereits zu Lasten der Krankenversicherung gewährten Behandlungen zusätzlich Hilfsmittel zu Verfügung gestellt werden, sofern deren konkrete Anwendung sowie die Kontrolle von Ausführung und Erfolg der häuslichen Trainingseinheiten letztlich dem Versicherten in eigener Verantwortung überlassen bleiben. Dass Versicherte "überobligationsmäßige" Aufwendungen unternehmen, um funktionelle Defizite auszugleichen, bedeutet nicht, dass die Krankenkasse die dafür aufgewandten Kosten zu erstatten hat. Wenn § 1 Satz 2 SGB V davon spricht, dass die Versicherten für ihre Gesundheit mitverantwortlich sind und durch aktive Mitwirkung an der Krankenbehandlung dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden, so heißt das nicht, dass eigene, auch finanziell aufwändige, Beiträge zur Gesunderhaltung und Genesung lediglich den Krankenkassen eine originär ihnen obliegende Aufgabe abnehmen würden und deshalb von ihnen auszugleichen seien. Vielmehr handelt es sich um Betätigungen, die unmittelbar im eigenen Interesse jedes Versicherten liegen und für die er deshalb primär selbst einzustehen hat.
Vorliegend ist die häusliche Anwendung des Programms ärztlicherseits nicht in einer Weise ausgestaltet, dass sie als Teil der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 SGB V, zu deren Sicherung die Krankenkassen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Hilfsmittel bereit zu stellen haben, angesehen werden kann. Nach Auskunft von Dipl.-Psych. Z. soll der Kläger das Programm "möglichst" täglich in Eigenregie anwenden, eine Kontrolle finde in der Regel nicht statt. Ein Behandlungsregime ist ebenso wenig verbindlich vorgegeben wie eine Kontrolle des Therapieerfolgs sichergestellt ist. Der Psychologe selbst bezeichnet das häusliche Training auch nicht als notwendigen Bestandteil des Therapiekonzepts, sondern als sinnvolle eigenverantwortliche Ergänzung des selben.
Jedoch steht diese Auskunft unter dem Vorbehalt, dass dem Kläger vorrangig Leistungen der ambulanten Neuropsychologie erbracht werden können. Der Formulierung entnimmt die Kammer, dass der behandelnde Neuropsychologe, sofern dies nicht sicher gestellt ist, seine unverbindliche Empfehlung eines täglichen Trainings als verbindliches Therapieregime verstanden wissen will. Die behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. Z. hat mitgeteilt, dass der Therapieerfolg durch Hirnleistungsdiagnostik kontrolliert werden könne. Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass die Integration in die ärztliche Behandlung in Abgrenzung zur eigenverantwortlichen Betätigung, wenn sie nicht schon aus der Hilfsmittelverordnung hervorgeht, gegebenenfalls durch die Beklagte selbst, zum Beispiel durch Nebenbestimmungen, im Rahmen der Hilfsmittelbewilligung sichergestellt werden könnte. Letztlich kann dies dahingestellt bleiben.
3. Die Versorgung des Klägers mit dem beantragten Hilfsmittel scheitert im Ergebnis daran, dass das Trainingsprogramm zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung nicht als erforderlich im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 SGB V angesehen werden kann, weil entweder (a) eine ambulante neuropsychologische Behandlung als Heilmittel durch Ergotherapeuten oder als psychotherapeutische oder ärztliche Behandlung durch ambulant tätige Neuropsychologen effektiver ist, oder weil (b) das beantragte Hilfsmittel als Surrogat einer vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossenen Behandlungsmethode von den Wirkungen des Leistungsausschlusses mittelbar mit umfasst ist.
a) Nach der Auskunft von Dipl.-Psych. Z. stellt sich die Versorgung mit dem beantragten Trainingsprogramm nur als Ergänzung, hilfsweise als Ersatz für eine gebotene neuropsychologische Behandlung dar.
Wenn die neuropsychologische Behandlung zum Leistungsumfang der Krankenkassen gehört, ist sie nach den Maßstäben des § 12 SGB V als die effektivere Behandlungsmethode vorrangig anzuwenden. Die ergänzende Anwendung des Computerprogramms im Rahmen der Krankenbehandlung fällt daneben in den Bereich der Eigenverantwortung.
b) Wenn die neuropsychologische Behandlung als neue Behandlungsmethode nicht zum Leistungsumfang der Krankenkassen gehört, kann das Programm nicht als Hilfsmittel zur Sicherung der Krankenbehandlung bereit gestellt werden, weil die Krankenbehandlung, in die es integriert werden soll, selbst keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt. Der in § 135 Abs. 1 Satz 1 und § 138 SGB V gesetzlich geregelte Leistungsausschluss erstreckt sich in diesem Fall in Verbindung mit den in § 2 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 SGB V verankerten Maßstäben der Wirksamkeit, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit auch auf die Beurteilung, ob die Versorgung mit dem beantragten Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderlich ist.
