Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 25 AL 22/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, bis zur Entscheidung in der Hauptsache von der Dienstleistungsfreiheit der polnischen Arbeitnehmer auszugehen, die von der Antragstellerin zur Durchführung des Werkvertrages vom 11.07.2003 zwischen der E1 E1 T1 AG, I1, und der Antragstellerin über das Auffahren der Basisstrecken E 503 und E 513 sowie zweier Gesteinsberge D 375 auf dem Bergwerk Q1-I2, T2 00, B Q2weg, 00000 C, beschäftigt werden. 1.die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz über die Frage, ob die Tätigkeiten der von der Antragstellerin eingesetzten Arbeitnehmern bei der E1 AG in Deutschland dem Bergbau zuzurechnen sind und damit der europäischen Dienstleistungsfreiheit unterfallen.
Die Antragstellerin ist ein polnisches Unternehmen mit Sitz in L/Polen. Am 11.07.2003 schloss sie mit der E1 E1 T1 AG, I1, diese im Namen und für Rechnung der S Aktiengesellschaft F handelnd, einen Werkvertrag über das Auffahren der Basisstrecken E 503 und E 513 sowie zweier Gesteinsberge D 375 auf dem Bergwerk Q1-I2 in C.
Die Antragstellerin hat die Ausführung der Arbeiten von der Antragsgegnerin entsprechend der seinerzeit gültigen Rechtslage genehmigen lassen, und zwar durch Bescheid des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen vom 06.10.2003, sodann aufgrund eines Nachtrages vom 16.01.2004 durch Bescheid des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen vom 26.01.2004 und schließlich durch Bescheid des Arbeitsamtes E2 vom 13.01.2004. Im September 2004 wurde eine Personalaufstockung notwendig. Diese wurde durch Bescheid der Agentur für Arbeit E2 vom 20.09.2004 genehmigt. Sämtliche Genehmigungsbescheide beziehen sich auf einen Zeitraum bis zum 13.01.2005. Tatsächlich wird die Ausführung des Werkvertrages bis voraussichtlich zum 31.03.2005 andauern. Mit Schreiben vom 28.12.2004 hat die Antragstellerin dieses der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit E2, angezeigt und um Bestätigung gebeten, dass angesichts der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Sozialgerichts Düsseldorf und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen von der Genehmigungsfreiheit der Tätigkeiten ausgegangen werden kann. Diesem Anliegen wurde von der Antragsgegnerin nicht entsprochen. Mit Schreiben vom 14.01.2005 teilte die Antragsgegnerin mit, dass angesichts der Weisungslage der Bundesagentur für Arbeit bzw. des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit eine derartige Bestätigung nicht erfolgen könne.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, bei den Tätigkeiten an den Basisstrecken E 503 und E 513 und den beiden Gesteinsberge D 375 handelt es sich ausschließlich um bergmännische Tätigkeiten. Hierfür spräche, dass es sich bei dem von der Antragstellerin eingesetzten Personal ausschließlich um Bergleute handele, namentlich einen Obersteiger als Betriebsstellenleiter, einen Reviersteiger, vier Fahrsteiger, drei Steiger, vier Partiemänner, fünf Ledermaschinenfahrer, vier Bohrwagenfahrer, zwanzig Grubenschlosser und vierzehn Vorrichtungshauer. Hierfür spräche weiterhin, dass im zugrunde liegenden Leistungs- und Preisverzeichnis der E1 der Einsatz von Personal mit ausschließlich bergmännischer Erfahrung gefordert werde. Auch die Einbeziehung gemäß Ziff. 4 zu den Grundlagen des Werkvertrages der "Regelungen für die Bestellung bergmännischer Unternehmerarbeiten" sprächen hierfür, ebenso die hierin unter Ziff. 9 enthaltene Regelung, in der es heiße, man setze voraus, dass die Arbeitnehmer des Auftraggebers einem gültigen Tarifvertrag unterliegen, ansonsten seien die tariflichen Regelungen für die Arbeitnehmer des Rheinisch-Westfälischen Steinkohlebergbaus bzw. des Saar-Berghaus anwendbar.
