L 4 AL 21/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 60 AL 4956/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 21/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. November 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beru- fungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 01. Dezember 2002.

Die 1968 geborene Klägerin war nach Abschluss ihrer Ausbildung mit dem zweiten juristischen Staatsexamen im Februar 2001 vom 01. September 2001 bis zum 28. Februar 2002 (180 Tage) als Prüfassistentin in einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in P beschäftigt. Unter dem 21. April 2002 unterzeichneten sie und Rechtsanwalt S T in A einen Vertrag, nach dem die Klägerin nach Erhalt ihrer Zulassung ab dem 01. Mai 2002 als angestellte Rechtsanwältin in die Dienste von Rechtsanwalt T treten sollte. Der regelmäßige Dienstsitz sollte in A sein, die Klägerin ihren Wohnsitz dorthin verlegen. Als monatliches Bruttoarbeitsentgelt für eine Tätigkeit im Umfang von 40 Stunden pro Woche waren 2.500,00 EUR vereinbart. Mit Schreiben vom 03. Juni 2002 erkundigte sich die weiterhin in B lebende Klägerin bei Rechtsanwalt T nach einem genauen Zeitpunkt zur Aufnahme ihrer Arbeit, nachdem der Arbeitsvertrag bereits seit dem 01. Mai 2002 bestehe. Unter dem 03. Juli 2002 mahnte sie bei Rechtsanwalt T ihr ausstehendes Gehalt an. Mit Schreiben vom 07. Juli 2002 kündigte sie den Arbeitsvertrag fristlos, da das Arbeitsverhältnis trotz Aufforderung weder in Vollzug gesetzt worden noch eine Gehaltszahlung erfolgt sei. Rechtsanwalt T kündigte das Arbeitsverhältnis umgekehrt mit Schreiben vom 09. August 2002 fristlos. Im Folgenden arbeitete die Klägerin vom 08. Juli 2002 bis zum 30. November 2002 (146 Tage) als Service-Aushilfe in einem Hotel.

Am 14. November 2002 meldete die Klägerin sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 08. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2003 ab, da die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist die Anwartschaft nicht erfüllt habe. Auch stehe ihr kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe zu, da sie innerhalb der Vorfrist von einem Jahr kein Arbeitslosengeld bezogen habe. Hiergegen hat die Klägerin am 26. September 2003 beim Sozialgericht Berlin Klage zum Aktenzeichen S 60 AL 4956/03 erhoben.

Am 11. November 2003 meldete die Klägerin sich erneut arbeitslos und beantragte wiederum die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Arbeitslosengeld bzw. –hilfe mit Bescheid vom 11. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Januar 2004 aus den Gründen ab, die bereits im ersten Antrag zur Ablehnung geführt hatten. Hiergegen hat die Klägerin am 04. Februar 2004 Klage beim Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 64 AL 567/04 erhoben. Das Sozialgericht Berlin hat beide Verfahren mit Beschluss vom 30. März 2004 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Zur Begründung ihrer Klagen hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie entgegen der Auffassung der Beklagten die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 01. Dezember 2002 erfülle. Die Beschäftigung bei Rechtsanwalt T vom 01. Mai bis zum 06. September 2002 sei einzubeziehen. Es habe sich hierbei nicht nur um ein Arbeits-, sondern um ein Beschäftigungsverhältnis gehandelt, das lediglich durch das Verhalten von Rechtsanwalt T nicht in Vollzug gesetzt worden sei. Zwar habe sie eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in A zunächst nicht angestrebt, weil sie sonst zunächst ihren Wohnsitz dorthin hätte verlegen müssen, ihr aber das Geld für einen Umzug gefehlt habe. Allerdings habe sie in telefonischem Kontakt mit Rechtsanwalt T gestanden und auch bei ihm angefragt, wann es ihm am besten passe, dass sie ihren Wohnsitz nach A verlege. Auch sei sie für ihn schon tätig gewesen, indem sie in der Universität in B einige Sachen für ihn nachgesehen habe, die er ihr telefonisch aufgegeben habe. Viel sei dies allerdings nicht gewesen. Im Übrigen seien Rechtsanwalt T im arbeitsgerichtlichen Verfahren Schreiben nicht mehr zustellbar gewesen. Inzwischen habe sie Strafanzeige wegen Eingehungsbetruges gegen ihn erstattet.

