L 1 AL 212/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 11 AL 987/01
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 AL 212/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Zuordnung von Arbeitsentgelt zum Insg-Zeitraum steht grundsätzlich nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien, sondern ergibt sich aus dem Gesetz.
2. Die Tarifvertragsparteien haben aber die Befugnis, in einem Zweifelsfall, in dem sich aufgrund der tarifvertraglichen Bestimmungen die Jahressonderzahlung weder eindeutig als monatsweise anteilig erdientes Arbeitsentgelt noch als \"echte\" Einmalzahlung qualifizieren lässt (Mischcharakter), selbst die Qualifizierung vorzunehmen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des vom Kläger beanspruchten Insolvenzgeldes (Insg), insbesondere darüber, in welchem Umfang eine Jahresleistung zu berücksich-tigen ist.

Dem Kläger war als Planungsingenieur bei der I ... GmbH L ... beschäftigt.

Der für ihn maßgebliche "Tarifvertrag über Jahresleistung" für die chemische Indust-rie in den neuen Bundesländern und Berlin (Ost) vom 22.02.1993 in der Fassung vom 01.12.1998 (im Folgenden: der Tarifvertrag) sieht als Voraussetzung für den An-spruch auf die Jahresleistung unter § 3 des Tarifvertrages vor, dass die Berechtigten am 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres dem Betrieb länger als 3 Monate angehört und ihre Arbeitsverhältnisse nicht selbst gekündigt haben. Nach § 5 des Ta-rifvertrages erhalten die Berechtigten im Eintrittsjahr für jeden vollen Beschäfti-gungsmonat 1/12 der Jahresleistung, die 65 % des am 01.10. des jeweiligen Jahres geltenden monatlichen Tarifentgelts beträgt. In den nachfolgenden Kalenderjahren besteht ein Anspruch in Höhe von 1/12 der Jahresleistung für jeden Kalendermonat in dem der Berechtigte für mindestens 12 Arbeitstage Anspruch auf Entgelt, Ausbil-dungsvergütung oder Fortzahlung der Bezüge hat. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit be-rühren den Anspruch auf die Jahresleistung nicht. § 9 des Tarifvertrages lautet:

"Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, dass in den Fällen des § 183 SGB III ein Zwölftel der vollen Jahresleistung für jeden der letzten der Eröff-nung des Insolvenzverfahrens vorausgehenden 3 Monate dem Arbeitseinkom-men des Arbeitnehmers hinzuzurechnen ist."

Die Jahresleistung wird bis spätestens 30. November des jeweiligen Kalenderjahres gezahlt. Anderweitige Festlegungen des Auszahlungszeitpunktes können betrieblich vereinbart werden (§ 6 des Tarifvertrages). In der Betriebsvereinbarung 5/2000 zur Jahresleistung 2000 vom 20.10.2000 kamen die I ... GmbH und der Betriebsrat dar-in überein, dass die Auszahlung der Jahresleistung für das Kalenderjahr 2000 im Mo-nat Dezember 2000 vorgenommen werden soll. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 23 bis 26 der Beklagtenakte verwiesen.

Der Arbeitgeber beantragte am 09.11.2000 beim zuständigen Amtsgericht die Eröff-nung des Insolvenzverfahrens, worauf mit Beschluss vom 01.03.2001 das Insolvenz-verfahren eröffnet wurde. Dem Kläger wurde insolvenzbedingt von Arbeitgeberseite zum 30.06.2001 gekündigt.

