L 11 KR 3684/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 2194/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3684/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 248 S. 1 SGB V ist im Anschluss an die Entscheidung des BSG vom 24.08.2005 - B 12 KR 29/04 R - verfassungsgemäß. Bestätigung der Entscheidungen vom 25.01.2005 - L 11 KR 4452/04 - und vom 18.04.2005 - L 11 KR 264/05 -.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. August 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, von dem Versorgungsbezug des Klägers seit dem 01.01.2004 Beiträge nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz zu erheben.

Der 1941 geborene Kläger ist bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert. Neben der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich am 01.07.2003 auf 990,15 EUR belief, bezieht er Versorgungsbezüge von seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem beigeladenen S., die seit dem 01.01.2004 in Höhe von 2.497,40 EUR monatlich gezahlt werden.

Mit Bescheid vom 06.05.2004 setzte die Beklagte den vom Kläger zu tragenden monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung aus dem Versorgungsbezug ab dem 01.01.2004 auf 342,14 EUR (Beitragssatz 13,7 %) fest.

Den vom Kläger dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2004 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Beklagte sei verpflichtet nach Maßgabe des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) ab dem 01.01.2004 zur Ermittlung (Bemessung) der Beiträge in der Krankenversicherung die Versorgungsbezüge mit ihrem allgemeinen Beitragssatz von 13,7 % heranzuziehen. Die seit Einführung der Beitragspflicht aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen zum 01.01.1983 bestandene Regelung, wonach die hieraus zu ermittelnden Beiträge der Pflichtversicherten nur mit dem halben Beitragssatz heranzuziehen waren, sei durch das GMG ausdrücklich aufgegeben worden. Die Neuregelung solle - so der Gesetzgeber - die Solidarität der aus dem Berufsleben Ausgeschiedenen mit den Aktiven stärken. Die Gesundheitsausgaben für Rentner würden nur zu 43 % durch deren Beitragszahlungen gedeckt. Insoweit stelle die Anhebung der anzuwendenden Beitragssätze eine notwendige Angleichung dar, um die Belastung der Aktiven zu begrenzen. Sie - die Beklagte - sei verpflichtet, diese Vorgaben umzusetzen. Eine mögliche Rechtswidrigkeit einzelner Vorschriften könne nur auf verfassungsrechtlichem Weg geklärt werden.

Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage trug der Kläger vor, die Neuregelung des GMG verletze Verfassungsrecht. Die Regelung verstoße gegen die allgemeine Handlungsfreiheit des Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Im besonderen habe es der Gesetzgeber versäumt, sein Vertrauen in die bestehende Regelung gegen die Stabilität der Rentenversicherung gerecht abzuwägen. Die Neuregelung führe bei ihm zu einer Mehrbelastung von monatlich ca. 171,07 EUR. Diese exorbitante Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge stelle deshalb auch einen Eingriff in sein Eigentumsrecht nach Artikel 14 GG dar. Dies gelte insbesondere deshalb, weil es ihm aufgrund seines Alters nicht mehr möglich sei, die dadurch entstehende Versorgungslücke durch eigene Vorsorge auszugleichen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung bereits mit Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen worden seien und nun aus den Auszahlungssummen der betrieblichen Versorgung nochmals eine Beitragserhebung stattfinde. Dies sei eine unzulässige doppelte Heranziehung der Rentner. Während seines Erwerbslebens habe er die Lasten der Gesundheitsausgaben der Rentner getragen. Die gesetzgeberische Regelung stelle einen Verstoß gegen den der gesetzlichen Rentenversicherung immanenten Generationenvertrag dar. Die Ziele des Gesetzgebers, den Arbeitsmarkt durch sonst steigende Lohnnebenkosten zu entlasten, dürfe nicht durch eine einseitige Belastung von Personengruppen in der Rentenversicherung erreicht werden. Letztendlich überwiege das Vertrauen der Rentner in die Fortgeltung der alten Regelung des § 248 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hinsichtlich der getroffenen Altersvorsorge und dem Interesse eines funktionierenden Generationenvertrages das Allgemeinwohl.

