Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 50 SO 583/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 B 406/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 15. Dezember 2005, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), ist zwar zulässig (§§ 172, 173 SGG), aber unbegründet.
Der Antragsteller hat im einstweiligen Anordnungsverfahren keinen Anspruch auf Übernahme des ungedeckten Teils der ambulanten Rund-um-die-Uhr-Betreuungskosten durch den Antragsgegner im Falle einer Unterbringung in einer Privatwohnung statt einer stationären Einrichtung.
Gemäß § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 (einstweiliger Rechtsschutz bei Anfechtungsklagen) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).
Es bestehen Zweifel, ob der Antragsgegner für die Entscheidung über eine Leistungsgewährung zum Zwecke einer Wohnungsnahme in Hamburg zuständig ist. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ist der Träger für die Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Für die stationäre Leistung ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten (Abs. 2 Satz 1). Ausnahmen hiervon gibt es u.a. bei Eilsachen (Abs. 2 Satz 3). Nach Abs. 5 der genannten Regelung bleibt der Träger der Sozialhilfe für die Leistungen an Personen, die Leistungen in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeit erhalten, örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt örtlich zuständig war. Der Senat brauchte im einstweiligen Anordnungsverfahren diesen Zweifeln – insbesondere, ob die angestrebte Anmietung einer eigenen Wohnung mit Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst eine Form ambulanter betreuter Wohnmöglichkeit darstellt - nicht nachzugehen. Der Antragsgegner hat seine eigene Zuständigkeit bisher angenommen. Angesichts der Dringlichkeit der Eilentscheidung hat der Senat von der Beiladung eines weiteren Sozialhilfeträgers abgesehen.
Vorliegend fehlt es – unabhängig von der Frage eines Anordnungsgrundes - an einem Anordnungsanspruch. Im Hinblick auf die besondere Situation des Antragsstellers und in Anbracht dessen, dass hier eine grundrechtsrelevante Frage letztlich unter (weitgehender) Vorwegnahme der Hauptsache zu entscheiden ist, hat der Senat sich entsprechend den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (vgl. 19.3.04 – 1 BvR 131/04, NJW 2004, 3100) nicht auf die rein summarische Prüfung beschränkt, sondern die Sach- und Rechtslage eingehend geprüft.
Im Rahmen der gemäß §§ 61ff SGB XII gewährten Hilfe zur Pflege ist der Antragsgegner nicht verpflichtet, ambulante Leistungen statt stationärer Leistungen zu erbringen. Ambulante Leistungen sind deswegen nicht vorrangig im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 3 iVm 4 SGB XII, weil dem Antragsteller die weitere Unterbringung in einer stationären Einrichtung zumutbar und darüber hinaus auch die Erbringung ambulanter Leistungen mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht insoweit Bezug auf die zutreffende Begründung des sozialgerichtlichen Beschlusses (§ 142 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Der Vortrag des Antragsstellers im Beschwerdeverfahren führt zu keiner anderen Entscheidung.
Soweit der Antragsteller geltend macht, er müsse Todesängste ausstehen, weil in einem Notfall nicht sichergestellt sei, dass ihm rechtzeitig geholfen würde, sind diese Ängste jedenfalls inzwischen nicht mehr begründet. Sowohl das Beatmungsgerät als auch das Pulsmessgerät geben akustische Signale, wenn bestimmte Messwerte erreicht sind, und stellen so unabhängig von den Möglichkeiten des Antragstellers, auf sich aufmerksam zu machen, sicher, dass das Pflegepersonal eingreift. Das Gericht hat keinen Anlass an dem Vortrag des Heimes zu zweifeln, wonach im Falle einer Warnmeldung eines dieser Geräte sofort reagiert wird. Des Weiteren verfügt der Antragsteller über eine Sensorklingel, die er ausreichend bedienen kann und die inzwischen auch durch ein Klettband gegen Verrutschen gesichert ist. Daher ist die Möglichkeit, bei Bedarf Hilfe zu rufen, gewährleistet. Eine kurze Wartezeit bis zum Erscheinen einer Pflegekraft, die dadurch entsteht, dass diese u.U. eine angefangene Pflegetätigkeit für einen anderen Patienten zuende führt, ist zumutbar.