Die Antragstellerin ist im Übrigen der Auffassung, die geänderte Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin verstoße gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot, die Zugangsbedingungen nach dem Beitritts Polens zur EG durch die Anwendungen der gültigen Übergangsvorschriften zu verschlechtern und verweist insoweit auf die für Polen gültigen Vorbehalte gemäß Anhang XII der Liste nach Art. 24 der Beitrittsakte Polen, der unter Ziff. 2 Freizügigkeit Nr. 13 Abweichungen für das Baugewerbe einschl. der verwandten Wirtschaftszweige vorsieht.
Mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 13.01.2005, beim Sozialgericht Düsseldorf am 17.01.2005 eingegangen, wendet die Antragstellerin sich gegen die Mitteilung der Antragsgegnerin vom 28.12.2004.
Die Antragstellerin beantragt,
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, bis zur Entscheidung in der Hauptsache von der Dienstleistungsfreiheit der polnischen Arbeitnehmer auszugehen, die von der Antragstellerin zur Durchführung des Werkvertrages vom 11.07.2003 zwischen der E1 E1 T1 AG, I1, und der Antragstellerin über das Auffahren der Basisstrecken E 503 und E 513 sowie zweier Gesteinsberge D 375 auf dem Bergwerk Q1-I2, T2 00, B Q2weg, 00000 C, beschäftigt werden. Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass Bautätigkeiten auch dann dem Baugewerbe zuzuordnen seien, wenn sie – wie hier – unter Tage oder in den übrigen Bereichen des Bergbaus ausgeführt werden. Die von der Antragstellerin beabsichtigten Arbeiten unterlägen nicht der Dienstleistungsfreiheit bzw. der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach dem Beitritt Polens zur EG ab 01.05.2004. Die von der Antragstellerin beabsichtigten Arbeiten würden von dem NACE-Code über das Baugewerbe erfasst, der NACE-Code bestimme die Ausnahmen von der Freizügigkeit. In der Übergangsphase genieße Polen noch nicht die volle Freizügigkeit. Zu den Tätigkeiten, bei denen nach den vorstehenden Regelungen Ausnahmen von der Freizügigkeit vorgenommen werden, gehöre zum Sektor Bau (Code 45 des NAGE) u.a. auch die vorbereitenden Arbeiten wie Abbruch-, Spreng- und Erdbewegungen, Test- und Suchbohrungen sowie im Hoch- und Tiefbaubereich der Hochbau- Brücken- und Tunnelbau sowie ähnliche Arbeiten. Die Vortriebs- und Sicherungsarbeiten, die im Rahmen der hier streitigen Arbeiten zum Auffahren von Basisstrecken und Gesteinsbergen anfallen, seien im weiteren Sinne als Erdbewegungsarbeiten sowie Tunnelbauarbeiten dem Bausektor zuzurechnen. Nur der reine Kohleabbau profitiere von der vollen Dienstleistungsfreiheit.
II. 1. Der Antrag ist zulässig. Der Antrag betrifft die Regelung eines Rechtsverhältnisses. Einstweilige Anordnungen kann das Gericht der Hauptsache im Sinne von § 86 b II SGG zur Regelung eines vorläufiges Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. § 86 b II SGG ist auch die einschlägige Vorschrift in Abgrenzung zu § 86 b I SGG. Die Antragstellerin begehrt im Rahmen der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Anerkennung der Dienstleistungsfreiheit der polnischen Arbeitnehmer. In der Hauptsache wäre die Anfechtungsklage nicht zulässig. Es geht der Antragstellerin nicht um die Anordnung oder Wiederherstellung einer aufschiebenden Wirkung. Die Antragstellerin beabsichtigt im Rahmen des mit der E1 abgeschlossenen Werkvertrags vom 11.07.2003, auch über 13.01.2005 hinaus bis zum tatsächlichen Ende der Ausführung des Werkvertrages – voraussichtlich 31.03.2005 – im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit polnische Arbeitnehmer in der BRD einzusetzen und möchte hierfür von der Antragsgegenerin auch über den 13.01.2005 hinaus die Dienstleistungsfreiheit der Tätigkeiten festgestellt wissen.
