Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 52 AL 499/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 1/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. Dezember 2003 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2003 wird geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zusätzlich Insolvenzgeld für weitere 1.000 USD zum Umrechnungskurs des 31. Juli 2002 zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höheres Insolvenzgeld unter Berücksichtigung eines so genannten retention payment.
Der Kläger war zuletzt als Syndikusanwalt bzw. Justitiar bei der Firma E (G)
GmbH, die Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation anbot, beschäftigt. Die Firma bot ihren Mitarbeitern Aktienoptionsprogramme an, mit denen zusätzliche Betriebstreue- Anreize geschaffen werden sollten. Unter dem 7. Januar 2002 teilte die Firma den Mitarbeitern mit, dass dieses Programm infolge des Abwärtstrends des Aktienkurses praktisch ausgelöscht sei. Weiter heißt es in dem Schreiben wörtlich: "Nach dem Abschluss der finanziellen Restrukturierung werden wir daher versuchen, ein neues, langfristiges Anreizprogramm zu beschließen, um das Aktienoptionsprogramm zu ersetzen." Für die Zwischenzeit sollte eine Zahlung zur Erhaltung der Betriebstreue erfolgen, um die Mitarbeiter zu halten und ihre Leistung anzuerkennen. "Diese Zahlung" – so wörtlich – "dient der Anerkennung der von allen Mitarbeitern in diesen schweren Zeiten erbrachten Unterstützungsleistung. Für jede "2 für 3"-Option wird eine Zahlung im Gegenwert von USD 0.60 in lokaler Währung erfolgen – davon werden 50 % am 1. Januar 2002 und weitere 50 % am 1. Juli 2002 zur Zahlung fällig. Die Mindest(-brutto)-Zahlung beträgt USD 2 000. Neue Mitarbeiter, die zwischen dem 22. Dezember 2000 und dem 31. Juli 2001 eingestellt wurden und denen eine Aktienoptionszuteilung zugesagt wurde, sind ebenfalls zur Teilnahme berechtigt, wobei sich die Höhe ihrer Zahlung nach der Anzahl der in ihren Angebotsbriefen zugesagten Optionen bemisst. Um sich für die Zahlungen zu qualifizieren, müssen die betreffenden Mitarbeiter am 1. Januar 2002 bzw. am 1. Juli 2002 ein aktives Beschäftigungsverhältnis aufweisen. Wir hoffen, dass diese Geste einiges dazu beiträgt, alle unsere Mitarbeiter unserer Anerkennung für ihre Leistungsbereitschaft und ihre Loyalität in diesem wichtigen Abschnitt der Konzerngeschichte zu versichern." In einer Ankündigung der Firma vom 24. Januar 2002 an den Kläger persönlich wird ausgeführt:" sind wir froh, Ihnen mitteilen zu können, dass die erste Tranche der besonderen Treuezahlung im Rahmen der Gehaltszahlung für den Januar erfolgen wird. Wie Sie wissen, wird Ihr Zahlungsanspruch aus der Anzahl der Ihnen im Rahmen der im Dezember 2002 (gemeint ist wohl 2001) "2 für 3"-Optionsemission gewährten Aktienoptionen hergeleitet. Damit findet die Minimalzahlung von USD 2 000 Anwendung. USD 1 000 oder EUR 1.123,10 sind mit der Gehaltszahlung für Januar 2002 fällig. Im Hinblick auf die zweite Tranche hat K erklärt, dass sie diese Verpflichtung erfüllen wird. Daher wird die Restzahlung in Höhe von USD 1 000 unter der Voraussetzung mit der Gehaltszahlung für Juli 2002 ausgezahlt, dass Sie am 1. Juli 2002 noch aktiv beschäftigt sind. "
Zu der wegen Liquiditätsschwierigkeiten der Firma geplanten Übernahme durch die Firma K G GmbH im Frühjahr 2002 kam es dann nicht mehr; für beide Firmen wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 19. August 2002 das Insolvenz-verfahren eröffnet.
Der Kläger stellte am 6. September 2002 einen Antrag auf Insolvenzgeld bei der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis war von Seiten der Arbeitgeberin zum 30. November 2002 gekündigt worden; ab dem 1. September 2002 erhielt der Kläger Arbeitslosengeld. Entsprechend der Bescheinigung des Insolvenzverwalters vom 5. September 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 16. Oktober 2002 Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 11.929,58 EUR für den Zeitraum vom 01. Juni bis 18. August 2002.