Auch die Möglichkeit des Antragstellers, sein Grundbedürfnis nach Kontakt und Kommunikation zu erfüllen, wird durch die stationäre Unterbringung nicht unzumutbar eingeschränkt. Er kann sich der Möglichkeit, fernzusehen, praktisch frei bedienen. Lediglich aufgrund des Umstandes, dass er das Gerät nicht selbst ein-, aus- und umschalten kann, bedarf er der Hilfe, die ihm – wenn auch mit kleinen Wartezeiten – vollständig gewährt wird. Ebenso unbehindert wäre es ihm möglich, die fehlende Fähigkeit des Lesens durch den Gebrauch von Hörbüchern zu ersetzten, die heutzutage in beachtlichem Umfang schon in öffentlichen Bibliotheken zur Verfügung stehen. Daneben bieten verschiedene Verbände, die sich – wie z.B. Blindenverbände – an behinderte und kranke Menschen wenden, vielfältige Möglichkeiten für geistige Anregung und Auseinandersetzung. Dies nutzt der Antragsteller bisher offenbar nicht. Insoweit wäre er allerdings darauf angewiesen, von Freunden und Verwandten entsprechende Kassetten oder CDs mitgebracht zu bekommen, sofern das Heim ein solches Angebot nicht zur Verfügung stellen kann. Das Heim bietet dem Antragssteller nach dessen eigenem Vortrag zwei Stunden wöchentlich die Möglichkeit, den Aufenthaltsort über eine Verbringung in einen Rollstuhl frei zu wählen und sich so beispielsweise im Freien aufzuhalten. Diese Möglichkeit des Wechsels des Aufenthaltsorts dürfte in der angestrebten Unterbringung in eigener Wohnung entfallen, da die Anwesenheit nur einer Pflegekraft geplant ist, das Hineinsetzen in den Rollstuhl nach Angaben des Antragstellers aber des Einsatzes von zwei bis vier Personen bedarf. Vom Heim wird weiter eine halbe Stunde wöchentlich eine persönliche Betreuung zur Verfügung gestellt. Vor allem kann der Antragsteller uneingeschränkt Besuche jeder Art empfangen und die Zeit mit diesen ungestört verbringen. Wie er selbst vorträgt, ist er im Besitz eines Sprachcomputers, mit dem er sich verständigen könnte. Soweit er geltend macht, das Heim habe keine Kapazitäten, ihn in die Bedienung des Computers einzuweisen, ist dies nicht Gegenstand dieses Verfahrens, und im Übrigen wäre für eine Einweisung in die Bedienung eines komplexen technischen Geräts am ehesten die Firma zuständig, bei der das Gerät gekauft wurde. Die Behauptung, dem Antragsteller würde keine Hilfe geleistet bei einem eventuellen Anlegen der für die Nutzung des Computers erforderlichen Vorrichtung am Kopf, ist durch nichts belegt. Ob der vorhandene Sprachcomputer über die reine Verständigung hinaus noch weitere Möglichkeiten des Kontaktes mit der Außenwelt bietet (z. B. Telefonieren), trägt der Antragsteller nicht vor. Aufgrund der dargelegten Möglichkeiten ist der 1937 geborene Antragsteller – insbesondere verglichen mit Personen dieses Alters – in seinen Kommunikationsmöglichkeiten nicht unzumutbar eingeschränkt. Dabei soll nicht verkannt werden, dass die vom Antragsteller angestrebte Rund-um-die-Uhr-Versorgung in einer eigenen Wohnung ihm eine (bezahlte) persönliche Ansprache praktisch jederzeit bieten würde. Dieser Gesichtspunkt hat jedoch außer Acht zu bleiben, weil er nicht verlangen kann, besser gestellt zu werden als jemand, der ohne Sozialhilfeleistungen alleine lebt.