2. Der Antrag ist auch begründet. Der für den Erlass einer entsprechenden Anordnung notwendige Anordnungsgrund in Form der Dringlichkeit bzw. Eilbedürftigkeit der Regelung hat die Antragstellerin glaubhaft zu machen. Dies ergibt sich schon allein aus dem Ablauf der Erfüllung des Werkvertrages. Die bisher erlassenen Genehmigungsbescheide bezogen sich lediglich auf einen Zeitraum bis zum 13.01.2005. Auf das Schreiben der Antragstellerin vom 28.12.2004, auch weiterhin von der Genehmigungsfreiheit der Tätigkeiten auszugehen, hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 14.01.2005 mitgeteilt, dass dies nicht erfolgen könne. Ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens würde die Erfüllung des Werkvertrags auf lange Sicht vereiteln. Die Eilbedürftigkeit des Verfahrens wird infolgedessen von der Antragsgegenerin auch nicht in Abrede gestellt.
Darüber hinaus ist auch ein Anordnungsanspruch für den Antrag der Antragstellerin gegeben.
a. Der Vorschrift des § 86 b II SGG lässt sich zwar unmittelbar kein Prüfungsmaßstab entnehmen. Die Aussetzung soll aber nach § 86 a III 2 SGG erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Dieser Prüfungsmaßstab stellt eine allgemeine Regelung auf. Der Anordnungsanspruch ist folglich gegeben, die einstweilige Anordnung ist folglich dann zu erlassen, wenn nach summarischer Prüfung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des zu beurteilenden Sachverhalts spricht.
b. Insoweit ist der Antragsanspruch hier gegeben, die hier zu beurteilenden Tätigkeiten unterfallen der Dienstleistungsfreiheit. Wie in der Antragsbegründung zur Überzeugung des Gerichts dargestellt, handelt es sich bei den laut Werkvertrag vom 11.07.2003 auszuführenden Tätigkeiten – das Auffahrung der Basisstrecke E 503 und E 523 sowie die Arbeiten an den beiden Gesteinsberge D 375 auf dem Bergwerk Q1- I2 – um Tätigkeiten, die dem Bergbau zuzurechnen sind und damit eine genehmigungsfreie Dienstleistungstätigkeit polnischer Arbeitnehmer darstellen. Die Vortriebs- und Sicherungsarbeiten, die im Rahmen der hier streitigen Arbeiten zum Auffahren von Basisstrecken und Gesteinsbergen anfallen, sind damit nicht im allgemeinen Sinne Erdbewegungsarbeiten sowie Tunnelbauarbeiten, die dem Bausektor zuzurechnen sind. Die Tätigkeiten stehen vielmehr untrennbar mit dem Bergbau in Zusammenhang. Der Bergbaubegriff beschränkt sich auch nicht auf den reinen Kohleabbau. Im Wesentlichen hat sich das Gericht von folgenden Überlegungen leiten lassen.