Den Widerspruch des Klägers hiergegen, mit dem er Insolvenzgeld auch für das retention payment in Höhe von 1000 USD begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2003 zurück: Die auf den Insolvenzgeldzeitraum entfallenden und vom Insolvenzverwalter anerkannten offenen Arbeitsentgeltansprüche seien mit dem angefochtenen Bescheid ersetzt worden. Soweit daneben Insolvenzgeld für das retention payment verlangt werde, könne dem nicht gefolgt werden. Hierbei handele es sich nicht um einen Anspruch aus dem Insolvenzgeldzeitraum.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Februar 2003 Klage erhoben und vorgetragen, das retention payment sei in Höhe von 1 000 USD im Januar 2002 fällig gewesen und ausgezahlt worden. Die zweite Tranche in Höhe von 1 000 USD sei erst im Juli 2002 fällig geworden und müsse daher bei der Insolvenzgeldbewilligung berücksichtigt werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. Dezember 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Arbeitgeberin des Klägers, die zuvor zur Erhaltung der Betriebstreue ein Aktienprogramm angeboten hatte, habe aufgrund des Abwärtstrends des Aktienkurses den Mitarbeitern zur Kompensation des Aktienwertverlustes im Jahre 2001 angeboten, dass für jede "2 für 3"-Option eine Zahlung im Gegenwert von 0,60 USD in lokaler Währung erfolgen und hiervon 50 % am 1. Januar 2002 und weitere 50 % am 1. Juli 2002 zur Zahlung fällig werden sollten. Der Ankündigung der Arbeitgeberin vom 24. Januar 2002 im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 07. Januar 2002 sei zu entnehmen, dass der Zahlungsanspruch aus der Anzahl der dem Kläger im Rahmen der im Dezember 2001 zustehenden Aktienoptionen hergeleitet werde. Daraus und aus der Formulierung, dass die K sich bereit erklärt habe, die Verpflichtung für die Restzahlung unter bestimmten Voraussetzungen zu übernehmen, folge, dass das Gesamt- retention payment in Höhe von
2 000 USD, das der Kompensation des Aktienkursverlustes im Jahre 2001 diene, im Januar 2002 fällig gewesen sei und mit der Gehaltszahlung für Januar 2002 hätte ausgezahlt werden müssen. Bei der vorgeschlagenen Ratenzahlung für Januar und Juli 2002 habe es sich lediglich um eine tatsächlich vorgenommene Stundung im Sinne eines Hinausschiebens der Fälligkeit gehandelt, die keine Einbeziehung in den Insolvenzgeldzeitraum vom 1. Juni bis 18. August 2002 rechtfertige.
Gegen diesen ihm am 18. Dezember 2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 5. Januar 2004, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er beruft sich auf sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, gegen eine Stundungsabrede spreche die Tatsache, dass der Arbeitgeber die Zahlung der zweiten Tranche von der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt dieser Zahlung abhängig gemacht habe; damit habe die Entstehung des Anspruchs auf die zweite Tranche einer Bedingung unterlegen, so dass der Zahlungsanspruch dementsprechend erst im Juli 2002 habe entstehen können.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. Dezember 2003 aufzuheben,
den Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchs-
bescheides vom 17. Januar 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm zusätzlich Insolvenzgeld für weitere 1 000 USD zum Umrechnungskurs des 31. Juli 2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend und führt ergänzend aus, das retention payment stelle weder einen vertraglich zugesicherten Gehaltsbestandteil dar noch sei es aufgrund einer betrieblichen Übung vorgesehen gewesen. Es habe der Kompensation des Aktienkursverlustes des Unternehmens im Jahre 2001 gedient, so dass die entsprechenden Optionen auch in diesem Jahr erarbeitet worden seien, also zu einer Zeit, die dem Insolvenzgeldzeitraum nicht zugeordnet werden könnten.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakten der Beklagten (3 Bände), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht beurteilt die Sach- und Rechtslage nicht zutreffend. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2003 ist rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf zusätzliches Insolvenzgeld.
Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III hat Anspruch auf Insolvenzgeld ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören nach § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB III alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis, das heißt alle Zahlungen des Arbeitgebers, die als Gegenwert für geleistete Arbeit oder das Zurverfügung- stellen der Arbeitskraft angesehen werden können, und zwar unabhängig davon, ob es sich hierbei um lohnsteuer- oder sozialversicherungsrechtliche Bezüge handelt (Schmidt in PK – SGB III § 183 Rz. 66 m.w.N.).
Bei der streitigen Sonderzahlung, deren Einbeziehung in das Insolvenzgeld der Kläger fordert, handelt es sich demnach um einen Anspruch auf Arbeitsentgelt im Sinne des § 183 Abs. 1 SGB III (vgl. hierzu auch BSG-Urteil vom 02.11.2000 SozR 3 – 4100 § 141 b Nr. 21). Der Kläger hatte gegenüber seiner Arbeitgeberin Anspruch auf das retention payment. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Anstellungsvertrag vom 20. Februar 2001 selbst, der hierzu keine Regelung enthält; vielmehr wurden im Arbeitsvertrag Optionen auf so genannte GTS-Stammaktien zugesichert; von dieser Regelung wurde dann ab Januar 2002 wegen unzumutbar niedriger Börsenwerte kein Gebrauch mehr gemacht; jedoch hatte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 7. Januar 2002 den Arbeitnehmern eine Ausgleichszahlung für die im Einzelnen entgangenen Aktienoptionen zugesichert, die dementsprechend im Einzelfall unterschiedlich hoch war und im Fall des Klägers 2 000 USD betragen sollte (Schreiben an den Kläger vom 24. Januar 2002). Diese Sonderzahlung stand grundsätzlich allen Arbeitnehmern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten und Besitz von Aktienoptionen) in individuell errechneter Höhe zu. Damit ist das retention payment ein Ausgleich für den Verlust der den Arbeitnehmern des Betriebs gewährten, inzwischen wertlos gewordenen Aktienoptionen und damit eine Gegenleistung der Arbeitgeberin für die geleistete Arbeit und eine Belohnung der Betriebstreue ihrer Arbeitnehmer.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Vorinstanz ist die zweite Tranche des retention payment auch bei der Berechnung des Insolvenzgeldes zu berücksichtigen. Zwar ist die genannte Sonderzahlung nicht zeitanteilig erarbeitet, denn hierfür waren feste Auszahlungszeitpunkte ohne Staffelung des Auszahlungsbetrags für die zweite Tranche im Falle des Ausscheidens eines Arbeitnehmers vor dem Juli 2002 vorgesehen (vgl. BSG-Urteil vom 21. Juli 2005 – B 11a/11 AL 53/04 R - recherchiert in Juris mit weiteren Nachweisen). Die Sonderzahlung kann deshalb – soweit sie nicht bereits von der Arbeitgeberin ausbezahlt worden ist – bei der Bemessung des Insolvenzgeldes nur dann berücksichtigt werden, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzereignis – hier also in dem Zeitraum vom 19. Mai bis 18. August 2002 – fällig gewesen ist (BSG-Urteil vom 10. September 1987 SozR 4100 § 141b Nr. 40) und das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch bestand. Das ist hier der Fall, denn die zweite Tranche des retention payment war im Juli 2002 fällig, und das Arbeitsverhältnis bestand zu diesem Zeitpunkt noch fort. Zwar stand die Höhe der jedem einzelnen Mitarbeiter zustehenden Sonderzahlung bereits im Januar 2002 fest. Fällig war dieser Betrag jedoch nur zur Hälfte im Januar 2002, zur anderen Hälfte aber erst im Juli 2002 und nur bei zu diesem Zeitpunkt weiter bestehender Betriebszugehörigkeit. Erklärte Absicht dieses Vorgehens war, dass die Mitarbeiter auch künftig an die Firma gebunden bleiben und ihre weitere Betriebstreue belohnt werden sollte. Da somit der Anspruch auf die zweite Tranche der Sonderzahlung erst in den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis entstanden und von der früheren Arbeitgeberin nicht befriedigt worden ist, besteht in Höhe dieser Sonderzahlung auch Anspruch auf Insolvenzgeld (vgl. BSG-Urteil vom 7. September 1988 SozR 4100 § 141b Nr. 42).