Am 14.04.2001 beantragte der Kläger die Bewilligung von Insg für den Zeitraum 01.12.2000 bis 28.02.2001. Der Kläger gab an, er habe noch für den Monat Dezember 2000 einen Insg-Anspruch von 1802,19 DM und für Februar 2001 einen von 417,43 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 1 der Beklagtenakte verwiesen. In der Insg-Bescheinigung des Insolvenzverwalters vom 19.04.2001 wurden folgende Beträ-ge mitgeteilt:

Dezember 2000 Januar 2001 Februar 2001 Bruttoarbeitsentgelt 6189,- DM 6189,- DM 6189,- DM Jahresleistung 1009,71 DM Urlaubsgeld 200,- DM Gesetzliche Abzüge 1498,47 DM 1400,03 DM 1869,50 DM Sozialversiche-rungsbeiträge 798,38 DM 1284,21 DM 1439,75 DM Abtretungen an BHF-Bank 4262,24 DM 3504,76 DM 3504,76 DM noch zustehendes Nettoarbeitsentgelt 580,70 DM

Mit Bescheid vom 06.08.2001 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 01.02.2001 bis 28.02.2001 Insg in Höhe von insgesamt 580,70 DM. Die vom Kläger darüber hin-aus begehrten Beträge lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Jahressonder-leistung sei nur in Höhe von 3/12 berücksichtigt worden, da laut Tarifvertrag über die Jahresleistung gemäß § 9 in Fällen der Insolvenz nur je 1/12 der vollen Jahresleistung für jeden der letzten der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorausgehenden drei Monate dem Arbeitseinkommen hinzugerechnet werden könne.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, da er Insg für den Zeitraum vom 01.12.2000 bis zum 28.02.2001 beantragt habe. Den bewilligten Insg-Betrag könne er nicht nachvollziehen und er vermute, dass es sich um die nicht gezahlten Nettoar-beitsentgelt-Anteile für 2/12 des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Jahresleistung für 2001 (Januar und Februar) und 1/12 der Jahresleistung für 2000 (Dezember) han-dele. § 9 des Tarifvertrages bestimme nicht, dass die Zahlung der vollen Jahresleis-tung, wenn sie im Zeitraum der 3 Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fäl-lig sei, entfalle. Die Jahresleistung sei gemäß der Betriebsvereinbarung 5/2000 im Dezember 2000 zu zahlen. Eine anteilige Zahlung sei im Tarifvertrag ausgeschlossen und daher bei der Berechnung des Insg in voller Höhe zu berücksichtigen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Streitig sei der Zeitraum und die Höhe der zu berücksichtigen-den Jahresleistung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) hätten Jahressondervergütungen grundsätzlich Entgeltcharakter. Nach § 9 des Tarifvertrages sei beim Vorliegen eines Insolvenzereignisses im Sinne des § 183 Drit-tes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) 1/12 der vollen Jahresleistung für jeden der Er-öffnung des Insolvenzverfahrens vorausgehenden drei Monate dem Arbeitseinkom-men des Arbeitnehmers hinzuzurechnen. Hiernach habe der Kläger keinen Anspruch auf Insg für die gesamte Jahresleistung. Daran ändere auch nichts die Betriebsverein-barung, wonach die Jahresleistung für 2000 im Dezember 2000 gezahlt werden sollte, da die Tarifparteien für den Insolvenzfall eine spezielle Regelung getroffen hätten, welche hier zur Anwendung komme. Es könne immer nur vom arbeitsrechtlichen An-spruch auf die Jahresleistung ausgegangen werden und dieser bestünde hier nur in Höhe von 3/12. Die darauf gerichtete Klage, den Bescheid vom 06.08.2001 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 26.11.2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Nettobetrag aus den noch ausstehenden 11/12 der Jahresleistung 2000 als Insg zu ge-währen, hat das SG mit Urteil vom 17.07.2003 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Garantieleistung komme es nicht darauf an, ob der Kläger im Dezember 2000 Anspruch auf die volle Jahresleistung gehabt habe und ob diese insoweit grund-sätzlich insg-fähig sei, wenn sie in den Insg-Zeitraum fallen würde. Denn es sei allein der Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ent-scheidend. Maßgeblicher Insg-Zeitraum seien danach hier die drei Monate vom 09.08. bis 08.11.2000.