aa. Seit dem 01.05.2004 ist Polen Mitglied der Europäischen Union. Es besteht grundsätzlich Dienstleistungsfreiheit und Freizügigkeit in der Europäischen Union. Für Deutschland wurden jedoch Vorbehalte bezüglich der Geltung der Grundfreiheiten im Verhältnis zu Polen vereinbart. Anhang XII der Liste nach Art. 24 der Beitrittsakte Polen sieht unter Ziff. 2 Freizügigkeit Nr. 13 Abweichungen für das Baugewerbe einschließlich der verwandten Wirtschaftszweige vor. Als Baugewerbe werden die im NACE – Code 45.1 bis 4 genannten Wirtschaftsbereiche und Tätigkeiten definiert. Welche Tätigkeiten im Einzelnen dem Baugewerbe und den verwandten Wirtschaftszweigen zuzuordnen sind, erfolgt daher nach dem Wortlaut und der Systematik des NACE-Code 45.1-4. Der Bereich des Steinkohlebergbaus ist mit Unterziffer 10.1 Gegenstand eines eigenständigen Abschnitts C im NACE-Code, während das hier diskutierte "Baugewerbe" im Abschnitt F des NACE-Codes geregelt ist. Dieser Systematik folgend fallen Tätigkeiten, die das Auffahren von Basisstrecke und die Arbeiten an den beiden Gesteinsberge betreffen, unter den Abschnitt C des NACE-Codes und damit nicht in den Bereich F. Diese Einteilung entspricht auch der unterschiedlichen Zuordnung derartiger Tätigkeitsbereiche – Bergbau und Baugewerbe – im System der Sozialen Sicherung in Deutschland. Es ist zwar mit der Antragsgegnerin zu konstatieren, dass beim Herstellen einer Basisstrecke auch untertage in einem Bergwerk gearbeitet; dies legt die Vermutung nahe, von einem speziellen Tiefbau auszugehen. Diese Betrachtungsweise lässt jedoch die in Deutschland althergebrachte Unterscheidung zwischen Bergbau und Bau im baurechtlichen wie sozialversicherungsrechtlichen Sinn außer Betracht. Richtig ist, dass sowohl im Tiefbau als auch im Bergbau untertage gearbeitet wird. Der Bergbau im Sinne des NACE- Codes umfasst aber neben dem Gewinnen von Naturrohstoffen auch die für diese Tätigkeit unmittelbar erforderlichen Vorbereitungs- und Ausbaumaßnahmen. Dies macht schon der Begriff Bergbau plastisch. Hier ist nicht von Bergabbau die Rede, sondern von Bergbau. Damit sind vom Bergbau nach Überzeugung des Gerichts auch alle spezifischen Vorbereitungs- und Ausbautätigeiten erfasst. Solche mit dem Bergbau untrennbar verbundenen Tätigkeiten sind gerade nicht dem allgemeinen Baugewerbe unterworfen.
bb. Bei dem von der Antragstellerin eingesetzten Personal handelt es sich daher folgerichtig auch ausschließlich um Bergleute, die bergbauspezifisch ausgebildet sind – namentlich setzt die Antragstellerin einen Obersteiger als Betriebsstellenleiter, einen Reviersteiger, vier Fahrsteiger, drei Steiger, vier Partiemänner, fünf Ledermaschinenfahrer, vier Bohrwagenfahrer, zwanzig Grubenschlosser sowie vierzehn Vorrichtungshauer ein. Die Qualifikation der einzusetzenden Mitarbeiter macht deutlich, dass die Tätigkeit dem Bergbau zuzuordnen ist. Bei Steigern handelt es sich um Aufsichtspersonen untertage, die ein bergbauliches Studium absolviert haben. Hauer sind Bergmänner, die in einer Hauerprüfung ihre bergmännischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt haben. Die Auswahl dieser Fachkräfte unterstreicht, dass das vorliegende Vorhaben dem Bergbau zuzuordnen ist. Im zugrunde liegenden Leistungs- und Preisverzeichnis der E1 AG wird auch gerade der Einsatz von Personal mit ausschließlich bergmännischer Erfahrung gefordert.
cc. Als weiteres Indiz für die Einordnung der streitigen Tätigkeiten in den Bereich Bergbau sieht das Gericht die durch Ziff. 4 des Werkvertrages einbezogenen "Regelungen für die Bestellung bergmännischer Unternehmerarbeiten". Gegenstand dieser "Regelungen für die Bestellung bergmännischer Unternehmerarbeiten" spricht ist unter anderem Ziff. 9, in dem es heißt, man setze voraus, dass die Arbeitnehmer des Auftraggebers einem gültigen Tarifvertrag unterliegen, ansonsten kommen die tariflichen Regelungen für die Arbeitnehmer des Rheinisch-Westfälischen Steinkohlebergbaus bzw. des Saar-Berghaus zur Anwendung. Die Anwendung eines bergbauspezifischen Tarifvertrags spricht für die durch das Gericht getroffene Zuordnung der streitigen Tätigkeiten zum Bergbausektor.
c. Ob die geänderte Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin einen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Verschlechterungsverbot darstellt, kann offen bleiben. Die durch die Antragstellerin durchgeführten Tätigkeiten sind auch unter Berücksichtigung der Übergangsvorschriften als Bergbau zu qualifizieren.