Die Kostenentscheidung beruht folgt aus § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höheres Insolvenzgeld unter Berücksichtigung eines so genannten retention payment.
Der Kläger war zuletzt als Syndikusanwalt bzw. Justitiar bei der Firma E (G)
GmbH, die Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation anbot, beschäftigt. Die Firma bot ihren Mitarbeitern Aktienoptionsprogramme an, mit denen zusätzliche Betriebstreue- Anreize geschaffen werden sollten. Unter dem 7. Januar 2002 teilte die Firma den Mitarbeitern mit, dass dieses Programm infolge des Abwärtstrends des Aktienkurses praktisch ausgelöscht sei. Weiter heißt es in dem Schreiben wörtlich: "Nach dem Abschluss der finanziellen Restrukturierung werden wir daher versuchen, ein neues, langfristiges Anreizprogramm zu beschließen, um das Aktienoptionsprogramm zu ersetzen." Für die Zwischenzeit sollte eine Zahlung zur Erhaltung der Betriebstreue erfolgen, um die Mitarbeiter zu halten und ihre Leistung anzuerkennen. "Diese Zahlung" – so wörtlich – "dient der Anerkennung der von allen Mitarbeitern in diesen schweren Zeiten erbrachten Unterstützungsleistung. Für jede "2 für 3"-Option wird eine Zahlung im Gegenwert von USD 0.60 in lokaler Währung erfolgen – davon werden 50 % am 1. Januar 2002 und weitere 50 % am 1. Juli 2002 zur Zahlung fällig. Die Mindest(-brutto)-Zahlung beträgt USD 2 000. Neue Mitarbeiter, die zwischen dem 22. Dezember 2000 und dem 31. Juli 2001 eingestellt wurden und denen eine Aktienoptionszuteilung zugesagt wurde, sind ebenfalls zur Teilnahme berechtigt, wobei sich die Höhe ihrer Zahlung nach der Anzahl der in ihren Angebotsbriefen zugesagten Optionen bemisst. Um sich für die Zahlungen zu qualifizieren, müssen die betreffenden Mitarbeiter am 1. Januar 2002 bzw. am 1. Juli 2002 ein aktives Beschäftigungsverhältnis aufweisen. Wir hoffen, dass diese Geste einiges dazu beiträgt, alle unsere Mitarbeiter unserer Anerkennung für ihre Leistungsbereitschaft und ihre Loyalität in diesem wichtigen Abschnitt der Konzerngeschichte zu versichern." In einer Ankündigung der Firma vom 24. Januar 2002 an den Kläger persönlich wird ausgeführt:" sind wir froh, Ihnen mitteilen zu können, dass die erste Tranche der besonderen Treuezahlung im Rahmen der Gehaltszahlung für den Januar erfolgen wird. Wie Sie wissen, wird Ihr Zahlungsanspruch aus der Anzahl der Ihnen im Rahmen der im Dezember 2002 (gemeint ist wohl 2001) "2 für 3"-Optionsemission gewährten Aktienoptionen hergeleitet. Damit findet die Minimalzahlung von USD 2 000 Anwendung. USD 1 000 oder EUR 1.123,10 sind mit der Gehaltszahlung für Januar 2002 fällig. Im Hinblick auf die zweite Tranche hat K erklärt, dass sie diese Verpflichtung erfüllen wird. Daher wird die Restzahlung in Höhe von USD 1 000 unter der Voraussetzung mit der Gehaltszahlung für Juli 2002 ausgezahlt, dass Sie am 1. Juli 2002 noch aktiv beschäftigt sind. "
Zu der wegen Liquiditätsschwierigkeiten der Firma geplanten Übernahme durch die Firma K G GmbH im Frühjahr 2002 kam es dann nicht mehr; für beide Firmen wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 19. August 2002 das Insolvenz-verfahren eröffnet.
Der Kläger stellte am 6. September 2002 einen Antrag auf Insolvenzgeld bei der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis war von Seiten der Arbeitgeberin zum 30. November 2002 gekündigt worden; ab dem 1. September 2002 erhielt der Kläger Arbeitslosengeld. Entsprechend der Bescheinigung des Insolvenzverwalters vom 5. September 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 16. Oktober 2002 Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 11.929,58 EUR für den Zeitraum vom 01. Juni bis 18. August 2002.