Mit Gerichtsbescheid vom 25.08.2005 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der angefochtene Bescheid vom 06.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.06.2004 sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür sei § 248 SGB V in der ab 01.01.2004 gültigen Fassung. Die Neuregelung des § 248 SGB V, wonach Versorgungsbezüge in der Höhe des Beitragssatzes bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge heranzuziehen sind, verstoße nicht gegen das Grundgesetz. Das Gericht schließe sich insoweit dem Bundessozialgericht (BSG) an, dies habe mit Urteil vom 24.08.2005 (B 12 KR 29/04 R) entschieden, dass die Neuregelung nicht verfassungswidrig sei.

Hiergegen richtet sich die am 05.09.2005 eingelegte Berufung des Klägers. Er weist unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens darauf hin, dass sich sein Fall wesentlich vom bereits vor dem BSG verhandelten Fall B 12 KR 29/04 R unterscheide. Bei ihm sei die Grenze der Zumutbarkeit mit einer Mehrbelastung in Höhe von 171,07 EUR allein durch die Verdoppelung der Krankenversicherungsbeiträge mehr als überschritten. In seinem Fall müsse die Abwägung ergeben, dass der Vertrauensschutz überwiege. Wegen finanzieller Überlastung müsse ein Ausschluss der Bestandsrentner von der Verdoppelung der Krankenversicherungsbeiträge erfolgen. Bei Rentenreformen würden Übergangs- und Vertrauenstatbestände für rentennahe Jahrgänge geschaffen, um Belastungen zu vermeiden. Warum dies nicht in der Krankenversicherung gelten solle, sei nicht nachvollziehbar. Dies verstoße gegen Artikel 3 GG.

Der Kläger beantragt - sinngemäß -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. August 2005 sowie den Bescheid vom 06. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2004 aufzuheben und festzustellen, dass die von ihm zu tragenden Beiträge zur Krankenversicherung aus dem seit dem 01. Januar 2004 gezahlten Versorgungsbezug 171,07 EUR monatlich betragen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden ist und verweist ergänzend auf das Urteil des BSG vom 24.08.2005 - B 12 KR 29/04 -.

Der Senat hat mit Beschluss vom 06.02.2006 den S. beigeladen. Dieser hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da die Rechtssache wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr, nämlich laufende Beiträge, betrifft.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass zulässige Klageart die Anfechtungs- und Feststellungsklage ist. Da die Beklagte die Beiträge aus dem Versorgungsbezug des Klägers nicht von diesem selbst, sondern nur von dem beigeladenen früheren Arbeitgeber als Zahlstelle des Versorgungsbezugs fordern darf (§ 256 Abs. 1 S. 1 SGB V), hat sie im angefochtenen Bescheid zu Recht nur die Höhe der vom Kläger zu tragenden Beiträge betragsmäßig festgestellt und den von ihr zu Grunde gelegten Beitragssatz als Berechnungselement zur Begründung für die Höhe der Beitragsfestsetzung angeführt. Der Kläger kann eine verbindliche Entscheidung über die von ihm zu tragenden Beiträge aus dem Versorgungsbezug nur durch eine Anfechtung des Bescheides der Beklagten und eine Feststellungsklage erreichen.