3.Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 155 VwGO.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz über die Frage, ob die Tätigkeiten der von der Antragstellerin eingesetzten Arbeitnehmern bei der E1 AG in Deutschland dem Bergbau zuzurechnen sind und damit der europäischen Dienstleistungsfreiheit unterfallen.
Die Antragstellerin ist ein polnisches Unternehmen mit Sitz in L/Polen. Am 11.07.2003 schloss sie mit der E1 E1 T1 AG, I1, diese im Namen und für Rechnung der S Aktiengesellschaft F handelnd, einen Werkvertrag über das Auffahren der Basisstrecken E 503 und E 513 sowie zweier Gesteinsberge D 375 auf dem Bergwerk Q1-I2 in C.
Die Antragstellerin hat die Ausführung der Arbeiten von der Antragsgegnerin entsprechend der seinerzeit gültigen Rechtslage genehmigen lassen, und zwar durch Bescheid des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen vom 06.10.2003, sodann aufgrund eines Nachtrages vom 16.01.2004 durch Bescheid des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen vom 26.01.2004 und schließlich durch Bescheid des Arbeitsamtes E2 vom 13.01.2004. Im September 2004 wurde eine Personalaufstockung notwendig. Diese wurde durch Bescheid der Agentur für Arbeit E2 vom 20.09.2004 genehmigt. Sämtliche Genehmigungsbescheide beziehen sich auf einen Zeitraum bis zum 13.01.2005. Tatsächlich wird die Ausführung des Werkvertrages bis voraussichtlich zum 31.03.2005 andauern. Mit Schreiben vom 28.12.2004 hat die Antragstellerin dieses der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit E2, angezeigt und um Bestätigung gebeten, dass angesichts der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Sozialgerichts Düsseldorf und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen von der Genehmigungsfreiheit der Tätigkeiten ausgegangen werden kann. Diesem Anliegen wurde von der Antragsgegnerin nicht entsprochen. Mit Schreiben vom 14.01.2005 teilte die Antragsgegnerin mit, dass angesichts der Weisungslage der Bundesagentur für Arbeit bzw. des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit eine derartige Bestätigung nicht erfolgen könne.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, bei den Tätigkeiten an den Basisstrecken E 503 und E 513 und den beiden Gesteinsberge D 375 handelt es sich ausschließlich um bergmännische Tätigkeiten. Hierfür spräche, dass es sich bei dem von der Antragstellerin eingesetzten Personal ausschließlich um Bergleute handele, namentlich einen Obersteiger als Betriebsstellenleiter, einen Reviersteiger, vier Fahrsteiger, drei Steiger, vier Partiemänner, fünf Ledermaschinenfahrer, vier Bohrwagenfahrer, zwanzig Grubenschlosser und vierzehn Vorrichtungshauer. Hierfür spräche weiterhin, dass im zugrunde liegenden Leistungs- und Preisverzeichnis der E1 der Einsatz von Personal mit ausschließlich bergmännischer Erfahrung gefordert werde. Auch die Einbeziehung gemäß Ziff. 4 zu den Grundlagen des Werkvertrages der "Regelungen für die Bestellung bergmännischer Unternehmerarbeiten" sprächen hierfür, ebenso die hierin unter Ziff. 9 enthaltene Regelung, in der es heiße, man setze voraus, dass die Arbeitnehmer des Auftraggebers einem gültigen Tarifvertrag unterliegen, ansonsten seien die tariflichen Regelungen für die Arbeitnehmer des Rheinisch-Westfälischen Steinkohlebergbaus bzw. des Saar-Berghaus anwendbar.