Mit seiner dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, dass die EuGH-Rechtsprechung hier nicht einschlägig sei. Das SG habe schon nicht berücksichtigt, dass die Richtlinie 80/987/EWG in ihrem Art. 11 günstigere Regelungen des nationa-len Rechts nicht ausschließe. Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17.07.2003 aufzuheben und die Be-klagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 06.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2001 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld in Höhe des Nettobetrages aus 11/12 der Jahresleistung 2000 zusätzlich zu ge-währen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des SG nur im Ergebnis für zutreffend. Die Richtlinie 2002/74/EG vom 23.09.2002, die die Richtlinie 80/987/EWG abgelöst habe, überlasse es nunmehr den Mitgliedstaaten, den Zeitpunkt für die Bestimmung des Referenzzeit-raumes festzulegen. Im Übrigen gelte: Jahressondervergütungen, deren Zweck die zusätzliche Vergütung für die im Bezugsjahr geleistete Arbeit sei, sei stets nur in Hö-he ihres auf den Insg-Zeitraum entfallenden Anteils (maximal 3/12 der Gesamtleis-tung) zu berücksichtigen. Das Gleiche gelte für Jahressondervergütungen, mit denen auch die Betriebstreue belohnt werde, sofern die zugrunde liegende arbeitsrechtliche Regelung ausdrücklich eine anteilige Zahlung im Falle der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsehe. Insoweit habe § 9 des Tarifvertrages eine eindeutige Regelung getroffen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen An-spruch auf Insg für den vom Arbeitgeber insolvenzbedingt nicht mehr erfüllten, aber arbeitsrechtlich entstandenen Anspruch auf die anteilige Jahresleistung von Januar bis November 2000.

Der Insg-Anspruch des Klägers scheitert nicht schon an den europarechtlichen Vor-gaben über die von den Mitgliedstaaten bereitzustellenden Garantieleistungen im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers. Abgesehen davon, dass die neue Richtlinie 2002/74/EG den Mitgliedstaaten einen größeren Spielraum bei der Festlegung des Referenzzeitraums eröffnet (vgl. Art. 3 und 4 Richtlinie 2002/74/EG) und die alte Richtlinie 80/987/EWG einer günstigeren nationalen Regelung nicht entgegenstand (vgl. Art. 9 Richtlinie 80/987/EWG: "Diese Richtlinie schränkt nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten ein, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- oder Verwaltungs-vorschriften anzuwenden oder zu erlassen."), gelten beide Richtlinien nicht unmittel-bar, sondern bedürfen der Umsetzung in nationales Recht. Für die Bestimmung des Insg-Zeitraums ist allein § 183 SGB III maßgeblich, und zwar unabhängig davon, ob diese Vorschrift unter Geltung der alten Richtlinie 80/987/EWG richtlinienkonform war oder nicht (vgl. zum Ganzen Estelmann, ZESAR 2003, 460 ff., insbesondere S. 464 f.).

Nach § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 1 des 1. SGB III-Änderungsgesetzes vom 16.12.1997 (BGBl I S. 2970) gehören zu den An-sprüchen auf Arbeitsentgelt alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Soweit für die letzten drei dem Insolvenzereignis vorausgehenden Monate noch der-artige Ansprüche bestehen, ist für sie Insg zu gewähren (§ 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Bei der streitgegenständlichen Jahresonderzahlung, deren Einbeziehung in das Insg der Kläger fordert, handelt es sich um einen Anspruch auf Arbeitsentgelt im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Der Anspruch ist aber nur im Umfang von 3/12 anteilig den dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten des Arbeits-verhältnisses zuordnen, nicht jedoch in voller Höhe (12/12).