Aus der Bescheinigung des behandelnden Neurologen/Psychiaters Dr. H. ist nicht zu entnehmen, dass die vorliegende schwere Muskelerkrankung oder die dadurch bedingten Lebensumstände beim Antragsteller eine psychische Erkrankung ausgelöst hätten. Insbesondere wird die vom Antragsteller behauptete Depression nicht erwähnt. Aber selbst, wenn eine behandlungsbedürftige Depression vorliegen würde, dürfte der Grund dafür in erster Linie in der Krankheit selbst liegen und sie wäre – soweit es die Erkrankung zulässt - mit den Mitteln des neurologisch-psychiatrischen Fachgebietes ärztlich zu behandeln. Ein Anspruch auf Änderung der Lebensumstände könnte hierauf nicht gestützt werden. Die Annahme, dass das persönliche Wohlfühlen Auswirkung auf einen Krankheitsverlauf hat, mag durchaus gerechtfertigt sein, aber auf die Umsetzung persönlicher Wünsche besteht dann kein Anspruch, wenn sie mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sind (vgl. hierzu unten). Soweit Dr. H. eine günstige Beeinflussung des seelischen Befindens des Antragstellers durch eine Rückkehr "in den Familienmittelpunkt seiner engsten Angehörigen" prognostiziert, ist unklar, ob er diese Wirkung mit der geplanten Anmietung einer (neuen) eigenen Wohnung des Antragstellers verknüpft oder ob er davon ausgeht, der Antragsteller wolle (wie hier jedoch nicht beantragt) zu einem Familienmitglied ziehen.
Die Unterbringung in einem anderen Heim als dem jetzigen, welche nach dem Vortrag des Antragstellers unmittelbar zu erwarten ist, begründet ebenfalls nicht die Unzumutbarkeit der stationären Unterbringung. Dabei kann unentschieden bleiben, ob sich jemand überhaupt auf die Unzumutbarkeit einer Unterbringung in einem anderen als dem bisherigen Heim berufen kann, wenn ihn ein Eigenverschulden an der Kündigung durch das Heim trifft, weil er bzw. seine Betreuerin – wie der Gesprächsvermerk vom 6.1.2006 ausweist – darauf beharrt, es würden Pflege- und Sicherheitsmängel den Aufenthalt im Heim unzumutbar machen, die, soweit sie in der Vergangenheit vorgelegen haben mögen, abgestellt wurden und für die es jedenfalls aktuell keinen Anhalt gibt. Denn auch unabhängig von diesem Gesichtspunkt ist die Unterbringung in einem anderen Heim, insbesondere dem Seniorenzentrum H1, zumutbar. Dabei geht der Senat davon aus (und der Antragsteller trägt nichts vor, was dem widerspricht), dass die Bedingungen der stationären Versorgung für den Antragsteller in einem anderen Heim vergleichbar mit der jetzigen Unterbringung sind. Die als Grund für eine Unzumutbarkeit der Unterbringung geltend gemachte weitere räumliche Entfernung als zu der jetzigen Einrichtung, führt zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass der Antragsteller nicht vorträgt, wie oft er jetzt Besuch bekommt, von wo dieser Besuch jeweils anreist und in welchem Umfang Besuche aufgrund der Entfernung überhaupt unterbleiben würden, macht unter den großstädtisch günstigen Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr ein etwas verlängerter Anfahrtsweg die Unterbringung nicht unzumutbar. Bezogen auf die Tochter des Antragstellers würde sich deren Fahrzeit ab ihrer Wohnung mit öffentlichen Verkehrsmitteln von bisher 1,07 Stunden (Busse 277 und 26) um knappe 10 Minuten pro Weg auf 1,16 Stunden (U1, S21 und S3) verlängern. Ein etwas weiterer Anfahrtsweg als der bisherige ist insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt zumutbar, dass der Antragsteller alternativ nicht beabsichtigt, mit einem Mitglied seiner Familie oder seines Freundeskreises zusammenzuziehen, so dass eine gewisse räumliche Entfernung in jedem Fall auch bei Verwirklichung seines Wohnwunsches verbleibt.