Das Sozialgericht Berlin hat die Klage nach Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 04. November 2004 mit Urteil vom selben Tage gestützt auf §§ 117 Abs. 1, 123 Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) abgewiesen. Die Klägerin erfülle die Anwartschaftszeit in der maßgeblichen Rahmenfrist vom 01. Dezember 1999 bis zum 30. November 2002 nicht. Sie habe in diesem Zeitraum nicht mindestens zwölf Monate in Versicherungspflichtverhältnissen gestanden. Sie sei vielmehr nur in der Zeit vom 01. September 2001 bis zum 28. Februar 2002 (180 Tage) sowie vom 08. Juli bis zum 30. November 2002 (146 Tage), insgesamt mithin an 326 Tagen versicherungspflichtig im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III gewesen. Hingegen habe die Klägerin in der Zeit vom 01. Mai bis zum 07. Juli 2002 nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Zwar liege formal ein Arbeitsverhältnis aufgrund des Arbeitsvertrages vom 21. April 2002 vor. Dieses Arbeitsverhältnis stelle sich jedoch als "leere Hülse" dar, die den Anforderungen an ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht entspreche. Ein Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne sei trotz eines rechtlich bestehenden Arbeitsverhältnisses und unabhängig von der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers dann nicht gegeben, wenn die Arbeitsleistung tatsächlich nicht erbracht werde, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichte. Für das Beschäftigungsverhältnis sei die Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers und die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsausführung kennzeichnend. Wie die Klägerin aber selbst dargelegt habe, sei sie zu dem Schluss gekommen, dass der Rechtsanwalt sie tatsächlich von Anfang an gar nicht habe beschäftigen wollen. Dementsprechend habe er sie bei den telefonischen Kontakten hingehalten und einen Beginn der tatsächlichen Arbeitsaufnahme auch nicht mitgeteilt. In Erfüllung des Arbeitsvertrages habe die Klägerin daher auch keine Arbeit erbracht. Auch selbst habe sie die Voraussetzungen hierfür nicht geschaffen, indem sie weder dem Vertrag entsprechend nach A umgezogen sei noch dort ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft betrieben habe. Dass die Klägerin in B in der Universität einige Sachen für den Rechtsanwalt nachgesehen habe, die er ihr aufgegeben habe, könne hieran nichts ändern. Dies habe nach den Angaben der Klägerin nur geringen Umfang gehabt; Nachweise hierüber lägen nicht vor. Im Übrigen würde es sich hierbei auch nicht um die Invollzugsetzung des geplanten Beschäftigungsverhältnisses als Rechtsanwältin in A handeln. Es gehe hierbei vielmehr um Gefälligkeiten im Vorfeld eines Arbeitsverhältnisses, die die Klägerin für den Rechtsanwalt ausgeführt habe.

Gegen dieses ihr am 15. Dezember 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. Januar 2005 eingelegte Berufung der Klägerin, die trotz wiederholter Aufforderungen nicht begründet wurde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. November 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 08. Mai und 11. November 2003 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 19. August 2003 bzw. 07. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 01. Dezember 2002 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsakten der Beklagten zur Kundennummer sowie die Akten des Arbeitsgerichts A zum Aktenzeichen 6a Ca 2628/03 verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

II.

Der Senat konnte nach erfolgter vorheriger Anhörung der Beteiligten über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Anlass zu weiterem Zuwarten bestand nicht. Die Klägerin mag – wie sie behauptet - auf der Suche nach Arbeit sowie einem geeigneten Therapeuten sein und sich an eine erhöhte Medikamentendosis gewöhnen müssen. Dass all dies sie als Juristin daran hindern sollte, entweder selbst eine Berufungsbegründung zu verfassen oder eine Person ihres Vertrauens damit zu beauftragen, ist jedoch nicht ersichtlich, geschweige denn nachgewiesen.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das erstinstanzliche Urteil bewertet die Sach- und Rechtslage zutreffend. Die Bescheide der Beklagten vom 08. Mai und 11. November 2003 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 19. August 2003 bzw. 07. Januar 2004 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 01. Dezember 2002. Der Senat nimmt insoweit nach eigener Prüfung auf die überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weitergehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG), zumal mangels Berufungsbegründung keine neuen Erkenntnisse vorliegen. Lediglich ergänzend sei noch einmal hervorgehoben, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 186 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (vgl. Nachweise bei Wissing in PK-SGB III, 2. Aufl., § 24 Rn. 8), auf die für die Frage, wann ein Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte nach § 24 Abs. 2 SGB III beginnt, zurückgegriffen werden kann, für den Eintritt in die versicherungspflichtige Beschäftigung in der Regel der Tag der tatsächlichen Aufnahme der Arbeit, nicht aber der arbeitsvertraglich für die Arbeitsaufnahme vereinbarte Tag maßgebend ist. Soweit weitergehend teilweise Situationen als zum Beginn der Versicherungspflicht führend anerkannt worden sind, die im weitesten Sinne nur als Vorstufe oder Teil der Arbeitsaufnahme anzusehen sind, war diesen stets gemein, dass sich der Arbeitnehmer bereits dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterworfen und dieser dieses auch ausgeübt hatte. Dies aber war vorliegend – wie das Sozialgericht Berlin überzeugend ausgeführt hat – bei der weiterhin in B lebenden Klägerin, die sich noch nicht um eine Zulassung als Rechtsanwältin in A bemüht hatte, nicht der Fall. Auch hat Rechtsanwalt T hier nach den Schilderungen der Klägerin von seinem Direktionsrecht gerade keinen Gebrauch gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
Saved