Die zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung unter Hinweis auf die Entscheidung des BSG vom 24.08.2005 -B 12 KR 29/04 R -, dem sich der erkennende Senat ebenfalls anschließt, abgewiesen, weswegen der Senat ergänzend auf die Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 06.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.06.2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass von seinen Versorgungsbezügen auch nach dem 01.01.2004 nur der halbe Beitragssatz bei der Bemessung des Beitrages zur Krankenversicherung in Abzug zu bringen ist.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Senat bereits mit Urteil vom 25.01.2005 - L 11 KR 4452/04 - und Beschluss vom 18.04.2005 - L 11 KR 264/05 - hinsichtlich der Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen nach dem vollen Beitragssatz ab 01.01.2004 entschieden hat, dass § 248 SGB V in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 GG verstößt und es sich auch um keine unzulässige Rückwirkung handelt. Der Senat hat in diesen Entscheidungen unter weiterem Hinweis auf die Entscheidungen des Sozialgerichts München vom 30.09.2004 (S 2 KR 321/04), des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.01.2005 (S 9 KR 264/04) und des Sozialgerichts Köln vom 09.08.2004 (S 19 KR 398/04) § 248 SGB V in der ab 01.01.2004 gültigen Fassung für verfassungsgemäß erachtet. Auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat in seiner Entscheidung vom 11.08.2005 - L 5 KR 6/05 - diese Auffassung vertreten.

Hiervon ist auch im Falle des Klägers nicht abzuweichen. Zwar hat sich der Krankenversicherungsbeitrag des Klägers um 171,07 EUR monatlich erhöht, während in dem vom BSG entschiedenen Fall die Erhöhung nur etwa 90,- EUR betrug. Zu beachten ist insoweit jedoch, dass sich dieser Beitrag deshalb ergibt, weil der Kläger einen monatlichen Versorgungsbezug in Höhe von 2.497,40 EUR erhält und sich der Beitragssatz an der Höhe dieses Versorgungsbezuges, der außergewöhnlich hoch ist, orientiert. Ihm verbleibt von den Versorgungsbezügen monatlich 2155,26 EUR. Daneben erhält er eine Rente, die sich am 01.07.2003 auf 990,15 EUR belief. Unter Beachtung dieser Einkünfte ist der Kläger durch den Krankenversicherungsbeitrag keinesfalls unzumutbar belastet. Einer "Erdrosselungswirkung", die einen unzulässigen Eingriff in Artikel 14 GG darstellen würde, kommt dies nicht gleich (vg. BVerfG Beschluss vom 31.05.1990 - 2 BvR 1436/87 - in BVerGE 82, 159 (190)). Auch bei einer Abwägung zwischen dem Vertrauen des Klägers auf das Fortbestehen der bisherigen Rechtslage ist dem Interesse des Klägers kein Vorrang einzuräumen. Abgesehen davon, dass das Vertrauen des Klägers in den Fortbestand einer günstigen beitragsrechtlichen Lage angesichts der zahlreichen Änderungen im Beitragsrecht in der Vergangenheit nur eingeschränkt schutzwürdig ist (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13.12.2002 - 1 BvR 1660/96 - in NZS 2003, 254 (256)), hat das Bestandsinteresse des Klägers bei der gebotenen Abwägung kein größeres Gewicht als die öffentlichen Belange, die der Gesetzgeber mit der Neuregelung verfolgte. Insoweit schließt sich der erkennende Senat dem Urteil des BSG vom 24.08.2005 an. Da hier auch nur eine finanzielle Mehrbelastung Folge der Gesetzesänderung ist, waren im Gegensatz zu Rentenreformen, bei denen die Lebensplanung betroffen ist, keine Übergangs- und Vertrauenstatbestände für rentennahe Jahrgänge zu schaffen. Dies stellt einen gewichtigen Unterschied dar, der eine "Ungleichbehandlung" rechtfertigt. Abgesehen davon wäre dies aber auch nur eine Ungleichbehandlung der Systeme, nicht jedoch des Klägers als Normadressat, was allein von Artikel 3 GG erfasst wird. Im übrigen hätte der Ausschluss der Bestandsrentner von der Erhöhung der Beitragslast eine lang dauernde Ungleichbehandlung zwischen Gruppen von versicherungspflichtigen Rentnern zur Folge gehabt und die angestrebte Erhöhung der Einnahmen erst in vielen Jahren tatsächlich wirksam werden lassen (vgl. BSG Urteil vom 24.08.2005).

Die Berufung des Klägers war daher insgesamt zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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