Der Wunsch, Zuhause zu sterben, ist sicherlich nachvollziehbar. Im Falle des Antragstellers ist jedoch zu berücksichtigen, dass er sein "Zuhause" bereits vor Jahren aufgelöst hat und jetzt keine Rückkehr in eine gewohnte und vertraute Umgebung anstrebt, sondern sich lediglich über eine neue Wohnung einen privaten Raum schaffen will. Dabei wird nicht deutlich, welcher relevante Vorteil gegenüber der von dem Antragsgegner schon angeregten Unterbringung in einem Hospiz, das häufig über eine wesentlich privatere Atmosphäre als ein Pflegeheim verfügt, bestehen soll. Die Unzumutbarkeit einer stationären Unterbringung lässt sich hiermit ebenfalls nicht begründen.
Die bestehende (noch befristete) Zusage der Kranken- und Pflegeversicherung, auch Anteile der Kosten im Falle einer ambulanten Versorgung zu übernehmen, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens. In den einzelnen Bereichen des Sozialleistungsrechts sind die Voraussetzungen für eine Leistung unterschiedlich geregelt. Das rechtfertigt sich aus den Besonderheiten der jeweiligen Rechtsgebiete. Daher kann die Gewährung einer Kostenbeteiligung durch einen anderen Leistungsträger keinen Anspruch gegen den Antragsgegner begründen. Im Übrigen ist hier nicht überprüfbar, ob die dortige Leistungsgewährung zu Recht erfolgt ist.
Der Beurteilung der Mehrkosten als unverhältnismäßig durch das Sozialgericht schließt sich der Senat an und weist im Übrigen darauf hin, dass in die Berechnung die gesamten Mehrkosten einzustellen sind. Es sind also auch die Kosten der Wohnung selbst, die hier gesondert angemietet werden soll, sowie der persönliche und hauswirtschaftliche Bedarf des Antragstellers zusätzlich zu berücksichtigen. Dadurch ist der Mehrkostenanteil sogar noch höher als bisher angenommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 15. Dezember 2005, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), ist zwar zulässig (§§ 172, 173 SGG), aber unbegründet.
Der Antragsteller hat im einstweiligen Anordnungsverfahren keinen Anspruch auf Übernahme des ungedeckten Teils der ambulanten Rund-um-die-Uhr-Betreuungskosten durch den Antragsgegner im Falle einer Unterbringung in einer Privatwohnung statt einer stationären Einrichtung.
Gemäß § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 (einstweiliger Rechtsschutz bei Anfechtungsklagen) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).
Es bestehen Zweifel, ob der Antragsgegner für die Entscheidung über eine Leistungsgewährung zum Zwecke einer Wohnungsnahme in Hamburg zuständig ist. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ist der Träger für die Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Für die stationäre Leistung ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten (Abs. 2 Satz 1). Ausnahmen hiervon gibt es u.a. bei Eilsachen (Abs. 2 Satz 3). Nach Abs. 5 der genannten Regelung bleibt der Träger der Sozialhilfe für die Leistungen an Personen, die Leistungen in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeit erhalten, örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt örtlich zuständig war. Der Senat brauchte im einstweiligen Anordnungsverfahren diesen Zweifeln – insbesondere, ob die angestrebte Anmietung einer eigenen Wohnung mit Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst eine Form ambulanter betreuter Wohnmöglichkeit darstellt - nicht nachzugehen. Der Antragsgegner hat seine eigene Zuständigkeit bisher angenommen. Angesichts der Dringlichkeit der Eilentscheidung hat der Senat von der Beiladung eines weiteren Sozialhilfeträgers abgesehen.
Vorliegend fehlt es – unabhängig von der Frage eines Anordnungsgrundes - an einem Anordnungsanspruch. Im Hinblick auf die besondere Situation des Antragsstellers und in Anbracht dessen, dass hier eine grundrechtsrelevante Frage letztlich unter (weitgehender) Vorwegnahme der Hauptsache zu entscheiden ist, hat der Senat sich entsprechend den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (vgl. 19.3.04 – 1 BvR 131/04, NJW 2004, 3100) nicht auf die rein summarische Prüfung beschränkt, sondern die Sach- und Rechtslage eingehend geprüft.