Die Antragstellerin ist im Übrigen der Auffassung, die geänderte Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin verstoße gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot, die Zugangsbedingungen nach dem Beitritts Polens zur EG durch die Anwendungen der gültigen Übergangsvorschriften zu verschlechtern und verweist insoweit auf die für Polen gültigen Vorbehalte gemäß Anhang XII der Liste nach Art. 24 der Beitrittsakte Polen, der unter Ziff. 2 Freizügigkeit Nr. 13 Abweichungen für das Baugewerbe einschl. der verwandten Wirtschaftszweige vorsieht.
Mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 13.01.2005, beim Sozialgericht Düsseldorf am 17.01.2005 eingegangen, wendet die Antragstellerin sich gegen die Mitteilung der Antragsgegnerin vom 28.12.2004.
Die Antragstellerin beantragt,
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, bis zur Entscheidung in der Hauptsache von der Dienstleistungsfreiheit der polnischen Arbeitnehmer auszugehen, die von der Antragstellerin zur Durchführung des Werkvertrages vom 11.07.2003 zwischen der E1 E1 T1 AG, I1, und der Antragstellerin über das Auffahren der Basisstrecken E 503 und E 513 sowie zweier Gesteinsberge D 375 auf dem Bergwerk Q1-I2, T2 00, B Q2weg, 00000 C, beschäftigt werden. Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass Bautätigkeiten auch dann dem Baugewerbe zuzuordnen seien, wenn sie – wie hier – unter Tage oder in den übrigen Bereichen des Bergbaus ausgeführt werden. Die von der Antragstellerin beabsichtigten Arbeiten unterlägen nicht der Dienstleistungsfreiheit bzw. der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach dem Beitritt Polens zur EG ab 01.05.2004. Die von der Antragstellerin beabsichtigten Arbeiten würden von dem NACE-Code über das Baugewerbe erfasst, der NACE-Code bestimme die Ausnahmen von der Freizügigkeit. In der Übergangsphase genieße Polen noch nicht die volle Freizügigkeit. Zu den Tätigkeiten, bei denen nach den vorstehenden Regelungen Ausnahmen von der Freizügigkeit vorgenommen werden, gehöre zum Sektor Bau (Code 45 des NAGE) u.a. auch die vorbereitenden Arbeiten wie Abbruch-, Spreng- und Erdbewegungen, Test- und Suchbohrungen sowie im Hoch- und Tiefbaubereich der Hochbau- Brücken- und Tunnelbau sowie ähnliche Arbeiten. Die Vortriebs- und Sicherungsarbeiten, die im Rahmen der hier streitigen Arbeiten zum Auffahren von Basisstrecken und Gesteinsbergen anfallen, seien im weiteren Sinne als Erdbewegungsarbeiten sowie Tunnelbauarbeiten dem Bausektor zuzurechnen. Nur der reine Kohleabbau profitiere von der vollen Dienstleistungsfreiheit.
II. 1. Der Antrag ist zulässig. Der Antrag betrifft die Regelung eines Rechtsverhältnisses. Einstweilige Anordnungen kann das Gericht der Hauptsache im Sinne von § 86 b II SGG zur Regelung eines vorläufiges Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. § 86 b II SGG ist auch die einschlägige Vorschrift in Abgrenzung zu § 86 b I SGG. Die Antragstellerin begehrt im Rahmen der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Anerkennung der Dienstleistungsfreiheit der polnischen Arbeitnehmer. In der Hauptsache wäre die Anfechtungsklage nicht zulässig. Es geht der Antragstellerin nicht um die Anordnung oder Wiederherstellung einer aufschiebenden Wirkung. Die Antragstellerin beabsichtigt im Rahmen des mit der E1 abgeschlossenen Werkvertrags vom 11.07.2003, auch über 13.01.2005 hinaus bis zum tatsächlichen Ende der Ausführung des Werkvertrages – voraussichtlich 31.03.2005 – im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit polnische Arbeitnehmer in der BRD einzusetzen und möchte hierfür von der Antragsgegenerin auch über den 13.01.2005 hinaus die Dienstleistungsfreiheit der Tätigkeiten festgestellt wissen.
