S 62 AY 37/05 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
62
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 62 AY 37/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Antragsteller, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (im Folgenden: AsylbLG) beziehen, begehren im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die Übernahme einer Kaution zur Anmietung der Wohnung H.-Stieg.

Der gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (im Folgenden: SGG) zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt ohne Erfolg. Die Antragsteller haben nicht in dem hohen Maße glaubhaft gemacht, das für den Erlass einer die Hauptsache faktisch vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung erforderlich ist, dass sie die begehrte Leistung beanspruchen können – so genannter Anordnungsanspruch – und hierauf zur Vermeidung wesentlicher Nachteile unverzüglich angewiesen sind – so genannter Anordnungsgrund (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung, ZPO).

Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass sie die Übernahme der Kaution durch die Antragsgegnerin beanspruchen können. Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 3 AsylbLG. Diese Vorschrift sieht die Übernahme der Kosten für eine Mietkaution nicht vor. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG wird u.a. der notwendige Bedarf an Unterkunft durch Sachleistungen gedeckt. Der Leistungsträger kann diese Sachleistung durch Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft oder durch Übernahme der Miete für eine privat angemietete Wohnung decken (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. April 1998, Az: 24 B 515/98, in juris). Ein Anspruch auf Unterbringung in einer Privatwohnung besteht nicht, wenn die Betroffenen – wie hier die Antragsteller – bereits in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht sind (ebenda; Adolph, in: Linhart/Adolph, SGB ii; SGB XII, AsylbLG, Stand: August 2005, § 3 AsylbLG Rn. 19). Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen sieht § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG vor, dass auch die notwendigen Kosten für Unterkunft, Heizung und Hausrat übernommen werden. Wohnungsbeschaffungskosten, insbesondere für eine Mietkaution, werden nicht genannt. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie von den in § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG genannten Unterkunftskosten umfasst sind. Das Sozialleistungsrecht unterscheidet sowohl in der Sozialhilfe als auch in der Grundsicherung für Arbeitssuchende zwischen den – laufenden – Unterkunftskosten und den einmaligen Wohnungsbeschaffungskosten. So werden im Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (im Folgenden: SGB XII) die Unterkunftskosten in § 29 Abs. 1 Satz 1 geregelt; während die Wohnungsbeschaffungskosten und insbesondere die Kaution separat in § 29 Abs. 1 Satz 7 und 8 aufgeführt werden. Diese Differenzierung setzt sich mit § 22 Abs. 1 Satz 1 und § 22 Abs. 3 Satz 1 im Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) fort. Es ist kein Grund ersichtlich, abweichend hiervon im AsylbLG die Kaution unter die Unterkunftskosten zu fassen.