Die in § 2 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 SGB V genannten Maßstäbe gelten für die Versorgung der Versicherten mit den in § 27 Abs. 1 SGB V aufgeführten Leistungen gleichermaßen (exemplarisch zum Gleichlauf der Maßstäbe für die Beurteilung neuer Behandlungsmethoden im ambulanten Bereich nach § 135 SGB V einerseits und im Krankenhaus nach § 137c SGB V andererseits: Sozialgericht Köln, Urteil vom 19.10.2005, Az. S 19 KR 76/05). Ist eine Behandlungsmethode gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1, § 138 SGB V in Verbindung mit Richtlinien nach § 92 Abs. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 6, Abs. 6 und 6a SGB V als ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung oder als Heilmittel vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, weil ihr therapeutischer Nutzen durch den gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannt ist, so kann - vom dem besonderen Fall eines Systemversagens abgesehen - die gleiche Behandlungsmethode, vom Versicherten mittels Hilfsmitteln zur Krankenbehandlung selbst angewandt, nicht als wirksam, notwendig und wirtschaftlich angesehen werden und deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkasse nicht rechtfertigen.
Dient vorliegend, wie aus der Auskunft von Dipl.-Psych. Z. hervorgeht, das beantragte Programm der neuropsychologischen Therapie und soll es somit lediglich an die Stelle der vorrangig gebotenen ambulanten Behandlung durch einen neuropsychologisch ausgebildeten Arzt, Psychiater oder Ergotherapeuten treten, so kann es als dienstleistungsvertretende Sachleistung nur dann zu Lasten der Beklagten gewährt werden, wenn die damit ersetzte Behandlungsleistung - die ambulante Neuropsychologie - vom Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung umfasst ist.
Ziel der klinischen Neuropsychologie ist die Diagnostik und Behandlung organisch bedingter psychischer Störungen. Sie unterscheidet sich qualitativ wesentlich vom Hirnleistungstraining und der neuropsychologisch orientierten Behandlung, die gemäß Abschnitt V Nr. 20.3 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinien) bei bestimmten Indikationen im Rahmen der Ergotherapie angewandt werden (vgl. Hübener, DÄBl. 100 [2003] S. A677). Sie ist jedoch weder in den Heilmittel- noch in den Psychotherapie-Richtlinien als Behandlungsmethode anerkannt. Zwar hat der wissenschaftliche Beirat Psychotherapie nach § 11 PschThG bereits in einem Gutachten vom 08.06.2000 die Wirksamkeit der neuropsychologischen Therapie bei Erwachsenen anerkannt (veröffentlicht unter http://www.wbpsychotherapie.de). Beim Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) waren von Seiten der gesetzlichen Krankenkassen im August 2003 zwei Anträge auf Anerkennung der neuropsychologischen Therapie eingereicht worden, einer beim Heilmittelausschuss und einer beim Ausschuss Psychotherapierichtlinien. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist daraufhin tätig geworden und hat eine Arbeitsgruppe einberufen. Am 01.02.2005 hat Gemeinsame Bundesausschuss auf eine Festsetzung des Unterausschusses Heil- und Hilfsmittel hin die Anerkennung der ambulanten Neuropsychologie als Beratungsthema beschlossen (Bekanntmachung vom 01.02.2005, BAnz. Nr. 61 Seite 4995). Das Prüfverfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
Die Kammer kann letztlich offen lassen, ob vor diesem Hintergrund ein Systemversagen wegen einer Verzögerung der Überprüfung der Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss aus willkürlichen oder sachfremden Erwägungen angenommen werden kann (bejahend: Sozialgericht Hamburg, Beschluss vom 25.07.2003, Az. S 23 KR 983/03 ER; verneinend: Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 28.02.2005, Az. L 1 B 7/05 ER KR; vgl. zu dem Problem auch Plagemann MedR 2005, S. 410 ff.). Wenn ein Systemversagen vorläge, würde sich der aus § 12, § 27 Abs. 1 SGB V resultierende Anspruch des Klägers auf Krankenbehandlung primär auf die neuropsychologische Therapie selbst richten. Denn in diesem Fall wäre die Behandlungsmethode zur Schließung der durch das Systemversagen verursachten Leistungslücke als zum Leistungsumfang gehörend zu behandeln. Für die hier allein streitgegenständliche Bereitstellung des Trainingsprogramms als Hilfsmittel wäre daneben kein Raum (siehe oben unter 3.a). Liegt dagegen kein Systemversagen vor, bleibt es beim Leistungsausschluss nach § 135 Abs. 1 Satz 1 und § 138 SGB V.
4. Dem Antrag des Bevollmächtigen des Klägers, den behandelnden Arzt um Benennung alternativer Behandlungsmöglichkeiten zu ersuchen, ggf. zu dieser Frage ein Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einzuholen, war nicht zu entsprechen, weil die Abweisung der Klage auf Rechtsgründen beruht, die einer Beweiserhebung im Wege ärztlicher Auskünfte und Gutachten nicht zugänglich sind. Die Klage war deshalb in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG. Hinsichtlich der Frage, ob der Ausschluss einer nicht anerkannten Behandlungsmethode aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 135 Abs. 1 Satz 1 und § 138 SGB V sich auch auf die Gewährung von diese Behandlung ersetzenden Therapiehilfsmitteln nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V erstreckt, hat die Kammer vorsorglich die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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