Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 31 VG 28/98
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 VG 1/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. März 2003 (S 31 VG 28/98) wird zurückgewiesen. Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte für den Kläger, der gleichzeitig Prozesskostenhilfe begehrt, Leistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) zu erbringen hat. Der im Jahre 1950 in Tunesien geborene Kläger hat aus zweiter Ehe mit einer tunesischen Staatsangehörigen vier Kinder. Der jüngste Sohn H. ist im September 1991 geboren. Nach Trennung der Eheleute kam es zum Rechtsstreit über das Sorgerecht für die vier Kinder und über deren Umgang mit dem Vater (Kläger). Am 13. Juli 1993 fand vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in der Familiensache eine mündliche Verhandlung statt, zu welcher der Kläger mit seinem Sohn H. erschienen war. Im Verlaufe der Verhandlung legte der Kläger dem Sohn eine mitgeführte gedrehte Kordel als Schlinge um den Hals, um damit seinem Begehren Nachdruck zu verleihen, dass seine anderen drei Kinder vom Gericht in seiner Gegenwart angehört werden. Einer Aufforderung, die Schlinge zu entfernen, kam er zunächst nach, legte die Schlinge jedoch im Laufe der weiteren Verhandlung wiederum mehrmals um den Hals des Kindes. Gegen Ende der Verhandlung entfernte der Kläger die Schlinge vom Kopf des Sohnes und legte sie auf den Richtertisch. Als der Kläger mit seinem Sohn das Gerichtsgebäude verlassen wollte, wurde er auf dem Flur vor der Tür des Sitzungssaals von herbei gerufenen Kräften des Mobilen Einsatzkommandos der Polizei überwältigt und verhaftet. Der Kläger hatte die Füße des Kindes unter seinem linken Arm an den Körper gepresst. Der Polizei gelang es nur durch Einsatz körperlicher Gewalt, diesen Griff zu lösen und den Kläger zu fesseln. Er wurde von der herbei gerufenen Ärztin Dr. W. untersucht. Nach dem Polizeibericht wies der Kläger aufgrund seiner geleisteten Gegenwehr kleinere Blessuren auf. Am 6. März 1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten Versorgung für Geschädigte nach dem OEG. Er gab an, bei Festnahme im Hanseatischen Oberlandesgericht geschlagen worden zu sein, Hände und Füße seien umgedreht, die rechte Hand beschädigt worden. Der rechte kleine Finger sei noch verkrüppelt. Aus den beigefügten Unterlagen ergab sich, dass der Kläger am 7. Juni 1994 im Allgemeinen Krankenhaus W. wegen einer arthrogenen Beugekontraktur des Kleinfingermittelgelenkes rechts operiert worden war. Bei einer Untersuchung im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus H. wurde am 25. September 1995 eine Beugekontraktur des rechten kleinen Fingers mit Verlust des A 2-Ringbandes diagnostiziert. Unterlagen über eine Behandlung des Klägers in der Haftanstalt waren nicht vorhanden. Über die Verkrüppelung des Fingers hinaus machte der Kläger zur Begründung seines Antrages noch Schmerzen im Handteller beim Heben schwerer Lasten und eine seelische Beeinträchtigung geltend. Mit Bescheid vom 29. Mai 1996 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Versorgung nach dem OEG ab. Zur Begründung führte sie aus, die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 OEG seien nicht gegeben, da ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff auf den Kläger nicht stattgefunden habe. Die herbeigerufene Polizei habe bei der Festnahme des Klägers rechtmäßig gehandelt, da er gedroht habe, das Kind zu töten, falls man seinen Forderungen nicht nachkomme. Der Kläger erhob Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 1998 zurückgewiesen wurde. In der Begründung des Widerspruchsbescheides heißt es, das Landgericht Hamburg habe den Kläger mit rechtskräftigem Urteil vom 31. Mai 1995 im Zusammenhang mit den Ereignissen vom 13. Juli 1993 wegen Geiselnahme zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Der Zugriff der Polizei sei rechtmäßig gewesen, weshalb es an einem rechtswidrigen Angriff im Sinne von § 1 OEG fehle. Die Anwendung von