Den Widerspruch des Klägers hiergegen, mit dem er Insolvenzgeld auch für das retention payment in Höhe von 1000 USD begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2003 zurück: Die auf den Insolvenzgeldzeitraum entfallenden und vom Insolvenzverwalter anerkannten offenen Arbeitsentgeltansprüche seien mit dem angefochtenen Bescheid ersetzt worden. Soweit daneben Insolvenzgeld für das retention payment verlangt werde, könne dem nicht gefolgt werden. Hierbei handele es sich nicht um einen Anspruch aus dem Insolvenzgeldzeitraum.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Februar 2003 Klage erhoben und vorgetragen, das retention payment sei in Höhe von 1 000 USD im Januar 2002 fällig gewesen und ausgezahlt worden. Die zweite Tranche in Höhe von 1 000 USD sei erst im Juli 2002 fällig geworden und müsse daher bei der Insolvenzgeldbewilligung berücksichtigt werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. Dezember 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Arbeitgeberin des Klägers, die zuvor zur Erhaltung der Betriebstreue ein Aktienprogramm angeboten hatte, habe aufgrund des Abwärtstrends des Aktienkurses den Mitarbeitern zur Kompensation des Aktienwertverlustes im Jahre 2001 angeboten, dass für jede "2 für 3"-Option eine Zahlung im Gegenwert von 0,60 USD in lokaler Währung erfolgen und hiervon 50 % am 1. Januar 2002 und weitere 50 % am 1. Juli 2002 zur Zahlung fällig werden sollten. Der Ankündigung der Arbeitgeberin vom 24. Januar 2002 im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 07. Januar 2002 sei zu entnehmen, dass der Zahlungsanspruch aus der Anzahl der dem Kläger im Rahmen der im Dezember 2001 zustehenden Aktienoptionen hergeleitet werde. Daraus und aus der Formulierung, dass die K sich bereit erklärt habe, die Verpflichtung für die Restzahlung unter bestimmten Voraussetzungen zu übernehmen, folge, dass das Gesamt- retention payment in Höhe von
2 000 USD, das der Kompensation des Aktienkursverlustes im Jahre 2001 diene, im Januar 2002 fällig gewesen sei und mit der Gehaltszahlung für Januar 2002 hätte ausgezahlt werden müssen. Bei der vorgeschlagenen Ratenzahlung für Januar und Juli 2002 habe es sich lediglich um eine tatsächlich vorgenommene Stundung im Sinne eines Hinausschiebens der Fälligkeit gehandelt, die keine Einbeziehung in den Insolvenzgeldzeitraum vom 1. Juni bis 18. August 2002 rechtfertige.
Gegen diesen ihm am 18. Dezember 2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 5. Januar 2004, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er beruft sich auf sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, gegen eine Stundungsabrede spreche die Tatsache, dass der Arbeitgeber die Zahlung der zweiten Tranche von der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt dieser Zahlung abhängig gemacht habe; damit habe die Entstehung des Anspruchs auf die zweite Tranche einer Bedingung unterlegen, so dass der Zahlungsanspruch dementsprechend erst im Juli 2002 habe entstehen können.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. Dezember 2003 aufzuheben,
den Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchs-
bescheides vom 17. Januar 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm zusätzlich Insolvenzgeld für weitere 1 000 USD zum Umrechnungskurs des 31. Juli 2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend und führt ergänzend aus, das retention payment stelle weder einen vertraglich zugesicherten Gehaltsbestandteil dar noch sei es aufgrund einer betrieblichen Übung vorgesehen gewesen. Es habe der Kompensation des Aktienkursverlustes des Unternehmens im Jahre 2001 gedient, so dass die entsprechenden Optionen auch in diesem Jahr erarbeitet worden seien, also zu einer Zeit, die dem Insolvenzgeldzeitraum nicht zugeordnet werden könnten.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakten der Beklagten (3 Bände), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht beurteilt die Sach- und Rechtslage nicht zutreffend. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2003 ist rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf zusätzliches Insolvenzgeld.
Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III hat Anspruch auf Insolvenzgeld ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören nach § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB III alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis, das heißt alle Zahlungen des Arbeitgebers, die als Gegenwert für geleistete Arbeit oder das Zurverfügung- stellen der Arbeitskraft angesehen werden können, und zwar unabhängig davon, ob es sich hierbei um lohnsteuer- oder sozialversicherungsrechtliche Bezüge handelt (Schmidt in PK – SGB III § 183 Rz. 66 m.w.N.).
Bei der streitigen Sonderzahlung, deren Einbeziehung in das Insolvenzgeld der Kläger fordert, handelt es sich demnach um einen Anspruch auf Arbeitsentgelt im Sinne des § 183 Abs. 1 SGB III (vgl. hierzu auch BSG-Urteil vom 02.11.2000 SozR 3 – 4100 § 141 b Nr. 21). Der Kläger hatte gegenüber seiner Arbeitgeberin Anspruch auf das retention payment. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Anstellungsvertrag vom 20. Februar 2001 selbst, der hierzu keine Regelung enthält; vielmehr wurden im Arbeitsvertrag Optionen auf so genannte GTS-Stammaktien zugesichert; von dieser Regelung wurde dann ab Januar 2002 wegen unzumutbar niedriger Börsenwerte kein Gebrauch mehr gemacht; jedoch hatte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 7. Januar 2002 den Arbeitnehmern eine Ausgleichszahlung für die im Einzelnen entgangenen Aktienoptionen zugesichert, die dementsprechend im Einzelfall unterschiedlich hoch war und im Fall des Klägers 2 000 USD betragen sollte (Schreiben an den Kläger vom 24. Januar 2002). Diese Sonderzahlung stand grundsätzlich allen Arbeitnehmern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten und Besitz von Aktienoptionen) in individuell errechneter Höhe zu. Damit ist das retention payment ein Ausgleich für den Verlust der den Arbeitnehmern des Betriebs gewährten, inzwischen wertlos gewordenen Aktienoptionen und damit eine Gegenleistung der Arbeitgeberin für die geleistete Arbeit und eine Belohnung der Betriebstreue ihrer Arbeitnehmer.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Vorinstanz ist die zweite Tranche des retention payment auch bei der Berechnung des Insolvenzgeldes zu berücksichtigen. Zwar ist die genannte Sonderzahlung nicht zeitanteilig erarbeitet, denn hierfür waren feste Auszahlungszeitpunkte ohne Staffelung des Auszahlungsbetrags für die zweite Tranche im Falle des Ausscheidens eines Arbeitnehmers vor dem Juli 2002 vorgesehen (vgl. BSG-Urteil vom 21. Juli 2005 – B 11a/11 AL 53/04 R - recherchiert in Juris mit weiteren Nachweisen). Die Sonderzahlung kann deshalb – soweit sie nicht bereits von der Arbeitgeberin ausbezahlt worden ist – bei der Bemessung des Insolvenzgeldes nur dann berücksichtigt werden, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzereignis – hier also in dem Zeitraum vom 19. Mai bis 18. August 2002 – fällig gewesen ist (BSG-Urteil vom 10. September 1987 SozR 4100 § 141b Nr. 40) und das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch bestand. Das ist hier der Fall, denn die zweite Tranche des retention payment war im Juli 2002 fällig, und das Arbeitsverhältnis bestand zu diesem Zeitpunkt noch fort. Zwar stand die Höhe der jedem einzelnen Mitarbeiter zustehenden Sonderzahlung bereits im Januar 2002 fest. Fällig war dieser Betrag jedoch nur zur Hälfte im Januar 2002, zur anderen Hälfte aber erst im Juli 2002 und nur bei zu diesem Zeitpunkt weiter bestehender Betriebszugehörigkeit. Erklärte Absicht dieses Vorgehens war, dass die Mitarbeiter auch künftig an die Firma gebunden bleiben und ihre weitere Betriebstreue belohnt werden sollte. Da somit der Anspruch auf die zweite Tranche der Sonderzahlung erst in den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis entstanden und von der früheren Arbeitgeberin nicht befriedigt worden ist, besteht in Höhe dieser Sonderzahlung auch Anspruch auf Insolvenzgeld (vgl. BSG-Urteil vom 7. September 1988 SozR 4100 § 141b Nr. 42).
Die Kostenentscheidung beruht folgt aus § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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