Bei der zu Zwecken des Insg erforderlichen zeitlichen Zuordnung einer Jahressonder-zahlung ist unter Berücksichtigung des arbeitsrechtlichen Entstehungsgrundes und der Zweckbestimmung der Leistung zu differenzieren. Arbeitsrechtliche Vereinbarungen bzw. Regelungen, die für den Arbeitnehmer auch bei vorherigem Ausscheiden einen zeitanteiligen Anspruch vorsehen, begründen einen Insg-Anspruch in Höhe des auf den Insg-Zeitraum fallenden Anteils, und zwar auch dann, wenn die Insolvenz schon vor der Fälligkeit des Gesamtanspruches eingetreten ist. Lässt sich die Jahressonder-zahlung dagegen nicht einzelnen Monaten zurechnen, so ist sie in voller Höhe beim Insg zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnis-ses vor dem Insolvenzereignis hätte ausgezahlt werden müssen, anderenfalls aber ü-berhaupt nicht (BSG, Urteil vom 02.11.2000 – B 11 AL 87/99 RSozR 3-4100 § 141b Nr. 21 m.w.N.; zuletzt Urteil vom 21.07.2005 – B 11a/11 AL 53/04 R; siehe ferner Estelmann in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Juli 2005, § 183 Rn. 137 ff.; Schmidt in PK-SGB III, 2. Aufl., § 183 Rn. 74, insbesondere Rn. 77).

In dieser Auslegung des Bundessozialgerichts (BSG) ist eine Jahresonderzahlung – je nach der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung des Anspruchs auf diese Jahressonderzah-lung – entweder anteilig zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob die Auszahlung im Insg-Zeitraum vorgesehen ist, oder nur dann, aber dann auch insgesamt, wenn die Fälligkeit in den Insg-Zeitraum fällt. Eine Kombination beider Möglichkeiten, wie sie offensichtlich dem Kläger vorschwebt, der im Ergebnis 14/12 der Jahresleistung (Ja-nuar 2000 bis Februar 2001) beansprucht – denn für die anteilige Jahresleistung Janu-ar und Februar 2001 hat er Insg erhalten –, ist rechtlich ausgeschlossen. Auch steht § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien und erst recht nicht zur Disposition der Betriebspartner und der Arbeitsvertragsparteien. Dies bedeutet: Wenn sich aufgrund Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag ergibt, dass die Jahressonderzahlung nach der Rechtsprechung des BSG eindeutig einer der beiden Varianten zugeordnet werden kann, können die Tarifvertragsparteien keine davon abweichende, die Beklagte bindende insg-rechtliche Qualifizierung des Arbeitsentgeltanspruchs vornehmen. Tarifvertragliche Regelungen, die einen aus-drücklichen Bezug zum Insg-Anspruch herstellen, können aber in Zweifelsfällen als Auslegungshilfe herangezogen werden. So verhält es sich hier.