Gewalt dem Kläger gegenüber habe sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Strafverfolgung gedient. Mit seiner am 25. November 1998 vor dem Sozialgericht Hamburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 4. März 2003 abgewiesen: Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger am 13. Juli 1993 im Gebäude des Hanseatischen Oberlandesgerichts im Rahmen eines Polizeieinsatzes durch einen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff geschädigt worden sei, denn die von ihm geltend gemachten Schädigungen könnten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf den behaupteten polizeilichen Angriff zurückgeführt werden. Es gebe keine zeitnahe medizinische Dokumentation z.B. der festgestellten Beugekontraktur des rechten Kleinfingers oder anderer gesundheitlichen Schädigungen, so dass sich der Kläger die Verletzungen auch zu jedem anderen Zeitpunkt (davor oder danach) zugezogen haben könne. Eine wesentliche Verschlimmerung seines seelischen Leidens sei ebenfalls nicht erkennbar. Das Urteil ist dem Kläger am 3. Juli 2003 zugestellt worden. Am 21. Juli 2003 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung seiner Berufung hat er vorgetragen, vorhandene Zeugen für den schädigenden Vorgang seien zu keiner Zeit ordnungsgemäß vernommen worden. Wäre dies geschehen, hätten sie seine Sachverhaltsdarstellung be¬stätigt. Mit Beschluss vom 2. März 2005 (L 4 VG 1 /03) hat der Senat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 24. November 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen: Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, da man ihn nicht über eine ihm unbekannte "instanzübergreifende Richterehe" als Ablehnungsgrund unterrichtet habe. Nach dem Inhalt seines gesamten Vorbringens beantragt der Kläger, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. März 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger aufgrund eines schädigenden Ereignisses vom 13. Juli 1993 dem Grunde nach Leistungen nach dem OEG zu gewähren. Die Beklagte beantragt sinngemäß, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. März 2003 zurückzuweisen. Mit Schreiben vom 1. März 2006 hat das Gericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass (wiederum) beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Gleichzeitig ist den Beteiligten Gelegenheit gegeben worden, sich hierzu binnen zwei Wochen zu äußern. Der Kläger hat daraufhin Prozesskostenhilfe beantragt und gebeten, die Äußerung des beizuordnenden Rechtsanwalts abzuwarten. Die Beklagte hat sich mit der beabsichtigten Verfahrensweise einverstanden erklärt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Prozessakten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch zurückweisenden Beschluss, da er die Berufung – weiterhin – einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zu Äußerung. Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, weil der Kläger gegenüber der Beklagten aus dem OEG keine Rechte herleiten kann. Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 OEG erhält auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, wer im Geltungsbereich des Gesetzes in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift hier gegeben sind, kann offen bleiben. Es ist schon nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die vom Kläger geltend gemachten gesundheitlichen Schädigungen wesentlich ursächlich auf den polizeilichen Angriff zurückzuführen sind. Nach dem vorliegenden Bericht des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses H. vom 25. September 1995 hat sich der Kläger dort zwar am 14. September 1995 vorgestellt und angegeben, ihm sei bei der Festnahme durch die Polizei im Juni 1993 der rechte kleine Finger verdreht worden, weshalb während der Haft im Jahre 1994 im Allgemeinen Krankenhaus W. eine Korrektur vorgenommen worden sei. In dem Operationsbericht der dortigen handchirurgischen Abteilung vom 7. Juni 1994 (Diagnose: arthrogene Beugekontraktur) ist von einer Verletzungsursache