Im Rahmen der gemäß §§ 61ff SGB XII gewährten Hilfe zur Pflege ist der Antragsgegner nicht verpflichtet, ambulante Leistungen statt stationärer Leistungen zu erbringen. Ambulante Leistungen sind deswegen nicht vorrangig im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 3 iVm 4 SGB XII, weil dem Antragsteller die weitere Unterbringung in einer stationären Einrichtung zumutbar und darüber hinaus auch die Erbringung ambulanter Leistungen mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht insoweit Bezug auf die zutreffende Begründung des sozialgerichtlichen Beschlusses (§ 142 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Der Vortrag des Antragsstellers im Beschwerdeverfahren führt zu keiner anderen Entscheidung.
Soweit der Antragsteller geltend macht, er müsse Todesängste ausstehen, weil in einem Notfall nicht sichergestellt sei, dass ihm rechtzeitig geholfen würde, sind diese Ängste jedenfalls inzwischen nicht mehr begründet. Sowohl das Beatmungsgerät als auch das Pulsmessgerät geben akustische Signale, wenn bestimmte Messwerte erreicht sind, und stellen so unabhängig von den Möglichkeiten des Antragstellers, auf sich aufmerksam zu machen, sicher, dass das Pflegepersonal eingreift. Das Gericht hat keinen Anlass an dem Vortrag des Heimes zu zweifeln, wonach im Falle einer Warnmeldung eines dieser Geräte sofort reagiert wird. Des Weiteren verfügt der Antragsteller über eine Sensorklingel, die er ausreichend bedienen kann und die inzwischen auch durch ein Klettband gegen Verrutschen gesichert ist. Daher ist die Möglichkeit, bei Bedarf Hilfe zu rufen, gewährleistet. Eine kurze Wartezeit bis zum Erscheinen einer Pflegekraft, die dadurch entsteht, dass diese u.U. eine angefangene Pflegetätigkeit für einen anderen Patienten zuende führt, ist zumutbar.
Auch die Möglichkeit des Antragstellers, sein Grundbedürfnis nach Kontakt und Kommunikation zu erfüllen, wird durch die stationäre Unterbringung nicht unzumutbar eingeschränkt. Er kann sich der Möglichkeit, fernzusehen, praktisch frei bedienen. Lediglich aufgrund des Umstandes, dass er das Gerät nicht selbst ein-, aus- und umschalten kann, bedarf er der Hilfe, die ihm – wenn auch mit kleinen Wartezeiten – vollständig gewährt wird. Ebenso unbehindert wäre es ihm möglich, die fehlende Fähigkeit des Lesens durch den Gebrauch von Hörbüchern zu ersetzten, die heutzutage in beachtlichem Umfang schon in öffentlichen Bibliotheken zur Verfügung stehen. Daneben bieten verschiedene Verbände, die sich – wie z.B. Blindenverbände – an behinderte und kranke Menschen wenden, vielfältige Möglichkeiten für geistige Anregung und Auseinandersetzung. Dies nutzt der Antragsteller bisher offenbar nicht. Insoweit wäre er allerdings darauf angewiesen, von Freunden und Verwandten entsprechende Kassetten oder CDs mitgebracht zu bekommen, sofern das Heim ein solches Angebot nicht zur Verfügung stellen kann. Das Heim bietet dem Antragssteller nach dessen eigenem Vortrag zwei Stunden wöchentlich die Möglichkeit, den Aufenthaltsort über eine Verbringung in einen Rollstuhl frei zu wählen und sich so beispielsweise im Freien aufzuhalten. Diese Möglichkeit des Wechsels des Aufenthaltsorts dürfte in der