2. Der Antrag ist auch begründet. Der für den Erlass einer entsprechenden Anordnung notwendige Anordnungsgrund in Form der Dringlichkeit bzw. Eilbedürftigkeit der Regelung hat die Antragstellerin glaubhaft zu machen. Dies ergibt sich schon allein aus dem Ablauf der Erfüllung des Werkvertrages. Die bisher erlassenen Genehmigungsbescheide bezogen sich lediglich auf einen Zeitraum bis zum 13.01.2005. Auf das Schreiben der Antragstellerin vom 28.12.2004, auch weiterhin von der Genehmigungsfreiheit der Tätigkeiten auszugehen, hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 14.01.2005 mitgeteilt, dass dies nicht erfolgen könne. Ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens würde die Erfüllung des Werkvertrags auf lange Sicht vereiteln. Die Eilbedürftigkeit des Verfahrens wird infolgedessen von der Antragsgegenerin auch nicht in Abrede gestellt.
Darüber hinaus ist auch ein Anordnungsanspruch für den Antrag der Antragstellerin gegeben.
a. Der Vorschrift des § 86 b II SGG lässt sich zwar unmittelbar kein Prüfungsmaßstab entnehmen. Die Aussetzung soll aber nach § 86 a III 2 SGG erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Dieser Prüfungsmaßstab stellt eine allgemeine Regelung auf. Der Anordnungsanspruch ist folglich gegeben, die einstweilige Anordnung ist folglich dann zu erlassen, wenn nach summarischer Prüfung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des zu beurteilenden Sachverhalts spricht.
b. Insoweit ist der Antragsanspruch hier gegeben, die hier zu beurteilenden Tätigkeiten unterfallen der Dienstleistungsfreiheit. Wie in der Antragsbegründung zur Überzeugung des Gerichts dargestellt, handelt es sich bei den laut Werkvertrag vom 11.07.2003 auszuführenden Tätigkeiten – das Auffahrung der Basisstrecke E 503 und E 523 sowie die Arbeiten an den beiden Gesteinsberge D 375 auf dem Bergwerk Q1- I2 – um Tätigkeiten, die dem Bergbau zuzurechnen sind und damit eine genehmigungsfreie Dienstleistungstätigkeit polnischer Arbeitnehmer darstellen. Die Vortriebs- und Sicherungsarbeiten, die im Rahmen der hier streitigen Arbeiten zum Auffahren von Basisstrecken und Gesteinsbergen anfallen, sind damit nicht im allgemeinen Sinne Erdbewegungsarbeiten sowie Tunnelbauarbeiten, die dem Bausektor zuzurechnen sind. Die Tätigkeiten stehen vielmehr untrennbar mit dem Bergbau in Zusammenhang. Der Bergbaubegriff beschränkt sich auch nicht auf den reinen Kohleabbau. Im Wesentlichen hat sich das Gericht von folgenden Überlegungen leiten lassen.
aa. Seit dem 01.05.2004 ist Polen Mitglied der Europäischen Union. Es besteht grundsätzlich Dienstleistungsfreiheit und Freizügigkeit in der Europäischen Union. Für Deutschland wurden jedoch Vorbehalte bezüglich der Geltung der Grundfreiheiten im Verhältnis zu Polen vereinbart. Anhang XII der Liste nach Art. 24 der Beitrittsakte Polen sieht unter Ziff. 2 Freizügigkeit Nr. 13 Abweichungen für das Baugewerbe einschließlich der verwandten Wirtschaftszweige vor. Als Baugewerbe werden die im NACE – Code 45.1 bis 4 genannten Wirtschaftsbereiche und Tätigkeiten definiert. Welche Tätigkeiten im Einzelnen dem Baugewerbe und den verwandten Wirtschaftszweigen zuzuordnen sind, erfolgt daher nach dem Wortlaut und der Systematik des NACE-Code 45.1-4. Der Bereich des Steinkohlebergbaus ist mit Unterziffer 10.1 Gegenstand eines eigenständigen Abschnitts C im NACE-Code, während das hier diskutierte "Baugewerbe" im Abschnitt F des NACE-Codes geregelt ist. Dieser Systematik folgend fallen Tätigkeiten, die das Auffahren von Basisstrecke und die Arbeiten an