jedoch nicht die Rede. Die im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus festgestellte "Beugekontraktur des rechten Kleinfingers mit Verlust des A 2-Ringbandes" kann sich der Kläger auch zu einem anderen Zeitpunkt zugezogen haben (Beschluss des Senats vom 19. November 2001). Zu Recht weist das Sozialgericht darauf hin, dass es eine zeitnahe medizinische Dokumentation darüber nicht gibt. Die als Folge der Gewalttat geltend gemachte seelische Beeinträchtigung kann, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 19. November 2001 dargelegt hat, ebenfalls nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 13. Juli 1993 zurückgeführt werden. Dies kann jedoch auf sich beruhen. Der Anspruch des Klägers auf Entschädigung ist nämlich von Gesetzes wegen ausgeschlossen, weil ein Versagungsgrund gemäß § 2 Abs. 1 OEG zu seinen Lasten eingreift. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 OEG sind Leistungen nach dem OEG zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Hier hat der Kläger die fragliche Schädigung jedenfalls selbst (mit-)verursacht. Eine rechtlich maßgebliche Mitverursachung der Schädigung durch den Kläger ergibt sich daraus, dass er, unterstellt man einen rechtswidrigen Angriff durch die Polizei, selbst gravierend gegen die Rechtsordnung verstoßen hat. Eine Mitverursachung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 OEG liegt vor, wenn das Verhalten des Geschädigten nach der auch im Opferentschädigungsrecht anwendbaren versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm nicht nur einen nicht hinweg zu denkenden Teil der Ursachenkette, sondern eine wesentliche, d.h. gleichwertige Bedingung neben dem Beitrag des handelnden Angreifers darstellt (Bundessozialgericht –BSG–, Urteil v. 18. April 2001, BSGE Bd. 88 S. 96). Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Geschädigte mit seinem Ursachenbeitrag sich in ähnlich schwerwiegender Weise gegen die Rechtsordnung vergangen hat wie der Schädiger (BSG, Urteil v. 9. Dezember 1998, USK 98162; Urteil v. 18. April 2001, aaO). So aber verhält es sich mit dem Kläger, der wegen eines Verbrechens der Geiselnahme in einem minder schweren Fall gemäß § 239 b, § 239 a Abs. 2 Strafgesetzbuch rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Auch wenn diese Geiselnahme zum Zeitpunkt der Verhaftung des Klägers bereits beendet gewesen sein sollte, weil er die zuvor als Schlinge um den Hals seines Sohnes gelegte Kordel bereits auf den Richtertisch des Sitzungssaal des Hanseatischen Oberlandesgerichts gelegt hatte, so kann sie doch als Teil der Ursachenkette nicht nur nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Festnahme des Klägers durch das Mobile Einsatzkommando der Polizei mit der dabei ausgeübten Gewaltanwendung entfiele, sondern sie stellt sich im oben beschriebenen Sinne auch als wesentliche Ursache der Verletzung dar. Der Kläger selbst hat in seinem Antrag an die Beklagte vom 6. März 1996 ausgeführt, er habe in der Sorgerechtsverhandlung damit gedroht, seinen Sohn H. mit der Schlinge umzubringen, falls seine anderen Kinder nicht in seiner Gegenwart angehört werden würden. Auch wenn der Kläger nie vorhatte, seine Drohung zu verwirklichen, lag darin doch eine rechtswidrige Geiselnahme, und er musste damit rechnen, dass diese angesichts des Anscheins einer Bedrohung des Lebens des Kindes gravierende Maßnahmen der Polizei, hier den Einsatz des Mobilen Einsatzkommandos mit erheblicher Gewaltanwendung, nach sich ziehen würde. Unter diesen Voraussetzungen ist Opferentschädigung gemäß § 2 Abs. 1 OEG zu versagen, ohne dass der Beklagten Ermessen eingeräumt wäre. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil es nach den vorstehenden Ausführungen an der erforderlichen hinreichenden Erfolgs¬aussicht seiner Rechtsverfolgung fehlt (§ 73 a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung – ZPO –).
Mit der Ablehnung der Prozesskostenhilfe entfällt auch die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73 a SGG i.V.m. § 121 ZPO).