angestrebten Unterbringung in eigener Wohnung entfallen, da die Anwesenheit nur einer Pflegekraft geplant ist, das Hineinsetzen in den Rollstuhl nach Angaben des Antragstellers aber des Einsatzes von zwei bis vier Personen bedarf. Vom Heim wird weiter eine halbe Stunde wöchentlich eine persönliche Betreuung zur Verfügung gestellt. Vor allem kann der Antragsteller uneingeschränkt Besuche jeder Art empfangen und die Zeit mit diesen ungestört verbringen. Wie er selbst vorträgt, ist er im Besitz eines Sprachcomputers, mit dem er sich verständigen könnte. Soweit er geltend macht, das Heim habe keine Kapazitäten, ihn in die Bedienung des Computers einzuweisen, ist dies nicht Gegenstand dieses Verfahrens, und im Übrigen wäre für eine Einweisung in die Bedienung eines komplexen technischen Geräts am ehesten die Firma zuständig, bei der das Gerät gekauft wurde. Die Behauptung, dem Antragsteller würde keine Hilfe geleistet bei einem eventuellen Anlegen der für die Nutzung des Computers erforderlichen Vorrichtung am Kopf, ist durch nichts belegt. Ob der vorhandene Sprachcomputer über die reine Verständigung hinaus noch weitere Möglichkeiten des Kontaktes mit der Außenwelt bietet (z. B. Telefonieren), trägt der Antragsteller nicht vor. Aufgrund der dargelegten Möglichkeiten ist der 1937 geborene Antragsteller – insbesondere verglichen mit Personen dieses Alters – in seinen Kommunikationsmöglichkeiten nicht unzumutbar eingeschränkt. Dabei soll nicht verkannt werden, dass die vom Antragsteller angestrebte Rund-um-die-Uhr-Versorgung in einer eigenen Wohnung ihm eine (bezahlte) persönliche Ansprache praktisch jederzeit bieten würde. Dieser Gesichtspunkt hat jedoch außer Acht zu bleiben, weil er nicht verlangen kann, besser gestellt zu werden als jemand, der ohne Sozialhilfeleistungen alleine lebt.
Aus der Bescheinigung des behandelnden Neurologen/Psychiaters Dr. H. ist nicht zu entnehmen, dass die vorliegende schwere Muskelerkrankung oder die dadurch bedingten Lebensumstände beim Antragsteller eine psychische Erkrankung ausgelöst hätten. Insbesondere wird die vom Antragsteller behauptete Depression nicht erwähnt. Aber selbst, wenn eine behandlungsbedürftige Depression vorliegen würde, dürfte der Grund dafür in erster Linie in der Krankheit selbst liegen und sie wäre – soweit es die Erkrankung zulässt - mit den Mitteln des neurologisch-psychiatrischen Fachgebietes ärztlich zu behandeln. Ein Anspruch auf Änderung der Lebensumstände könnte hierauf nicht gestützt werden. Die Annahme, dass das persönliche Wohlfühlen Auswirkung auf einen Krankheitsverlauf hat, mag durchaus gerechtfertigt sein, aber auf die Umsetzung persönlicher Wünsche besteht dann kein Anspruch, wenn sie mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sind (vgl. hierzu unten). Soweit Dr. H. eine günstige Beeinflussung des seelischen Befindens des Antragstellers durch eine Rückkehr "in den Familienmittelpunkt seiner engsten Angehörigen" prognostiziert, ist unklar, ob er diese Wirkung mit der geplanten Anmietung einer (neuen) eigenen Wohnung des Antragstellers verknüpft oder ob er davon ausgeht, der Antragsteller wolle (wie hier jedoch nicht beantragt) zu einem Familienmitglied ziehen.