Ebenso wenig können die Antragsteller ihren Anspruch auf § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG stützen. Nach dieser Vorschrift können zusätzlich zu der Grundsicherung sonstige Leistungen gewährt werden, u.a. wenn sie im Einzelfall zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind. Bei Vorliegen besonderer Umstände können die Leistungen abweichend vom Sachleistungsprinzip als Geldleistung gewährt werden. Der Vorschrift kommt Auffangcharakter für den Fall zu, dass die nach den §§ 3, 4 AsylbLG zu erbringenden Leistungen im Einzelfall das verfassungsrechtlich gebotene Existenzminimum nicht gewährleisten (Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 28. Januar 2004, Az: 1 O 5/05, in juris). Nach dem Erkenntnisstand im Eilverfahren erscheint die Kautionsübernahme nicht unerlässlich zur Sicherung der Gesundheit der Antragsteller, insbesondere der Antragstellerin zu 1. Es mag zwar sein, dass die Antragsteller ohne Kautionsübernahme keine ausreichenden eigenen Mittel haben, die anvisierte Wohnung anzumieten, obwohl die Antragsgegnerin sich zur Übernahme der Miete bereit erklärte. Doch hält das Gericht bei derzeitigem Erkenntnisstand den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft nicht für unerlässlich aus medizinischen Gründen. Damit ist der Antragsgegnerin kein Entschließungsermessen eröffnet. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten leidet die Antragstellerin zu 1. u.a. an einer chronischen Nierenerkrankung, im Juli 2003 musste sie sich einer Nierentransplantation unterziehen. Ihr behandelnder Internist Herr Dr. B. bescheinigt, dass sich die Antragstellerin zu 1. regelmäßig ärztlich untersuchen, beraten und behandeln lassen müsse (Arztbrief vom 8. Dezember 2004, Bl. 8 der Prozessakte und Bescheinung vom 1. Juni 2005 Bl. 4 der Prozessakte). Es ist für das Gericht nicht erkennbar, warum sie diese Arzttermine nicht von der Gemeinschaftsunterkunft aus wahrnehmen kann. Es finden sich in den vorliegenden Unterlagen auch keine Hinweise auf eine medizinisch notwendige Eigenbehandlung oder (Hygiene-) Maßnahmen, die nicht in der Gemeinschaftsunterkunft durchgeführt werden könnten. Aufgrund der Schilderung in der Ärztlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts Mitte vom 11. April 2005 (Bl. 16 der Prozessakte) geht das Gericht davon aus, dass die Antragsteller dort gemeinsam ein eigenes Zimmer bewohnen; Küche und Bad werden mit einer weiteren Familie geteilt. Nach derzeitigem Erkenntnisstand besteht diese Wohnsituation seit der Nierentransplantation im Juli 2003. Hinweise auf eine seitdem eingetretene wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Antragstellerin zu 1. liegen nicht vor. Für die Antragsteller streitet allein die Stellungnahme des Gesundheitsamts Mitte vom 11. April 2005, wonach der Antrag auf Wohnraumbeschaffung aufgrund des ärztlichen Befunds befürwortet werde. Diese Stellungnahme enthält jedoch keine Begründung, so dass sie für sich genommen nicht die Unerlässlichkeit des Auszugs aus der Gemeinschaftsunterkunft zu begründen vermag. Weitere Erkenntnismittel stehen dem Gericht in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zur Verfügung. Es war jedoch bereits heute über den Eilantrag zu entscheiden; ausweislich des Schreibens der Freien und Hansestadt Hamburg vom 4. November 2005 (Bl. 5 der Prozessakte) gilt das Wohnungsangebot für die Wohnung H.-Stieg nur bis zum 18. November 2005.

Schließlich können die Antragsteller ihren Anspruch nicht auf § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 7 und 8 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (im Folgenden: SGB XII). Das Gericht lässt es offen, ob die Antragsteller die Wartezeit von 36 Monaten erfüllt haben, so dass sie Anspruch auf höhere Leistungen analog dem SGB XII haben. Insbesondere lässt es offen, ob die Antragsteller die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben; hierzu liegen auch nach einer telefonischen Nachfrage bei der zuständigen Ausländerbehörde derzeit keine gesicherten Erkenntnisse vor. Jedenfalls ist auch nach den Vorschriften des SGB XII eine Kaution nur zu übernehmen, wenn der Umzug notwendig und ohne die Übernahme der Mietkaution eine Unterkunft in angemessener Zeit nicht zu erlangen wäre (Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 29 Rn. 55). Notwendig ist ein Umzug, wenn die bisherige Unterkunft nicht bedarfsdeckend ist (ebenda). Dies ist hier nicht der Fall. Die Antragsteller sind bislang in der Gemeinschaftsunterkunft untergebracht; das Gericht geht davon aus, dass ihnen diese Unterkunft auch weiterhin zur Verfügung steht, sollten sie die Wohnung H.-Stieg nicht anmieten. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Gemeinschaftsunterkunft nicht ihren Bedarf deckt. Dass derzeit nicht erkennbar ist, warum sie dort aus medizinischen Gründen nicht verbleiben könne, wurde bereits ausgeführt.

Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

Die Antragsteller müssen die Kaution daher aus eigenen Mitteln aufbringen. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass die Antragsteller gemäß § 551 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), berechtigt sind, die Kaution in drei Teilen zu zahlen. Lediglich die erste Rate ist zu Beginn des Mietverhältnisses fällig; die beiden weiteren Raten sind nach einem bzw. nach zwei Monaten zu zahlen.
Rechtskraft
Aus
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