den beiden Gesteinsberge betreffen, unter den Abschnitt C des NACE-Codes und damit nicht in den Bereich F. Diese Einteilung entspricht auch der unterschiedlichen Zuordnung derartiger Tätigkeitsbereiche – Bergbau und Baugewerbe – im System der Sozialen Sicherung in Deutschland. Es ist zwar mit der Antragsgegnerin zu konstatieren, dass beim Herstellen einer Basisstrecke auch untertage in einem Bergwerk gearbeitet; dies legt die Vermutung nahe, von einem speziellen Tiefbau auszugehen. Diese Betrachtungsweise lässt jedoch die in Deutschland althergebrachte Unterscheidung zwischen Bergbau und Bau im baurechtlichen wie sozialversicherungsrechtlichen Sinn außer Betracht. Richtig ist, dass sowohl im Tiefbau als auch im Bergbau untertage gearbeitet wird. Der Bergbau im Sinne des NACE- Codes umfasst aber neben dem Gewinnen von Naturrohstoffen auch die für diese Tätigkeit unmittelbar erforderlichen Vorbereitungs- und Ausbaumaßnahmen. Dies macht schon der Begriff Bergbau plastisch. Hier ist nicht von Bergabbau die Rede, sondern von Bergbau. Damit sind vom Bergbau nach Überzeugung des Gerichts auch alle spezifischen Vorbereitungs- und Ausbautätigeiten erfasst. Solche mit dem Bergbau untrennbar verbundenen Tätigkeiten sind gerade nicht dem allgemeinen Baugewerbe unterworfen.
bb. Bei dem von der Antragstellerin eingesetzten Personal handelt es sich daher folgerichtig auch ausschließlich um Bergleute, die bergbauspezifisch ausgebildet sind – namentlich setzt die Antragstellerin einen Obersteiger als Betriebsstellenleiter, einen Reviersteiger, vier Fahrsteiger, drei Steiger, vier Partiemänner, fünf Ledermaschinenfahrer, vier Bohrwagenfahrer, zwanzig Grubenschlosser sowie vierzehn Vorrichtungshauer ein. Die Qualifikation der einzusetzenden Mitarbeiter macht deutlich, dass die Tätigkeit dem Bergbau zuzuordnen ist. Bei Steigern handelt es sich um Aufsichtspersonen untertage, die ein bergbauliches Studium absolviert haben. Hauer sind Bergmänner, die in einer Hauerprüfung ihre bergmännischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt haben. Die Auswahl dieser Fachkräfte unterstreicht, dass das vorliegende Vorhaben dem Bergbau zuzuordnen ist. Im zugrunde liegenden Leistungs- und Preisverzeichnis der E1 AG wird auch gerade der Einsatz von Personal mit ausschließlich bergmännischer Erfahrung gefordert.
cc. Als weiteres Indiz für die Einordnung der streitigen Tätigkeiten in den Bereich Bergbau sieht das Gericht die durch Ziff. 4 des Werkvertrages einbezogenen "Regelungen für die Bestellung bergmännischer Unternehmerarbeiten". Gegenstand dieser "Regelungen für die Bestellung bergmännischer Unternehmerarbeiten" spricht ist unter anderem Ziff. 9, in dem es heißt, man setze voraus, dass die Arbeitnehmer des Auftraggebers einem gültigen Tarifvertrag unterliegen, ansonsten kommen die tariflichen Regelungen für die Arbeitnehmer des Rheinisch-Westfälischen Steinkohlebergbaus bzw. des Saar-Berghaus zur Anwendung. Die Anwendung eines bergbauspezifischen Tarifvertrags spricht für die durch das Gericht getroffene Zuordnung der streitigen Tätigkeiten zum Bergbausektor.
c. Ob die geänderte Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin einen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Verschlechterungsverbot darstellt, kann offen bleiben. Die durch die Antragstellerin durchgeführten Tätigkeiten sind auch unter Berücksichtigung der Übergangsvorschriften als Bergbau zu qualifizieren.
3.Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 155 VwGO.
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