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte für den Kläger, der gleichzeitig Prozesskostenhilfe begehrt, Leistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) zu erbringen hat. Der im Jahre 1950 in Tunesien geborene Kläger hat aus zweiter Ehe mit einer tunesischen Staatsangehörigen vier Kinder. Der jüngste Sohn H. ist im September 1991 geboren. Nach Trennung der Eheleute kam es zum Rechtsstreit über das Sorgerecht für die vier Kinder und über deren Umgang mit dem Vater (Kläger). Am 13. Juli 1993 fand vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in der Familiensache eine mündliche Verhandlung statt, zu welcher der Kläger mit seinem Sohn H. erschienen war. Im Verlaufe der Verhandlung legte der Kläger dem Sohn eine mitgeführte gedrehte Kordel als Schlinge um den Hals, um damit seinem Begehren Nachdruck zu verleihen, dass seine anderen drei Kinder vom Gericht in seiner Gegenwart angehört werden. Einer Aufforderung, die Schlinge zu entfernen, kam er zunächst nach, legte die Schlinge jedoch im Laufe der weiteren Verhandlung wiederum mehrmals um den Hals des Kindes. Gegen Ende der Verhandlung entfernte der Kläger die Schlinge vom Kopf des Sohnes und legte sie auf den Richtertisch. Als der Kläger mit seinem Sohn das Gerichtsgebäude verlassen wollte, wurde er auf dem Flur vor der Tür des Sitzungssaals von herbei gerufenen Kräften des Mobilen Einsatzkommandos der Polizei überwältigt und verhaftet. Der Kläger hatte die Füße des Kindes unter seinem linken Arm an den Körper gepresst. Der Polizei gelang es nur durch Einsatz körperlicher Gewalt, diesen Griff zu lösen und den Kläger zu fesseln. Er wurde von der herbei gerufenen Ärztin Dr. W. untersucht. Nach dem Polizeibericht wies der Kläger aufgrund seiner geleisteten Gegenwehr kleinere Blessuren auf. Am 6. März 1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten Versorgung für Geschädigte nach dem OEG. Er gab an, bei Festnahme im Hanseatischen Oberlandesgericht geschlagen worden zu sein, Hände und Füße seien umgedreht, die rechte Hand beschädigt worden. Der rechte kleine Finger sei noch verkrüppelt. Aus den beigefügten Unterlagen ergab sich, dass der Kläger am 7. Juni 1994 im Allgemeinen Krankenhaus W. wegen einer arthrogenen Beugekontraktur des Kleinfingermittelgelenkes rechts operiert worden war. Bei einer Untersuchung im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus H. wurde am 25. September 1995 eine Beugekontraktur des rechten kleinen Fingers mit Verlust des A 2-Ringbandes diagnostiziert. Unterlagen über eine Behandlung des Klägers in der Haftanstalt waren nicht vorhanden. Über die Verkrüppelung des Fingers hinaus machte der Kläger zur Begründung seines Antrages noch Schmerzen im Handteller beim Heben schwerer Lasten und eine seelische Beeinträchtigung geltend. Mit Bescheid vom 29. Mai 1996 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Versorgung nach dem OEG ab. Zur Begründung führte sie aus, die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 OEG seien nicht gegeben, da ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff auf den Kläger nicht stattgefunden habe. Die herbeigerufene Polizei habe bei der Festnahme des Klägers rechtmäßig gehandelt, da er gedroht habe, das Kind zu töten, falls man seinen Forderungen nicht nachkomme. Der Kläger erhob Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 1998 zurückgewiesen wurde. In der Begründung des Widerspruchsbescheides heißt es, das Landgericht Hamburg habe den Kläger mit rechtskräftigem Urteil vom 31. Mai 1995 im Zusammenhang mit den Ereignissen vom 13. Juli 1993 wegen Geiselnahme zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Der Zugriff der Polizei sei rechtmäßig gewesen, weshalb es an einem rechtswidrigen Angriff im Sinne von § 1 OEG fehle. Die Anwendung von Gewalt dem Kläger gegenüber habe sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Strafverfolgung gedient. Mit seiner am 25. November 1998 vor dem Sozialgericht Hamburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 4. März 2003 abgewiesen: Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger am 13. Juli 1993 im Gebäude des Hanseatischen Oberlandesgerichts im Rahmen eines Polizeieinsatzes durch einen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff geschädigt worden sei, denn die von ihm geltend gemachten Schädigungen könnten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf den behaupteten polizeilichen Angriff zurückgeführt werden. Es gebe keine zeitnahe medizinische Dokumentation z.B. der festgestellten Beugekontraktur des rechten Kleinfingers oder anderer gesundheitlichen Schädigungen, so dass sich der Kläger die Verletzungen auch zu jedem anderen Zeitpunkt (davor oder danach) zugezogen haben könne. Eine wesentliche Verschlimmerung seines seelischen Leidens sei ebenfalls nicht erkennbar. Das Urteil ist dem Kläger am 3. Juli 2003 zugestellt worden. Am 21. Juli 2003 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung seiner Berufung hat er vorgetragen, vorhandene Zeugen für den schädigenden Vorgang seien zu keiner Zeit ordnungsgemäß vernommen worden. Wäre dies geschehen, hätten sie seine Sachverhaltsdarstellung be¬stätigt. Mit Beschluss vom 2. März 2005 (L 4 VG 1 /03) hat der Senat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 24. November 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen: Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, da man ihn nicht über eine ihm unbekannte "instanzübergreifende Richterehe" als Ablehnungsgrund unterrichtet habe. Nach dem Inhalt seines gesamten Vorbringens beantragt der Kläger, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. März 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger aufgrund eines schädigenden Ereignisses vom 13. Juli 1993 dem Grunde nach Leistungen nach dem OEG zu gewähren. Die Beklagte beantragt sinngemäß, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. März 2003 zurückzuweisen. Mit Schreiben vom 1. März 2006 hat das Gericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass (wiederum) beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Gleichzeitig ist den Beteiligten Gelegenheit gegeben worden, sich hierzu binnen zwei Wochen zu äußern. Der Kläger hat daraufhin Prozesskostenhilfe beantragt und gebeten, die Äußerung des beizuordnenden Rechtsanwalts abzuwarten. Die Beklagte hat sich mit der beabsichtigten Verfahrensweise einverstanden erklärt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Prozessakten Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch zurückweisenden Beschluss, da er die Berufung – weiterhin – einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zu Äußerung. Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, weil der Kläger gegenüber der Beklagten aus dem OEG keine Rechte herleiten kann. Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 OEG erhält auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, wer im Geltungsbereich des Gesetzes in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift hier gegeben sind, kann offen bleiben. Es ist schon nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die vom Kläger geltend gemachten gesundheitlichen Schädigungen wesentlich ursächlich auf den polizeilichen Angriff zurückzuführen sind. Nach dem vorliegenden Bericht des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses H. vom 25. September 1995 hat sich der Kläger dort zwar am 14. September 1995 vorgestellt und angegeben, ihm sei bei der Festnahme durch die Polizei im Juni 1993 der rechte kleine Finger verdreht worden, weshalb während der Haft im Jahre 1994 im Allgemeinen Krankenhaus W. eine Korrektur vorgenommen worden sei. In dem Operationsbericht der dortigen handchirurgischen Abteilung vom 7. Juni 1994 (Diagnose: arthrogene Beugekontraktur) ist von einer Verletzungsursache jedoch nicht die Rede. Die im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus festgestellte "Beugekontraktur