Der vorliegende Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, dass die Tarifvertragspartei-en einerseits die Gewährung der Jahresleistung davon abhängig gemacht haben, dass der Arbeitnehmer am 31.12. des Kalenderjahres sich in einem von ihm nicht gekün-digten Arbeitsverhältnis befindet (§ 3 des Tarifvertrages) und auch nicht vor dem 01.04. des folgenden Kalenderjahres aus einem von ihm zu vertretenden Grund, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet (§ 7 des Tarifvertrages). Dies spricht zunächst dafür, dass es sich bei der Jahresleis-tung um keine anteilig berücksichtigungsfähige Jahressonderzahlung handelt, sondern um eine Leistung, die allein die an bestimmten Stichtagen festgemachte Betriebstreue belohnt. Hingegen folgt aus § 5 des Tarifvertrages, dass die Arbeitnehmer im ersten Kalenderjahr des Arbeitsverhältnisses, wenn dieses nicht am 01.01. beginnt, nur ei-nen anteiligen Anspruch auf die Jahresleistung haben und in den späteren Kalender-jahren auch nur einen anteiligen Anspruch haben, wenn in einem Kalendermonat die Arbeitnehmer nicht mindestens 12 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Wenn z.B. infolge eines Arbeitskampfs die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers für län-gere Zeit entfällt oder Arbeitnehmer aus anderen Gründen – ohne arbeitsunfähig krank zu sein –, insbesondere wegen eines ruhenden Arbeitsverhältnisses (allgemein dazu Dikomey, Das ruhende Arbeitsverhältnis, zu Jahressonderzahlungen insbesonde-re S. 112 ff.) oder arbeitsvertragswidrig längere Zeit keine Arbeitsleistung erbringen und deswegen die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers entfällt, haben die davon betroffenen Arbeitnehmer allenfalls einen anteiligen Anspruch auf die Jahresleistung. Wenn Arbeitnehmer während des Jahres endgültig aus dem Arbeitsverhältnis aus-scheiden, enthält § 5 des Tarifvertrages eine differenzierende Regelung, je nachdem, warum der Arbeitnehmer ausscheidet (bei Erreichen der Altersgrenze, Eintritt der Erwerbsunfähigkeit und Tod grundsätzlich die volle Jahresleistung, wenn der Arbeit-nehmer im betreffenden Kalenderjahr dem Betrieb mehr als drei Monate angehörte; nur anteilige Jahresleistung nach den vollen Beschäftigungsmonaten, wenn im Kalen-derjahr eine Einberufung zum Wehr- oder Zivildienst erfolgt). Diese Regelungen le-gen eher den Schluss nahe, dass die Jahresleistung grundsätzlich – mit Ausnahme der Krankheit – auch wesentlich durch die Erbringung von Arbeitsleistung erdient wer-den muss und deswegen eine teilweise anteilige, teilweise bei Überschreiten eines bestimmten Schwellenwertes doch volle Jahresleistung zu erbringen ist.

Angesichts dieses Auslegungsprobleme schaffenden Mischcharakters der Jahresleis-tung, die einerseits grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn der Arbeitnehmer während des Kalenderjahres ausscheidet (hiervon jedoch die beschriebenen Ausnahmen zu-lässt), andererseits aber auch beim Verbleib des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis nicht allein an den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses, sondern an die Er-zielung von Arbeitsentgelt im Kalendermonat anknüpft, war es den Tarifvertragspar-teien nicht verwehrt, durch § 9 des Tarifvertrages klarzustellen, dass der Gesichts-punkt der Arbeitsleistung und des anteiligen Erdienens der Jahresleistung auch ein tragender Grund für die Gewährung derselben ist und diesem Umstand im Verhältnis zur allgemeinen Belohnung der Betriebstreue der für die insg-rechtliche Beurteilung ausschlaggebende Vorrang zukommen soll.

Der Einzelrichter des Senats kann hierin keine die Insg-Versicherung gesetzeswidrig belastende Regelung unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages zu Lasten Dritter – hier des Trägers der Insg-Versicherung – erkennen, die nach § 134 Bürgerliches Ge-setzbuch (BGB) zur Nichtigkeit der tarifvertraglichen Regelung führt. § 9 des Tarif-vertrages ist ausgewogen. Denn zum einen schließt er zugleich einen Anspruch auf die volle Jahresleistung auch dann aus, wenn die Fälligkeit der Jahresleistung in den Insg-Zeitraum fällt. Zum anderen entspricht die von den Tarifvertragsparteien getrof-fene Regelung angesichts des Mischcharakters der Jahresleistung insofern in beson-derem Maße der Billigkeit, als sie unabhängig von den sich aus der Lage des Insol-venzzeitpunktes ansonsten ergebenden Zufälligkeiten zu einer Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer im Insolvenzfall führt.

Der Einzelrichter des Senats muss daher nicht der nahe liegenden Frage nachgehen, ob die im Angesicht der sicher erwarteten Insolvenz abgeschlossene Betriebsverein-barung über die Abänderung des Auszahlungszeitpunktes mit tragenden Gedanken der Insg-Versicherung und dem Versicherungsprinzip unvereinbar und ihr deswegen die rechtliche Wirksamkeit zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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