Die Unterbringung in einem anderen Heim als dem jetzigen, welche nach dem Vortrag des Antragstellers unmittelbar zu erwarten ist, begründet ebenfalls nicht die Unzumutbarkeit der stationären Unterbringung. Dabei kann unentschieden bleiben, ob sich jemand überhaupt auf die Unzumutbarkeit einer Unterbringung in einem anderen als dem bisherigen Heim berufen kann, wenn ihn ein Eigenverschulden an der Kündigung durch das Heim trifft, weil er bzw. seine Betreuerin – wie der Gesprächsvermerk vom 6.1.2006 ausweist – darauf beharrt, es würden Pflege- und Sicherheitsmängel den Aufenthalt im Heim unzumutbar machen, die, soweit sie in der Vergangenheit vorgelegen haben mögen, abgestellt wurden und für die es jedenfalls aktuell keinen Anhalt gibt. Denn auch unabhängig von diesem Gesichtspunkt ist die Unterbringung in einem anderen Heim, insbesondere dem Seniorenzentrum H1, zumutbar. Dabei geht der Senat davon aus (und der Antragsteller trägt nichts vor, was dem widerspricht), dass die Bedingungen der stationären Versorgung für den Antragsteller in einem anderen Heim vergleichbar mit der jetzigen Unterbringung sind. Die als Grund für eine Unzumutbarkeit der Unterbringung geltend gemachte weitere räumliche Entfernung als zu der jetzigen Einrichtung, führt zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass der Antragsteller nicht vorträgt, wie oft er jetzt Besuch bekommt, von wo dieser Besuch jeweils anreist und in welchem Umfang Besuche aufgrund der Entfernung überhaupt unterbleiben würden, macht unter den großstädtisch günstigen Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr ein etwas verlängerter Anfahrtsweg die Unterbringung nicht unzumutbar. Bezogen auf die Tochter des Antragstellers würde sich deren Fahrzeit ab ihrer Wohnung mit öffentlichen Verkehrsmitteln von bisher 1,07 Stunden (Busse 277 und 26) um knappe 10 Minuten pro Weg auf 1,16 Stunden (U1, S21 und S3) verlängern. Ein etwas weiterer Anfahrtsweg als der bisherige ist insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt zumutbar, dass der Antragsteller alternativ nicht beabsichtigt, mit einem Mitglied seiner Familie oder seines Freundeskreises zusammenzuziehen, so dass eine gewisse räumliche Entfernung in jedem Fall auch bei Verwirklichung seines Wohnwunsches verbleibt.
Der Wunsch, Zuhause zu sterben, ist sicherlich nachvollziehbar. Im Falle des Antragstellers ist jedoch zu berücksichtigen, dass er sein "Zuhause" bereits vor Jahren aufgelöst hat und jetzt keine Rückkehr in eine gewohnte und vertraute Umgebung anstrebt, sondern sich lediglich über eine neue Wohnung einen privaten Raum schaffen will. Dabei wird nicht deutlich, welcher relevante Vorteil gegenüber der von dem Antragsgegner schon angeregten Unterbringung in einem Hospiz, das häufig über eine wesentlich privatere Atmosphäre als ein Pflegeheim verfügt, bestehen soll. Die Unzumutbarkeit einer stationären Unterbringung lässt sich hiermit ebenfalls nicht begründen.
Die bestehende (noch befristete) Zusage der Kranken- und Pflegeversicherung, auch Anteile der Kosten im Falle einer ambulanten Versorgung zu übernehmen, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens. In den einzelnen Bereichen des Sozialleistungsrechts sind die Voraussetzungen für eine Leistung unterschiedlich geregelt. Das rechtfertigt sich aus den Besonderheiten der jeweiligen Rechtsgebiete. Daher kann die Gewährung einer Kostenbeteiligung durch einen anderen Leistungsträger keinen Anspruch gegen den Antragsgegner begründen. Im Übrigen ist hier nicht überprüfbar, ob die dortige Leistungsgewährung zu Recht erfolgt ist.
Der Beurteilung der Mehrkosten als unverhältnismäßig durch das Sozialgericht schließt sich der Senat an und weist im Übrigen darauf hin, dass in die Berechnung die gesamten Mehrkosten einzustellen sind. Es sind also auch die Kosten der Wohnung selbst, die hier gesondert angemietet werden soll, sowie der persönliche und hauswirtschaftliche Bedarf des Antragstellers zusätzlich zu berücksichtigen. Dadurch ist der Mehrkostenanteil sogar noch höher als bisher angenommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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