des rechten Kleinfingers mit Verlust des A 2-Ringbandes" kann sich der Kläger auch zu einem anderen Zeitpunkt zugezogen haben (Beschluss des Senats vom 19. November 2001). Zu Recht weist das Sozialgericht darauf hin, dass es eine zeitnahe medizinische Dokumentation darüber nicht gibt. Die als Folge der Gewalttat geltend gemachte seelische Beeinträchtigung kann, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 19. November 2001 dargelegt hat, ebenfalls nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 13. Juli 1993 zurückgeführt werden. Dies kann jedoch auf sich beruhen. Der Anspruch des Klägers auf Entschädigung ist nämlich von Gesetzes wegen ausgeschlossen, weil ein Versagungsgrund gemäß § 2 Abs. 1 OEG zu seinen Lasten eingreift. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 OEG sind Leistungen nach dem OEG zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Hier hat der Kläger die fragliche Schädigung jedenfalls selbst (mit-)verursacht. Eine rechtlich maßgebliche Mitverursachung der Schädigung durch den Kläger ergibt sich daraus, dass er, unterstellt man einen rechtswidrigen Angriff durch die Polizei, selbst gravierend gegen die Rechtsordnung verstoßen hat. Eine Mitverursachung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 OEG liegt vor, wenn das Verhalten des Geschädigten nach der auch im Opferentschädigungsrecht anwendbaren versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm nicht nur einen nicht hinweg zu denkenden Teil der Ursachenkette, sondern eine wesentliche, d.h. gleichwertige Bedingung neben dem Beitrag des handelnden Angreifers darstellt (Bundessozialgericht –BSG–, Urteil v. 18. April 2001, BSGE Bd. 88 S. 96). Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Geschädigte mit seinem Ursachenbeitrag sich in ähnlich schwerwiegender Weise gegen die Rechtsordnung vergangen hat wie der Schädiger (BSG, Urteil v. 9. Dezember 1998, USK 98162; Urteil v. 18. April 2001, aaO). So aber verhält es sich mit dem Kläger, der wegen eines Verbrechens der Geiselnahme in einem minder schweren Fall gemäß § 239 b, § 239 a Abs. 2 Strafgesetzbuch rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Auch wenn diese Geiselnahme zum Zeitpunkt der Verhaftung des Klägers bereits beendet gewesen sein sollte, weil er die zuvor als Schlinge um den Hals seines Sohnes gelegte Kordel bereits auf den Richtertisch des Sitzungssaal des Hanseatischen Oberlandesgerichts gelegt hatte, so kann sie doch als Teil der Ursachenkette nicht nur nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Festnahme des Klägers durch das Mobile Einsatzkommando der Polizei mit der dabei ausgeübten Gewaltanwendung entfiele, sondern sie stellt sich im oben beschriebenen Sinne auch als wesentliche Ursache der Verletzung dar. Der Kläger selbst hat in seinem Antrag an die Beklagte vom 6. März 1996 ausgeführt, er habe in der Sorgerechtsverhandlung damit gedroht, seinen Sohn H. mit der Schlinge umzubringen, falls seine anderen Kinder nicht in seiner Gegenwart angehört werden würden. Auch wenn der Kläger nie vorhatte, seine Drohung zu verwirklichen, lag darin doch eine rechtswidrige Geiselnahme, und er musste damit rechnen, dass diese angesichts des Anscheins einer Bedrohung des Lebens des Kindes gravierende Maßnahmen der Polizei, hier den Einsatz des Mobilen Einsatzkommandos mit erheblicher Gewaltanwendung, nach sich ziehen würde. Unter diesen Voraussetzungen ist Opferentschädigung gemäß § 2 Abs. 1 OEG zu versagen, ohne dass der Beklagten Ermessen eingeräumt wäre. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil es nach den vorstehenden Ausführungen an der erforderlichen hinreichenden Erfolgs¬aussicht seiner Rechtsverfolgung fehlt (§ 73 a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung – ZPO –).
Mit der Ablehnung der Prozesskostenhilfe entfällt auch die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73 a SGG i.V.m. § 121 ZPO).
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